Kopie von 30 Wahre Jahre - Das Jubiläumsfestival - Tag III - Freilichtbühne Loreley, St. Goarshausen - 06.09.2025
- Christoph Lorenz

- vor 3 Tagen
- 22 Min. Lesezeit

Veranstaltungsort:

Stadt: St. Goarshausen, Deutschland
Location: Freilichtbühne Loreley
Kapazität: ca. 18.000
Stehplätze: Ja
Sitzplätze: Ja
Homepage: https://www.loreley-freilichtbuehne.de/
Samstag, 06.09.2025 - 30 Wahre Jahre Festival - Tag 3: Einleitung:
Es ist Samstag, 06.09.2025, der dritte und damit leider auch schon letzte Tag dieses wunderbaren Events. Die ziemlich ereignisreichen Vortage haben ganz festivaltypisch ihren Tribut gefordert und so starten wir heute erst etwas später in die letzte Party-Rutsche. Aus Frühstück wird Brunch. Solche mehrtägigen Veranstaltungen sind schön, aber natürlich auch immer ein bisschen anstrengend. Gut gesättigt und einigermaßen ausgeschlafen schwingen wir uns gegen frühen Nachmittag ins Auto und wagen ein letztes Mal die Fahrt auf den Loreley Felsen, auf welchem wir heute den für uns bislang steilsten Parkplatz gleich hinter der Sommerrodelbahn zugewiesen bekommen. Der lange, naturbelassene Abstieg verdient seine Bezeichnung wahrlich und wir müssen hier teils ganz schön aufpassen, nicht plötzlich über irgendwelche Wurzeln oder Gesteinsbröckchen zu stolpern, um am Ende schneller als uns lieb ist unten zu sein. Die Belohnung folgt am Fuße des Hangs, denn wir kommen zu unserer Überraschung gleich neben Eingangstoren zur Freilichtbühne an - Sehr cool! Unser weiterer Weg führt uns jedoch erstmal wieder zurück in Richtung Camp Ground, denn ganz in der Nähe befindet sich das kleine Museumszelt mit dem charmanten Namen „Ein Blick zurück“. Ein kleiner Querverweis auf das 2006 erschienene Best-Of-Album „Kein Blick Zurück“. Diesem wollten wir vor unserer Abreise unbedingt noch einen Besuch abstatten, hatten bislang jedoch nicht die Zeit dazu gefunden. Wenn nicht jetzt, wann dann? Da die Schlange davor gerade nicht allzu lang ausfällt, reihen wir uns einfach spontan ein und sind keine zehn Minuten später auch schon im Inneren. Dass es diesen schönen Eintrag im diesmaligen Rahmenprogramm überhaupt gibt, haben die interessierten Besucher übrigens dem offiziellen Fan-Club „Meilenweit“ zu verdanken, welcher alles organisiert, realisiert und nicht zuletzt mithilfe der Band die hier zu bewundernden Ausstellungsstücke sorgfältig zusammengetragen hat. Zu sehen gibt es sowohl kleinere Devotionalien wie beispielsweise alte Fotos, Konzertkarten oder Tour-Shirts als auch verschiedene Instrumente vom Schlagzeugfell über eine Davul, einen Trumscheit und eine Cister bis hin zu handgemachten Marktsackpfeifen. Sehr cool: Die aus einer Wärmflasche und Röhren gebastelten Quasi-Uilleann Pipes aus dem „Frei Zu Sein“-Video! Ein absoluter Höhepunkt für viele Hardcore-Fans ist es mit Sicherheit, die vielen Kostüme aus diversen Ären einmal aus nächster Nähe betrachten zu können: Einige Gewandungen aus der Frühphase auf den Mittelaltermärkten Mitte der Neunzigerjahre sind hier nämlich ebenso ausgestellt, wie auch die Häftlingskleidung aus dem 2003 erschienenen Musik-Video zu „Küss Mich“, der lange Ledermantel aus der Live-Performance von „Ave Maria“ oder Teile zahlreicher Bühnen-Outfits vergangener Tourneen: Jacken, Westen, Hosen und Stiefel. An einigen von ihnen ist ein kleiner Tag mit einem QR-Code befestigt, über welchen man zu einer Online-Auktion kommt und auf die jeweiligen Stücke bieten kann, um sich so einen Teil der „In Extremo“-Historie in die eigenen vier Wände zu holen. Eine richtig tolle Idee! In diesem Sinne: Herzlichen Dank an alle Beteiligten für die viele Mühe und die spannenden Einblicke! Nach unserem kleinen Rundgang und einem kühlen Getränk verschlägt es uns dann schließlich wieder zurück zur Freilichtbühne. Auf in die letzte Runde…

Mainstage, 14.50 Uhr - Tanzwut:
Zwischen den beiden Frontmännern von „In Extremo“ und „Tanzwut“, Michael Robert Rhein und Mike Paulenz, besteht schon seit vielen Jahren eine ganz besondere Verbindung, musizierten die beiden Vollblutmusiker als 1992 gegründetes Gaukler-Kollektiv „Pullarius Furcillo“ doch noch lange vor der Gründung ihrer bis heute aktiven Bands zusammen auf den Mittelaltermärkten des Landes. Vor diesem Hintergrund erklärt es sich praktisch ganz von alleine, dass natürlich auch die „Tanzwut“ aus der Hauptstadt den sechs Jubilaren zum dreißigjährigen Bestehen persönlich gratulieren will, um selbige sogleich beim trotz relativ früher Stunde schon zahlreich versammelten Publikum zu entfachen. Auf dem tiefschwarzen Backdrop zeichnet sich das Tribal-Logo ab, während zu den Seiten zwei lange Banner hinab hängen, die vom Namen der alteingesessenen Formation künden. Auf der großen Bühne befindet sich derweil so einiges an schwerem Schlagwerk und traditionellem Instrumentarium sowie ein halbhoher Schiffsbug, hinter dem das Keyboard positioniert ist. Nach ihrem gewohnt atmosphärischen Einzug starten Schlagzeuger Shumon „Zack“ Chakrabarti, Keyboarder Alexius von Doe, Bassist „Der Zwilling“, Gitarrist Robin „Hund“ Schulte und die Marktsackpfeifen-Fraktion aus „Pyro“und Manuel Rath auch sofort mit dem finster rockenden „Feuer In Der Nacht“ vom neuesten Studioalbum „Achtung Mensch!“ aus dem vergangenen Jahr in das Set. Neben den für einen doch eher kurzen Festival-Gig sehr aufwändig anmutenden Aufbauten, ziehen insbesondere die kreativ gestalteten, individuellen Kostüme irgendwo zwischen Gothic, Mittelalter und „Mad Max“-Optik der sieben Mitglieder viele der Blicke auf sich. Allen voran natürlich jenes von Sänger Mike „Teufel“ Paulenz, auf dessen zerschlissenem Westen-Rücken der verschmierte Schriftzug „Fuck your Ego“ prangt. Auch ist es dem Mann mit der seit jeher charakteristischen, zu kleinen Hörnern geformten Frisur ob seiner Präsenz zu verdanken, dass viele der Songs damals wie heute besonders eindrucksstark rüberkommen. So auch „Neues Spiel, Neues Glück“ und der rabiat bretternde Titeltrack des 2024er Ablegers, der den meisten Raum während der leider viel zu kurz angesetzten Spielzeit einnimmt. Wie schon seit einigen Jahren üblich, konzentrieren sich „Tanzwut“ sowohl bei ihren Headliner-Tourneen als auch auf den Festivals mittlerweile generell fast ausschließlich auf die aktuelle Ära und damit auf die Songs der letzten zehn Jahre. Alte Hits und Klassiker der Marke „Ihr Wolltet Spaß“, „Meer“, „Labyrinth“, „Wächter“ oder „Bitte Bitte“ bleiben damit bis auf spezielle Sonder-Shows, wie etwa die „Silberne Hochzeit“-Tour zum Jubiläum 2023, leider weitestgehend aus. Mit dem schwelgerisch-maritimen „Bis Zum Meer“ geht es danach erstmal wieder etwas ruhiger zu, beim bedrohlich polternden „Freitag Der 13.“, zu welchem die Musiker jetzt albtraumhafte Masken tragen, wird es wiederum um ein Vielfaches düsterer. Einen kleinen Gastauftritt gibt es als schöne Überraschung später noch, als plötzlich Robin „Luzi Das L“ Biesenbach (Anm. d. Red.: ehemals „Schelmisch“ und „Saltatio Mortis“) mit auf den Brettern steht. Nach der melancholischen Ballade „Noch Eine Flasche Wein“ steht mit dem raubeinigen „Pack“ leider auch schon die letzte Nummer auf dem Plan, bevor sich die Spielleute unter viel herzlichem Applaus verabschieden.

Mainstage, 15.55 Uhr Dritte Wahl:
Die nächste Band stand im Rahmen des zwanzigjährigen Jubiläums vor rund zehn Jahren schon einmal auf der Freilichtbühne Loreley, um die Fans neben weiteren Gästen wie „Fiddler‘s Green“, „Die Krupps“, „Eluveitie“ und „Eisbrecher“ am zweiten Tag für die Jubilare anzuheizen. 2014 gastierten die vier Rostocker zudem über die gesamte „Kunstraub“-Tournee hinweg als gern gesehener Support-Act. Die Rede ist von den 1986 gegründeten „Dritte Wahl“, einem echten Urgestein der deutschsprachigen Punk-Rock-Szene! Ferner ist Frontmann Gunnar Schroeder noch als Gitarrist beim Allstars-Projekt „Universum25“ aktiv, bei welchem neben „In Extremo“-Sänger Michael Robert Rhein auch Alex Schwers („Slime“), Rupert Keplinger („Eisbrecher“) und Patrick „Pat“ Prziwara („Fiddler‘s Green“) mitwirken. Guten und langjährigen Freunden gratuliert man eben zu jedem Jubiläum persönlich - Ehrensache! Kurz vor 16.00 Uhr laufen Schlagzeuger Jörn „Krel“ Schroeder, Bassist Stefan Ladwig, Gitarrist Holger Hüwe und Sänger Gunnar Schroeder dann zu zum Folklore-Stück „Horismos Simainei Dakry“ des griechischen Musikers Giorgos Zampetas ein, um in der nächsten Dreiviertelstunde ein rappelvolles Set von zehn starken Songs runterzureißen. Stolze zwölf Alben aus fast vierzig Jahren Bestehen geben eben so einiges an Stoff her! Los geht’s mit „Der Himmel Über Uns“ vom 2017er Release „10“ und dem tanzbaren „Störung“, einem echten Klassiker samt Ska-Einschlag aus 1998. Anschließend nimmt das systemkritische „So Wie Ihr Seid“ das Publikum zwei weitere Jahre in der Zeit zurück. Wieder zurück in der aktuelleren Ära, nämlich in 2015 beim Album „Geblitzdingst“, wird’s kurzfristig etwas ruhiger mit der eskapistischen Teil-Unplugged-Nummer „Zu Wahr Um Schön Zu Sein“, mit der man sich in eine Vorstellung von einer besseren Welt träumt. Vielleicht finden wir diese ja in „Panama“? Das einzige Stück im Set vom aktuellen Album „Urlaub In Der Bredouille“ aus 2023, von dem heute das bissige Backdrop kündet, auf dem ein im Meer treibender Wasserball zu sehen ist, dessen untere Hälfte aus einer Mine besteht, macht nicht weniger Laune als die vorangegangenen, bereits etablierten Klassiker und regt nicht zuletzt mit seinem kernigen Ohrwurm-Refrain schnell zum Klatschen, Pogen und Mitgrölen an. So auch das herzlich-harte „Zusammen“, das laute „Ohoho“-Chöre im großen Rund der Freilichtbühne entfacht. „Wo Ist Mein Preis?“ erfreut anschließend alle stimmstarken Oldschool-Fans, die Kneipen-Nummer „Runde Um Runde“ verströmt hingegen Melancholie. Zum Abschluss wird mit zwei beliebten Hits dann nochmal so richtig Vollgas gegeben: „Zeit Bleib Stehen!“ macht dabei den Anfang und wird hier von vielen Besuchern nur zu gerne mitgesungen, die ob des letzten Festival-Tages sichtlich wehmütig sind. Keine Zeit für Traurigkeit und so heben „Dritte Wahl“ gemeinsam mit dem Publikum noch einmal zu „Fliegen“ ab, um danach in einem Meer von Applaus weich zu landen.

Mainstage, 18.25 Uhr - Wind Rose:
Eine eisige Schneelandschaft. Zwischen hohen, dunklen Tannen springt den wartenden Zuschauern eine sichtbar wütende Gestalt äußert kampferprobt entgegen. Sie scheint relativ kleingewachsen, doch dafür umso muskulöser. Auf der breiten Brust und den dicken Armen befinden sich zahlreiche tätowierte Runen. Der lange, zottelige Bart und Irokesen-Haarschnitt sind leuchten hingegen so feuerrot glühend wie auch der zornige Blick des Mannes selbst sowie die zwei von zuckenden Blitzen gesäumten Streitäxte, mit denen er sich allerhand bedrohlich dreinschauenden, finsteren Kreaturen entgegenzustellen scheint. Kein Zweifel: Auf dem Backdrop, zu dessen Seiten sich jeweils ein langes Banner und ein Roll-Up mit weiteren Runen befindet, ist ganz offensichtlich ein Zwerg zu sehen! Welche Band uns jetzt erwartet? Darauf kann es nur eine richtige Antwort geben, welche sich mit dem großen Schriftzug über dem soeben beschriebenen Artwork des aktuellen Studioalbums auch schon anbahnt: „Wind Rose“! Die 2009 gegründete Power-Metal-Band hat sich aus dem italienischen Pisa auf den langen Weg nach Deutschland gemacht, um gemeinsam mit „In Extremo“ und all ihren Fans das dreißigjährige Jubiläum zu feiern. Ab Anfang Oktober schließt sich sodann eine große Headliner-Tournee zusammen mit „Angus McSix“ und „Ordan Organ“ an, welche das Quintett nicht nur durch hiesige Städte, sondern auch Österreich, die Schweiz und Niederlande, Dänemark, Ungarn, Polen und England führen wird. Volles Programm also für die Mannen, deren Karriere einst mit einer einfachen Demo-EP begann, welche ihnen einenPlattenvertrag beim Label Bakerteam Records bescheren sollte, unter dem 2012 dann auch das Debüt „Shadows Over Lothadruin“ erschien. Es folgten Support-Gigs für etablierte Genre-Bands der Metal-Szene wie „Epica“, „Finntroll“ oder „Eluveitie“, bis 2015 der Nachfolger „Wardens Of The West“ über Scarlet Records publiziert wurde, auf den zwei Jahre später „Stonehymne“ folgte. Nach dem Wechsel zu Inner Wound Recordings erlangten die Fünf erstmals größere Bekanntheit über die viel geklickten Musik-Videos zu „To Erebor“, „The Wolve‘s Call“ und nicht zuletzt natürlich den durch das beliebte PC-Spiel „Minecraft“ gehypten Song „Diggy Diggy Hole“ des Gaming-Kanals „The Yogscast“, welchen man überaus erfolgreich coverte. Dieser wurde dann konsequenterweise auch zur ersten Single des 2019 veröffentlichten „Wintersaga“ auserkoren, das erstmals unter dem Banner von Napalm Records erschien, bei denen „Wind Rose“ bis zum heutigen Tage unter Vertrag stehen. Die Metal-Interpretation wurde ebenso wie das Original ein Hit im Netz und verzeichnet bis heute über 68 Millionen Aufrufe! Wenig überraschend, dass es jetzt ziemlich voll vor der Bühne geworden ist, als Schlagzeuger Federico Gatti, Keyboarder Federico Meranda, Bassist Cristiano Bertocchi, Gitarrist Claudio Falconcini und Sänger Francesco Cavalieri zum epischen Intro „Of Ice And Blood“ die Bretter beschreiten, um dann sogleich mit der rasant bretternden Dampfwalze „Dance Of The Axes“ vom jüngsten Werk namens „Trollslayer“ loszulegen, unmittelbar gefolgt von „Fellows Of The Hammer“ des direkten Vorgängers „Warfront“ aus 2022. Dass sich viele Songs inhaltlich mit den Werken von Tolkien oder generell der Zwergen-Thematik befassen, verwundert anhand der bloßen Optik nicht, denn tatsächlich könnten die allesamt eher kleingewachsenen, langhaarigen und bärtigen Musiker in ihrer blau-goldenen Montur aus schweren Stiefeln, langen Pelzmänteln, Armstulpen und massigen Gürteln direkt einem solchen Fantasy-Roman entsprungen sein! Der Sound ist ausgesprochen satt und angenehm druckvoll, aber trotzdem klar und differenziert, sodass sich keine Komponente gegenseitig überlagert. Besonders hervorzuheben sind dabei der kraftvoll-melodiöse Gesang und die wirklich guten Back Vocals! Ja, „Wind Rose“ wissen das Publikum mit ihren harten Hymnen und ganz viel sympathischem Charme wirklich schnell mitzunehmen. Egal, ob man die Band und ihre Songs bisher schon kannte oder noch nicht: So ziemlich alle Besucher haben sich mittlerweile von den steinernen Stufen erhoben und schauen interessiert oder wohlwollend im Takt nickend zu. Zusätzlich scheinen die Italiener auch viele eigene Hörer zu versammeln, zeigen sich diese doch vor allem bei den Gassenhauern im Set sehr textsicher und machen ordentlich mit. So auch beim enorm spaßigen „Drunken Dwarves“ von „Wintersaga“, auf dem auch das folgende „Mine Mine Mine!“ enthalten ist, welches die Menge nur noch weiter anheizt und mächtig Feierlaune entfacht. Diese zeigt sich auch an den vielen in die Höhe gestreckten, aufblasbaren Spitzhacken, die extra von einigen Fans mitgebracht worden sind und auch beim neuen „Rock And Stone“ oder erwähntem Hit „Diggy Diggy Hole“ zum Einsatz kommen, bis das Power-Epos „I Am The Mountain“ das rund einstündige Set mit der Beschwörung von Einheit und Zusammenhalt schließlich vollendet.

Mainstage, 19.50 Uhr - ASP:
Kurz vor 20.00 Uhr lässt eine wohlbekannte Dudelsack-Melodie des schottischen Traditionals „Auld Lang Syne“ bzw. dessen asp‘sche Interpretation namens „Nehmt Abschied“ das Publikum ziemlich überrascht aufhorchen, steht heuer doch eigentlich (noch) kein Mittelalter-Rock auf dem Programm, sondern Gothic Novel Rock. Aufmerksame Fans wissen hingegen ganz genau, dass es sich bei jenem kurzen Intro um den Beginn der Vorab-Single des vorletzten Studioalbums „ENDLiCH!“ handelt, deren Titel auch sogleich Aufforderung zum baldigen Auftakt sein soll: „Raise Some Hell Now!“ heißt es dann, als Schlagzeuger Stefan Günther-MartensBassist Tobias „Lias“ Engeldie beiden Gitarristen Sören Jordan und Lutz Demmler sowie Sänger Alexander Frank „Asp“ Spreng sich schließlich vor dem übergroßen Backdrop im dunkelroten Dämmerlicht positionieren, auf dem mit einer düsteren Villa das Artwork des letztjährig erschienenen Jubiläumsalbums „Returning To Haunted Places“ zu sehen ist. Der Applaus ist solide, doch wirklich mitsingen tun bislang nur wenige Gäste um mich herum, was auch für die danach folgende Standalone-Single „Die Letzte Zuflucht“ gilt, mit der anno 2022 die lang ersehnte Bühnen-Rückkehr nach der pandemiebedingten Zwangspause gefeiert wurde, oder „Fürst Der Finsternis“ von „Horrors - A Collection Of Gothic Novellas“ aus 2023. Wie auf Festivals üblich, sind nämlich nicht ausschließlich nur Hardcore-Fans vor Ort, die jeden neuen Release direkt mitverfolgen, sondern deutlich mehr Besucher, die zumeist nur die größten Hits des jeweiligen Acts kennen… Wenn überhaupt. Davon haben „ASP“ in ihrer langen Karriere nicht gerade wenige geschrieben, sodass es sich praktisch von selbst versteht, natürlich auch an diesem Abend den ein oder anderen davon live zu präsentieren: Das systemkritische „Ich Bin Ein Wahrer Satan“ und das hypnotisch-folkig tänzelnde „Duett (Das Minnelied Der Incubi)“ aus dem ersten Zyklus sind zweifelsohne solche Klassiker, weswegen die Stimmung jetzt schlagartig umschwenkt. Es wird gesungen und auch etwas getanzt, der Applaus steigert sich und wird lauter - Das Publikum taut allmählich auf! Vielleicht auch, weil jene Songs weitaus weniger getragen anmuten und sich trotz ihrer komplexen Themenwelten sowie vielschichtigen Lyrics insbesondere durch ihre unverkennbaren Melodien und großen Refrains sofort in Herz und Hirn einbrennen, wodurch diese gegenüber dem Output der letzten Werke gleich ein ganz anderes Standing haben. Allen Nicht-Fans ebenfalls weitestgehend unbekannt sein dürfte der Schauer-Chanson „Loreley“ von „Verfallen - Folge 1: Astoria“, welches hier in der sogenannten „Kurzhaar-Schnitt-Version“, also einer gekürzten Fassung, von der Bonus-Disc dargeboten wird. Wer den Kontext des zweiteiligen Konzeptalbums um ein Geister-Hotel nicht kennt, ist vor allem von der eingeschobenen Tango-Passage arg verwirrt, wenn man sich einmal so im Publikum umblickt. Dass Stücke wie dieses absolut kein Stoff für ein straffes Festival-Set sind, weiß Asp anscheinend selber nur zu gut, weswegen er schon im Vorfeld seine Intention erläutert, die natürlich auf dem Titelnamen selbst fußt. Die allseits beliebte Szene-Hymne „Schwarzes Blut“ weiß die Besucher danach wieder umso mehr mitzureißen, hohe Feuer- und Rauch-Fontänen inklusive - Vorwärts! Abwärts! Beim bedrohlich schleichenden „Ich, Der Teufel Und Du“ flacht die Stimmung zwar wieder leicht ab, wohingegen sich bei „Denn Ich Bin Der Meister“ schnell viele Hände wieder in der Luft befinden. Um uns herum werden derweil einige Wünsche nach dem nicht minder beliebten „Krabat“ laut, die jedoch ungehört bleiben sollen. Dafür aktiviert jetzt der obligatorische Final-Hit „Ich Will Brennen“, welchen hier hörbar viele Besucher kennen und ordentlich abfeiern, nochmals alle verfügbaren Ressourcen, wobei die kollektiven „Eeeoooh“-Chöre und hitzige Flammenschübe selbstverständlich nicht fehlen dürfen. Ziemlich überraschend endet das gefühlt recht kurze Set danach relativ abrupt nach einer kleinen Danksagung und einem gemeinsamen Abschluss-Foto. Die sechzig Minuten sind wie im Fluge vergangen, wenngleich in manchen Momenten durchaus offensichtlich war, dass die beste Stimmung noch immer mit den alten Songs erzeugt wurde und jener erzeugte Flow zwischendrin immer wieder abflachte, sodass das Anheizen leider nur bedingt gelang. Zudem merkt man doch schon, dass bei vielen Fans die Energie nach langen Tagen und Nächten der ausgelassenen Feierei mittlerweile etwas zu Neige gegangen ist und sich die restlichen Kapazitäten für das letzte Set der Gastgeber aufgespart wird… Und jene sollen fürwahr benötigt werden!

Mainstage, 21.30 Uhr - In Extremo:
Am heutigen und somit letzten Abend ihres großen Jubiläumsfestivals starten die mit viel Spannung herbeigesehnten Gastgeber „In Extremo“ entgegen der beiden just vergangenen Vortrage überraschenderweise erst gegen 21.30 Uhr und damit eine gute Viertelstunde später mit dem finalen Set. Auf die zuvor fest anberaumte Spielzeit hat dies jedoch glücklicherweise keinerlei Auswirkungen, denn wieder sollen und werden hier volle zwei Stunden auf dem Plan stehen! Der jähe Einstieg beginnt exakt so, wie es die Fans eigentlich bereits seit Donnerstag und Freitag gewohnt sein sollten und trotzdem schrecken jetzt allesamt wieder durch die sehr plötzliche, laute Pyro-Explosion zusammen, bevor lauter Applaus losbricht und sich ein letztes Mal die Blicke gesammelt gen Bühne richten. Diese ist zum jetzigen Zeitpunkt abermals noch von einem großen Vorhang verdeckt, welcher aus dem Backdrop der „Carpe Noctem“-Burgen-Tournee 2024 besteht und die scherenschnittartigen Silhouetten zahlreicher Türme und Zinnen unter nächtlichem Himmel zeigt, die nun vom bläulich-grellen Schimmer der gebündelten Scheinwerferstrahlen umspielt werden. Unterdessen schweben jetzt die mystischen Klänge einer zarten Harfe und feinsinnigen Flöten sanft aus den Boxen, immerzu kurzzeitig von donnernder Percussion durchsetzt, bis plötzlich eine markante Stimme langsam aus dem Off zu singen beginnt: „Ólafur leit sitt hjartablóð…“, woraufhin ein Männer-Chor „Villir hann, stillir hann!“, direkt antwortet und schon sehr bald auch weite Teile des Publikums einstimmen, bis der weite Stoff mit dem musikalischen Einsatz der gesamten Band schlussendlich hinabfällt. Das einstige Dunkel zerreißt. Band und Fans stehen sich wieder Auge in Auge gegenüber. Ein letztes Mal an diesem Wochenende… Disclaimer: Wer bereits einen oder beide Berichte zu den zwei Vortagen gelesen hat, kann an dieser Stelle gerne zum nächsten Absatz springen, da im Folgenden der weitestgehend unveränderte Bühnenaufbau beschrieben wird! Die obere Front der Bühne wurde mit vierzehn senkrechten LED-Säulen bestückt, zu den Seiten hängt jeweils ein Gitter mit drei untereinander angeordneten Scheinwerfern hinab. Das Zentrum wird von einer massiven Leinwand ausgefüllt, auf welcher ein kunstvolles Bild aus dem Kreuz-Digipak des aktuellen Studioalbums zu sehen ist: Hier ragt eine meterlange Leiter in den Himmel empor, auf welcher die Umrisse zweier Bandmitglieder zu erkennen sind, die sich für den sichtlich beschwerlichen Aufstieg gegenseitig die Hand reichen. Aus den darüberliegenden Wolken hängen schwere Drahtseile nach unten, an denen verschiedene Objekte und sogar ein Haus befestigt sind. Davor sitzt Schlagzeuger Florian „Specki T.D.“ Speckardt hinter seinem Drum-Kit, welches mittig auf einem rustikalen Podest platziert wurde. Direkt dahinter erstreckt sich der Länge nach eine mit acht Moving Heads bestückte und in insgesamt sechs hölzerne Rahmen unterteilte Zeile, in die, wie bereits am Donnerstagabend, verschiedene Bilder fantasievoller Gegenstände aus dem Artwork des aktuellen Albums oder auch das goldfarbene Band-Logo eingefasst worden sind, die von langen LED-Leisten unterhalb angeleuchtet werden. Damit entspricht der generelle Aufbau bis auf die riesige Video-Wall zum größten Teil dem der erst kürzlich vergangenen „Wolkenschieber“-Tour. Auf den niedrigen Erhöhungen stehen Bassist Kay „Die Lutter“ Lutter und Gitarrist Sebastian „Van Lange“ Lange, während Marco „Flex der Biegsame“ Zorzytzky und André „Dr. Pymonte“ Strugalla hingegen vorne musizieren. Unter lauten Jubelstürmen tritt zuletzt auch Frontmann und Sänger Michael Robert „Das letzte Einhorn“ Rhein hinzu, um sogleich in den zweiten Part des heutigen Openers „Ólafur“ einzustimmen. Zugegebenermaßen ist es doch ein wenig schade, dass „In Extremo“ an allen drei Tagen auf bereits bestehende Intro- und Song-Kombinationen zur Eröffnung zurückgreifen, sodass der große Überraschungseffekt leider ein bisschen verloren geht… Doch das ist natürlich Meckern auf ganz hohem Niveau.„Loreley!“, brüllt Rhein zur Begrüßung in das nunmehr bis auf den allerletzten Platz gefüllte Halbrund der Freilichtbühne und erntet sofort die rohe Kraft tausender Stimmen als Antwort. Gut so, denn jene werden auch beim sich ohne Atempause anschließenden „Spielmannsfluch“ wieder gebraucht, dessen einzelne Zeilen und natürlich insbesondere Refrain aus vollen Kehlen mitgegrölt werden. Alle Hände sind direkt in der Luft und klatschen synchron zum wild donnernden Rhythmus mit, sodass es den druckvoll-satten Sound sogar zuweilen beinahe übertönt. Alle tanzen, pogen leicht und singen zusammen: „Es regnet, es regnet Blut!“… Glücklicherweise verschont uns der Wettergott an diesem Tag bis zuletzt vor weiteren Wolkenbrüchen, dafür zerspringt jetzt der hier besungene Marmorsaal unter einer funkensprühenden Explosion - Party pur ab Sekunde Eins! „Vielen vielen Dank, liebe Leute! Drei Tage Loreley… Wahnsinn! Ich soll euch auch von allen Bands dieser Tage unbedingt noch sagen, dass ihr völlig verrückt seid. Mega! Was für eine unglaubliche Stimmung hier. Dankeschön dafür. Unfassbar!“, begrüßt der Sänger die Fans beinahe ungläubig kopfschüttelnd und knüpft dann an: „Wir werden heute natürlich auch wieder ganz viele alte Songs spielen, die es an den anderen Tagen noch nicht gab, weil… Wir machen‘s einfach!“. Damit ist auch schon alles gesagt und so geht es mit dem großartigen „Hieamali Tempore“ vom Debüt aus 1998 weiter, welches sich zuletzt auf der Tour zum Album „Sängerkrieg“ fest in der Setlist befand. Die metallisch folkende Dampfwalze hat mächtig Druck unter dem Kessel und peitscht nur so nach vorne, sodass es eine wahre Freude ist. Ich wiederhole mich: In Zukunft sehr gerne wieder viel öfter! Die logische Folge? Laute „In Extremo“-Rufe allerorts. „Ihr seid verrückt… Das machen wir gleich noch!“, lacht der Frontmann. „So, wie gesagt, es kommen heute noch einige Sachen, die wir die letzten Tage nicht gespielt haben. Wie wir schon von ein paar Leuten gehört haben: Natürlich wird sich das ein oder andere aber trotzdem wiederholen. So etwas wie „Frei Zu Sein“ oder so kann man einfach nicht rauslassen, oder? Deshalb spielen wir das auch gerne zwei, drei oder vier Mal!“, berichtet er und erklärt danach kurz den Hintergrund des Songs „Wolkenschieber“, welcher nun gespielt wird: „Ja, beim nächsten Stück geht’s nicht nur ums Saufen, sondern darum, in diesen Zeiten auch mal wieder die Sonne ins Herz zu lassen…“. Keine schlechte Idee. Der launige Titeltrack des aktuellen Studioalbums wurde spürbar mit Blick auf die Konzerte geschrieben und macht demnach vor allem live viel Spaß, wenn alle beseelt mitsingen.

„Kommt ihr eigentlich auch zum fünfzigsten Geburtstag!? Ich hoffe doch, aber wir machen lieber erstmal die Vierzig voll. Das ist besser, oder?“, scherzt das letzte Einhorn. „Wir brauchen gleich ein bisschen eure Hilfe. Ihr seid gut drauf und habt gute Laune, oder? Wir spielen jetzt ein Stück, das ist immer einer meiner Lieblingssongs im Set. Dazu haben wir einen Herren eingeladen, der heute Morgen schon mal mit seiner Band auf dieser Bühne stand…“, bittet er nun zum dritten Mal an diesem verlängerten Wochenende Henry Rauhbein von der gleichnamigen, aufstrebenden Band zum gemeinsamen Duett „Weckt Die Toten“ auf die Bretter. Die eingängige Nummer kommt auch heute Abend wieder bestens an und wird euphorisch abgefeiert, wobei dennoch etwas fraglich ist, ob es ausgerechnet ein Lied neueren Datums gegenüber geschichtsträchtigen Klassikern wie dem „Spielmannsfluch“ oder „Vollmond“ verdient hat, an allen drei Tagen gespielt zu werden. „Ich habe selten mittags auf einem Festival einen größeren Abriss als heute gesehen. Merkt euch den Namen!“, macht Rhein seinem Freund ein Kompliment und auch das Publikum ist sich da hörbar einig. Danach gibt es mit dem bissigen „Katzengold“ nicht nur einen weiteren Song vom neuesten Langspieler, sondern auch ein klares Statement gegen Hass und Hetze. „Ein Lied aus 1999 oder 2000, dessen Text aus der Feder von Walther von der Vogelweide stammt…“, beginnt der Sänger und schon geht ein aufmerksames Raunen durch die Reihen. „Wollt ihr das hören!?“, fragt er scherzhaft und natürlich wollen die Fans das. Hier hat sich der Frontmann doch glatt um ein Jahr vertan, denn das legendäre „Palästinalied“ war ebenfalls auf dem ersten Rock-Album aus dem Jahr 1998 enthalten und gilt als das einzige mit einer vollständigen Melodie überlieferte Stück des wohl berühmtesten deutschen Lyrikers des Mittelalters, in welchem die Kreuzzüge und das Verständnis des heiligen Landes thematisiert wird. Die Darbietung dieser schon lange Jahre nicht mehr live gespielten Rarität wird extrem stimmungsvoll inszeniert: In den Strophen, die das Publikum quasi automatisch zum taktgenauen Klatschen animieren, wabert zunächst dichter Nebel im dunkelroten Scheinwerferlicht über die Bühne und hüllt die Musiker beinahe vollständig ein. Zum spektakulären Höhepunkt schwenkt Rhein im Gitarren-Solo eine stark modifizierte Kettensäge als geschichtsträchtiges Requisit umher, aus der eine gleißende helle Funken-Fontäne sprüht, während ringsum heiße Feuer-Salven die Nacht erhellen - Wow! Mit der melancholisch wärmenden Ballade „Ave Maria“ von „Sieben“ aus 2003 wird gleich danach eine weitere lang vermisste Perle gereicht, die seit der „Quid Pro Quo“-Tournee nicht mehr im Programm war. Zum finalen Refrain ergießt sich dann ein riesiger Regen aus abertausenden Funken von oben auf die Band herab, der die Dramaturgie auf wundersame Weise unterstreicht - Gänsehaut pur! Als Nächstes steht ein weiterer Gastauftritt an. Dieses Mal ist es Joey Kelly, der zuletzt gemeinsam mit seinem Bruder Jimmy Kelly bei „Aus Leben Gemacht“ vom aktuellen Album „Wolkenschieber“ als Feature-Partner in Erscheinung trat und die sechs Spielmänner jetzt bei einem Stück musikalisch unterstützen wird. Dazu berichtet das letzte Einhorn, dass man sich ursprünglich bei ersten Zusammentreffen gegenseitig gar nicht leiden konnte, als man vor rund fünfunddreißig Jahren mit der Straßenmusik begonnen hatte. Allerdings hat man sich bei der heutigen Kollaboration nicht etwa für eben genannten Song und auch nicht für das 2010 bereits gemeinsam live performte „Why Why Why“ vom 1994 veröffentlichten „Over The Hump“ der Kelly Family entschieden, sondern zollt stattdessen den extra aus Mexiko angereisten Fans mit dem spanischen „En Easte Noche“ großen Respekt für ihre weite Reise. Die feurige Nummer des 2008er Werks „Sängerkrieg“ befand sich zuletzt auf der Tour zu ebenjenem Longplayer standardisiert auf der Setlist und markiert damit eine weitere willkommene Seltenheit an diesem Abend. Wer den Track schon live erleben durfte, erinnert sich bestimmt noch an das rhythmische Klatschen im Stil klackernder Kastagnetten und macht eifrig mit. Kelly verdingt sicher derweil am vorderen Rand an der Gitarre. Zwar ist auch extra ein Mikrofonstativ vor ihm positioniert worden, seinen Gesang nimmt man jedoch nicht wahr. Nichtsdestotrotz eine schöne Idee und ein noch viel schöneres Stück Musik! „Ein Lied für alle armen Seelen, die leider nicht mehr unter uns sind!“, kündigt Rhein danach die emotionale Trauer-Ballade „Feine Seele“ an. Es folgen der mit viel Feuer ausgerufene „Sängerkrieg“ und „Blutmond“, der übrigens passenderweise nur einen Tag später am 07.09.2025 aufgrund einer seltenen, totalen Mondfinsternis tatsächlich am Himmel stehen wird. „Liebe Leute, es ist auch für uns unfassbar, wie viele Leute dieses wunderbare Festival hier eigentlich auf die Beine gestellt haben. Die haben wirklich zwei Jahre lang hart daran gearbeitet, alles gegeben, gemacht und getan. Wir sind froh, dass uns dabei so viele Leute den Rücken gestärkt haben und hoffen, die Mühe hat sich gelohnt und dass wir das nochmal mit euch wiederholen können!“, bedankt sich der Sänger aufrichtig bei allen treuen Helfern und anwesenden Fans für den riesigen Support und lässt es sich dabei anschließend nicht nehmen, kurz die Werbetrommel für ein zeitnahes Wiedersehen zu rühren: „Im nächsten Jahr gibt’s aber erstmal ein anderes Festival. Wie heißt das nochmal? Ich bin alt… Ich kann mir das nicht merken!“, lacht er selbstironisch und meint damit die zweite Ausgabe des „Weckt Die Toten!“-Festivals am 05.09.2026 auf der Peißnitz-Insel bei Halle an der Saale, für das auf dem Gelände auch schon mit einem großen Bauzaun-Banner geworben wird. Mit dabei sind „Manntra“, „Subway To Sally“, „Wind Rose“ und „Eisbrecher“ - Ein tolles Line-Up, das sich wirklich sehen lassen kann.

Weiter geht’s mit „Rasend Herz“ und „Lieb Vaterland, Magst Ruhig Sein?“, welches Rhein vorab völlig zurecht als „harten Tobak“ bezeichnet, denn Krieg bleibt immer gleich. „So, ich gehe jetzt von der Bühne, aber wir haben uns Verstärkung geholt…“, zwinkert der Frontmann und überlässt seinen Platz Alexander Frank „Asp“ Spreng für den nächsten Song. „Guten Tag, ich bin der Neue bei InEx!“, scherzt dieser, der sich unter seinem Jackett derweil ein Fan-Shirt zum Song „Blutmond“ angezogen hat und im Folgenden den grandiosen, lange vermissten „Wind“ vom Album „Sünder Ohne Zügel“ aus dem Jahr 2001 interpretiert. Die Stimmfarbe und auch der poetisch rockende Titel selbst passen ziemlich gut zu Asp, wenngleich es doch sehr ungewohnt ist, ihn bei „In Extremo“ am Mikrofon zu erleben. Beim Part vor dem finalen Refrain kommt es leider zu einem großen Texthänger, sodass Rhein hier kurzerhand wieder übernimmt und beide den Song so schließlich gemeinsam zu Ende bringen. Leider fehlt der obligatorische Pyro-Effekt, bei dem eine gezündete Rakete an einem Seil über die Köpfe des Publikums saust und auch das Feature selbst wäre in dieser Form, bei welcher der Gesang nahezu komplett fremd übernommen wird, nicht unbedingt nötig gewesen. Das liegt aber vielleicht auch nur daran, dass ich persönlich an diesem Wochenende wirklich sehr auf diesen einen Song gehofft hatte und ihn daher lieber in altbekannter Form gehört hätte. Nichtsdestotrotz eine schöne Idee! „Rotes Haar“ vom Erstlingswerk schließt sich an, zu dem jetzt dampfende Rauch-Bengalos gezündet werden, die den vorderen Bereich allmählich in rote Wolken einhüllen. „Ich glaube, wir haben die besten Fans der Welt!“, ruft das letzte Einhorn und erhält dafür natürlich massig Zuspruch. „Liam“ und „Belladonna“ schließen sich sogleich an. Ein beliebter Live-Hit reiht sich an den nächsten. „Könnt ihr euch gleich mal so richtig gehen lassen? Geht das noch!?“, fragt der Sänger herausfordernd und natürlich mobilisieren jetzt alle auf den letzten Metern in Richtung Finale nochmal ihre restliche Power, um zusammen mit dem berüchtigten Piraten „Störtebeker“ auf große Fahrt zu gehen, schwarzgebrannten „Moonshiner“ zu verkosten und so am Ende „Sternhagelvoll“ selig im bunten Luftschlangen-Regen durch die Nacht zu schunkeln. Das soll es aber noch nicht gewesen sein, denn noch haben die glorreichen Sechs eine ganze Handvoll Nummern auf Lager: „Frei Zu Sein“ wird natürlich auch heute Abend wieder kräftig abgefeiert. Es ist eine einzige große Party mit viel guter Laune unter Gleichgesinnten, die ringsum jede einzelne Zeile mitsingen, tanzen, trinken, lachen, die Arme in die Luft recken und einfach eine gute Zeit haben. Nur schwer zu fassen, dass dieses einzigartige Festival bereits in wenigen Minuten enden soll… „Ein Stück, das wir ewig nicht gespielt haben… Wir trinken jetzt gleich mit euch auf das Leben, denn schöner hätten diese drei, vier Tag hier nicht sein können, oder!?“, freut sich Rhein und schon erklingt die melancholisch-zarte Ballade „Auf’s Leben“ aus 2008. Nach wie vor ein ganz wundervoller Song, der seine warme Magie langsam entfaltet und sich sanft wiegende Reihen sowie erhobene Feuerzeuge hinterlässt. Mit der „Feuertaufe“ wird im glühenden Schein der Flammen dann nochmals so richtig aufgedreht, als gäbe es keinen Morgen mehr, doch dann ist es leider an der Zeit, um Abschied zu nehmen: „So, Danke haben wir an diesem Wochenende schon mehr als genug gesagt… Wir hoffen, es hat euch allen gefallen und es war in Ordnung, ja? Feiert noch schön, kommt gut nachhause und passt auf euch auf. Auf die nächsten Zehn!“, verabschiedet sich das letzte Einhorn auch im Namen der übrigen Fünf, bevor er sich die Cister umschnallt und ein tiefes Knarzen unter tosendem Beifall den jähen Beginn des bewährten Set-Closers „Pikse Palve“ einläutet. Ein letztes Lied, ein letztes Mal Eskalation. Tausende Hände klatschen im Takt, tausende Kehlen singen jede Wort mit, tausende Beine tanzen im Rhythmus des mächtigen Donnergebets, während hohe wie heiße Feuer-Salven gen Himmel schießen, Funken-Fontänen sprühen und sich zum Schluss abermals ein gülden schimmernder Regen aus selbigen von oben herab auf die Bühne ergießt - Was für ein Abriss! Eine letzte Überraschung haben sich „In Extremo“ jedoch für die letzten gemeinsamen Minuten aufgehoben, denn noch während das Outro in Form des Instrumentals von „Terra Mater“ aus den Boxen schwebt und alle Fans der Band laut applaudieren, wird über der Bühne ein großes Höhenfeuerwerk abgefeuert, welches nun mehrere Minuten lang den dunklen Nachthimmel erhellt und noch weit aus der Ferne zu sehen sein dürfte. Unterdessen steigen die Bandmitglieder die wenigen Stufen zum Innenraum hinab, verteilen mit einem Tablett zahlreiche Shot-Gläser an die Fans und verabschieden sich so herzlich, familiär und persönlich von den ersten Reihen, wie es die riesige Location nur zulässt.

Anschließend machen sich die zahlreichen Fans entweder auf den Weg zu den Campingplätzen, für andere wiederum beginnt der steile Anstieg zu ihren Autos. Zugegeben, nach drei Tagen voller Programm gestaltet sich dieser doch etwas beschwerlicher, als noch zu Beginn des Festivals, aber bald ist auch das geschafft. Der Ausblick über die nächtliche Landschaft entschädigt wie bereits an den zwei Vorabenden und so lassen wir noch ein letztes Mal etwas wehmütig den Blick schweifen…Es waren drei wirklich wunderbare und dabei nicht weniger erinnerungswürdige Tage, die dem spektakulären Anlass eines dreißigjährigen Jubiläums wahrlich würdig gewesen sind! Besonders hervorzuheben ist dabei die ausgesprochen gute Organisation des gesamten Festivals: Angefangen von der Regelung des Verkehrs bei An- und Abreise sowie dem durchdachten Park-System inklusive vieler tatkräftiger Einweiser, über das schöne Rahmenprogramm mit dem kleinen Museum und gemütlichen Mittelaltermarkt, bis hin zum großen Gastro-Angebot auf dem Gelände der Freilichtbühne selbst. Dort war an allen Ständen jederzeit viel und vor allem größtenteils überaus freundliches Personal anwesend, sodass niemand lange warten musste. Ebenso stach die schiere Vielfalt an Speisen und Getränken klar hervor, die preislich und qualitativ deutlich über dem klassischen Festival-Standard lag. Selbiges kann man mit absoluter Bestimmtheit auch über das facettenreiche Line-Up aller drei Tage sagen, welches mit zahlreichen Bands einen Mix aus Folk-Rock, Pagan und Irish Folk bis hin zu Metal, Punk, Gothic Rock und Crossover bot, der etwaige Genre-Grenzen übergreifend geschickt aufzubrechen wusste. Besonders schön und wertschätzend, dass den meisten Acts eine relativ hohe Spieldauer zugestanden wurde! Auch die natürlich mit viel Spannung erwarteten und danach umso euphorischer gefeierten Gastgeber selbst ließen mit ihren drei verschiedenen Sets sicher kaum Wünsche bei den Fans offen: Anders als noch 2015 gab es innerhalb dieser keinen roten Faden, sodass pro Tag nicht jeweils ein anderes Jahrzehnt präsentiert, sondern Alt und Neu bunt gemischt wurden, was rückblickend zwar etwas schade ist, jedoch für viel unberechenbare Abwechslung sorgte. Ebenfalls gab es kleinere Überraschungen in Form einer Handvoll Gastauftritte oder zwei kurzen Akustik-Sets als Ausblick auf die geplante Unplugged-Tour 2026, was eine schöne Idee war. Ein wenig schade ist hingegen die hohe Wiederholungsrate mancher Titel, die fast ein Drittel der jeweiligen Sets ausmachten. Es ist absolut verständlich, dass sich besonders prägende Songs der letzten dreißig Jahre und beliebte Fan-Favoriten einfach häufiger im Set befinden müssen, da diese einen hohen Stellenwert in der Diskographie haben und nicht jeder Gast auch an jedem Tag vor Ort ist. Nur waren es kurioserweise nicht etwa Klassiker wie „Ai Vis Lo Lop“, „Herr Mannelig“, „Spielmannsfluch“, „Vollmond“ oder „Liam“, die hier an allen drei Event-Tagen mehrmals gespielt wurden, sondern eher neuere Stücke wie „Sängerkrieg“, „Frei Zu Sein“, „Feuertaufe“, „Weckt Die Toten“ oder „Feine Seele“. Auf diese Weise wirkte die Auswahl doch etwas willkürlich zusammengestellt und schlauchte dadurch sogar in wenigen Momenten spätestens am letzten Tag. Eventuell wäre es eine bessere Option gewesen, diese Anzahl mehr zu reduzieren und stattdessen ein paar mehr selten oder vielleicht sogar noch nie live gespielte Stücke zu integrieren, für welche in den Best-Of-Setlisten der gängigen Tourneen leider kein Platz ist. Denn was gäbe es schon für einen passenderen Rahmen, als ein mehrtägiges Jubiläumsfestival? Wie eingangs schon gesagt: Meckern auf hohem Niveau. Wie dem auch sei: Neben dieser Kleinigkeit, die vermutlich sowieso höchstens Hardcore-Fans etwas stören könnte, gab es an dieser fantastischen Veranstaltung wirklich nichts zu bemängeln. So bleibt am Ende neben etwas Wehmut die Vorfreude auf die Zugaben-Tour „Rauhnächte“ im Winter 2025 sowie auf die zweite Ausgabe des „Weckt Die Toten“-Festival und Akustik-Konzerte in 2026. In diesem Sinne: Ein herzliches Dankeschön an alle Beteiligten für dreißig Jahre pure Leidenschaft, feuriges Live-Entertainment, einzigartige Musik und dieses besondere Festival - Auf die nächsten zehn Jahre!

Setlist: 01. Intro 02. Ólafur 03. Spielmannsfluch 04. Hieamali Tempore 05. Wolkenschieber 06. Weckt Die Toten! 07. Katzengold 08. Palästinalied 09. Ave Maria 10. En Esta Noche 11. Feine Seele 12. Sängerkrieg 13. Blutmond 14. Rasend Herz 15. Lieb Vaterland, Magst Ruhig Sein? 16. Wind 17. Rotes Haar 18. Liam 19. Belladonna 20. Störtebeker 21. Moonshiner 22. Sternhagelvoll 23. Frei Zu Sein 24. Auf‘s Leben 25. Feuertaufe 26. Pikse Palve
Impressionen:
In Extremo
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