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BEITRÄGE:

  • AutorenbildChristoph Lorenz

Eisfabrik - Lord Of The Lost - Black Nail Cabaret (2024)




Eisfabrik - Götter In Weiß (2023)


Genre: Electro / Alternative


Release: 29.12.2023


Label: NoCut (SPV)


Spielzeit: 45 Minuten


Fazit:


Sind Eisfabrik neuerdings Ärzte? Oder sind sie Heilige? Nein, sie sind die „Götter In Weiß“! Am 29.12.2023 erscheint mit „Götter In Weiß“ das siebte Studioalbum der deutschen Future-Pop-Götter von „Eisfabrik“. Um dieses Release gebührend zu zelebrieren, wird das neue, frostige Meisterwerk als Digipak, edle Vinyl und hochwertige, limitierte Fanbox erscheinen. Die Scheibe wird dich so eiskalt erwischen, wie ein Schneesturm die Wanderer auf dem Mount Everest. Mit aller Härte, die ein hochkarätiges Electro-Album ausmacht, preschen die elf brandheißen Songs auf dich ein. Neun Tracks auf Englisch, zwei auf Deutsch: „Eisfabrik“ schaffen wieder einmal den perfekten Spagat zwischen internationalem Flair und der Liebe zur deutschen Sprache auf einem Album zu vereinen. Ob sie nun die „Götter In Weiß“ oder die „Götter Des Feuers“ mit einem „Dark Life“ sind, oder doch die „Kings Of The Cold“ mit großen „Hearts“, das darfst du nach dem Hören selbst entscheiden.  „Eisfabrik“ präsentieren mit „Götter In Weiß“ ein verspätetes Weihnachtsgeschenk, welches dich auch in der erbarmungslostesten Kälte zum Schwitzen bringt. Wer braucht schon Glühwein und Heizung, wenn er sich zu den fetten Beats, die mit feinstem Pop und besten Synth-Klängen zu großartigstem Synth-Pop verschmelzen, in Ekstase tanzen kann? „Götter In Weiß“ erscheint noch kurz vor dem Jahreswechsel am 29.12.2023 als Stream, digitaler Download, CD im klassischen Digipak, Vinyl im Gatefold Cover und Fan-Edition in hochwertig verarbeiteter Magnet-Box als Chromkarton mit spezieller UV-Lackierung und exklusiven Inhalten: Neben dem Album auf CD liegen hier eine EP mit ganzen sechs Bonus-Tracks, ein Faltposter in Sondergröße, ein Set bestehend aus fünf signierten Grußkarten auf mattfolie-kaschiertem 300g-Karton und ein 160x17 cm großer „Eisfabrik“-Schal in Bundesliga-Qualität bei.

Vorwärts immer… Die Hamburger „Eisfabrik“ macht ihrem Namen alle Ehre und produziert in verlässlich-nimmermüder Regelmäßigkeit und Qualität neue Musik wie am Fließband. Zwar wurde das 2012 gegründete und zunächst lediglich unter Maskeraden und Decknamen anonym auftretende Projekt um Schlagzeuger René „Von Fahrenheit“ Dornbusch, die beiden Keyboarder Jan „°Celcius“ Bertram und Gerrit „Der Frost“ Thomas sowie Sänger Charly „Dr. Schnee“ Barth-Ricklefs nach kurzer Zeit entmystifiziert, einen Abbruch hat das dem stetig steigenden Erfolg des Vierers jedoch nicht getan. Im Gegenteil. Mit jeder neuen Veröffentlichung und den sich anschließenden Auftritten auf bekannten Szene-Festivals und in einschlägigen Clubs, konnten die eisigen Fabrikanten ihre Beliebt- und Bekanntheit immer mehr steigern. Neben den aufwändigen Live-Shows mit ihren futuristisch-signifikanten Bühnenbildern, Kostümierungen, Licht, Laser, Kunstschnee, Stelzen-Robotern und Yeti als visuell untermauernder Aspekt, spiegelt vor allem aber das musikalische Grundgerüst, welches sich über all die Jahre mehr als treugeblieben ist, das thematische Konzept nachvollziehbar wieder: Hier treffen verschieden gelagerte Elemente aus tanzbarem Industrial und bollerndem EBM auf melodischen Future Pop, der mit seinen tonalen Gegenpolen aus Wärme und Kälte die so versinnbildlichten Texte in Englisch und Deutsch über Einsamkeit, Trauer und Schmerz, aber auch Sehnsucht und Liebe stützt. Stets unüberhörbar versehen mit dem typischen Signature-Sound von Gerrit Thomas, seines Zeichens Gründungsmitglied der Genre-Institution „Funker Vogt“ und musikalischer Kopf der Fabrik. Auch 2023 standen die Maschinen in den kühlen Hallen nicht still und so gibt es knapp vor Ende des Jahres auf den letzten Metern mit „Götter In Weiß“, dem mittlerweile siebten Studioalbum, einmal mehr neue Klänge aus der „Eisfabrik“… Eine finstere Klang-Collage aus metallischem Dröhnen und tief knarzenden Tönen gemahnt kurzzeitig an die alte Schule des Dark Ambient. Überall knistert, knarzt und kackt es, bevor vibrierende Synthies einsetzen und damit den Grundstein für „Hearts“ legen, welches alsdann mit mechanisch drückendem Beat daherkommt und den Hörer direkt heimisch fühlen lässt. Spätestens, als Barth-Ricklefs mit seinem heiser-warmen Gesang einsetzt, ist alles beim Alten. Der Song schleppt sich relativ schwerfällig in gemäßigtem Mid-Tempo voran, dabei stetig von hellen Synthie-Spitzen durchsetzt. Der Refrain bildet dann wie so oft einen Kontrast und setzt der dunkel-maschinellen Monotonie melodiöse Wärme entgegen. Mehr Bass und Härte bietet da der vorab als Single veröffentlichte Titeltrack „Götter In Weiß“, der die BPM-Zahl ab Sekunde Eins schlagartig nach oben knallen lässt. Mit einem unbarmherzigen Beat in klassischer EBM-Manier, der entfernt an „Pursuit“ von „Gesaffelstein“ erinnert, und kleinen Sound-Spielereien wird die Basis für diesen Up-Tempo geschaffen. Lyrisch bleibt jener erstaunlich direkt und ohne doppelten Boden, wenngleich man mit dem Titel natürlich auch etwas mit den eigenen Image-Farbe kokettiert, geht es hier auf unterschwellig zynische Weise doch tatsächlich um Ärzte, ihre Verantwortung sowie die Macht über Leben und Tod. Dabei wird die Stimme in den Strophen leider fast schon zu stark verfremdet, sodass man sie teils nur schwer verstehen kann. Der wirklich simple Mitgröhl-Chorus besteht praktisch einzig aus dem mehrmaligen Skandieren des Titels selbst, was etwas unkreativ und zu berechenbar wirkt. Dennoch macht diese Dampfhammer-Nummer viel Laune und regt zügig zum Bewegen an. Überraschend beginnt „Lost My Mind“ mit symphonischem Bombast und erhabenen Streichern, die sich bereits nach wenigen Sekunden zum poppigen Beat verwandeln, der mit zunehmender Dauer ansteigt und das Mid-Tempo-Stück mit seinen balladesken Zügen schön abrundet. Dazwischen tauchen immer wieder kleine Details und die gewohnt maschinellen Fragmente auf, welche den Sound nie zu weich und glattgebügelt erscheinen lassen. Auch „King Of The Cold“ schlägt deutlich die gemäßigtere Richtung ein: Hier legen sich fein perlende Synthie-Tupfef auf den sphärisch-ruhigen Klang-Teppich, der vom elektronisch marschierenden Klimax-Rhythmus getragen wird und im Refrain zum Arme schwenken einlädt. Doch schon nach weniger als der Hälfte der Spielzeit hat man auch hier alles gehört, was die Ballade zu bieten hat. Das ist zwar gewohnt solide und nett, beginnt jedoch gerade bei aufeinanderfolgenden Stücken entsprechender Couleur mitunter erschreckend schnell zu langweilen. „All My Life“ rüttelt hingegen zumindest anfangs kernig auf und beginnt mit technoid flimmerndem Beat sowie schroffen Sounds. Der moderne Industrial-Einschlag lässt den Boden der Tanzfläche beben, bis der vehement auf Eingängigkeit gepolte Refrain der bis dato angenehm minimalistisch treibenden Nummer erneut epischen Charakter mit großen Melodiebögen aufzwingt und ihr dadurch am Ende mehr nimmt, als zu geben. Beinahe wirkt es so, als trauten sich die Fabrikanten seit ihrem letzten Album nicht mehr so wirklich, neben all den eindringlichen Moll-Balladen und kühlem Future Pop ab und an wieder vollständig in härtere Gefildere vorzurücken. Schon „Sad Lonesome Day“ stuft den soeben erst aufgebauten Anflug von Energie nämlich wieder direkt zurück und startet stattdessen mit einer ruhigen Intro-Sequenz aus dramatischen Synthie-Chören und elektronischen Streichern, die sich erst zunehmend aufbauen, um danach in einem kühlen Beat zu münden, welcher die isolierte Stimmung der Lyrics perfekt unterstreicht und ganz viel Melancholie verspricht. Der durchaus tanzbare Refrain ist dann wieder typisch „Eisfabrik“, wie man sie kennt. „Dark Life“ zeigt sich zumindest anfangs ein gutes Stück weit kantiger und stiefelt im strengen EBM-Rhythmus ins Feld, während im Hintergrund flackernde Synthie-Sounds rotieren, die über die nächsten Minuten beinahe schon eine hypnotische Sogwirkung entfalten. Der Gesang verleiht dem dunkel knarzenden Unterbau dennoch eine gewisse Ruhe und hält diesen immerzu behutsam davon ab, weiter auszubrechen. Stattdessen formt dieser somit eine weitere Halb-Ballade in eher gemäßigtem Tempo, deren Höhepunkt auch hier zwar ungemein melodisch, aber doch zu erwartbar daherkommt.

Röhrende Maschinen-Sounds, kalte Industrial-Beats und ein stampfender Bass: „Never Before“ legt druckvoll vor. Barth-Ricklefs Stimme wird stark verzerrt und kommt so teilweise nur schwer gegen die instrumentale Übermacht an, welche sein helles Organ mit zahlreichen Effekten beinahe verschüttet. Die Strophen wahren den unterkühlten Touch, gleichwohl mutet die Nummer großteilig merkwürdig überladen an. Alles Weitere läuft dann nach dem bekanntem Prinzip ab. Dem Refrain wohnt wiederum großes Ohrwurm-Potential inne, ohne poppig-schmalzig zu sein - Schön! Auch „When I Fall“ übt sich zu Beginn in peitschendem Marsch-Rhythmus, der sofort in die Glieder fährt und viel Power innehat. Viel mehr als stoisch pumpender Bass und kleine Sound-Fragmente wird zumindest innerhalb der Strophen nicht geboten, trotzdem entwickelt sich ein gelungener Drive, der sich dann auch über den Chorus hinaus hält, wobei leider auch hier angemerkt werden muss, dass das alles zwar überhaupt nicht schlecht klingt, zugleich aber so altbekannt und zum Verwechseln ähnlich, als hätte man den Song schon dutzende Male auf vorherigen Alben gehört… Eine getragene, wirklich schöne Klaviermelodie dient jetzt „If All This Is True“ als Eröffnung. Diese bleibt mit Einsatz des Beats jedoch leider nicht in Gänze erhalten, kehrt dafür aber in kleinen Abstufungen im Refrain immer wieder. Etwas schade ist, dass man sich so selbst der Möglichkeit beraubt, auch mal etwas reduzierter aufzutreten und damit für instrumentale Abwechslung zu sorgen, denn schon bald wird die gute Grundlage unter der erneut aufbrandenden Future-Pop-Glasur begraben, was auf Dauer und in dieser wiederkehrenden Intensität fast schon anstrengend sein kann. Den Abschluss bildet „Gott Des Feuers“, eine Art Fortsetzung zum Titeltrack, welche den Bogen lyrisch einerseits weiter in Richtung der Gesellschaft spannt und andererseits den Kreis damit schließt. Percussion, Piano- und Synthie-Sprengsel sind die Zutaten für das wohl ruhigste und reduzierteste Stück des Albums, welches einen nachdenklichen Schlusspunkt setzt… „Automatisierung In Der Eisfabrik“ nannte sich 2020 eine EP der Hamburger Band und ohne die bloße Qualität der Produktion und des Songwritings generell infrage stellen zu wollen, scheint mittlerweile tatsächlich ein gewisser Automatismus seinen Einzug in die Musik gehalten zu haben. Hier etwas speziell zu bemängeln wäre wohl ebenso falsch, wie das Hervorheben von ausgesuchten Besonderheiten. Gar keine Frage: „Eisfabrik“ bleiben nach wie vor „Eisfabrik“… Das ist gut und schlecht zugleich, denn in den letzten Jahren scheint sich eine gewisse Routine bei dem eiskalten Quartett aus der Hansestadt eingeschlichen zu haben, das mit seinem siebten Album nahezu vollständig auf Nummer Sicher geht und keinerlei Entwicklung oder gar Experimente wagt. Natürlich muss und kann das Rad nicht immer neuerfunden werden, was sich im Bereich des Future Pop zugegebenermaßen auch als recht schwierig gestaltet. Dennoch ist mittlerweile nicht mehr zu leugnen, dass sich die meisten Songs der letzten drei bis vier Veröffentlichungen allgemein und auch auf diesem Album untereinander sehr ähneln. Und zwar so stark, dass man sie in einigen Momenten kaum mehr auseinanderhalten, geschweige denn gar einem bestimmten Release der Diskographie zuordnen kann, sofern man sich nicht zu den treuen Hardcore-Fans der Fabrik zählt… Und genau für die ist „Götter In Weiß“ auch ganz klar gemacht worden! Wer den vertrauten Sound und die Machart der Vier schon immer mochte und sich zudem nicht an ebenjener Wiederholungsrate der Marke „Mehr vom Gleichen“ stört, sondern exakt das will, bekommt hier zu 100% „Eisfabrik“ pur geboten. Ausnahmslos alle Arrangements des 2023er Ablegers sind gefällig und nach dem etablierten Erfolgsformel-Konzept aufgebaut: Hier gibt es zumeist Balladen oder Mid-Tempo-Stücke in spährisch-melodischer Ausrichtung, gerne auch mal mit Streicher-Einsatz oder kurzen, orchestralen Passagen. Der anschwellenden Rhythmik wohnt ein epischer Touch von Abenteuer-Expeditionen im tiefsten Eis inne. In den Strophen geht es ansonsten zumeist reduzierter zu, dazwischen röhren und knarzen die Maschinen-Sounds, um den unterkühlten Charakter zu unterstreichen und den Harmonien kleine Ecken und Kanten zu verleihen. Danach wartet ein eingängiger, groß angelegter Refrain voller Melancholie. Das ist kurzweilig und hat sich seit Bestehen bewährt. Besonders auffällig ist, dass sich Dornbusch, Bertram, Thomas und Barth-Ricklefs dieses Mal so dermaßen handzahm geben, wie noch nie zuvor. Bis auf den stampfenden Titeltrack kommen die Songs einfach nicht so recht aus sich heraus und verweilen ohne jeglichen Biss maximal im mittleren Tempo-Segment. Futter für die Tanzflächen ist hier zwar wieder geboten, aber mit angezogener Handbremse! Die Fabrik macht auch auf „Götter In Weiß“ absolut nichts verkehrt oder gar schlecht, sondern konstant gut. Nur kommen die Vier mit ihrem eigens auferlegten, limitierten Sound-Repertoire langsam hörbar an die kreativen Grenzen und finden sich damit in einem qualitativ hochwertigen und fantastisch produzierten Hamsterrad wieder, das dennoch ein Hamsterrad bleibt. Die Fans werden sich bestimmt nicht daran stören, doch laufen „Eisfabrik“ allmählich Gefahr, in ähnliche Copy-and-Paste-Gefilde wie eine gewisse Dark-Rock-Band desselben Labels abzurutschen. Wer sich also ohnehin zu den Stamm-Hörern der Band zählt, kann und wird wie immer bedenkenlos zugreifen und bekommt das, was er sich wünscht. Nicht mehr, nicht weniger - Fan-Service at it‘s best!


Informationen:  


http://eismusik.de/eisfabrik/


https://www.facebook.com/eisfabrikofficial


 

Lord Of The Lost - Weapons Of Mass Seduction (2023)


Genre: Metal / Alternative


Release: 29.12.2023


Label: Napalm Records (Universal Music)


Spielzeit: 95 Minuten


Fazit:


Exakt ein Jahr nach dem Erfolgsalbum „Blood & Glitter“ (#1 der Offiziellen Deutschen Albumcharts) veröffentlichen „Lord Of The Lost“ das erste Cover-Album der Bandgeschichte: Allein schon die Tracklist steht als Sinnbild für ihren kreativen Geist und präsentiert eine exklusive Auswahl weltbekannter, generationsübergreifender Hits, die „Lord Of The Lost“ in knapp fünfzig Minuten in etwas Eigenes verwandeln. Die Coverversion von Billy Idols „Shock To The System“ gibt die Bühne frei für eine Auswahl an Songs aus verschiedenen Jahrzehnten und Genres, die „Lord Of The Lost“ mit ihrem eigenen Stil und Charakter versehen. Obwohl die Künstler und Künstlerinnen unterschiedlicher nicht sein könnten, ist „Weapons Of Mass Seduction“ ein stimmiges Gesamtkunstwerk, das Kontrasten nicht aus dem Weg geht. So trifft etwa das Heavy-Metal-Epos „Turbo Lover“ von „Judas Priest“ auf moderne Pop-Nummern wie Sias „Unstoppable“. „Hymn“, im Original von „Ultravox“, Michael Jacksons legendäres „Give In To Me“ sowie der Britpop-Hit „Somewhere Only We Know“ von „Keane“ zeigen weitere Facetten und präsentieren sich im typischen „Lord Of The Lost“-Sound. „Lord Of The Lost“ bleiben sich treu und agieren einmal mehr fernab jeglicher Genre-Grenzen. „Weapons Of Mass Seduction“ beweist künstlerisches Feingefühl und die Fähigkeit, Songs verschiedenster Interpreten und Interpretinnen respektvoll und glaubhaft in etwas ganz Eigenes zu verwandeln. Das Cover-Album „Weapons Of Mass Seduction“ erscheint am 29.12.2023 über Napalm Records als Stream, Download, CD im Digisleeve, 2-CD-Deluxe-Edition, pinkfarbene MC und recycelte Doppel-Vinyl in verschiedenen Farben. Exklusiv über den Web-Shop der Band auch als Bundle mit Beanie-Mütze oder T-Shirt erhältlich.

Bereits ein flüchtiger Blick auf die Tracklist legt schnell offen, dass „Lord Of The Lost“ sich bei der Auswahl der zu interpretierenden Songs keinerlei einengende Grenzen der Selbstlimitation gesetzt haben. Keine bestimmte Zeit. Kein bestimmtes Genre. Alles kann, nichts muss. Erlaubt war, was dem sympathischen Fünfer gefiel und so warf jeder Musiker seine ganz eigenen Favoriten in den Topf. Die finale Entscheidung oblag jedoch Chris Harms. Manch ein Lied wurde dabei schon so einige Male gecovert, auch innerhalb der schwarzen Szene. Einige andere hingegen blieben bislang unberührt, was die Sache natürlich umso spannender macht. Die Reise startet mit „Shock To The System“ der britischen Rock-Legende „Billy Idol“ und tatsächlich könnte es wohl keinen besseren Auftakt geben: Eine nostalgische Synthesizer-Spur flimmert, kernige Drums geben den Rhythmus vor und mit einem grellen Scream startet dieser Up-Tempo dann schließlich mit extrem viel Power durch. Auch die signifikante E-Gitarre lässt dem Hörer mit ihrem unheimlich guten Glam-Groove ab Sekunde Eins keine Pause zum Verschnaufen und verstärkt die Intensität des Originals nur noch mehr. Damit fangen „Lord Of The Lost“ einerseits den Spirit von Idol wirklich gut ein und knüpfen gleichsam perfekt an den aktuellen Stil an, der soundtechnisch nahtlos an das direkte Vorgängeralbum anschließt. Ein Song, der anno 2016 die Radiostationen klar dominierte und auch heute immer noch gerne dort gespielt wird, ist die poppige Halb-Ballade „Unstoppable“ der australischen Songwriterin „Sia“. Durchaus mutig und vor allem ungewöhnlich, einen vergleichsweise aktuellen Titel aus dem Mainstream zu vertonen und gerade deshalb erfrischend. Der Song kommt hier natürlich eine gute Ecke rockiger und dunkelromantisch mit einem leichten Touch Melancholie daher, behält seine selbstbewusste Power-Note aber zu jeder Zeit bei - Schön! Am grandiosen Synthie-Pop-Hit „Smalltown Boy“ von „Bronski Beat“ haben sich schon so einige Interpreten abgearbeitet, auch innerhalb der Szene. Ebenso wie beim später noch folgenden „Ultravox“-Cover zu „Hymn“ hält man sich melodisch sehr dicht am Original. Die stimmlichen höhen eines Jimmy Somerville werden etwa durch tiefe Growls und grelle Screams in typischer Manier ersetzt, die ohrwurmigen Refrains stehen den Originalen in nichts nach. Aus einer vollkommen anderen Genre-Richtung stammt dann „Turbo Lover“, ein Hit der Birminghamer Heavy-Metal-Ikone „Judas Priest“ aus dem Jahr 1986. Auch die Lord-Variante wartet natürlich mit vergleichsweise viel Energie und rauen Vocals auf, wird durch die totale Synth-Orgel-Überzuckerung im Chorus dann jedoch zu weichgespült und verliert sich trotz launiger Momente leider etwas zu sehr im trahsigen Retro-Charakter. Selbst dem „King of Pop“ himself, Michael Jackson, wird sich mit einem Song angenommen. Für eine lord’sche Rock-Version geeignet wären sicher viele Stücke gewesen, man denke da nur an ein „Billie Jean“, „Thriller“, „Beat It“, „Smooth Criminal“, „Bad“, „Man In The Mirror“ oder „Black Or White“ im musikalischen Style der Hamburger. Doch anstatt mit dem Offensichtlichen aufzuwarten, hat man sich für den Mid-Tempo-Track „Give In To Me“ vom 1991 erschienenen „Dangerous“ entschieden. Zunächst vielleicht eine etwas ungewöhnliche Wahl, aber spätestens beim großartigen Gitarren-Solo, anno dazumal von „Guns N‘ Roses“-Meister Saul „Slash“ Hudson dargeboten, leuchtet diese durchaus ein. Die größte Wandlung hat wohl „River“ der britischen Künstlerin Sarah Grace „Bishop Briggs“ McLaughlin vorzuweisen, welches weitaus weniger elektronisch daherkommt, sondern nun in einem modernen Metal-Gewand steckt. Hier trifft eine breite Wand aus donnerndem Drumming und sägenden Industrial-Rock-Gitarren auf eine fordernde Intonation aus Screams und melodischen Parts. Weitaus ruhiger und damit auch wieder viel enger an der jeweiligen Urfassung bewegt sich dann die „Keane“-Ballade „Somewhere Only We Know“, deren wunderbar emotionaler, sphärisch getragener Charakter erhalten bleibt. Für den herrlich schmalzigen „Cutting Crew“-Klassiker „(I Just) Died In Your Arms“ haben sich die Mannen gesangliche Unterstützung von ESC-Vorentscheid-Konkurrentin Anica Russo geholt, denn hier gibt es tatsächlich ein Duett zu hören! Das schöne Feature ist eine sehr kollegiale Geste und verdeutlicht, dass (gesunder) Wettbewerb, künstlerische Zusammenarbeit und Freundschaft sich nicht ausschließen müssen. Die zweistimmige Ausrichtung verleiht dem schmachtenden Pop-Song, der melodisch ansonsten unverändert bleibt, eine weitere Ebene und macht einfach Spaß. Ein weiterer Titel neueren Datums aus der Kategorie „Pop“ mit einem kleinen Alternative-Hauch ist das 2015 auf dem Album „Kicker“ erhaltene „High“ der US-amerikanischen Sängerin Zella Day Kerr, bis „House On A Hill“ von „The Pretty Reckless“, dem New Yorker Alternative-Rock-Projekt um Taylor Momsen, das Haupt-Album als Piano-Rock-Ballade abschließt. Die Deluxe-Edition enthält darüber hinaus noch eine zweite CD, die den elf Songs des Albums in der regulären Standardausführung nochmals die gleiche Menge an Material hinzufügt: Den Anfang macht das launige und bereits bekannte „Roxette“-Cover von „The Look“ im Duett mit Jasmin „Blümchen“ Wagner, welches treuen Fans mit Sicherheit schon als Bonus-Dreingabe vom letzten Studioalbum „Blood & Glitter“ bekannt ist und bereits sogar auf dem Wacken Open Air live performt wurde. Wer zudem das Geschehen um die Teilnahme der Hamburger am Euro Vision Song Contest auf deren Social-Media-Kanälen verfolgt hat, wird mitbekommen haben, dass „Lord Of The Lost“ sich genau mit den Beiträgen ihrer Kollegen aus den anderen Ländern auseinandergesetzt haben… Und zwar in Form von eigenen Interpretationen ihrer Songs! Ganz besonders viel Beliebtheit erfuhr dabei das Tribute zum verrückten „Cha Cha Cha“, mit dem Jere Mikael Pöyhönen, besser als „Käärijä“ bekannt, im vergangenen Jahr für Finnland antrat und damit überraschend den zweiten Platz belegte. Die wild rasende Lord-Fassung passt mit ihren peitschenden Riffs, keifenden Shouts und dem catchy Refrain wie die Faust aufs Auge und erinnert ein wenig an den exotischen Banger „La Bomba“ - Das macht Laune! Wer „Lord Of The Lost“ hingegen schon weit vor dem ESC kennengelernt und sich darüber hinaus auch etwas mit Sänger Chris Harms beschäftigt hat, weiß, dass er gerne eine gewisse Stefani Joanne Angelina Germanotta als eines seiner musikalischen Vorbilder und kreativen Einfluss nennt. Und so verwundert es auch nicht, dass auch zwei Lieder von „Lady Gaga“ ihren Weg auf den Silberling gefunden haben, wobei „Bad Romance“ bereits Teil der EP „Beside & Beyond“ aus dem Jahr 2012 war. Neuer, wenngleich ebenfalls nicht exklusiv, ist hingegen das „Judas“-Cover derselben Künstlerin, welches wiederum 2022 passenderweise auf der „The Heartbeat Of The Devil“-EP, einer verspäteten Erweiterung des Doppel-Albums „Judas“, zusammen mit den ebenfalls dort sowie hier enthaltenen „Children Of The Damned“ („Iron Maiden“) und „Wig In A Box“ („Hedwig and the Angry Inch“) erschien.

„The Most Radical Thing To Do“ der schwedischen Glam-Rocker „The Ark“ war als B-Seite auf der limitierten 2012er Maxi-Single „Die Tomorrow“ enthalten, während das „Duran Duran“-Cover „Ordinary World“ den Abschluss beim „Sinister Summer Stream“, einem reinen Online-Konzert während der Pandemie, das später als „The Sacrament Of Judas“ in Form von Doppel-CD, DVD und Blu-ray auch in physikalischer Form veröffentlicht wurde, bildete. Der bekannte Radio-Ohrwurm „This Is The Life“ der britischen Pop-Sängerin Amy MacDonald wurde während der Konzerte 2012 live gespielt und ist, ebenso wie das ikonische „It‘s A Sin“ der „Pet Shop Boys“, welches hingegen auf der „Thornstar“-Tour 2018 und 2019 zum Besten gegeben wurde, als Studio-Version bislang unveröffentlicht geblieben. Somit ist „Ordinary Town“ des „Scooter“-Vorgängers „Celebrate The Nun“ der einzig richtig neue Track auf der zweiten CD. Damit unter dem Strich immerhin drei bislang nicht offiziell erhältliche Tracks für die heimische Anlage und eine schöne Sammlung so ziemlicher aller bisherigen Studio-Cover auf einer Disc - Komplettisten wird‘s freuen! Nun, mittlerweile ist es in der Musikbranche zu einem recht gängigen Prozedere geworden, zwischen den normalen Haupt-Alben in regelmäßigen Abständen bestimmte Formen von allerlei Neben-Veröffentlichungen auf den Markt zu bringen, um die Zeit bis zum nächsten Fulltime-Longplayer zu überbrücken, eventuell zu touren, in aller Munde zu bleiben und mit verhältnismäßig wenig(er) Aufwand natürlich Geld zu verdienen. Das ist völlig in Ordnung und normal, denn jahrelange Kreativpausen kann sich wohl spätestens seit der Pandemie kein Act mehr leisten, der nicht eigenständig Arenen im mindestens fünfstelligen Bereich mühelos füllt. Da gibt es dann also hin und wieder mal eine EP, Anniversary-Editionen alter Werke, eine Best-Of zum Jubiläum, Single-, B-Seiten- oder Musik-Video-Collections, Orchester- oder Unplugged-Interpretationen und die dazu passenden Live-Aufzeichnungen oder eben Cover von bekannten, gerne artverwandten, oft aber auch Szene-fremden Stücken. Soweit nichts Ungewöhnliches und auch „Lord Of The Lost“ haben mit steigender Popularität schon so gut wie alle Punkte dieser Liste abgearbeitet. Ende 2023 steht mit dem so charmant-witzig wie wahr betitelten „Weapons Of Mass Seduction“ also eine bunte Sammlung der Hamburger mit allerlei Cover-Songs verschiedenster Genres, Künstler und Jahrgänge auf dem Plan, wie sie unterschiedlicher wohl nicht sein könnten. Von legendären Achtziger-Ikonen über verpoppte Heavy-Rotation-Hits der 2000er bis hin zu Rock und Metal ist hier nahezu alles vertreten. Die Abwechslung wird hier groß geschrieben und ist zugleich auch ein dickes Plus, bietet sie doch viele Möglichkeiten… Oder? Zuallererst muss man sich bei der Konzeption eines solchen Unterfangens vorab natürlich fragen, welche genaue Intention man der neben Huldigung der Originale und dem reinen Spaß an der Sache verfolgt. Durch eine gegenüber dem jeweiligen Original differenzierte Instrumentierung, wenn beispielsweise eine Electro- oder Folk-Band stilistisch fremde Genres in ihren ureigenen Sound kleidet, können etwa die gesamte Grundstimmung und Atmosphäre gänzlich verschoben werden und aus der Vorlage einen nahezu anderen Song machen. „Lord Of The Lost“ haben es da als recht klassisch aufgestellte Band mit Schlagzeug, Keyboard, Bass und Gitarre natürlich etwas schwerer. Möglichkeiten gäbe es dennoch genug. So kann etwa auch ohne eine Riege ungewöhnlicher Instrumente aus einem powernden Up-Tempo plötzlich eine sanfte Ballade werden oder umgekehrt und damit vielleicht sogar ein komplett neuer Blickwinkel auf die thematische Ebene entstehen. Die Mannen um Mastermind Chris Harms sind ohne jeden Zweifel allesamt absolut fähige Musiker und drücken den auserkorenen Tracks rein klanglich durchaus ihren eigenen Stempel auf, tun jedoch ansonsten nichts von alledem Genannten und ringen ihrer Auswahl somit leider keinerlei neue Facetten ab. Das liegt daran, dass die Hanseaten die grundlegenden Strukturen der Songs nicht aufbrechen oder verändern, sondern diese lediglich auf Lord-Art nachspielen. Was man dabei sofort heraushört, ist, dass „Lord Of The Lost“ hier den mit „Blood & Glitter“ eingeschlagenen Weg soundtechnisch weiterverfolgen. Will heißen: Zu ihrem typischen Sound aus druckvollen Drums, dunkel rockenden Gitarren, einem steten Wechselbald zwischen gefälligen und etwas härteren Passagen sowie hymnischen Ohrwurm-Refrains gesellen sich auch hier wieder trashig-catchy Keyboard-Sounds und klangliche 80‘s-Anleihen. Selbst dann, wenn die entsprechenden Interpretationen gar nicht zu Liedern der jeweiligen Epoche gehören. So bleibt ein runder und kurzweiliger Mix, der zwar stark auf Eingängigkeit setzt, sich mit der Zeit auf Dauer aber deutlich abnutzt, da er vieles (zu) ähnlich klingen lässt. Nichtsdestotrotz: Nahezu alle Cover-Versionen wissen zu gefallen und sind wirklich gelungen, was jedoch viel weniger an der Ausführung liegt, als daran, dass die jeweiligen Vorlagen ohnehin schon ausgewiesene Top-Titel von Hit-Qualität sind. Ein guter Song bleibt eben ein guter Song. Wer sich von „Weapons Of Mass Seduction“ also innovative Ideen und erfrischende Perspektiven auf weltbekannte Hits erwartet, wird vermutlich enttäuscht werden und sich nach nur einem oder wenigen Durchgängen mit gelangweiltem Schulterzucken abwenden. Wer hingegen Lust auf ikonische Nummern im spaßigen Retro-Dark-Rock-Hymnen-Style hat und ohnehin Fan der Band ist, wird sicher für sehr viel längere Zeit seine helle Freude mit dieser bunten Mischung haben. In diesem Fall sei unbedingt die unbedeutend teurere 2-CD-Version mit den B-Seiten teils lange vergriffener EPs und unveröffentlichten Covern empfohlen, um der heimischen Bibliothek das vollständige Tribute-Erlebnis zu gönnen!


Informationen:  


http://lordofthelost.de


https://www.facebook.com/lordofthelost/


 


Black Nail Cabaret - Chrysanthemum (2024)


Genre: Electro / Alternative


Release: 01.03.2024


Label: Dependent (Alive)


Spielzeit: 46 Minuten


Fazit:

Die schöne Chrysantheme in ihrer Form mit schlichter, weißer Blütenfarbe wird auch Friedhofsblume genannt. Aufgrund ihrer Langlebigkeit wird sie gerne zur Dekoration von Gräbern verwendet. Für „Black Nail Cabaret“ ebnet die Blüte der Chrysantheme den Weg für unser eigenes Porträt am Sterbebett. Der Sensenmann kommt zu uns allen. Die Aussicht auf das Ende verwandelt uns in angsterfüllte Gefäße. Wir könnten diese besser mit so vielen anderen Dingen füllen, aber die Furcht vor dem Tod durchdringt alles. Der Titel des sechsten Albums des ungarischen Pop Noire Duos, „Chrysanthemum“, symbolisiert ein Aufbegehren gegen die Angst, aber auch Akzeptanz. „Black Nail Cabaret“ bleiben durchaus auch ihrem Hang zur sexuell expliziten Provokation treu, doch die unterbewusste Angst vor dem Tod mit ihrer großen emotionalen Kraft, zieht sich metaphorisch als roter Faden durch „Chrysanthemum“. Die Erotik der Ungarn bildet statt billiger Klischees ihre gelebte BDSM-Realität künstlerisch ab, die von hohen ästhetischen Ansprüchen geleitet wird. Musikalisch haben „Black Nail Cabaret“ ihr herausragendes Songwriting auf „Chrysanthemum“ weiter perfektioniert. Es gelingt dem Duo scheinbar mühelos, dunkle elektronische Klänge mit Elementen des Pop Noire zu vereinigen. Ihre Kompositionen stehen auf eigenen Beinen und benötigen keine elektronischen Spielereien, wodurch sich „Black Nail Cabaret“ wohltuend abheben. Spätestens mit ihrem selbst veröffentlichten vierten Langspieler „Pseudopop“ (2018) verschmolzen die Ungarn erfolgreich Kunst, Pop, dunkle Harmonien und kraftvolle Elektronik miteinander. Mit dem folgenden fünften Album „Gods Verging on Sanity“ (2020) setzten „Black Nail Cabaret“ ihren Siegeszug auch international fort. Der exzellente Ruf des Duos verbreitete sich rasch auch durch Mundpropaganda, und das trotz aller Einschränkungen durch die globale Pandemie. Endlich stehen die Sterne günstig, dass „Black Nail Cabaret“ die Welt mit diesem dunklen Soundtrack über die Schönheit des Lebens erobern, was diese strahlend weiße Blume von scheinbarer Unschuld letztlich auch symbolisiert, deren Duft aber auch die ewige Macht des Todes verbreitet: „Chrysanthemum“. Der sechste Longplayer des ungarischen Duos erscheint am 01.03.2024 als Stream, digitaler Download, 2-CD-Edition im 18x18cm Hardcover-Artbook mit sechsunddreißig Seiten inklusive drei Bonus-Tracks und einem Remix sowie als Vinyl in Schwarz oder Weiß aus recycelten Materialien.

Sonderbar lebendig und dabei fast schon bedrohlich, bebt die finstere Synthie-Basis. Bruchstückhafte Sound-Fragmente knistern und knacken durch den voluminösen Mix von Ohr zu Ohr. Nicht näher zuzuordnende Geräusche hallen wie ein tiefes Echo in die weite Leere… Das mystische „My Home Is Empty“ beginnt zunächst weitaus düsterer, als es sich schon bald fortsetzt: Die scheinbar lose umherschwirrenden Elemente formen sich langsam zur vereinnahmenden Rhythmik. Vorsichtig pocht der Beat, bis sich der einzigartige Gesang von Arvai-Illes zart auf jenen aufsetzt und verlorene Synth-Perlen trauernd dahinter hervorlugen. Später fräsen sich dann disharmonisch knarzende Sprengsel wie einfach nicht passen wollende Puzzleteile ins Gesamtbild und brechen bewusst kurz mit dem übrigen Stil. Die Stimmung wahrt durch ihre minimalistische Ausrichtung eine gewisse Distanz und Kühle, verbleibt jedoch stets melancholisch und hörbar verletzlich. Ein elektrisierend vibrierender Beat und perkussive Drum-Elemente eröffnen danach die erste Vorab-Single „Autogenic“ und sorgen für einen energiegeladenen Trance-Rhythmus, der einen in all seiner Dringlichkeit gleich zu packen weiß. Dazwischen pluckern die Synthies, während sich die hypnotisierende Stimme zu sphärisch-nebulösen Chorälen ihren Weg zum Hörer sucht und einen beruhigenden Kontrast setzt, welcher sich dann kurzzeitig in Electro-Flimmern verliert, um zum Refrain hin erst in nostalgisch behafteter 80‘s-Ästhetik zu entflammen und schließlich seinen rundum wärmenden Charakter offenzulegen. „Totem And Taboo“ bewegt sich in vergleichbar gediegener Gangart. Der sinnlich betörende Gesang schlingt sich um den hüpfenden Beat und öffnet sich aber schließlich in der energetischen, voll analog röhrender Sounds ausgefüllten Bridge um ein Vielfaches. Besonders das gelegentliche, pointierte Spiel mit mehrstimmigen Vocals gefällt hier und mündet später noch in einer leidenschaftlichen Eruption aus Zerrissenheit und Verzweiflung. Helles Fiepen, kreiselnd surrende Sounds und ein pochender Bass, der in seiner Tonalität wie erdige Percussion anmutet, ergeben danach die Zutaten für „Never Enough“, das durch den einmal mehr sehr melodiös geführten Gesang enorm viel an Dynamik gewinnt, welcher stetig die Oberhand über der ansonsten zwar wirkungsvollen, doch vergleichsweise minimalistischen Ausrichtung behält. Mechanisch-stumpfes Pulsieren und grelles Flimmern verlieren sich in einer scheinbar gar nicht mehr enden wollenden Schleife disharmonischer Repetitivität und könnten zunächst wohl denken lassen, die Aufnahme hätte einen fehlerhaften Sprung… Doch dann setzen schließlich der kühle Bass und die fordernde Stimme ein. Erneutes Flimmern, bis plötzlich ein tiefer, tanzbarer Industrial-Beat das Tempo gebündelt hochjagt und im weiteren Verlauf auf extrem verfremdete, stark verzerrte Gesangsfetzen und allerlei kaputte Sound-Spielereien prallt: Das abgründige „Neurons“ präsentiert sich einerseits als extrem sperrig, hart und kalt, ja, vielleicht sogar unzugänglich, bietet gleichzeitig jedoch alle Qualitäten eines dunkelschönen Club-Krachers für die schwarzen Dancefloors, der auf einmal genauso unvermittelt endet, wie er angefangen hat. Vergleichbar dunkel beginnt „1mg“, welches dann nach nur wenigen Sekunden mit seinen sphärisch wabernden Synthie-Flächen sowie die sanfte, klagende Stimme weitaus mehr balladeske Züge offenlegt. Die schiefen Einschübe schlagen einen Kontrast in die ruhige Note des von nachhallenden Piano-Tupfern durchsetzten Refrains und erinnert damit etwas an „My Casual God“ vom Vorgängerwerk. Für den insgesamt dritten Vorgeschmack auf „Chrysanthemum“, das erst kürzlich ausgekoppelte „Darkness Is a Friend“, wechselt das Duo abermals sein facettenreiches Klang-Gewand. So führen Schlagzeug und E-Bass hier erstmals organische Rock-Elemente im Zusammenspiel mit der bedacht akzentuierten, intensiv nachdrücklichen Elektronik ins Feld, was für die erste Zeit einen harmonisch wärmenden Indie-Touch erzeugt. Das erneute Spiel mit den zahlreichen Facetten von Emeses Stimme setzt abermals einzigartige Akzente, ab dem sehnsuchtsvollen Chorus kommt dann auch eine Gitarre hinzu und reichert das Stück um eine Dark-Wave-Note an, was im mittleren Part schließlich in einem kurzzeitigen Ausbruch kulminiert, der vor allem lyrisch sehr berührt. So muss man sich in seinen verletzlichsten Momenten manchmal doch der Dunkelheit hingeben und tief in die Schatten hineinblicken, um die Trauer als essenziellen Teil des gesamten Zyklus annehmen und endgültigen Trost erfahren zu können. „Godspeed“ beginnt mit einer simpel angelegten Tonfolge vereinzelter Synthie-Kleckse und rauschendes Schaben, das sodann zu einem unscharfen Flackern ansteigt. Ansonsten verbleibt der Song bewusst reduziert und lässt dem Gesang als ausgewiesenes Kernelement den nötigen Raum zur freien Entfaltung, welcher Message und Melodie fraglos eigenständig tragen kann.

Die zweite Single aus Januar diesen Jahres ist das herrlich melancholische „Roadtrip“, das erst mit rhythmisch gemäßigten Drum-Patterns beginnt und die Strophen bald auf sich zu elegischen Chören formenden Synthie-Spuren bettet. Durch die sehr zugängliche, warme Instrumentierung mit ihrem wunderbar natürlich-nostalgischem Retro-Charakter geht die emotionale Nummer schnell ins Ohr und besticht zudem trotz ihrer recht kurzen Spielzeit durch gleichermaßen überraschend viel Komplexität, die sich gerade gegen Ende immer mehr und mehr zu großer Melodiösität auffaltet. Auch „Teach Me How to Techno“ richtet sich, wie der Titel an sich schon vermuten lässt, ganz klar an die Clubs, ist jedoch in Summe weniger exzentrisch und wild, als „Neurons“. Der pumpende Bass und verspielt tänzelnde Elemente begleiten den ätherisch schwebenden Gesang der energisch ansteigenden Strophen bis in den eskalierend blitzenden Refrain, dessen Charakter sich aber nicht allzu bald wiederholt, sondern gegen Ende erst in einer wunderbar spährisch-futuristisch tönenden Passage mit schönem Klimax mündet. Das abschließende „Faceless Boy“ glänzt als zurückhaltendes Schlusslicht dann mit viel minimalistischer Schönheit aus analogen, fiependen Synthesizer-Sounds und einem sanft pochenden Bass. Ansonsten hält sich die introvertierte, verletzliche Ballade musikalisch doch sehr zurück und setzt vornehmlich auf die durch den ergreifenden Gesang transportierte, emotionale Tiefe. Mit seinem sechsten Studioalbum „Chrysanthemum“ behandelt das ungarische Duo aus Krisztian Arvai und Emese Arvai-Illes inhaltlich die Vergänglichkeit auf vielerlei Ebenen, ganz gleich, ob physisch oder geistig, und rückt damit den Tod als gesellschaftlich oftmals negativ behaftetes Symbol ins thematische Zentrum ihrer Musik und betrachtet diesen gleichzeitig auch als eine Chance auf Neubeginn, inneren Wachstum und spirituelle Wiedergeburt. Dabei stellen „Black Nail Cabaret“ viele existenzielle Fragen auf philosophischer Basis oder auch ganz direkt und konfrontieren den Hörer mit Schmerz, Trauer und Verlust, wobei sie jenen Grundsatz in einmal mehr beeindruckende Klänge kleiden, die so viele Facetten innehaben, wie die umfassende Thematik selbst. Expressiv, gerne mal sperrig und experimentell strotzen die Arrangements vor lauter Feinheiten und kleinen Details, die hier zusammen den unverkennbaren Sound formen, ohne dabei je wunderschöne und, wenngleich selten offensiv auf dem Silbertablett serviert, einprägsame Melodien vermissen zu lassen. Im direkten Vergleich zu seinem Vorgänger zeigt sich „Chrysanthemum“ über weite Strecken verhaltener und gemäßigt. Die grazile Finsternis bleibt im Grundton stets erhalten, wenngleich etwas weniger verspielt und zeigt sich hier vor allem in feinen Nuancen und natürlich den Lyrics selbst. Etwaige progressive Ausbrüche in Richtung Dancefloor zeigen sich einzig bei überdeutlich beim ekstatischen Industrial-Hammer „Neurons“ und „Teach Me How To Techno“. Dennoch ist auch dieses Mal wieder ein Großteil der Tracklist durchaus tanzbar und regt gleichzeitig zum verträumten Innehalten und intensiven Fühlen an! Besonders stark hervorzuheben ist dabei die ungemein markante, leidenschaftliche und warme Stimme von Arvai-Illes, welche jeden einzelnen Song so einfühlsam wie eindrucksvoll ausfüllt und damit einfach nur ins Herz trifft. Diese schlichte, jederzeit tiefsinnige und dunkle Eleganz verdient das Prädikat des „Noire Pop“ vollkommen zurecht!


Informationen:  


https://blacknailcabaret.bandcamp.com

 

https://www.facebook.com/bncband/

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