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BEITRÄGE:

Tanzwut - Nachtmahr - Aesthetic Perfection (2025)

  • Autorenbild: Christoph Lorenz
    Christoph Lorenz
  • 21. Juni
  • 20 Min. Lesezeit


Tanzwut - Achtung Mensch! (2024)

 

Genre: Rock / Folk / Alternative

 

Release: 30.08.2025


Label: NoCut (SPV)

 

Spielzeit: 45 Minuten

 

Fazit:

„Achtung Mensch!“ - Was zunächst wie eine eingehende Warnung klingt, ist viel mehr der Titel des brandneuen Studioalbums von „Tanzwut“. Nachdem sich die Band um Frontmann Teufel mit dem Jubiläums-Album „Silberne Hochzeit“ all ihrer Wurzeln und Stärken bewusst wurde, wird nun zum nächsten Streich ausgeholt. „Achtung Mensch!“ bildet eine leidenschaftliche Symbiose aus ungezügelten, energetischen, ekstatischen Texten und Melodien. Man spürt und fühlt in jeder Pore den echten, gelebten Rock‘n‘Roll dieser Band und dabei eine unglaubliche Grundessenz erfrischend moderner Einflüsse. Die enorm abwechslungsreichen 12 Songs zeigen die Ikonen des Mittelalter-Metals in ihrer gänzlichen Unberechenbarkeit und unterstreichen den Stellenwert der Berliner. „Achtung Mensch!“ erscheint am 30.08.2024 als Stream, Download, 2-CD im Mediabook inklusive fünf Bonus-Songs, Doppel-Vinyl in Rot oder White /Red Splatter und auf 1.000 Einheiten limitierte Fan-Box über NoCut Entertainment im Handel. Diese enthält eine handsignierte Autogrammkarte im auf mattfolie-kaschiertem 300g-Karton, einen Outdoor-Aufkleber, ein geprägtes Türschild, eine Eieruhr in Bomben-Form und einen schwarzen Anti-Stress-Ball mit bedrucktem Schriftzug in einer hochwertig verarbeiteten, geprägte Metall-Box.

Achtung, ihr Menschen… Die „Tanzwut“ stößt die Pforten zur Hölle weit auf und lässt zum Tanz auf der dünnen Schneide des Jetzt und Hier ein weiteres Mal folkiges Mittelalter auf metallische Moderne treffen! Mit ihrem mittlerweile elften Studioalbum schickt sich die Band aus der Hauptstadt um Mike „Teufel“ Paulenz erneut an, ihren Pionier-Status als Hybrid aus traditionellem Instrumentarium und zeitgenössischem Deutsch-Rock zu unterstreichen und selbigen an der Speerspitze des Genres zu sichern. „Achtung Mensch!“ schlägt mit der gewohnten Präzision und kernigen Geradlinigkeit eine Brücke zwischen Dudelsäcken, E‑Gitarren und elektronischen Einflüssen hin zu theatralischer Dramatik und unverblümter Direktheit, während inhaltlich die Fragen unserer Zeit reflektiert werden. Vom kritischen Diskurs über persönliche Erinnerungen bis hin zu kleinen Zeitreisen in die Welt der Sagen und Legenden. Anno 2024 präsentiert man ein Album, welches die Band in Höchstform zeigt und gegenüber dem ebenfalls sehr gelungenen Vorgänger nochmals eine ganze Schippe drauflegt – Musikalisch wie konzeptionell. „Achtung Mensch!“ erweist sich nicht allein als bissiger Kommentar des Zeitgeists, sondern auch als Hommage an das Leben und die eigene Vergangenheit selbst. Stets abwechslungsreich, ohne in Belanglosigkeit abzugleiten. Eingängig, ohne oberflächlich zu sein. Kritisch und zugleich verbindend. Das Gesamtbild stimmt hier einfach: Tanzbar und tiefgründig, mal folkloristisch und mal hart, modern und dennoch nahe bei den Markt-Wurzeln genug. Das aktuelle Studioalbum beginnt sofort mit seinem Titeltrack, der zugleich auch als erster Single-Vorbote auserkoren worden ist. Zu düsteren Beats erheben sich die Dudelsäcke mit einer gar hymnischen Weise zum Auftakt, bevor dann überraschend rasende E-Gitarren die Oberhand über den extrem temporeichen Rhythmus gewinnen und energisch durch die rauen Riff-Kaskaden peitschen. In den Strophen setzen hingegen sphärische Keyboard-Flächen und Percussion atmosphärische Akzente, doch die Intensität zieht merklich immer weiter an. „Aus dem Weg, hier komme ich! Es ist zu spät, ich fahre mit Vollgas an die Wand… Ein Seelenflächenbrand. Achtung Mensch!“, heißt es im Refrain, welcher gleich danach wieder kurz die Folk-Seite dazu bittet. Der Song fungiert als explosiver Katalysator, der das restliche Album zündet und hier besonders stark zwischen bretternden Metal-Eskapaden und punkigem Drive aufwartet, dafür den Mittelalter-Anteil überraschenderweise umso kleiner hält. Nervös flackernder Electro eröffnet danach „Wenn Du Betrunken Bist“ und lässt nicht viel Zeit vergehen, bis hämmernd dreschendes Schlagwerk, schreddernde Saite und Mittelalter‑Motive hier alsbald in einem ebenso hohen Tempo aufeinandertreffen. Ein tanzbarer Hybrid aus donnernder NDH‑Aggressivität und ekstatisch folkenden Elementen, der zum exzessiven Feiern anregt und wie manch guter Tropfen alle Hemmungen fallen lässt. Nach so viel dreckig verrockter Vollgas-Power entfacht „Roter Mohn“ konträr dazu eine melancholisch-sinnliche Note und kehrt dafür mit seiner klar fokussierten Ursprünglichkeit musikalisch zu den Wurzeln der Berliner Band zurück. Dramaturgisch wirklich toll arrangiert trifft das zunächst noch eher balladesk angehauchte Stück so die richtigen Töne aus weitestgehend zurückgenommener Atmosphäre durch die sanfte Harfenklänge und präsente Dudelsack-Begleitung, bis der mithilfe der Rock-Fraktion kraftvoll eingerückte Chorus daraufhin geradezu vor lauter Leidenschaft, Sehnsucht und Verlangen blutet. Eine musikalisch wie lyrisch feinfühlig inszenierte Erinnerung voller Wehmut an alte Liebe und längst verlorene Momente, die beiden Seiten des tanzwut‘schen Könnens huldigt. Um einiges beschwingter kommt anschließend wiederum das „Loch In Der Mauer“ daher, zu welchem sich eingangs die fröhlichen Akkorde der Akustikgitarre mit lebhaftem Folk und leicht punkiger Attitüde einen. Im Refrain reichert E‑Power das Bild als emotionaler Tapetenwechsel wieder um ein paar erfrischende Nuancen mehr an. Inhaltlich lädt der Teufel mit diesem doch sehr persönlichen Rückblick zu einer kleinen Reise in seine Kindheit und Jugend in der DDR-Zeit ein, in welcher sich so mancher Mensch das hier besungene, geheime Schlupfloch in der Realität wünschte und dieses in Tagträumen und der eigenen Fantasie fand. Es war der Traum von einer Welt jenseits meterhoher Wände und Zäune. Nostalgie geht Hand in Hand mit einem erhellenden Hoffnungsschimmer, eingerahmt von historischer Erinnerung, Mut und dem Streben nach Freiheit. „Feuer In Der Nacht“ ist einer der erklärten Höhepunkte des Albums und zudem ein in allen Belangen absolut klassischer „Tanzwut“-Track im allerbesten Sinne: Inmitten des harten Rock-Unterbaus fährt die unwiderstehliche Magie der Dudelsäcke in den knapp drei Minuten Spieldauer höllisch heiß in die Glieder der Hörer und fordert diese sofort zur Bewegung auf, wobei die verwendete Flammen-Symbolik die kollektive Ekstase wie bei einem finsteren Ritual heraufbeschwört. Ideal für die Club- und Festivalbühnen in leicht tribalhaftem Anstrich mit ganz viel tanzbarer Energie - Ein Song, der live garantiert die Massen in Brand setzt! Zu „Hexenweib“ lässt die betörende Melodie der dominanten Sackpfeifen und einer Laute mystische Atmosphäre auferstehen, die sich als äußerst wirkungsvolles Fundament für jenen Minnegesang erweisen soll: Hypnotisch und beinahe archaisch zaubert die zunächst rein akustisch bedarfte Symbiose hier einen dunkel betörenden Reigen aus den Boxen, während der Teufel die titelgebende Figur beschwört. Lyrisch entführt man jedoch nur bedingt in altertümliche Sagenwelten, sondern münzt den Text auf die Verlockungen des schönen Geschlechts wie im Genre gerne mal so üblich. Man denke da etwa nur an „Belladonna“ von den Kollegen „In Extremo“… Das Stück verströmt schnell mittelalterliches Markt-Flair in Reinform - Düster, verspielt und mit theatralischer Geste. Das rockige Gegengewicht soll aber auch hier natürlich nicht zu kurz kommen und unterstreicht kraftvoll ab dem Chorus.

Das finster-metallische „Leichen Im Keller“ verschmilzt die „Tanzwut“-DNA mit brettharter NDH-Ästhetik á la „Rammstein“ und Konsorten, wie beispielsweise zuletzt schon auf dem Vorgänger beim martialisch prügelnden „Johann“ geschehen. Dunkle Synths bohren sich wie scharfe Krallen tief ins Innerste, monolithische Riff-Gewalt wütet und bildet zusammen mit dem schauerlichen Text die Kulisse eines wahren Horror-Szenarios. Dabei nimmt der Teufel, der hier stimmlich enorm überzeugend aus der Täterrolle heraus agiert, den doppeldeutigen Titel dieser Grusel-Mär sehr wörtlich und bietet einen einschneidenden Einblick in die gut behüteten Geheimnisse hinter polierten Fassaden… Vielleicht weit mehr, als manch einem lieb ist. Das spitzzüngige Aufdecken von Tabuthemen erfolgt heuer nur wenig subtil, dafür aber umso lauter und kompromisslos! Im Folgenden ist es an der Zeit, es wieder etwas ruhiger zugehen zu lassen und was bietet sich dafür besser an, als „Noch Eine Flasche Wein“ unter Freunden? Eine ruhige, gefühlige Ballade mit nunmehr deutlich reduzierterem Arrangement und einem verstärkten Fokus auf ein gesundes Maß an Melancholie. Die erst ungewohnte Instrumentierung spielt der nachdenklichen Zurückgenommenheit sehr gut in die Karten und hilft der Lagerfeuer-Atmosphäre, sich langsam zu entfalten. Die introspektiven Zeilen sind emotional aufgeladen und schwermütig. Halten dazu an, das Leben und den Moment zu genießen. „Noch eine Flasche Wein mehr oder weniger, vielleicht sind wir ja morgen schon im Krieg. Noch eine Flasche Wein mehr oder weniger, wer weiß, wer morgen schon im Grabe liegt. Noch eine Flasche Wein für dich und mich. Noch eine Flasche Wein auf unser Leben, der Tod kommt irgendwann doch sicherlich. Komm, lasst noch einmal unser Glas erheben…“, heißt es in der ersten Strophe etwa. Denn: Wer weiß schon, was morgen ist? Ein kleines Lehrstück in heimeliger Tavernen-Melodik, arrangiert mit Balladen-Struktur - Schön! „Neues Spiel, Neues Glück“ ist ein motivierender Power-Schub mit Aufruf zum Wandel. Treibender Rock‑Rhythmus, Ohrwurm-Hook und damit direkt auf die Bühne zugeschnitten. Die Botschaft: Neustart statt Stillstand! Fließend werden Rock-Elemente mit mittelalterlichen Tonfarben verschweißt, die optimistisch zum Freitanzen von Altlasten und Neuanfang drängen. „Alles Klar“ schraubt Intensität und Härtegrad mit seinem straffen NDH-Groove danach wieder um einige Stufen höher, während Teufel die grenzenlose Scheinheiligkeit der Wegschau-Kultur hoch und höher hält. Rhythmisch eingängig, textlich klar und direkt - Eine eiskalte Abrechnung mit gesellschaftlicher Gleichgültigkeit und eine zurecht scharfe Kritik an der egozentrisch-apathischen Ellenbogen-Mentalität unserer Zeit. „Zauberland“ bereitet den Hörer dann allmählich behutsam auf den leider schon herannahenden Ausklang in hymnisch-elegischer Pracht vor. Zuversichtliche Gitarren-Power, aufstrebende Dudelsack-Harmonien und der fast schon choral geartete Gesang lassen die Band in ihrer übermächtigen, virtuosen Präsenz hier beinahe wie ein gesamtes Orchester wirken. Ideal als rauschhaftes Quasi-Finale mit emotionalen Wiederholungseffekt. „Wir Sehen Uns Wieder“ ist zarter Schlusspunkt und aufrichtiges Versprechen zugleich. Wehmütige Melancholie im rockig getragenen Mid-Tempo, gegenwärtig und doch voll wärmender Hoffnung: Dieser Abschied bedeutet noch lange nicht das Ende! „Tanzwut“ zeigen sich auf „Achtung Mensch weiterhin als flexibles Genre-Genie, welches sich seiner DNA aus Rock und Mittelalter sehr wohl bewusst ist, diese aber verstärkt mit passend modularisierten Electro-Elementen ausbaut, die heuer wieder deutlich präsenter als auf den vergangenen Werken ausfällt und damit eine starke Reminiszenz an die Neunzigerjahre und frühen Zweitausender bietet. Das Ergebnis dieser Vielfalt ist ein Uhrwerk, bei dem jedes Zahnrad sitzt - Ob melodiöse Hymne, brachialer Brecher oder emotional-sanfte Ballade. Die Band bleibt ihrem Kern treu und bewegt sich dennoch gerne grenzüberschreitend auf dem schmalen Grat zwischen puristischer Stammlinie und modernem Überbau: Dudelsäcke und Gitarren, Beats und Keys, Rock und Ritual in einer selten so dermaßen kompakt gehörten und geschlossenen, doch zugleich reichhaltigen Symbiose. Thematisch variiert das Album zwischen klarer Kritik und gesellschaftlichem Weckruf, exzessiver Feier, reflektierter Melancholie und verträumter Sinnsuche. Jeder Song stellt ganz ohne leere Wiederholungen eine Facette in diesem schwarzbunten Kaleidoskop dar, was dieses Album so spannend und abwechslungsreich werden lässt. Mit „Achtung Mensch!“ präsentiert die „Tanzwut“ ein Werk, das nahezu all ihre Stärken gekonnt in den Vordergrund stellt. Ein Album, das tanzbar und herausfordernd zugleich ist. Traditionelle Instrumente treffen auf Power‑Rock, mittelalterliche Narrative auf aktuelle Fragen. In knapp fünfundvierzig Minuten bündeln Teufel und Co. all dies zu einer feurigen Essenz. Inhaltlich relevant, musikalisch faszinierend und visuell stark vorstellbar - Ein durchweg überzeugendes Gesamtpaket, das sich lückenlos in die bisherige Diskographie einreiht und zeigt, dass jenes Genre durchaus wachsen kann, ohne seine Pfade zu verlassen und sich untreu zu werden… Achtung, „Tanzwut“!

Informationen:

 

 


Nachtmahr - Verboten! (2024)

 

Genre: Electro / Alternative

 

Release: 01.11.2024


Label: Trisol Music Group (Alive)

 

Spielzeit: 44 Minuten

Fazit:

„Nachtmahr“ sollten verboten werden. Wünschen sich die, die immer schon mit dem Strom geschwommen sind, immer schön unter dem Radar einer knechtenden Gesellschaft. Das Gegenmittel dazu braut Thomas Rainer: Seit 2007 befinden sich „Nachtmahr“ auf einem Feldzug gegen die Gleichschaltung. Mit knallhart peitschenden Industrial-Hymnen an den Wolf im Mann, mit Manifesten der Nonkonformität, mit Blutopfern an die Lust, das Verlangen und das Verbotene hat sich Thomas Rainer längst einen Ruf als provokanter Dirigent unserer dunkelsten Lüste erarbeitet. Er ist das Schreckgespenst einer Szene, die nur vordergründig unkonventionell ist und jeden Revoluzzergeist doch schnell im Keim erstickt. Er wurde gehasst, verdammt, vergöttert, niedergemacht, diskreditiert. Und hat sich doch nie beugen lassen. Mehr denn je gilt heute für ihn: Sollen sie ihn doch hassen, solange sie ihn fürchten. Und warum sie ihn fürchten, zeigt auch das neue „Nachtmahr“-Opus „Verboten!“ auf die ganz spezielle gnadenlose Weise, die diese Band auszeichnet. Das neue Machwerk ist ein unerbittlich stampfender Techno-Industrial-Leviathan, dem Rest der Szene hoffnungslos überlegen, triefend vor Siegeswahn und erbarmungslos gegen alles, was sich ihm in den Weg stellt. „Verboten!" entfaltet dieselbe Wucht wie ein Erstschlag, gepaart mit 17 Jahren Erfahrung und befeuert von einem jahrelangen Kampf gegen alle, die sich Thomas Rainer in den Weg gestellt haben. Die ihn vergeblich canceln wollten. Und das waren praktisch alle. Bewusst schroff gehalten und zusätzlich verstärkt durch kantige Gitarrenwände, ist dieses Monstrum, das sich aus unser aller Untiefen erhebt, nur noch stärker geworden. Noch kompromissloser. Noch hungriger. Noch verbotener. Alles ist Krieg. Leben ist Krieg, Kunst ist Krieg, Sex ist Krieg. Der größte Krieg von allen, der tobt jedoch in unseren Köpfen. All diese Konflikte befeuern Thomas Rainers Inspiration, lassen diese fiebrigen Hymnen an den Widerstand in durchwachten Nächten aus ihm herausbrechen. Jedes Stück für sich eine Schlacht und ein Triumph, ein Schlag gegen die Einförmigkeit, die Tristesse, die Bürgerlichkeit. Es erfordert Mut, sich all dem zu stellen, wie es Thomas Rainer getan hat. Der Einsatz ist hoch, doch der Preis noch viel höher: „Verboten!“ verspricht einen Ausweg aus den Zwängen der Gesellschaft, aus der Gleichschaltung der Masse. Wer sich „Nachtmahr“ anschließt, wird Gegenwind erfahren. Orkanartigen Gegenwind. Doch eines dürfen wir nie vergessen: Thomas Rainer hat unsere Freiheit mit seinem Blut teuer erkauft und uns alle unsere Schuld vergeben. Das ist ein Bibelzitat. Doch man wird den Eindruck nicht los, dass es für den Genral der Industrial-Revolution geschrieben wurde. Vorwärts Marsch! „Verboten!“ wird am 01.11.2024 als Stream, Download und streng auf 1.000 Exemplare limitierte, handnummerierte Digipak-Edition im A5-Format inklusive aufwendig gestaltetem Booklet auf 24 Seiten im Sonderformat via Trisol Music publiziert. Exklusiv über den Fantotal-Shop ist zudem ein Bundle mit dem Zip-Hoodie „Hated & Proud” und einem Sticker zu erstehen. 

Eine klare Kriegserklärung in harschen Beats und Uniform: Drei Jahre nach dem „Stellungskrieg“ marschiert das Geschwader um Supreme Commander Thomas Rainer mit seinem nunmehr neunten Studioalbum erneut ins Feld und zeigt sich bereit für ein weiteres Gefecht: Mit „Verboten!“ lassen „Nachtmahr“ abermals ihren militärischen Industrial‑Sound als versierte Club-Attacke auf die Szene los und kredenzen nach über fünfzehn Jahren Band-Historie neues Futter zwischen den Fronten von Kritik, Fetisch, Drill und provokativer Leidenschaft. Stets so verhasst wie bewundert, jedoch auf jeden Fall immer mit signifikantem Wiedererkennungswert: Auch die zwölf neuen Songs pirschen sich mitnichten heimlich, still und leise an, sondern detonieren mit voller Kraft! Kompromisslos, martialisch, angriffslustig. „Verboten!“ verschmilzt die eigens bewährte Signature-Ästhetik in Optik und Wort mit Elementen der EBM, des Aggrotech und modernen Club-Industrial. Für das Dagegen. Das Anderssein abseits der Norm und strikten Konventionen. Nicht umsonst bezeichnet Rainer den nachtmahr‘schen Stil seit jeher gewohnt selbstbewusst als „Imperial Austrian Industrial“. Doch erst beim Hören und insbesondere live Erleben wird richtig klar, was genau das eigentlich bedeutet: Drückender Bass, brutale Beats, marschierende Rhythmen, viele Samples und gerne mal grenzüberschreitende Texte, die zwischen Provokation und Reflexion oszillieren. Achtung! Die Schlacht steht unmittelbar bevor und ein Sturm zieht auf: Zum kriegerischen Auftakt heulen die „Sirenen“ in Form grell tönender Synths im basslastigen Marsch-Beat und schreien geradezu Alarm in unsere Köpfe. Ein unüberhörbarer Weckruf, der alsbald den ganzen Körper durchströmt. Jetzt gibt es kein Entkommen mehr! Musikalisch im typisch unnachgiebigen Gewand gekleidet, doch mit mindestens ebenso viel Ohrwurm-Charakter ausgestattet, preschen „Nachtmahr“ mit klar militärisch geprägter Bildsprache, einigen Samples und dringlichen Vocals voran. Harsch aufrüttelnd mit Nachbrenner‑Dynamik. „Durch den Krieg werden die Menschen nicht edler. Er macht sie zu Hunden. Vergiftet die Seele. Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen…“, heißt es in der ersten Strophe. Getreu dem Leitspruch „Krieg kennt keine Sieger“ gehen Rainer und Co. hier ungewöhnlich direkt ins Gericht mit dem sinnlosen Töten, wenn Menschenleben unter ihren Befehlshabern nicht mehr als reines Kanonenfutter wert sind. Ein überdeutliches Statement, aus welchem die Menschheit jedoch leider wohl niemals lernen wird… Die erste Single-Auskopplung wurde schlicht „Gegen“ betitelt und unterstreicht im minimalistisch pluckernden EBM-Takt ziemlich unmissverständlich, direkt und dennoch genügend verklausuliert, wofür die Band steht… Oder besser gesagt, wofür nicht. „Nachtmahr“ sagen viel, ohne zu viel zu sagen und agieren dennoch abermals überraschend deutlich. Die raue Stimme hallt zwischen den kernig-puristischen Beats wie eine klare Machtdemonstration der eigenen Wertevorstellungen wider. Bewusst, unmittelbar, rationell und dominant strukturiert. Der Track baut Rhythmusblöcke dick und undurchdringlich wie meterhohe Betonwände, während Rainer kühl seine Opposition skizziert. Im Kampf für die eigene Überzeugung, für Freiheit im Denken und Sein, bleibt kein Zweifel und kein Beat ohne Zweck. Das bereits im Spätherbst 2023 digital veröffentlichte „Luzifer“ findet nun also in der Tracklist des neuen Albums seinen festen Platz: Ein unverhohlener Frontalangriff auf den Dancefloor mit ganz viel Oldschool-DNA. Bis auf einige Sample-Einschübe enthält die dunkle Versuchung keinerlei Gesangslinien und verbleibt damit als eines der typischen Instrumental-Interludien, wie sie sich seit jeher auf den Alben finden. Bitterböse und dumpf rumpelt der Industrial-Beat. Dreckig, monoton und treibend, wie ein Soundtrack für die Schattenzone. „Luzifer verlangt Leiden“ - Die Nummer mutet beinahe wie ein psychotisches Ritual an. Hypnotisch und peitschend, bis er den Hörer dann gänzlich in seinen kalten Klauen gefangen hält. Zu „Keine Lieder“ bohren sich doch tatsächlich die kantigen Riffs einer E-Gitarre in die Wand aus mystisch perlenden Synths und exzessive Breakbeats - Punk im Industrial-Style! Inhaltlich gibt es vor allem viel der gewohnten Underdog-Mittelfinger-Attitüde an Hater und Kritiker, ohne die beinahe kein Release auskommt, was zugegebenermaßen auf Dauer ein wenig schlauchen kann. Nichtsdestotrotz: Rainer speit wie zu den Anfängen wütend Gift und Galle und die wohldosierte Erweiterung des eigenen Instrumenten-Portfolios weiß durchaus zu gefallen, da sie das Gesamtbild gelungen und mit spannender Frische anreichert, ohne zu sehr zu fremdeln. Das i-Tüpfelchen ist dann der hymnische Refrain, der schnell zum Mitsingen animiert und garantiert kaum einen Fan kalt lässt. Die „Stimme In Mir“ beginnt anschließend mit technoid aufheulenden Synth-Schüben und viel catchy Ohrwurm-Potential, erinnert durch seine extrem ähnliche Melodieführung jedoch frappierend an das eröffnende „Sirenen“ zuvor. Ob gewollte Verquickung in Form einer Art Reprise oder doch eher einfallslose Kopie, sei mal dahingestellt. Inhaltlich gibt es einen recht simpel gereimten, psychisch aufgeladenen Horror-Trip. Einen inneren Dialog mit der dunklen Seite, gegossen zur eiskalten Klangkonstruktion, der irgendwo zwischen Zerrissenheit und Schizophrenie pendelt. Selbstkontrolle und Moral am äußersten Hang des Abgrunds. Rainer flüstert, raunt und brüllt im Kampf mit sich selbst, wobei er durch die Abmischung insbesondere in den Strophen leider nicht immer gut zu verstehen ist. Das völlige Gegenteil dann mit „Nachtetüde“, welches sich als lupenreines Piano-Stück in rund zweieinhalb Minuten entpuppt! Kurz, leise und intim. Wie ein in sich ruhendes Kontrast-Intermezzo inmitten des tobenden Infernos aus Wut, Hass und Zerstörung. Ohne ein gesungenes Wort, ohne ein einziges Sample. Fragil, rein und wahrscheinlich gerade deshalb umso wirkungsvoller. Doch bevor sich der Hörer noch zu sehr an die zartbesaitete Idylle gewöhnt, naht der Umschwung.

Metallisch, finster und prägnant: „Amboss und Hammer“. Ein passender Titel für die tonale Totalzerstörung. Der fordernde Beat drängt und drückt in unablässiger Manier, während sich die Sample-Fetzen in bedeutungsschwangeren Metaphern verlieren. Ein instrumentale Ode an die Härte. Der extrem tanzbare Track hämmert nur so in einem durch, der gesamte Sound wird zum stoischen Schlagwerk. Eine mechanisches Manifest für Unterdrückung und Widerstand. „Der Schwarze Mann“ kokettiert natürlich mit dem bekannten Kinderspiel und bietet Rainer damit ziemlich plakativ die Basis, sich und sein Tun einmal mehr zynisch als das Böse zu inszenieren. In martialisch stampfender Rhythmik prescht die Nummer glorifizierend im stoischen Marsch immerzu voran, stets umgeben von einer betont finsteren Aura, die sich ein bisschen zu ernst nimmt. Rainer inszeniert die Angst und formt sie zu hymnischer Dunkelheit. Zu „Wiedersehen“ holen „Nachtmahr“ plötzlich die E-Gitarre zurück und verleihen dem dumpf pochenden, minimalistischen Industrial-Gebilde auf diese Weise einen kleinen NDH-Touch im Unterbau. Metallisch-raue Saite driften in den strengen Rhythmus hinein und verleihen der um sich greifenden Bedrohlichkeit umso mehr Biss, bleiben jedoch eher zusätzlich rahmende Akzente und überfrachten den typischen Sound nicht. Der nächste Track ist wieder ein reines Instrumentalstück und pumpt binnen weniger Sekunden wortwörtlich das „Blut“ in die Adern, lässt es zirkulieren und fließen, wie eine wilde Fahrt zum Kern der Gewalt. Die rohen Beats pressen sich direkt in den Körper - Industrial im psychedelischen Gewand, wenngleich die klangliche Abwechslung im Vergleich zu ähnlich gearteten Songs aus der bandeigenen Vergangenheit hier eher weniger gegeben ist. Wie schon beim letzten Album stellt sich bei einem kompletten Durchlauf am Stück gegen Ende irgendwie zunehmend das Gefühl ein, einen Großteil davon musikalisch und textlich schon sehr viel öfter und besser gehört zu haben. Auch „Spuren Einer Nacht“ ist davon nicht ausgenommen und setzt als Schlusslicht auf eine Mixtur aus schrill kreischenden Industrial-Salven, stark verzerrten Gitarren und gespenstischen Klavier-Tupfern. Ein Blizzard aus Sound, der auf vielen Ebenen beliebte Elemente der Band vereint und noch lange nachhallt. Somit der perfekte Abspann für die vergangene Klang-Schlacht. „Verboten!“ lebt wie auch schon alle Vorgänger von seiner ganz bestimmten Ästhetik in Artwork, Sound, Wort und natürlich nicht zuletzt direkt auf der Bühne. Das geschlossene Konzept zieht sich strikt wie ein roter Faden durch das gesamte künstlerische Schaffen des österreichischen Projekts. Ist unverkennbarer Signature-Move, bewusst aufsehenerregende Außenpräsentation, non-konformer Ausdruck von Freiheit und natürlich Vehikel für die plakative Bildsprache roher Emotion und menschlicher Abgründe, wobei sich ein gewisses Kalkül zum Verkaufsargument natürlich nicht absprechen lässt. „Nachtmahr“ haben ihre Nische in der Szene schon lange gefunden und werden dafür von ihren treuen wie gleichermaßen leidenschaftlichen Fans frenetisch gefeiert, von den Kritikern hingegen umso mehr gehasst. Etwas dazwischen gibt es nicht. Thomas Rainer spielt seit jeher lustvoll mit der schieren Provokation von Uniform-Schick, Drill und Dominanz und gibt damit nicht selten kritischen Einblick in allerlei Kontroversen um System und den Menschen selbst. Die Texte hinterfragen Macht, Angst und Identität, sind unter ihrem lautmalerischen Mantel aber nicht selten verletzlich. Sie erzählen von Selbstzweifel, inneren Dialogen und dem Kampf mit den eigenen Schatten. Wer bist du im deiner selbst? Songs wie „Stimme In Mir“ oder „Luzifer“ führen geradeswegs in psychologische Grenzregionen, während „Gegen“ und „Keine Lieder“ einen übergroßen Mittelfinger in Richtung Vorwürfe und Hater erheben oder „Sirenen“ kritisch hinterfragend die Schrecken des Krieges offenlegt. Dazwischen stampfen immer wieder rein instrumentale Club-Banger zum weiteren Anheizen und gemahnen oldschoolig an die eigenen Wurzeln. Anders als oftmals unterstellt, vertreten „Nachtmahr“ keine Ideologie, sondern sind Inszenierung. Freilich nicht ohne jeden Selbstzweck und auch beileibe nicht annähernd so durchdacht und thematisch tiefgreifend wie die großen Provokationsplayer á la „Laibach“, aber eben doch unterhaltsam und im Genre berechtigterweise dort, wo sie seit Jahren stehen. Musikalisch gesehen ist „Verboten!“ ein typischer Vertreter seines Genres und reiht sich lückenlos neben artverwandten Acts ein. Basslastiger Aggrotech und peitschender Industrial auf hohe BPM-Zahl getaktet, hier noch zuweilen um schreddernde Gitarren‑Wände angereichert, fräsen den kühlen Rahmen. Dabei folgt die Produktion bewusst einem ungeschliffenen Leitfaden, analog trifft auf digital. Harsche Beats, schnelle Rhythmen, gerne viel pathosschwangere Samples und fast bis zur Unkenntlichkeit verzerrte Vocals lassen die Fans sofortig auf den Dancefloor marschieren. Diese Musik will keine leichte Kost sein, ist kein Trend-Album, sondern ein Statement gegen Anpassung und Gleichschaltung. Rainer bleibt polarisierend, spielt mit einer Symbolik an der Grenze. Für Freunde radikaler Szene‑Ästhetik ein Safespace zur freien Entfaltung im brutalen Tanzflächen-Bunker, für Kritiker vermutlich einfach nur stumpfe, geschmacklose Provokation. Nicht ganz unberechtigt, denn wirklich viel Neues oder gar Innovatives gibt der Stoff nach wie vor nicht her. Manches wirkt gelegentlich zu gewollt und festgefahren. Nichtsdestotrotz: „Nachtmahr“ setzten aufs Polarisieren und liefern, was von den Hörern erwartet und gewünscht wird. Feiert dekadent und nie ganz ohne Kalkül den Szene-Hedonismus zwischen Fetisch-Nische, Non-Konformismus und psychologischer Kriegszone.

Informationen:

 

 


Aesthetic Perfection - Closer To Human (2025)

 

Genre: Electro / Alternative

 

Release: 20.06.2025


Label: NoCut (SPV)

 

Spielzeit: 45 Minuten


Fazit:


Nach zwanzig Jahren kehrt Daniel Graves zu dem Album zurück, mit dem alles begann. „Closer To Human“ ist keine bloße Wiederveröffentlichung - Es ist eine Wiederauferstehung. Mit den originalen Synths und Samples aus der 2005er Aufnahme hat Graves jedes einzelne Stück von Grund auf neu erschaffen. Das Ergebnis? Eine Neuinterpretation, die ihren Wurzeln treu bleibt und gleichzeitig eine bisher unerreichte Tiefe und Klarheit entfaltet. „Aesthetic Perfection“ hat nie besser geklungen. Am 20.06.2025 erscheint „Closer To Human“ in exklusiver Zusammenarbeit mit Dependent Records sowohl als Stream und digitaler Download als auch in limitierter Auflage als 1-Disc im Digisleeve, 2-Disc-Digipak und auf farbigem Vinyl.

Prallt mittlerweile eher betagte Technik plötzlich auf die vergleichsweise umfangreichen und dabei nicht selten komplexen Möglichkeiten der Moderne, muss nicht zwangsläufig immer nur Gutes entstehen. Ganz im Gegenteil, denn manchmal kann entsprechende Kollision beider Welten mitunter sogar zu nicht mehr rückgängig zu machenden Langzeitschäden führen! Umso besser jedoch, wenn im Falle eines solchen Falls durch ebenjene aktuellen Tools auch wieder Abhilfe geschafft… Und durch viel harte Arbeit. Doch fangen wir besser einmal ganz von vorne an: Das Projekt „Aesthetic Perfection“ wurde im Jahr 2000 von Daniel Graves in Hollywood bei Los Angeles gegründet. Als dann erste Klänge die Landschaft der elektronischen Musik-Szene erreichten, ließen Aufmerksamkeit und Erfolge nicht mehr lange auf sich warten und legten fortan den Grundstein für die weitere Karriere des kreativen US-Amerikaners. Ein Hardware-Totalausfall in 2006 ließ die Originaldateien des gefeierten Debüts schließlich verloren gehen - Eine absolute Katastrophe! So empfand scheinbar auch der Mastermind selbst, welcher diesen schmerzhaften Verlust einfach nicht auf sich beruhen lassen wollte und 2024 stattdessen dazu entschied, das Album zu rekonstruieren. So trug Graves im Folgenden sämtliche Hardware und Samples zusammen, um „Close To Human“ feinsäuberlich von Grund auf neu aufzubauen. Auch wenn das Endergebnis dem ursprünglichen Original fast schon unheimlich nahekommt, war es jedoch nie das erklärte Ziel, lediglich eine bloße 1:1-Kopie zu erstellen. Dies wäre nicht nur entgegen des hohen Anspruchs des Interpreten an sich selbst, sondern der eigenen Vision auch gar nicht zuträglich gewesen: Die Welt hat sich inzwischen einfach weitergedreht und neben weitaus mehr technischen Möglichkeiten zudem gänzlich andere Standards etabliert - Sowohl im Business als auch unter den Hörern. Ferner ließe sich die einstige Naivität und den damaligen Umständen geschuldete Rohheit der „Sturm und Drang“-Phase sicher nicht authentisch nachstellen, ohne am Ende zu gewollt zu wirken oder Abstriche beim Gesamtpaket machen zu müssen. Viel mehr flossen heuer viele Jahre der musikalischen Erfahrung in den Prozess ein und so taufte Graves das Ergebnis passenderweise „Closer To Human“, um die Kontinuität und Weiterentwicklung gebührend zum Ausdruck zu bringen. „Nach 20 Jahren ist mein Debütalbum „Close To Human“ zurück - aber nicht so, wie ihr es in Erinnerung habt!“, erklärt der Komponist, Texter und Sänger. „Im Jahr 2006 ließ mich ein katastrophaler Festplattenausfall glauben, das Album sei für immer verloren. Jahrelang dachte ich, ich würde diese Songs nie wieder mit derselben Energie, Seele und Wirkung wie bei der Originalveröffentlichung von 2005 live spielen können. Doch 2024 änderte sich alles!“, führt er weiter aus und spricht dabei gar von einer Wiederauferstehung. „Für die physische Veröffentlichung habe ich mit Dependent Records zusammengearbeitet, um ein Deluxe-Packaging zu schaffen, das es in dieser Form bei „Aesthetic Perfection“ noch nie gegeben hat!“, verkündet Graves hörbar stolz. Ganze zwanzig Jahre nach der Erstveröffentlichung erscheint mit „Closer To Human“ also kein bloßes Remaster, sondern eine polierte Neu-Kreation. Ein Revival pünktlich zum Jubiläum, das auf diese Weise gefeiert werden will und wird. Der akribisch nachgebaute Sound zeigt klar moderne Präsenz auf und haucht dem Erstling neues Leben ein, sodass dieser in seiner neuen Form natürlich nicht nur deutlich frischer, knackiger und druckvoller, sondern reifer, lebendiger und näher an der Live-Power klingt. Eine äußerst gelungen austarierte Balance zwischen nostalgischer Authentizität und zeitgemäßer Wucht, welche das Ursprüngliche und die rohe Energie zwar sicher erhält, diese jedoch mit viel moderner Tiefe am Puls der Zeit anreichert. Diese Quasi-Wiederveröffentlichung ist Rückblick, Demonstration des Status Quo und Zukunftsmusik zugleich. Wie ein glorifizierendes Echo aus der Vergangenheit, das mit voller Power nach vorne drängt. Angefangen beim kurzen Intro-Modul „Human“, das trotz seiner Spielzeit von unter einer Minute mit sonderbar bedrohlicher Atmosphäre knisternde Spannung auf das bald Kommende verbreitet, während die Samples einer roboterartigen Frauenstimme dem Hörer die Frage stellt, was uns alle eigentlich zu Menschen macht. Minimalistisch, aber enorm wirkungsvoll. Der erste vollwertige Song, „I Belong To You“, wurde für die neue Ausgabe schlicht in „Belong“ umgetauft. Breakbeat und verzerrte Basslinien. Aggressiv, intensiv, unmissverständlich. Die kehlige Stimme von Graves zieht messerscharfe Konturen durch das pumpende Sound-Bild. Die Suche nach Sinn und Zugehörigkeit wird zur losgelösten Eruption aus Rhythmus und Klang. Eine eindringliche Aggrotech-Explosion mit reichem Klangbild und mächtig Nachdruck. Überraschung für die Fans: Nicht nur ursprünglich nicht auf dem Debüt enthalten, sondern nie offiziell veröffentlicht, feiert „Beautiful“ rund dreiundzwanzig Jahre seine Rückkehr aus der Demo-Phase. Klar von melodischen Synths und treibenden Beats angetrieben, tänzelt der zuvor als digitale Single ausgekoppelte Track mit ganz viel Ohrwurm- sowie Hit-Potential zwischen nimmermüde aufgepeitschter Rhythmik und roher Emotion. Der reine Vocoder-Einsatz im Refrain und der melodische Pop-Charakter setzen pointiert Kontraste, doch spätestens wenn Daniel Graves in den Strophen wieder einsetzt, regiert das von durchweg tanzbarer Club-Affinität veredelte Fundament. Eine Attacke auf alle Sinne mit einem Schuss samtig-dunkler Laszivität und dem überdeutlichen Ziel, die schwarzen Floors zu erobern!

Auch „Surface“ erweist sich mitsamt stoisch drückendem Beat, verzerrten Industrial-Akzenten und Unberechenbarkeit direkt als überaus clubtauglich: Eine ungezähmte Mischung aus elektrisierendem Drill und Euphorie, die in einen hypnotischen Sog drängt. Der dunkle Groove setzt ein und wird schnell zum pulsierenden Herzschlag. Hier zeigt sich einmal mehr Gravess virtuose Kontrolle über Tempo und Dramatik. Hart. Schnell. Unaufhaltsam. Wenn hier die Beats aus allen Rohren gefeuert werden, kann nur von „Fix“ die Rede sein. Aggressiv aufgeladene Frequenzen treffen immer wieder stakkatoartig auf die ohnehin schon prägnante Melodie. Der Track ballert bei hoher Qualität kompromisslos durch. Ein absolutes Paradebeispiel für modernen Aggrotech, welcher Mitte der 2000er seiner Zeit längst voraus war. „Overcast“ setzt danach einen so unerwarteten wie bemerkenswerten Kontrast innerhalb der Tracklist: Die zurückhaltend ausgestalteten Strophen bedienen sich minimalistischer EBM-Rhythmik und unterschwellig eindringlichen Sound-Fragmenten, die gespenstische Akzente setzen und so der finsteren Grundstimmung beitragen. Es knarzt, knackt und fiept. Die ruhige, doch bedrohliche Atmosphäre wechselt mit energischen Vocal-Exkursionen. Fließende Dynamik zwischen in sich ruhender Präsenz und urplötzlichem Frontalangriff straft jedwede Vorhersehbarkeit eiskalt ab. Graves variiert zwischen kratzig raunenden Flüster-Passagen und lethargischen Shouts im Chorus, was für eine wunderbare Dualität sorgt! Schrill-kehliger Gesang und treibende Beats: „Master“, welches auf dem Originalalbum gar nicht erst enthalten war, nimmt nun die Position des sanften Instrumentals „Relapse“ ein, das hier wiederum nur im Bonusmaterial zu finden ist. Ein durch und durch puristisches wie gleichermaßen energiegeladenes Aggrotech-Statement mit hart kickenden E-Drums, technoid flimmernden Synths und brachial geshoutetem Gesang. Die folgenden beiden Songs haben gegenüber dem Debüt ihre Plätze in der Reihenfolge getauscht, was vermutlich dramaturgische Gründe hat. Wie schon anno 2005 markiert „Architect“ wohl eines der absoluten Highlights des gesamten Werks: Pulsierender Power-Industrial und dezent verpoppte Versatzstücke prügeln sich im rauschartigen Tempo immer weiter, während Graves gesanglich die Grenzen aufsprengt und stimmlich hörbar ans äußerste Limit des Möglichen geht. Es ist pure musikalische Aggression in einem überraschend vielschichtigen Arrangement, das dennoch nie überladen wirkt, sondern angenehm kompakt und vor allem extrem tanzbar bleibt - Wow! Ebenso dann „Sacrifice“ - Knapp, knackig, präzise. Frei von Schnörkel oder verspielten Experimenten. Straight nach vorne, nur rohe Energie. In unter vier Minuten Spielzeit liefert die Nummer destillierte Intensität, bei der Lyrics und Klang zu einer harschen These verschmelzen. Fokussiert und direkt. Entgegen der Vorlage wurde die Tracklist von ursprünglich elf auf zehn Songs reduziert. Das fehlende „Ersatz“ und der Closer „Reset“ finden sich stattdessen auf der zweiten Disc, „The Lost Master“, der limitierten Edition. Diese Beigabe hält sich so nahe wie möglich am Original und bietet eine schöne Retrospektive zum direkten Vergleich. Somit ist also „Coward“ die letzte Salve im elektronischen Dauerfeuer: Durch sphärisch gelagerte Future-Pop-Elemente melodisch feinsinnig und beinahe verträumt geraten, doch ohne dabei die aggressive Kraft einzubüßen, die Graves allein durch seine Stimme steuert. Sehr gelungen! Also? „Closer To Human“ hat eine Nostalgie schwangere Betrachtung zu keinem Zeitpunkt nötig und ist demnach weitaus mehr er- und gewachsenes Industrial-Biest, denn aus der Zeit gefallene Re-Issue als Lückenfüller-Abverkauf zum Jubiläum. Mehr noch stellt Daniel Graves anschaulich unter Beweis, wie weit seine ersten Schritte dem Szene-Electro bereits damals voraus waren. Das aufwändig neu zusammengestellte Werk spielt seine raue Wucht nun umhüllt von einem klaren, druckvollen Sound voll aus. Dazu wurde jeder Song im Vergleich deutlich hörbar seziert und mit technischer Perfektion wiederbelebt, sodass einerseits Fans der ersten Stunde sicherlich aufatmen und die neue Generation gleichzeitig einen Industrial-Meilenstein im modernen Gewand serviert bekommt. Auf diese Weise klingt „Closer To Human“ niemals angestaubt, sondern stets zeitlos, frisch, energiegeladen, wunderbar griffig und emotional exakt platziert. Mit einer weitaus stärkeren Dynamik, präziser Abmischung und einer damit verbesserten Hörbarkeit. Die Wiedergeburt der Songs wirkt nicht bloß aufpoliert, sondern minutiös geschärft. Lyrisch waren für Graves ungeschönte Emotionen wie Wut und Sehnsucht schon immer die inhaltlichen Triebfedern, die nichts an Aktualität und Relevanz verloren haben. Jedes Wort neu eingesungen, wirken die Ausbrüche nun noch direkter, echter und greifbarer. Der Spirit der Ursprungsversion lebt also ordentlich aufgepimpt und unverändert weiter. So ist „Closer To Human“ ein künstlerisch gelungener Neuanstrich eines großartigen Debüts, bei dem genau an den richtigen Stellschrauben angelegt wurde, um die Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen. Ein Reboot, das weit mehr leistet, als schnödes Wiederkäuen. „Aesthetic Perfection“ beweisen eindrücklich, dass sich der Geist der Vorlage auch zwanzig Jahre später noch logisch weiterentwickeln lässt. Für altgediente Fans ist es eine sehr lohnenswerte Wiederentdeckung mit modernem USP, für alle anderen hingegen vielleicht der bestmögliche Einstieg in die facettenreiche Welt von Daniel Graves. Ein Album, das Erinnerungen weckt und zugleich neue schafft… „What makes you human?“. 


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