Heldmaschine - Eiszeit (2025)
- Christoph Lorenz
- 10. Apr.
- 10 Min. Lesezeit

Genre: Rock / Alternative
Release: 14.03.2025
Label: MP Records
Spielzeit: 52 Minuten
Pressetext:
Die „Heldmaschine“ meldet sich zurück und hat mit „Eiszeit“ ihren bereits siebten Longplayer im Kächer. Nach dem großen Erfolg von „Flächenbrand“ knüpfen die Koblenzer genau da an und liefern mit „Eiszeit“ das nächste grandiose Album ab. Nach dem die „Heldmaschine“ mit dem „Himmelskörper“ gelandet, alle ins „Fadenkreuz“ genommen hat, um den „Flächenbrand“ auszulösen, bricht nun die „Eiszeit“ aus.
Das neue Studioalbum erscheint am 14.03.2025 als Stream, digitaler Download und Digipak mit sechzehnseitigem Booklet. Ebenso haben „Heldmaschine“ erstmalig eine LP im Gepäck. Das streng limitierte Schätzchen kommt im 140g Marbled-Ice-White-Vinyl. Passend zur „Eiszeit“. Für ihre treuen Fans, in harten wie in schönen Zeiten, haben die Koblenzer eine edle Special Edition erschaffen: Diese enthält neben der CD im Digipak ein Echtheitszertifikat, einen Sticker, ein signiertes Karten-Set, ein besticktes Handtuch (50cm x 100cm) und das Tour-T-Shirt in einer aufwendig hergestellten Box. Alles exklusiv über den MAM Online-Shop!
Kritik:
„Du wirst diese Welt nicht verstehen, was für ein fremdes Leben
Du wirst diese Welt nicht verstehen, Zeit für dich aufzugeben
Du wirst die Zeit vergessen und nur ganz bei dir sein
Von dеiner Welt besеssen und am Ende ganz allein“
Keine zwei Jahre nach dem gelegten „Flächenbrand“ und einer großen Headliner-Tournee mit insgesamt fünfundzwanzig Terminen im Frühjahr und Herbst 2024, welche den mechanischen Puls der Koblenzer mit der glühenden Euphorie der treuen Fans zwischen bebenden Beats und satten Riffs verschmelzen ließ, kehrt die „Heldmaschine“ überraschend zurück, um die heiße Glut des kürzlich entfachten Feuers kalt abzulöschen. Eiskalt sogar. „Eiszeit“ lautet der klirrend kühle Titel des nunmehr siebten Longyplayers der NDH-Vertreter, der passenderweise am selben Tag wie die „Kaltfront“ der Kollegen von „Eisbrecher“ veröffentlicht wird, mit denen es wiederum alsbald sogar auf große Tour geht - Ein wahres Fest für alle Freunde des Genres! Doch was sich unter den meterdicken Schichten aus Schnee und Eis verbirgt, ist alles andere als gefroren, sondern ein emotional aufgeladenes Quasi-Konzeptalbum, das in dreizehn Stücken den gar schleichenden Temperatursturz innerhalb unserer Gesellschaft vertont. Irgendwo zwischen digitaler Entfremdung, sozialer Kälte und innerem Widerstand. Die Maschinen laufen wieder auf Hochtouren, der Mensch bleibt am Ende zurück… Bereits der eröffnende Titel „Meine Welt“ presst sich als scheinbar behauptende Ode an die Eigenständigkeit in die Gehörgänge: Auf wild zuckende Industrial-Beats folgt eine archetypisch schwere Riff-Walze, die für ein sofortiges Erwachen aus dem langen Winterschlaf sorgt und das dichte Weiß mächtig beiseite schiebt. Während die Drums rhythmisch pumpen singt René Anlauff „Alle um mich herum, alle um mich herum verlieren den Verstand. Alle um mich herum, ich schau' sie wiederum ganz schön böse an…“ und überrascht dann bei der kurzen Passage „Das ist, was ich kann… Ich bin ein böser Mann!“ im Pre-Chorus mit bis dato ungehörter Intonation, wenn plötzlich tiefe Growls einsetzen, wenngleich er das ironische Augenzwinkern der Lyrics nicht ganz verbergen kann. Es ist ein selbstbewusster, wütender Aufschrei gegen die Anpassung, gegen die Gleichschaltung… Oder? Wie immer lohnt es sich, genauer hinzuhören. Etwa dann, wenn es in der zweiten Strophe „Alle drehen sich um, denn ich bin der Verstand. Alle drehen sich um, ich weiß genau warum. Sie haben mich erkannt!“ heißt, bis der zarte Refrain melodisch getragen kündet: „Du wirst diese Welt nicht verstehen, was für ein fremdes Leben. Du wirst diese Welt nicht verstehen, Zeit für dich aufzugeben. Du wirst die Zeit vergessen und nur ganz bei dir sein. Von dеiner Welt besessen und am Ende ganz allein!“… Das folgende „Schlag Mich“ entfernt sich anschließend etwas weiter von der klassischen NDH-Formel und dreht dafür den Temporegler weiter nach oben. Hier prallt verspielt fiepende Elektronik auf ein kernig rockendes Riff so wie ein heftiger Fausthieb. Auch textlich geht der Song über Machtspiele und Gewalt im toxischen Geflecht zwischenmenschlicher Beziehungen unter die Haut. Der rasend powernde Ohrwurm-Refrain beißt sich dann mit gesammelter Kraft als widerständischer Aufschrei in Bewusstsein und Gehörgang: „Schlag mich, schlag mir ins Gesicht! Schlag mich, denn Schläge töten mich nicht! Schlag mich, ich wähle lieber den Schmerz. Deine Worte treffen härter und zerreißen mein Herz!“ - Brutal und unbequem. „Raus“ liefert mit seinem verschärften Fokus auf elektronische Elemente, die sich in Form typischer „Heldmaschine“-Synthies äußern, danach wohl einen der tanzbarsten und zugleich eingängigsten Tracks des gesamten Albums ab. Besonders schön ist hier der kontrastreiche Wechsel zwischen Strophe und Refrain, der wie Unterdrückung und Explosion wirkt, welcher im losgelösten Refrain das Banner des Protests hisst: „Der Druck steigt schnell, gleich muss es raus…“. Eine Musik gewordene Exit-Strategie aus lähmendem Stillstand, erdrückender Routine und konformer Lethargie… Vielleicht sogar aus sich selbst? Nun ja, gerade anhand der Zeilen im tobenden Pre-Chorus „Nein, so geht das nicht! Besser ich halte mich bedeckt, ich darf еs nicht! Das ist moralisch nicht korrekt, so geht das nicht! Habe Dämonеn aufgeweckt, das darf ich nicht!“ könnte man so zunächst vielleicht denken, geben sich die Maschinisten in ihren oft gesellschaftskritischen Texten nicht immer nur geradeaus und sehr direkt, sondern gerne auch mal mit bildhaft verklausuliert. Nicht so hier! Aufschluss geben bei genauerem Hinhören einige unmissverständliche Zeilen wie „Jeder weiß, wie schlimm es ist, wenn man den Gang zum Bad vergisst und dann, die Fahrt wird ganz schön weit, gestresst, verpeilt in die Karre steigt…“ oder auch „Eine Kurve weiter, du wirst nicht verschont. Autoschlange bis zum Horizont. Nach einer Stunde weißt du, jetzt ist es aus und stürzt mit halb nasser Hose aus der Karre raus!“ - Tja, manchmal kann es ja so einfach sein und mit einem schwarzhumorigen Augenzwinkern in Richtung alltäglicher Notdurft gleich umso mehr. „Ein Strahl bis zum Horizont, erwidert wird ein Sonnenstrahl. Doch meiner leider wiederkommt, die Windrichtung wechselt nun mal…“ - Was muss, muss.
Sieht man einmal vom im Frühjahr 2024 rein digital veröffentlichten Song „Karl Denke“ ab, welcher zum offiziellen Soundtrack des gleichnamigen Films von Heintje Peter gezählt werden darf, in dem Sänger René Anlauff überdies sogar eine eigene Rolle bekommen hat, ging der ohnehin ziemlich überraschend angekündigten „Eiszeit“ dieses Mal keine Vorab-Single voraus. Dafür wurde rund eine Woche nach Release „Schachmatt“ inklusive eigenem Musik-Video ausgekoppelt. Die düstere Kombination aus rauen, abgehackt anmutenden Riffs und fies knurrenden Synthie-Sounds, die den Hörer in ihrer sonderbar verspielten Melodie beinahe zu verhöhnen scheinen, ruft auf ihre minimalistisch-ungeschliffene Art schnell selige Erinnerungen an die Anfangstage mit „Weichen Und Zunder“ oder „Propaganda“ wach. „Wofür es sich zu leben lohnt, hast du gehabt und dich dabei ertappt… Wie geile Blicke dazu führten, dass ein wildes Tier in dir erwacht…“ oder „Die Welt lag dir zu Füßen, doch erkannt hast du nur andrer Leute Macht… Ertrinkst im Blut des eignen Herzens. Du warst nie der, der als Letzter lacht…“, heißt es da in den von lauten Zwischenrufen durchsetzten Strophen, die im metaphorischen Kontext menschliche Fehltritte und ihre verheerenden Folgen thematisieren. König gegen Dame, Impuls gegen Vernunft. Die Nummer bahnt sich finster grollend ihren Weg über das Spielfeld der Emotionen, während dem von Piano-Tupfern getragenen Refrain, der hier zwar erneut als klarer Kontrast dient, den Song jedoch wie schon zuvor „Meine Welt“ etwas zu sehr ausbremst, etwas Tragisches innewohnt. In „Nur Ein Lächeln“ schlägt die Maschine erstmals leisere Töne an und liefert die erste Ballade des ansonsten relativ rough geratenen Albums ab, was jedoch nicht bedeuten soll, dass es hier inhaltlich leichte Kost gäbe. Im absoluten Gegenteil. Die verletzlich sanfte Instrumentierung und der beinahe gehauchte Sprechgesang lassen eine zerbrechliche wie gleichermaßen unheimliche Stimmung auferstehen, die frei von jeglichem Pathos ist und trotz ihrer sehr zahmen Ausrichtung zunehmendes Unbehagen schürt, das sich schon bald als mulmiges Gefühl in die Magengrube fräst. Mit dieser Aufarbeitung dieser sensiblen Thematik beweist die Band einmal mehr ihre große Stärke, Emotionen nicht verkitscht oder gar plakativ, sondern mit viel Subtilität und dem nötigen Fingerspitzengefühl transportieren zu können. Achtung - Sarkasmus voll auf Anschlag! Getreu dem Motto „Ich bin in den Medien, also bin ich“, rechnen die Koblenzer mit „Ich Bin Ein Star“ gewohnt bissig mit der schamlosen Selbstinszenierung digitaler Echokammern und dem zunehmenden Narzissmus innerhalb der (A)Social Media-Filterblase ab. „Geil auf Fame tagaus, tagein. Der Sender soll zufrieden sein. Damit man herzhaft weiter lacht, hab‘ ich mir was ausgedacht. Verblödet stell' ich mich zur Schau, nur so lande ich im TV!“, heißt es durch die verblendeten Augen des lyrischen Ich entlarvend, welches sich für nichts mehr zu schade scheint, so lange die mediale Aufmerksamkeit und damit am Ende auch die Zahlen in Form von Klicks und vielen bunten Scheinen stimmen. Zugegeben, Text und Thematik erinnern gerade durch einige Zeilen wie „Mach' mir Schlauchbootlippen, fett wie niе - Geliebte Schönheitschirurgie!“ frappierend an das ganz ähnlich gelagerte „Zick Zack“ von „Rammstein“, aber wie schreibe ich hier so oft? Es gibt praktisch kein Tabu, welches in der NDH nicht schon mindestens ein Mal stattgefunden hat. Musikalisch untermalen überzeichnet glorifizierende Synth-Choräle und powernde E-Gitarren, die das überzeichnete Gesamtbild stimmig und extrem catchy abrunden. Hämmerndes Stakkato-Drumming, grell fiepende Electro-Spitzen und eine massiv walzende Riff-Wand - Das alles geht hier jetzt „Hand In Hand“. Nicht so jedoch die beiden Akteure dieses herrlich bitterbösen Stücks, wenngleich eine der zwei Seiten jenen Fakt aufgrund ihrer aufgezwungenen Scheuklappen nicht sieht, ja, bestenfalls niemals sehen soll: „Deinen Job machst du sehr gut, doch bin ich etwas weiter. Schmutz ist nicht so ganz mein Ding. Du spurst, ich bin der Reiter. Du solltest lieben, was du tust, denn du bleibst vor dem Pflug!“, heißt es in den Strophen beispielsweise oder auch „Brauche dich für den Erfolg. Zum Glück kannst du nicht sehen, wie groß dein Anteil daran ist. Nein, das wird nie geschehen!“ - Eine sonderbare Ansicht von Teamwork, oder? Ein gnadenlos ehrlicher, unbequemer Saitenhieb auf die weit auseinanderklaffenden Machtverhältnisse im gierigen Kapitalismus, ungerechte Verteilung, Geben und Nehmen… Oder doch eher Nehmen und Nehmen?
Der „Webterrorist“ schlägt musikalisch ebenfalls in die derbere Kerbe und hält das zuvor vorgelegte Tempo mühelos, schraubt es sogar noch etwas höher. Garstig peitscht der manisch niederdonnernde Rhythmus der Drums durch die knapp dreieinhalb Minuten, dazu werden typische Genre-Riffs kühl serviert. Der unablässige Up-Tempo ballert die gesamte Spieldauer wie eine schwer arbeitende NDH-Maschine durch und prädestiniert sich damit direkt zum Springen bei den kommenden Live-Gigs. Textlich geben die Koblenzer hier mit teils gewitzten, teils etwas arg vorhersehbaren und platten Reimen einen bissigen Kommentar zum (nicht mehr ganz so) neuen „Trendsport“ ab: Hetze ohne jede Hemmung unter dem Deckmantel der scheinbar sicheren Anonymität des Internets. Passend dazu tönt die Nummer durchweg aggressiv und angriffslustig. Ohne Pause. Dann wäre da noch die titelgebende „Eiszeit“ als kalter Kristall inmitten der heißen NDH-Glut, welcher im Mittelpunkt der Tracklist quasi als Dreh- und Angelpunkt fungiert, von welchem aus sich die mannigfaltigen Themenfelder spannen. Aus den bedrohlich wabernden Synthesizer-Flächen, die wahrscheinlich nicht ganz zufällig an das beständige Ticken einer Uhr erinnern, schält sich schon bald ein tonnenschweres Bollwerk aus massiver Schlagzeug- und Riff-Gewalt im schleppenden Rhythmus. Der kehlige Gesang wird in den Strophen zusätzlich stark verfremdet, sodass er beinahe etwas Unmenschliches an sich hat, der brachial gebrüllte Refrain überrascht ebenfalls mit untypischer Intonation und speit dermaßen viel Kälte, dass es beinahe schmerzt. Eine kritisch-kühle Diagnose des Zeitgeists als düsteres Manifest: Die Menschheit irrt einsam und verloren durch die soziale Kälte aus zunehmender Distanz und Isolation, hetzt ohne Pause durch Tagewerk, jagt Trends und Erfolgen nach. Keine Zeit für sich selbst und auch kein Blick nach links oder rechts. Erst recht keine Zeit für Empathie oder das Gegenüber. Stattdessen immer schneller, höher weiter im Hamsterrad, in dem alles verloren geht, was uns eigentlich ausmacht. Der Zerfall kommt mit der hier beschriebenen Lichtgeschwindigkeit immer näher. Der Titeltrack ist kein Aufschrei gegen drohendes Unheil, sondern längst eine bittere Bestandsaufnahme. Wir wärmen uns nicht aneinander auf, sondern frieren allein. Es ist nicht der Winter, vor dem wir uns fürchten sollten… Es ist die Abstinenz von Mitgefühl, die auch im nächsten Stück eine nicht minder große Rolle spielt. „Hast du Angst?“, fragten „Heldmaschine“ erst auf dem Vorgänger, doch ist das hier folgende „Keine Angst“ alles andere als eine Aufforderung oder gar die konsequente Antwort darauf. Ein ermutigender Lichtstreif am Horizont der Eiswüste steht jedenfalls nicht zu erwarten. „Die Angst in dir wurde geboren, man hat dir bislang nichts getan. Ein Vater hat sein Kind verloren, der dunkle Mann war Schuld daran! Jetzt stehst du lauthals in den Reihen. Das Urteil steht, der Mob, er bebt. Wirst dich vom Verstand befreien. Nur gut, wenn keiner überlebt…“, zitieren „Heldmaschine“ den Rechtsruck-Zeitgeist im Land und legen mit Zeilen wie „Ein deutscher Mann hat es getan, deine Wut hält weiter an. Doch nicht dem deutschen Mann, weil er aus schlechtem Hause kam. Verständnis bringst du spielend auf, weil du nicht gerne siehst, wie das Blut vom Mörder auch durch deine Adern fließt…“ die hässliche Fratze der Doppelmoral offen, wenn die Grenzen zwischen Vorurteilen und Deutschtümelei zu blankem Hass und Rassismus verschwimmen. Stilistisch greifen die Koblenzer hier die raue, brachiale Power der vorausgegangenen Stücke lückenlos auf und vereinen schreddernde Riffs mit angriffslustig tönenden Electro-Salven, sodass am Ende ein kraftvoll-aggressiver Song gegen die giftige Indoktrination mit gefährlichem Gedankengut steht. Mit „Sehnsucht“ wartet mitnichten eine Kopie oder Anleihe des gleichnamigen „Rammstein“-Titeltracks aus 1997 auf die Hörer, wenngleich die Tribute-Wurzeln der Maschine dies vielleicht vermuten lassen könnten. Wieder um einiges zurückgenommener und mit einer der wohl schönsten Melodien des gesamten Albums wartet diese Halb-Ballade auf, jedoch ohne sich zu sehr in ruhigeren Gefilden zu verlieren. Das Piano trägt den Song wirklich hervorragend und schmiegt sich dabei geradezu an die präsente, doch hier weitaus weniger dominante Rock-Fraktion, während die weitestgehend geraunten Vocals durch ihre Zerbrechlichkeit besonders intensiv nachwirken. Lyrisch zeichnen die Maschinisten mit bekannten, aber nicht minder schönen Motiven anschauliche Bilder von verlockender Begierde und emotionaler Selbstkasteiung, denn manchmal liegen Freud und Leid sehr nahe beieinander, wie auch der Protagonist von „Schlafspiel“ noch erfahren soll, das treibende NDH mit orchestralen Elementen vereint. Das eiskalte Finale wartet dann in Form des oben schon erwähnten „Karl Denke“, welches sich durch seine unheimlich pfeifende Synthie-Weise sowie dem beinahe fröhlich-verspielten und konträr zum eigentlichen Inhalt gehaltenen Refrain mit absolutem Ohrwurm-Charakter auszeichnet. Mit dieser Hommage an einen der wohl berüchtigtsten deutschen Serienmörder setzen „Heldmaschine“ weniger auf brachiale Härte als auf gelungenes Storytelling und das Erzeugen einer morbide Atmosphäre samt viel Catchyness nach gängiger NDH-Art - Top!
Tracklist: 01. Meine Welt
02. Schlag Mich
03. Raus
04. Schachmatt
05. Nur Ein Lächeln
06. Ich Bin Ein Star
07. Hand In Hand
08. Webterrorist
09. Eiszeit
10. Keine Angst
11. Sehnsucht
12. Schlafspiel
13. Karl Denke
Fazit:
Mit „Eiszeit“, ihrem neuen und mittlerweile siebten Studioalbum, wagt die Koblenzer NDH-Formation „Heldmaschine“ eine bittere Bestandsaufnahme unserer Zeit irgendwo zwischen zynischer Warnung und offener Anklage - Eiskalt serviert und trotzdem nicht ein bisschen unterkühlt! Aus stoisch donnernden Drum-Rhythmen, technoiden Synthie-Einschüben und rau rockenden Riffs entfaltet sich so die Musik gewordene, dystopische Vision einer nicht mehr allzu fernen Zukunft, in welcher unser gesellschaftliches Miteinander auf dem harten Prüfstand steht. Nach dem explosiven „Flächenbrand“ von 2023 zeigen sich die Maschinisten nun wieder mehr auf ursprünglichen Genre-Tugenden besonnen und dafür etwas weniger experimentierfreudig. Von Stillstand kann dennoch keine Rede sein! Krasse Ausbrüche mit großem Überraschungseffekt und Grenzauslotung wie etwa beim melancholisch-rockigen Singer-Songwriter-Hybrid „Gottverdammter Mensch“, dem clubtauglichen Dancefloor-Stampfer „Maschinenliebe“ oder synthie-poppigen „Monoton“, einem metallisch treibenden Epos á la „Bestie“ oder dem „Pixies“-Cover von „Where Is My Mind?“ bleiben heuer zwar gänzlich aus, dafür gibt es neu-deutsch-harte Rohkost mit viel Anlauf direkt in die offen stehende Kauleiste. Der Sound ist wieder geschlossener und kompromisslos rough, beweist wieder mehr Mut zu Ecken und Kanten und erinnert damit stellenweise an frühe Alben wie „Propaganda“ und „Lügen“ von modernem Format. Auch inhaltlich ist „Eiszeit“ nicht gerade ein leicht bekömmliches Gute-Laune-Album für nebenbei geworden und fordert mit allerlei unbequemen Wahrheiten die volle Aufmerksamkeit beim reflektierten Hören, Denken und Fühlen, während sich Song um Song tief ins Gedächtnis einfriert. Klar, die behandelten Themen wie Misanthropie, physische und psychische Gewalt, Missbrauch, Schönheitswahn, Entfremdung oder natürlich Liebe und Hass in all ihren Facetten sind beileibe nicht neu und ihre musikalische Ausgestaltung lässt sich wohl am ehesten als klassische und erwartbare NDH beschreiben, doch macht der unverkennbare „Heldmaschine“-Charme hier das berühmte „Tüpfelchen auf dem i“ aus. Mit „Eiszeit“ gelingt den Koblenzern ihr bisher konzeptionell geschlossenstes Album, welches sich wie ein schwarzes Buch der Gegenwart in dreizehn Kapiteln liest. Verfasst in Schweiß, Dreck und Maschinenöl. Zwischen bitteren Wahrheiten, menschlicher Kälte und dem leisen Aufbegehren brodelt unter der Oberfläche doch stets ein pochendes Herz - Verwundet, trotzig und immer echt. Wer die NDH schätzt, bekommt hier weitaus mehr als bloß „hart und laut“. Nein, „Eiszeit“ ist ein Spiegel unserer Zeit. Kühl reflektierend, doch mit glühendem Kern.
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