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BEITRÄGE:

  • AutorenbildChristoph Lorenz

Erdling - Eisfabrik - Unzucht (2020)


Erdling - Yggdrasil (2020)

Genre: Metal / Alternative

Release: 10.01.2020

Label: Out Of Line (rough trade)

Spielzeit: 39 Minuten

Fazit:

Der „Erdling“ und der Weltenbaum - das ist nicht nur dem Namen nach eine untrennbare Einheit. „Yggdrasil“ war vom ersten Tag an Teil des Bandemblems. Nun hat die Band ihrer Inspiration ihr viertes und bislang härtestes Album gewidmet und sich dabei so nahe ans Feuer gewagt, wie nie zuvor. Vorsicht: Verbrennungsgefahr! „Erdling“ reizen ihr gesamtes Spektrum aus, betreten furchtlos neues Terrain - und bleiben doch ihren Stärken treu. Hymnen wie die erste Single „Wir Sind Midgard“ oder „Wölfe Der Nacht“ feat. Chris Pohl von „Blutengel“ klingen unverkennbar nach „Erdling“. Doch die Wurzeln des Weltenbaum sind dunkel: Dark-Metal Songs wie „Grendel“ oder „Im Namen Der Krähe“ feat. Robse Dahn von „Equilibrium“ zeigen die Band von einer finsteren, wilden und heidnischen Seite. Das gilt auch für das brilliant in Szene gesetzte Artwork, auf dem „Yggdrasil“ im Sturm sein Blätterkleid verliert. Frontmann und Songwriter Neill sagt dazu: "Viele Dinge werden in unserer Wohlstandsgesellschaft verdrängt. Der Tod überrascht und verstört uns. Es ist Zeit für eine Rückbesinnung auf die Grundzyklen der Erde und des Lebens, in denen der Tod zum Dasein dazu gehört.“ „Yggdrasil“ erscheint am 10.01.2020 als digitaler Download, 2-CD-Digipak und streng limitierte Die-Hard-Holzbox über Out of Line Music. Diese enthält neben dem Digipak die exklusive Bonus-CD „2015-2020 - Die Demos“ mit unveröffentlichten Demo-Versionen. Doch auch die Weltenesche soll ihr Geschenk erhalten: Mit einem Tütchen Eschen-Saatgut können „Erdling“-Fans der Natur etwas zurückgeben und der Zerstörung der Erde einen Funken Hoffnung entgegenstellen. Ein Duftbaum überdeckt den Gestank der industrialisierten Welt mit dem Aroma des Waldes. Ein Recycling Kugelschreiber und ein handnummeriertes Echtheitszertifikat vervollständigen ein Box-Set, das mehr ist, als nur eine Verpackung - es ist Ausdruck eines Albums, das den Hörer zum aktiven Teil einer besseren Welt machen will.

„Die Welt verändert sich... Im Norden erlischt die Aurora, im Süden schmilzt das Eis. Der Baum des Lebens stirbt!“, verliest eine monotone Frauenstimme die apokalyptisch behafteten Zeilen des weitestgehend instrumental angelegten Intros „Hel“ und behauptet sich fortan gegen abgrundtief dunkle Elektronik, mächtig donnernde Trommeln und exotische Klänge, die schon wenig später in das eröffnende „Blizzard“ übergehen. Gnadenlos hart und ungemein schnell beugt sich die druckvoll arrangierte Instrumentierung unter einem unheimlichen Glockenspiel dem treibend galoppierender Takt, der die eisige Stimmung des zugrundeliegenden Textes sehr gut einfängt und trotz des archaisch hervorgebrachten Chorus keinerlei Eingängigkeit vermissen lässt. Mit Höchstgeschwindigkeit dem Ende entgegen! Mindestens ebenso viel packende Catchyness birgt danach die erste Single-Auskopplung „Wir Sind Midgard“, welche sich mit ihrer behände tänzelnden Synthie-Melodie und einer brutal hämmernden Saiten-Front rasend schnell im Ohr festsetzt und somit eindrucksvollen Hymnen-Charakter beweist. Auch das folgende „Hundert Welten“ spart mit einem nervös flirrenden Electro-Unterbau keineswegs an jenem Temposchub ein, sondern setzt stattdessen gar neue Maßstäbe. Der unnachgiebig powernde Song katapultiert sich sofort energiegeladen nach vorn, peitscht unbarmherzig, ja, geradezu hetzend voran, spielt dabei stets stilsicher und galant mit den tonalen Höhen und Tiefen, um sodann in einem ausgedehnten Gitarren-Solo zu münden. Das alles wirkt nicht nur enorm abwechslungsreich nach, sondern zudem ungemein feinfühlig austariert, wie sich kompromisslose Härte und plakative Melodiösität hier gegenseitig beflügelnd die perfekt ausgewogene Balance halten. Ebenfalls zuvor veröffentlicht wurde „Am Heiligen Hain“, dessen von organisch pulsierenden Synthie-Spitzen getragene Strophen sich tiefe Resignation und hoffnungsfrohen Überlebenstrieb teilen. Wie auch bei vielen Stücken auf diesem Album und seinem generellen Gesamtkontext, kann inhaltlich eine metaphorische Brücke zu den Geschehnissen der Gegenwart geschlagen werden, die nicht selten zum nachdenken anregt. Besonders hervorzuheben ist über die gesamte Spieldauer der schier beachtliche Facettenreichtum von Freiwalds markantem Organ, das gelungen mit seinen diversen Stimmlagen arbeitet und so immerzu stark zur allgemeinen Atmosphäre beiträgt. Zu 100% „Erdling“! „Im Namen Der Krähe“, welches sich vor dem mythologischen illustrierten Hintergrund der Tierquälerei annimmt, gesteht sich dann musikalisch aber nochmal eine krassere Wendung ein und driftet gar in finstere Dark-Metal-Gefilde ab: Der Sound ist durchweg bretthart und walzt mit einer wahren Armee aus knüppelnden Drums und harsch sägenden Riffs alles nieder! Als Unterstützung hat man sich doch tatsächlich niemand Geringeren ins Boot geholt, als Robert „Robse“ Dahn, den Kopf der bayerischen Metal-Institution „Equilibrium“ - Sehr cool! Aber es geht natürlich auch noch ganz anders: „Sturmfänger“ gestaltet sich anfangs etwa wunderbar zurückhaltend und berührt gerade durch elegischer Electro-Flächen und den punktgenauen Einsatz cineastischer Streicher, welche die einzelnen Zeilen hier gekonnt umschmeicheln, unglaublich intensiv. Ab dem Mittelteil steigert sich die Power-Ballade mit gehörig Aufschwung und kratzt dabei schon fast am Symphonic Metal. Ganz großes Gefühl und wahrscheinlich sogar einer der besten Mid-Tempo-Songs von „Erdling“ bis dato! Zwar keinesfalls schlecht, jedoch deutlich gewöhnlicher kommen dann „Blut Und Erde“ und „Grendel“ daher. Ein typischer Dampfhammer mit härteren Rock-Auswüchsen, der zudem dezente Folk-Spielereien und Growling-Einlagen einbringt, im Vergleich mit den bisherigen Stücken aber allenfalls solide, da zu vorhersehbar, ist. Einen ziemlich einschneidenden Kontrast im durchgängig schwermetallischen Klangbild markiert dann „Wölfe Der Nacht“ mit einem überraschenden Duettpartner, den sicher niemand so recht erwartet hätte: Chris Pohl von „Blutengel“. Die eingängige Nummer kommt merklich poppiger als der Rest daher und trumpft mit einer schönen, nicht zu überladenen Dark-Rock-Basis auf. Positiv zu vermerken auch, dass die Kooperation gesanglich nicht nur äußerst harmonisch aufgeht, sondern kein Part zu sehr in den Vordergrund gerät. Der stimmungsvolle Refrain setzt dem Ohrwurm-Faktor abschließend die Krone auf. Das Finale erfolgt durch den Titeltrack „Yggdrasil“, der wieder ohne Umschweife gehörig kesselt und sich im satten Klang präsentiert. Der feierliche Chorus zieht rasch mit und lädt zum gemeinsamen Singen ein, auch die nötige Epik wird nicht ausgespart. Ein fulminanter Abschluss nach Maß! Und das Resümee? Dass so verhältnismäßig kurz nach dem letzten Ableger schon ein Nachfolger auf dem Markt erscheint, ist eigentlich nur selten ein gutes Zeichen... Nicht so bei „Erdling“! Könnte manch böse Zunge den zugehörigen Pagan-Background dem Vorsatz anlasten, einem aktuellen Hype aufzuspringen zu wollen, so wird beim genaueren Hinhören umso deutlicher, warum jene Thematik in Kombination mit dem Bandnamen gewählt worden ist. Was auf dem Debüt „Aus Den Tiefen“ noch als grundsolide NDH-Kost zu verbuchen war, sich schon mit „Supernova“ im Kern andeutete und mit dem nur wenig mutigen „Dämon“ leider wieder etwas abflachte, findet auf dem vierten Album nun endgültig zusammen: „Yggdrasil“ ist laut, aggressiv, wütend, krachig, hochmelodisch und eingängig, doch zu keiner Zeit überladen oder unausgewogen! Anno 2020 entfachen die Bayern ein hochexplosives Inferno mit unglaublich viel Biss, der spür- und hörbar von Herzen kommt. „Yggdrasil“ ist ein Werk, das nur so vor Aufbruchstimmung und Weiterentwicklung des eigenen Schaffens sprüht. Die satte Produktion, die grandiosen Melodien und nicht zuletzt auch das hervorragende Songwriting bescheren eine bravourös reichhaltigen Stil-Mixtur, die nochmal den Fakt unterstreicht, endlich den eigenen Platz gefunden zu haben. Diese besondere Kreuzung der musikalischen Kernelemente gehört fraglos zum Besten, Frischesten und Rundesten, was das Genre in den letzten Jahren hervorgebracht hat - Volle Punktzahl!

Informationen:

http://www.erdling.band/

https://www.facebook.com/erdlingofficial/

 

Eisfabrik - Kryothermalmusik Aus Der Eisfabrik (2020)

Genre: Electro / Alternative

Release: 24.01.2020


Label: Repo Records (Alive)

Spielzeit: 54 Minuten

Fazit:

Mit der „Eisfabrik“ verhält es sich ähnlich wie mit der Area 51: Man weiß, dass sie existiert. Wir können sie sehen und auch hören, aber wissen wir, was in ihr vorgeht? Zumindest wurde uns das erste interne Memo zugespielt, von Y., einem haarigen Mitarbeiter, der unbenannt bleiben möchte. So kam es am 22.11.2019 zu einem heftigen „Rotationsausfall“ in der „Eisfabrik“. „Dieser Rotationsausfall kann nicht ohne Folgen bleiben und wird es auch nicht.“, erklärte uns der zottelige Mitarbeiter. „Nach diesem Vorfall programmierten sich die Maschinen neu, Eiskristalle begannen zu glühen und die Regenbogenkinder ließen es schneien.“, so Y., der in der Eisblockherstellung tätig ist. Y. weiter: „Mit der „Kryothermalmusik aus der Eisfabrik“ ist etwas ganz Neues entstanden, Harmonien und Klänge wurden miteinander verfroren, Tiefen und Energien sind zu einem eigenen Genre verschmolzen.“ Nicht nur Songs wie „Deeper And Deeper“, welcher auf ungewohnt düstere Weise das Album einleitet, „Lonely Like A Wolf“, „Too Late“, die über fünf Minuten lange Extended-Version von „And Nothing Turns“, der Club-Kracher „Journey Of Oblivion“ und das finale „White Sheet“ in einer „kryothermalen“ Endzeitfassung lassen deutlich erkennen, dass der funktionale Ausfall vom 22.11.2019 erfrischende Spuren hinterließ. Auch potentielle Hits wie „No Matter“, „We Don‘t Care“, welcher mit einer Akustikgitarre den typisch elektronischen Sound der Eisfabrikanten untermalt, „Grim Reaper“ oder „Opposites Collide“, das sich mit 140 Bassdrum-Tritten pro Minute von der härteren Seite der Band zeigt, weisen ungeahnte Klangwelten auf. Wie Y. uns bestätigt, folgt die Auslieferung des nun fünften „Eisfabrik“-Albums am 24.01.2020 über das Label RepoRecords während der „Kryothermalfeste“-Tour mit „Beyond Obsession“ und „Intent:Outtake“ als Support-Acts. Einen Vorgeschmack auf dieses Werk wird es auf jeden Fall schon vor der Album-Veröffentlichung mit ausgewählten Stücken während der Live-Shows geben.

Ein tiefes Dröhnen hallt in die endlos weite Leere. Undefinierbare, scheinbar maschinell erzeugte Geräusche strömen aus ihren mysteriösen Quellen aus, überall knarzt und ächzt es jetzt bedrohlich. Die Grundstimmung ist ungemein kühl. Schwer bohrende Synthie-Flächen bereiten unterschwellig die atmosphärisch dichte Basis, während eine engelsgleiche, nebulös klagende Frauenstimme zu vernehmen ist. Verquer perlende Sounds und dezente Piano-Einschübe verformen sich allmählich zu einem minimalistisch angelegten Beat, bis die vertraute Stimme von Mastermind Charly Barth-Rickfels plötzlich erklingt, welche die anfänglichen Zeilen beschwörend zu flüstern beginnt und dabei stets von wütend gefauchten Backing Vocals gespiegelt wird. Mit dem unheilvoll anmutenden Prolog „Deeper And Deeper“ geht es nun auf ungewöhnlich düstere Weise immer tiefer und tiefer in die geheimnisvolle Welt der eisigen Fabrikanten hinein. Bereits das sich nahtlos anschließende „No Matter“ bietet mit stampfendem Bass im treibenden Mid-Tempo-Rhythmus, sich immerzu steigernden Techno-Beats und einem hymnischen Ohrwurm-Refrain bewährte Future-Pop-Kost im gewohnten Style. Weitaus ungewöhnlicher kommt danach „We Don‘t Care“ daher, das doch tatsächlich den wärmend organischen, handgemachten Klang einer Akustikgitarre ins Feld führt, ehe man sich wieder ganz der elektronischen Schlagseite zuwendet, die hier fast schon süßlich-poppig und wirklich sehr catchy ausgefallen ist, wozu mit ziemlich großer Sicherheit auch der nahezu fehlende Druck seinen jeweiligen Anteil beiträgt. So wirkt die verspielte Nummer jedenfalls bewusst gefällig und enorm anschmiegsam, was mit dem folgenden „Grim Reaper“ aber recht schnell gekontert wird. Hier verkehren sich ein synthetisch erzeugtes Harfenspiel und leichte Breaks schon bald in eine energetisch knallende Electro-Ladung, die geballt aus den Boxen feuert und die Geschwindigkeit dabei wieder angenehm anzieht, ohne sofort einen allzu großen Kontrast zu setzen. Im Refrain gefällt vor allem das frostig flirrende Melodie-Muster, das dann auch in der Bridge aufgegriffen wird und sich so den ganzen Song über hinweg fortsetzt. Ein unmissverständlicher Angriff auf die Tanzflächen! Die Geschichte vom „Lonely Wolf“ mutet durch die hier gewählte Instrumentierung, so manche Effekte und nicht zuletzt das enge Zusammenspiel der tonalen Höhen und Tiefen hingegen so sonderbar kalt und fremdartig, zugleich jedoch nicht weniger packend und melodisch an, wie von der Anhängerschaft seit jeher geliebt. Ein durch und durch klassisches Exempel des unverwechselbaren „Eisfabrik“-Sounds, das sich kurz darauf bei „Too Late“ genauso wirkungsvoll fortsetzt, wenngleich auch in eine völlig differenzierte Richtung geht: Die behutsame angewandte Intonation von Barth-Rickfels zeichnet sowohl die introvertiert ausgelagerten, melancholischen Strophen als auch den abermals geschickt powernden Chorus. Unterdessen stimmen derbe kratzende Salven in den verdammt tanzbaren EBM-Marsch ein, der trotz oder gerade wegen der karg hämmernden Beats eine interessante und nicht weniger elegante und kraftstrotzende Demonstration des eigenen, uniquen Könnens darstellt. Auf und davon geht es dann danach bei „Greetings From Far Away“, einer sinnlichen Traumreise in eisige Landschaften fernab allen uns bekannten Lebens. Eine märchenhafte Electro-Ballade zum losgelösten Träumen! „Journey Of Oblivion“ zielt wieder direkt auf die Clubs der Nation ab: Die dumpf pochende Überleitung mündet schon bald in rasant peitschendem Industrial, gefüttert mit allerlei verzerrten Sounds und einer knackigen Hookline. Der fordernd knallende Bass schraubt die BPM-Zahl gehörig nach oben und streut neben der vereinnahmenden Melodieführung kühle Effekte ins Gesamtbild ein, die das entspreche Feeling bestens zu vermitteln wissen. Das alles geht wieder stark in die Beine, sodass man einfach nicht mehr stillstehen kann. „And Nothing Turns“ dürfte den meisten Fans als eines von insgesamt zwei Stücken auf der vorausgegangenen EP-Veröffentlichung „Rotationsausfall in der Eisfabrik“ aus dem November des letzten Jahres schon bekannt sein und kommt nun in einer verlängerten Extended-Version daher. Die sphärische Ader der poppigen Halb-Ballade beruhigt die eben noch so erhitzten Gemüter wieder zu weiten Anteilen und webt sogar symphonisch angehauchte Klänge in das bestehende Grundgerüst ein. Ziemlich überraschend gibt es hier gegen Ende sogar zum ersten und einzigen Mal auf dem neuen Longplayer eine Passage in deutscher Sprache, die sich aber durchweg schlüssig in den Kontext einfügt. Auch „Back Home“ weiß zu gefallen, wirkt ob seiner verlässlich gestalteten Grundausrichtung in Musik und Inhalt, jedoch wie ein etwas zu vorhersehbares Pendant zu so manch vorherigen Songs der Diskographie, was selbstredend nichts an der soliden Qualität des Materials ändert. „Opposites Collide“ drückt anschließend wieder deutlich hörbar auf das Gaspedal, um seine anfangs noch bemüht zurückgehaltene, brodelnde Macht schon sehr bald in ganzer Pracht entfalten zu können, wenn dezent verspielte Komponenten verheißungsvoll auf mitreißend harsche Industrial-Power treffen. Ein grandioser Dancefloor-Filler, der ganz sicher keine Kompromisse eingeht! Das finale „White Sheet“ war ebenfalls schon auf dem Herbst-Release zu finden, strahlt sein kühles Licht nun aber in der sogenannten „Kryothermalversion“ aus, die entgegen dem Club-Edit wohl nicht unterschiedlicher hätte ausfallen können. Anstelle von enormer Clubtauglichkeit steht uns hier ein gediegen instrumentierter Epilog ins Haus, der das Tempo des Originals drastisch nimmt und stattdessen viel mehr auf den ergreifenden Gesang fokussiert, der die Maschinen jetzt allmählich herunterfahren und den bitteren Frost in die müden Knochen kriechen lässt, bis die Fabrik vorerst wieder ihre Pforten schließt... Keine Frage: Der eigensinnige Konzept-Mix aus schwelgerisch warmen Melodiebögen und den konträr dazu kühl gelagerten Sounds, die fantastisch entrückten Lyrcis und nicht zuletzt die unvergleichliche Stimme von Barth-Rickfels wird auch auf dem nunmehr fünften Fulltime-Werk der „Eisfabrik“ aus Hamburg zu 100% realisiert. So wird die bewährt frostige DNA aus langsamen und schnellen Rhythmen, sanften und harten Beats, klassischem Future-Pop und druckvoller EBM-Attitüde auch auf „Kryothermalmusik Aus Der Eisfabrik“ wieder stilsicher akkurat und stets sauber produziert durchgesetzt, manches Mal aber auch vorsichtig mit kleineren Experimenten und neuen Elementen angereichert, ohne zu sehr von der gewohnten Formel abzuweichen. Eine durchweg sichere Bank also, die eure Herzen im Handumdrehen schmelzen lassen wird!

Informationen:

http://eismusik.de/eisfabrik/

https://www.facebook.com/eisfabrikofficial

 

Unzucht - Jenseits Der Welt (2020)

Genre: Rock / Metal / Alternative

Release: 07.02.2020

Label: Out Of Line (rough trade)

Spielzeit: 69 Minuten

Fazit:

Auf „Jenseits Der Welt“ schicken „Unzucht“ ihre Hörer auf eine Reise in die Abgründe der menschlichen Seele. Zwischen eingängigem Dark-Rock, pfiffigem Alternative und harten Gitarren reitet die Band auf einem Tsunami der Kreativität, in dem Donnerschlagriffs und hymnische Refrains sich so flüssig vermischen wie nie zuvor. „Jenseits Der Welt“ packt, fordert, verstört und versöhnt.“, zeigt sich Bassist Don Canone von seinem ersten „Unzucht“-Album begeistert. „Es begräbt den Hörer unter tonnenschweren Rifflawinen, nur um ihn kurz darauf auf den ausgebreiteten Flügeln einer Hymne in den Nachthimmel zu entführen.“ Recht hat er, denn „Jenseits Der Welt“ haben sich „Unzucht“ endgültig ihr eigenes Paralleluniversum erschaffen. Konsequent wie nie zuvor legt die Band ihr bis dato mutigstes und komplettestes Album vor - und schließt damit das erste Jahrzehnt einer atemberaubenden Reise ab. „Jenseits Der Welt“ erscheint ab dem 07.02.2020 via Out of Line Music nicht nur als einfache CD, die Die-Hard Fans bekommen die Vollbedienung mit dem auf 666 Einheiten limitierten, handnummerierten „Jenseits Der Welt“-Box-Set: Neben dem Album gibt es hier die exklusive Bonus-CD „Kein Land In Sicht“. Dazu gibt es nicht nur ein Echtheitszertzifikat und einen gewebten Patch, sondern auch alles, was man für einen entspannten Abend in guter Gesellschaft braucht: Einen Würfelbeutel mit fünf Würfeln in speziellem „Unzucht“-Design. Dazu fünf Bierdeckel mit dem Album-Cover und einen Flaschenöffner. Das Bier müsst ihr euch selbst besorgen, aber dann steht einem entspannten Abend ganz im Sinne der „Unzucht“ nichts mehr im Wege!

Der mitreißende Einstieg wird mit dem Titeltrack „Jenseits Der Welt“ bereitet, welcher sich ziemlich stark an den bekannten Trademarks der Band orientiert und somit als schnell packende Eröffnung ein geradezu typisches Flair versprüht, was die unkomplizierte Einfindung in den Sound direkt leicht macht und dadurch einen geschmeidigen, wenn auch nur wenig riskanten Start in das neue Fulltime-Werk des Quartetts gewährleistet. Als ganz besonders markant gilt einmal mehr die durchdachte Komplexität zwischen harschen Up- und entschleunigend melodiösen Mid-Tempo-Passagen aus fordernd donnerndem Schlagzeug-Gewitter und sägend rotierenden Riff-Attacken, die sich zu Beginn alsbald in hymnisch aufstrebenden Harmonien ergeben. Währenddessen warten die gegenteilig eher ruhig gehaltenen Strophen mit bekannten Electro-Fragmenten und einem gewohnt poetischen Text auf, der allerlei existenzielle Sinnfragen stellt und Mut auf einen neuen Morgen ohne Trauer und Schmerz macht. Beim sich nahtlos anschließenden „Ich Und Du“ werden schon ab der ersten Sekunde satt drückendes Drumming, flirrende Synthies und metallisch harte Saiten zu einer mächtig stampfenden Einheit verwoben, die, wie so oft üblich, alsbald vom mahnend wirkenden, jedoch immer durchweg gefühlvollen Gesang des Frontmanns konterkariert wird, der hier einmal mehr die wild pendelnde Waage zwischen den Stilistiken selbstbewusst hält und damit vor allem im ergreifenden Chorus maßgeblich zur enormen Eingängigkeit des ungestümen Gesamtbilds beiträgt, das lyrisch den Verlust eines ehemals scheinbar untrennbaren Zweigespanns behandelt. Ein ganz ähnliches, zweischneidiges Schwert hinsichtlich der beabsichtigt musikalischen Zerrissenheit ist danach der dystopisch ausgefüllte „Sonnentod“, dessen fließende Übergänge und einschneidend krasse, unerwartete Breaks ein gänzlich neues Level erreichen, welches in seinem Arrangement mitunter an ähnlich geartete Songs, wie beispielsweise „Unendlich“ oder „Kettenhund“ gemahnt, die schnell verschwimmenden Grenzen dabei aber noch um einige Nuancen mehr auslotet. Innerhalb der einzelnen Strophen dominiert Gitarrist Daniel De Clercq mit abgrundtiefen Growls und teils ohrenbetäubend zerfetzenden Screams, den Refrain grundiert hingegen wieder Schulz mit viel emotional behaftetem Einfühlungsvermögen, das die schier erdrückende Schwere für wenige Sekunden nimmt und dafür mit wärmender Intonation lindernd begegnet. Eine durchaus mutige Gratwanderung, die es wirklich in sich hat und in all ihrer stilistischen Verästelung wohl erst einige Durchläufe benötigen könnte, um sich zu erschließen, was das eben Gehörte allerdings nur umso nachhaltiger und spannender macht. Mit dem sanftmütigen „Horizont“ klart der finstere Himmel dann aber vorerst wieder etwas auf und vertreibt die dunklen Wolken für einen kleinen Augenblick, denn hier steht dem geneigten Rezipienten eine fast schon klassische Quoten-Ballade des unzüchtigen Kollektivs ins Haus, wie man sie seit langer Zeit schon kennt und wertschätzt. Angenehm hell tönende Gitarrenwände und dezent eingesetzte Synth-Flächen setzen mit ausgewogener Power schöne Akzente im hoffnungsfroh gestimmten Klangbild, ohne zu viel Raum einzunehmen oder die inhaltliche Komponente zu sehr zu überschatten. Hier setzt die „Unzucht“ ganz klar auf eine bekömmlich ohrwurmige Melodie und ganz viel Herz! Ganz anders dann wiederum beim folgenden „Misanthropia“, das seinem Titel, wie auch kaum anders zu erwarten war, wirklich alle Ehre macht. Passend dazu gibt es stimmgewaltige Unterstützung von Andy Dörner, seines Zeichens Sänger der Metalcore-Combo „Caliban“... Man hätte wohl keine bessere Wahl treffen können, denn hier steht dem Hörer ein unglaublich brutales Massaker bevor, das für unbescholtene Ohren vermutlich nur schwer verdaulich sein dürfte. Beängstigend aggressiv preschen die Instrumente als wütend grillendes Getose unbarmherzig nach vorn, prügeln in wahnwitzigem Stakkato-Tempo aufeinander ein, scheinen sich dabei fast selbst zu überschlagen, legen im düsteren Refrain eine kurz andauernde Rast ein und verschmelzen danach wieder zu einem pechschwarzen Krawall-Manifest der Sonderklasse. Wow, was für ein Ritt! Unscharf nachhallende Synth-Fragmente ziehen ihre dumpfen, tiefen Echos nach sich, die anfangs etwas an „Lava“ erinnern. Die Strophen, die hier mit einem stark verzerrten Gesang arbeiten, werden von einem schweren Gitarren-Riff ausgefüllt, ehe sich die Stimme im Chorus dann wieder klar erhebt, um die gewagte Flucht nach vorn zu befeuern und sich aus dem leidigen Dasein als „Chamäleon“ zu befreien. In gewissen Lebensabschnitten muss so manche Last, ähnlich einer alten Haut, gänzlich abgestreift werden, um der Vergangenheit endlich den Rücken kehren und als gestärkte Persönlichkeit daraus hervorgehen zu können. Eine wirklich positiv powernde Mid-Tempo-Nummer, die ordentlich Mut macht! Das bissige „Nein“ ist nicht nur der erste Vorbote des neuen Studioalbums, sondern zudem ein echtes Statement, manchmal auch gegen den Strom schwimmen zu müssen. In der Tat ein wenig ungewöhnlich, für die Single eine derart böse walzende Nummer auserwählt zu haben... Der finstere Basslauf und das ruppig taktierende Schlagzeug bilden die Basis für den stark verfremdeten Gesang von De Clercq, der hier seinen verdienten (fast) Solo-Auftritt erhält. Lediglich im Refrain schaltet sich Schulz kurz ein, bis das Arrangement dann wieder in das anfängliche Muster verfällt, das später noch um raue Saiten-Angriffe und clubtaugliche, technoiden Electro-Schübe angereichert wird, welche die nihilistische Mittelfinger-Attitüde derbe unterstreichen. Der Anfang von „Unsterblich“ wird durch verquer anmutende Sounds und druckvolle Beats bereitet, danach setzt eine selbstbewusste Gitarren-Front und elegische Synthie-Melodie mit gehöriger Sogwirkung ein, die sich auch im weiteren Verlauf durchaus auffällig, aber nicht störend bemerkbar macht. Im Gegenteil: Auf diese Weise wird gut an Tempo aufgenommen, das sich über die knapp fünf Minuten nicht legt, stattdessen aber gelungen anheizt, bis gegen Ende abermals ein deutlicher Break aufwartet. Im „Monsterfreilaufgehege“ gibt es danach wieder deutlich härtere Kost auf die Ohren. Ein Fakt, der neben der kantigen Instrumentierung und dem horroresk-zynischen Text sicher vor allem der strikten Verteilung des Gesangs geschuldet ist. In den Strophen nimmt De Clercq abermals mehr Raum ein und setzt dem fetzigen Track klar seinen signifikanten Stempel auf. „Frieden“ entfaltet sich abschließend als hochmelodischer Hybrid, irgendwo zwischen Mid-Tempo-Epos und dezent balladeskem Charakter, der seinen schwungvollen Power-Vibe zwar nicht verleugnet, zuerst jedoch weitaus weniger unerbittlich daherkommt. Der allgemeine Härtegrad wird durch die ausgewogene Spielart der Drums und Gitarren perfekt austariert und lässt somit vielschichtige Emotionen zu, die sich im überraschenden Finale mit dramatischem Chor-Einsatz und schroff losgelöster, purer Energie zu einem echten Höhepunkt bündeln - Wahnsinnig gelungen! Die „Panzerechse“ lässt jenen Spirit zum Abschluss wieder ein gutes Stück weit abflachen, wenn das klar scheppernde Schlagzeug und kreischende Gitarren im schleppenden Rhythmus aufeinandertreffen und dann zusammen allmählich entkräftet auslaufen. Hierbei liegt viel mehr eine Art von instrumentalem Zwischenspiel anstelle eines vollwertigen Songs vor, welches als etwas unspektakuläres Outro gewählt wurde und den ansonsten runden Eindruck leider ein klein wenig schmälert. Wer nach den elf Stücken noch lange nicht genug hat, dem sei die 2-CD-Version ans Herz gelegt: Hier gibt es als exklusiven Inhalt beispielsweise „Nein“ in der hauseigenen Version von Daniel De Clercq höchstpersönlich. Mit „Sonnentod“, „Monsterfreilaufgehege“ und „Ich Und Du“ erstrahlt eine kleine Auswahl der neuen Tracks als Remix von „Groovenom“, „Johnny Deathshadow“ oder „Alienare“ in einem musikalisch merklich differenzierten Gewand, während „Misanthropia“ in einer alternativen Fassung ohne Dörner daherkommt. Als schönes Highlight gibt es mit „Kein Land In Sicht“ zudem sogar noch einen eigenständigen Bonus-Track oben drauf, der sich für alle Fans in gewohnter Qualität definitiv lohnt... Und alle zwei Jahre grüßt zuverlässig die freundliche „Unzucht“ von nebenan: Im mittlerweile gut eingespielten Veröffentlichungszyklus bringt das sympathische Quartett einen neuen Release auf den Markt. Dabei macht sich dieses Mal insbesondere eine einschneidende Entwicklung vehement bemerkbar, die zu gewissen Anteilen bereits auf „Venus Luzifer“ schleichend ihren Anfang nahm. „Unzucht“ entfernen sich mehr und mehr vom einstigen Dark-Rock mit Gothic-Anstrich in Richtung knüppelharter Metal-Ausflüge, was keinesfalls als Stil-Untreue, wohl aber selbstbewusste Eigen-Evolution gewertet werden darf. So geht man streckenweise deutlich an die Grenzen der zu erwartenden Strukturen und überschreitet diese ganz ungeniert, konzentriert sich deutlich weniger auf eingängige Quoten-Hits, die schnell ins Ohr gehen und lässt innerhalb der oftmals komplex gestalteten Kompositionen mehr Härte denn je regieren, ohne dabei die beliebten Wurzeln zu sehr zu ignorieren oder gar in orientierungslose Disharmonie zu verfallen. In all dem schwarzen Gewitter bestehen immer noch eine klare Struktur, berührend aufrüttelnde Botschaften und hohe Melodiösität, die nicht zuletzt hauptsächlich durch den großartigen Gesang von Daniel Schulz getragen wird. So bleibt nach „Akephalos“ wieder ein Werk mit dem die intensivere Beschäftigung durchaus lohnt und der eingeschlagene Weg der letzten Jahre konsequent weiterverfolgt wird. Wer sich auf diesen Genre-Spagat einlassen kann, dem steht ein wilder Trip durch ein facettenreiches Territorium diverser Emotionen bevor, die erneut vielschichtigen Mehrwert in jeglicher Hinsicht zu bieten hat, wenn verschiedene Stile verschwimmen und einstige Barrikaden sich endgültig in Luft auflösen, um einen weitreichenden Blick „Jenseits Der Welt“ zu gewähren... Der Horizont ist nicht die länger die Grenze. Traut euch auf diese Reise, es lohnt sich!

Informationen:

https://www.facebook.com/Unzucht/

http://www.unzucht-music.com

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