30 Wahre Jahre - Das Jubiläumsfestival - Tag I - Freilichtbühne Loreley, St. Goarshausen - 04.09.2025
- Christoph Lorenz

- vor 4 Tagen
- 24 Min. Lesezeit

Veranstaltungsort:

Stadt: St. Goarshausen, Deutschland
Location: Freilichtbühne Loreley
Kapazität: ca. 18.000
Stehplätze: Ja
Sitzplätze: Ja
Homepage: https://www.loreley-freilichtbuehne.de/
Donnerstag, 04.09.2025 - 30 Wahre Jahre Festival - Tag 1: Einleitung:
Wir schreiben Mittwoch, den 03.09.2025 - Endlich Urlaub! Auf den heutigen Tag haben meine beiden Begleitungen und ich uns jetzt schon fast ein ganzes Jahr lang gefreut. Nicht nur, weil wir nun einige Zeit frei haben, sondern ein ganz besonderes Ziel. Es geht nämlich nach Rheinland-Pfalz, um genauer zu sein nach St. Goarshausen im Rhein-Lahn-Kreis. Zwar ist weder jemand von uns Dreien ein großer Weinkenner, noch wollen wir wandern gehen, dafür wartet an diesem geschichtsträchtigen Ort rund zweihundert Meter hoch über dem Rheintal aber ein umso besondereres Event auf die rund 18.000 Besucher: Die legendäre und stilprägende Mittelalter-Rock-Band „In Extremo“ feiert ihr dreißigjähriges Jubiläum und hat zu diesem Anlass viele befreundete Bands sowie natürlich alle Fans zur gemeinsamen, dreitägigen Geburtstagsfeier auf die bekannte Freilichtbühne Loreley eingeladen! Wie der ein oder andere Leser vielleicht schon bemerkt hat, gibt es auf dieser Seite hier schon seit einigen Jahren keine Festival-Berichte mehr, was neben Zeitgründen daran liegt, dass sich bei mir persönlich durch die oftmals sehr ähnliche Line-Up-Rotation etablierter Szene-Festivals in Umnähe doch starke Ermüdungserscheinungen breitgemacht haben… Aber wenn eine der absoluten Lieblingsbands mit drei verschiedenen Headliner-Sets und solch hochkarätigen Gästen ruft, folgt man dem natürlich nur zu gerne. Ich selbst höre die Musik der sechs verehrten wie gleichwohl angespieenen Spielmänner seit knapp zwanzig Jahren, nachdem mir damals in einem kleinen Plattenladen zufällig die CD „Live 2002“ in die Hände fiel. Fand ich die in die harte Rock-Musik eingeflochtene Mittelalter-Komponente und fremdsprachigen Texte zunächst noch eher etwas befremdlich, wuchs das Interesse nur wenig später mit jedem neuen Hördurchgang. So fing ich schon bald an, gerade jene ungewohnten Instrumente besonders zu schätzen und nach Übersetzungen der traditionsreichen Sagen und alten Legenden zu suchen, bis ich schließlich vollkommen fasziniert und eingenommen von dieser für mich damals so andersartigen Musik war. Mit angespartem Geld wurden nach und nach alle bis dato verfügbaren Alben nachgekauft, bis zu meinem allerersten Live-Konzert von „In Extremo“ am 31.07.2008 auf dem Museumsplatz Bonn während der „Ius Primae Noctis“-Reihe, einem Warm-Up quer durch Europa zur darauffolgenden „Sängerkrieg“-Tournee, sollte es aber erst noch längere Zeit dauern. Seitdem wurde jede einzelne Show in Umnähe bei Wind und Wetter mitgenommen. Völlig egal, ob kleiner Club-Gig, Hallen-Konzert oder Festival-Show. Egal, ob Werktag oder Wochenende. Egal, ob in der eigenen Stadt oder doch einer weiter entfernten irgendwo in und um Nordrhein-Westfalen. Gehe ich nach meiner heimischen Konzertkarten-Sammlung, wird ziemlich schnell klar, dass „In Extremo“ die Band ist, die ich von all meinen Favoriten bisher am häufigsten live gesehen habe! Das „20 Wahre Jahre“-Festival im September 2015 habe ich persönlich eher in zwiegespaltener Erinnerung, besuchte ich damals doch relativ spontan und schlecht vorbereitet nur den Samstag als enorm stressigen Tagesausflug, der gegen Abend immer mehr im Regen versank. Summa summarum: Blöd gelaufen. Dieses Mal soll’s aber deutlich entspannter und besser laufen! Die rund dreieinhalbstündige Anfahrt verläuft ohne Komplikationen. Bei Koblenz stehen wir zwar kurzzeitig im Stau, danach geht’s jedoch wieder zügig weiter. Wir durchfahren sowohl kleine als auch etwas größere Ortschaften wie Boppard, Bacharach, Kaub, Lorch oder Bingen. Dazwischen staunen wir über die meterhohen Felsen, zahlreichen Weinfelder und alten Burgen, bei denen wir jedes Mal gespannt überlegen, ob deren Lage wohl taktisch klug gewählt wurde und wie man diese damals am besten gegen etwaige Invasoren verteidigen konnte. Schließlich kommen wir in Rüdesheim an, welches eine gute halbe Stunde von St. Goarshausen, wo leider so ziemlich alle Hotels und Wohnungen schon lange im Voraus ausgebucht waren, entfernt liegt. Hier konnten wir uns vor einigen Monaten eine wirklich schöne und ruhig gelegene Altbau-Ferienwohnung mitten auf einem Weingut sichern. Einen Supermarkt und einen Bäcker gibt es sogar ganz in der Nähe! Nach Einkauf und Mittagsschlaf lassen wir den Abend dann vorfreudig bei spätsommerlichen Temperaturen, Pizza und natürlich einem Best-Of-Mix von „In Extremo“ auf der lauschigen Terrasse ausklingen. Danach heißt es aber erstmal genug Kraft tanken, denn schon in wenigen Stunden geht es endlich hoch auf den sagenumwobenen Loreleyfelsen!

Gelände & Rahmenprogramm:
Die Anfahrt zur legendären Freilichtbühne ist ziemlich steil. Genau genommen ist nämlich halb St. Goarshausen steil. Und alle bei der Anreise zuvor durchquerten Ortschaften. Und alle Folgenden, welche sich wohl am ehesten als „Halb Dorf, halb Berg“ bezeichnen lassen. Eigentlich ist es also viel mehr eine Auffahrt. An einigen Wohnhäusern vorbei führt die lange Straße bei zunehmender Steigung spiralförmig immer weiter nach oben auf den Felsen. Zum Glück ist der Verkehr hier ziemlich gut geregelt, sodass wir die Serpentinen praktisch stetig weiter hochfahren können und kaum auf der Stelle stehen müssen. Oben angekommen, verkündet ein großes Festival-Banner „Herzlich Willkommen!“ und weist auf einen Festival-Tarif hin: Entweder zehn Euro für einmaliges Parken oder fünfundzwanzig Euro für alle drei Tage. Wir entscheiden uns für Letzteres und bezahlen direkt beim freundlichen Mitarbeiter, der uns weiter lotst. Über unebenen Boden geht’s relativ huckelig auf und ab, bis wir uns schließlich in eine lange Schlange aus PKWs zum sogenannten Check-In einreihen, wo durch die Mitarbeitenden eine Einweisung zu den verschiedenen Stellplätzen erfolgt. Je nachdem, ob man Camper oder Tagesgast ist. Da an diesem Donnerstag viele Gäste zeitgleich anreisen, warten wir dementsprechend lange. Nur gut, dass an den Seiten extra einige Dixis aufgestellt worden sind - Sehr vorausschauend! Eine gute halbe Stunde später dürfen wir also rechtsseitig die Hügellandschaft hoch ruckeln und dem Weg bis zu den Einweisern folgen. Dort gliedern wir uns in eine der zahlreichen, geordneten Reihen in Schräglage auf einem Hang ein, ohne zu wissen, dass es auch noch viel steiler geht, wie wir die Tage noch merken werden. Von dort aus geht’s über den Campground in Richtung Hauptweg, wo sich praktischerweise der Merchandising-Truck von „In Extremo“ befindet. Vor diesem hat sich eine lange Schlange gebildet, sodass die vier sehr bemühten Verkäufer alle Hände voll zutun haben. Nur hier gibt es die exklusiven und sehr begehrten Festival-Artikel zu erstehen, darunter natürlich viele brandneue T-Shirts. Unter anderem mit dem goldenen Festival-Logo und allen Bands als Back-Print, einem speziellen Jubiläumsmotiv oder zu den Songs „Spielmannsfluch“, „Frei Zu Sein“ und „Troja“ sowie allerhand Nützliches wie eine Cap, Brotdose oder auch Trinkflasche und das neue Brot in der Dose namens „Laib & Seele“. Der zweite Merch-Stand auf dem Festivalgelände selbst bietet als Alternative hingegen nur Motive an, welche es bereits im Online-Shop gibt, wie wir erfahren. Also: Lieber schnell sein und sofort zuschlagen, bevor später alles ausverkauft ist. Nachlieferungen soll es über die gesamten drei Tage nämlich keine mehr geben, was zugegebenermaßen etwas unverständlich erscheint. Anscheinend wurde die gesamte Charge etwas zu vorsichtig kalkuliert, denn schon im Verlauf des heutigen Tages ist aus Gesprächen zu erfahren, dass viele Fans ihr Wunsch-Motiv in der entsprechenden Größe nicht mehr bekommen haben. Sehr gut, dass es nahezu alle Artikel kurz nach dem Festival noch im Shop auf Vorbestellung zu kaufen geben wird! Kurz das Merch im Auto verstaut, geht’s wieder zurück und weiter den Hauptweg entlang. Über diesen kommen wir auch an einem kleinen Zelt vorbei, in welchem vom offiziellen Fan-Club ein temporäres Museum eingerichtet worden ist. Dort gibt es unter anderem Fotos, Konzertkarten und Merch vergangener Tourneen sowie einige Instrumente und originale Bühnen-Kostüme der Mitglieder zu sehen, an denen teilweise ein kleiner QR-Code angebracht ist, über welchen man für einen guten Zweck bei einer Auktion auf die jeweiligen Stücke bieten kann, um sich ein Stück „In Extremo“-Historie nachhause zu holen - Eine super coole Idee! Biegt man am Ende des Weges linksseitig ab und geht dann gutes Stück weiter zurück, gelangt man zum zuvor angekündigten Mittelaltermarkt, welcher nicht etwa irgendwoher kommt, sondern direkt aus dem Innenhof von Burg Satzey bei Mechernich! An einigen handverlesenen Ständen werden Schmuck, Leder-, Holz- und Eisenwaren, Gewandungen, Naturkosmetik und Spirituosen angeboten. Einen echten Tattoo-Stand gibt es auch, die Termine sind auf Nachfrage jedoch schon für alle drei Tage vergeben, da es scheinbar nur einen einzigen Artist gibt. Sehr schade! Auf dem kleinen Vorplatz zur Rechten gibt es das von Festen und Kirmes bekannte Bull-Riding, ein paar einzelne Stände für Met, Pommes, Bratwurst und auch Flammkuchen. Das Highlight hier ist jedoch eine kleine Marktbühne, auf der in regelmäßigen Abständen verschiedene Acts auftreten und auch „In Extremo“ selbst werden hier am nächsten Mittag noch für einen kleinen Secret Gig wie in alten Zeiten auf den Brettern stehen… Wieder zurück auf dem Hauptweg geht es jetzt immer der Menge nach, bis wir unmittelbar vor den Eingangstoren stehen. Hier verteilen gleich einige Mitarbeitende die begehrten Festival-Bändchen aus Stoff in drei verschiedenen Farben, je nach Art des Tickets. Eine prima Lösung, um lange Schlangen und großes Gedränge zu vermeiden. Während die kroatische A-cappella-Metal-Band „Metaklapa“ im Hintergrund einige Stücke von „Iron Maide“ zum Besten gibt, geht’s zur kurzen Taschen- und Körperkontrolle. Schon passieren wir den Einlass und sind endlich da! Das Gelände kommt mir weitaus größer und weitläufiger als in meiner Erinnerung aus 2015 vor, die mich aber wahrscheinlich trügt. Wir machen einen kleinen Rundgang, um uns einen Überblick zu verschaffen: Was zunächst positiv auffällt ist das große Angebot an Getränken und Speisen. Die Stände sind allzeit voll besetzt, das dortige Personal ist trotz der mehrstündigen Akkordarbeit immer schnell und sehr freundlich. An den Theken gibt es auch die heiß begehrten Festival-Becher mit verschiedenen Motiven, jeder Tag in einer anderen Farbe. Und auch sonst reicht die Auswahl von Brezeln, Laugenstangen, Kuchen und Kaffee über Bratwurst, Currywurst und Pommes bis hin zu chinesischen Nudeln, Burgern, frischer Pizza aus dem Ofen und sogar Döner - Es dürfte also für jeden etwas dabei sein! Alles, was wir probiert haben, war frisch, lecker und für Festival-Verhältnisse wirklich fair bepreist. Dazwischen gibt es an mehreren kleinen Zeltständen das Merchandise der verschiedenen Bands des Tages zu kaufen, sofern diese etwas mitgebracht haben. Ebenfalls wurde für ausreichend viele Dixis gesorgt, welche in großer Anzahl auf dem Anstieg zur rechten Seite aufgestellt wurden. Zur Linken nahe der separaten Tribüne für alle Personen mit Handicap und dem zweiten Ausschank finden sich wiederum fest installierte Spültoiletten in einem Gebäude, die allesamt stetig sauber gehalten werden - Top!

Mainstage, 16.15 Uhr - Schandmaul:
Nach der etwas ungewöhnlichen, doch nicht weniger unterhaltsamen Eröffnung des Festivals ist es mit den 1998 im oberbayerischen Gröbenzell gegründeten „Schandmaul“ jetzt an der Zeit für eine wahre Legende des Genres. Als zweite Band des Tages betreten Schlagzeuger Stefan Brunner, Bassist Matthias „Hiasl“ Richter, Gitarrist Martin Christoph „Ducky“ Duckstein, die beiden Multiinstrumentalistinnen Saskia Forkert, Birgit Muggenthaler-Schmack und Ex-Sänger Thomas Lindner, der das Mikrofon im Frühjahr diesen Jahres aus schwerwiegenden gesundheitlichen Gründen offiziell an seinen langjährigen Freund Marco „Till Herence“ Klingel übergab, samt ihres Neuzugangs zum hymnischen „Königsgarde“ vom noch immer aktuellen Album „Knüppel Aus Dem Sack“ die Bühne. Zugegebenermaßen ist die hier angesetzte Spielzeit im heutigen Timetable ungewöhnlich früh für einen altgedienten Act dieses Kalibers. Gerade wenn man bedenkt, dass die Mäuler zum zwanzigjährigen Jubiläum ihrer Kollegen im Jahr 2015 noch als Co-Headliner des ersten Tages fungierten. Auf dieser Position sollen später am Abend stattdessen „Feuerschwanz“ an den Start gehen, welche in den vergangenen Jahren einiges an Beliebtheit und Bekanntheit bis über die Grenzen des Szene hinaus zugelegt haben. Auch wenn sich das Standing aufgrund des unfreiwilligen Sänger-Wechsels etwas verändert haben mag, wäre ein höherer Platz im Billing verdient gewesen. Zwar wird am heutigen Donnerstag bis auf „Metaklapa“ erfreulicherweise allen Bands eine ganze Stunde Spielzeit zugestanden, eine Verlegung in die späteren Abendstunden hätte allerdings mehr Gästen die Möglichkeit gegeben, der Show von „Schandmaul“ beizuwohnen. Da lokale Tagesgäste es wahrscheinlich erst nach der Arbeit schaffen und viele weitere Fans noch im Laufe des Tages anreisen, ist das Gelände zum jetzigen Zeitpunkt nämlich nur halbgefüllt. Etwas schade für die sympathischen Sieben, die sich wirklich viel Mühe geben und gerade mit „In Der Hand“ ihre aktuelle Single und damit auch den ersten Song vom kommenden Album mit neuem Sänger live darbieten - Eine typische, rockig treibende „Schandmaul“-Nummer mit den beliebten Markenzeichen, die gerade deshalb auch so gut funktioniert, weil man sie eben nur mit Herence am Gesang kennt. Aber auch bereits Bekanntes wie beispielsweise „Tatzelwurm“ oder „Der Pfeifer“, ebenfalls von oben erwähntem 2023er Release, oder die sehr eingängige Standalone-Single „An Der Tafelrunde“, ihrerseits eigentlich ein stimmungsvolles Duett mit den Kollegen von „dArtagnan“, welche die Mäuler 2019 als Support auf „Artus“-Tour begleiteten, zünden gut. Anders, aber gut. Jene Nummer muss trotz Anwesenheit seiner Hauptband übrigens derweil leider ohne Ben Metzner als Gast auskommen, was sicher eine schöne Überraschung gewesen wäre. Kein Problem, die treuen Fans vor der Bühne sind sangesfreudig genug, was sich auch beim Klassiker „Teufelsweib“ und der obligatorischen Folk-Ballade „Dein Anblick“ eindrucksvoll zeigt. Anders als aus der Vergangenheit gewohnt, bildet das romantische Stück Musik heuer allerdings noch nicht den Schlusspunkt, denn „Der Teufel…“, ja, der höllische Gehörnte hat bekanntlich den Schnaps gemacht. „Na, und!?“, schallt es aus hunderten Kehlen sogleich als Antwort. Gefeiert und getrunken wird hier die kommenden Stunden und Tage nämlich so einiges! Zum folkig-fidelen „Bunt Und Nicht Braun“ setzen „Schandmaul“ dann ein wichtiges Zeichen für Toleranz und Vielfalt innerhalb der Spielmannszunft und zeigen wortwörtlich Flagge, wenn Herence erst eine Fahne umherschwenkt und dann einen kleinen Spaziergang entlang der ersten Reihe unternimmt, um diese unter den Besuchern, die währenddessen ins Mikrofon singen dürfen, symbolisch weiterzureichen. Ganz klar: Die warme, markante Märchenerzähler-Stimme von Lindner, der neben Klavier und Akustikgitarre erfreulicherweise auch viele der Ansagen übernimmt, hat viel des Charakters ausgemacht und fehlt insbesondere bei den beliebten Gassenhauern schmerzlich. Nichtsdestotrotz macht Till Herence, der bereits im vergangenen Jahr zusammen mit Georgij Alexandrowitsch Makazaria von „Russkaja“ abwechselnd gesanglich bei den Konzerten aushalf, bei der Interpretation einen sehr soliden, professionellen Job und versucht nicht etwa, krampfhaft zu imitieren. Nur das Signature-Outfit mit rotem Hemd und schwarzer Krawatte will nicht so recht ins Bild passen. Auch wenn man sich sicher noch lange daran gewöhnen muss und einige Songs anstelle des raubeinigen Charmes nun irgendwie etwas zu glatt klingen, entsteht hier nicht der Eindruck einer Cover-Band in Originalbesetzung und das ist das Wichtigste! Der grimmig rockende Titeltrack „Knüppel Aus Dem Sack“ mobilisiert nochmals ordentlich knisternde Energie, die dann zur „Walpurgisnacht“ kollektiv in Gesang und Tanz auf dem Loreley-Felsen gebündelt wird. Der herzliche Applaus während des spaßigen Outros „Du Hast Den Farbfilm Vergessen“ von Nina Hagen spricht jedenfalls ganz und gar für sich - Ein wirklich tolles Finale, das Lust auf mehr Musik macht!

Mainstage, 17.50 Uhr - Faun:
In etwas über einer halben Stunde wurden die Bretter auch schon für die nächste Band des noch jungen Abends vorbereitet, die übrigens ebenfalls aus dem bayerischen Raum stammt. Die Rede ist natürlich von den Pagan Folkern „Faun“ aus Gräfelfing, die nunmehr seit 1999, und damit auch fast seit stolzen dreißig Jahren, die Szene mit ihren besonderen Klängen verzaubern. Dabei ziert das riesige, in Weiß- und Brauntönen gehaltene Backdrop das Cover ihres am Folgetag erscheinenden Albums „HEX“, welches es schon heute am Merchandising-Stand vorzeitig zu erwerben und von dem es natürlich auch schon einen kleinen Auszug zu hören geben wird! Doch zunächst starten Percussionist Alex Schulz, Elektronik-Magier Niel Mitra, Drehleierspieler Stephan Groth, die beiden Sängerinnen Laura Fella und Adaya Lancha de Baïracli Levy sowie Frontmann Oliver „SaTyr“ Pade mit „Baldur“, einem Stück des Vorgängers „Pagan“ aus 2022 in ihr Set. Choral beginnend, entfalten sich schon bald archaische Klangwelten aus rhythmisch treibendem Schlagwerk, Leier, Flöten, Sackpfeifen und Nyckelharpa, sodass sich sofort viele Hände zum Mitklatschen in die Höhe heben. Weiter geht sogleich es mit „Walpurgisnacht“ vom 2014 erschienenen „Luna“ und dem hypnotischen „Nacht Des Nordens“ aus „Midgard“, bevor es mit dem sehr melodischen, schwelgerisch beruhigenden „Nimue“ eine kleine Kostprobe der neuen Veröffentlichung gibt, die mit viel Applaus bedacht wird. Das rein instrumentale „Andro II“ stellt danach das beeindruckende Können der sechs Musiker unter Beweis und lässt kein Bein mehr stillstehen, es wird getanzt. Und wie! Das finster stampfende „Odin“ und die elegischen Weisen von „Gwydion“ schweifen dann nochmals in die aktuelle Ära ab, bis es mit „Iduna“ vom fantastischen „Eden“ aus 2011 ein gutes Stück weiter in der faun‘schen Diskographie zurückgeht. Immer wieder schießen jetzt hohe Fontänen aus Nebel am vorderen Rand in die Luft und hüllen das rege Treiben in dichte Wolken, was der ohnehin schon mystischen Stimmung nur umso zuträglicher ist. Fernab von den erwähnten Tänzen im Publikum ziehen es viele Gäste vor, stattdessen im warmen Sonnenschein auf den steinigen Stufen zu sitzen und der Musik innig mit geschlossenen Augen zu lauschen. Nicht verwunderlich, denn wenn man in der richtigen Stimmung ist, können „Faun“ einen tranceartigen, geradezu ekstatischen Loop erzeugen, dem man sich nur schwer entziehen kann. Ein bisschen schade ist nur, dass der Sound gerade in den schnelleren Passagen teils etwas schwächelt und man somit Mühe hat, den Gesang richtig zu verstehen, wobei auch klar gesagt sein muss, dass gerade große Open-Air-Gelände mit einkesselnder Architektur besonders anspruchsvoll zu beschallen sind und man die kurzen Changeover-Zeiten bedenkt. Das melancholisch schleppende „Galdra“ besticht mit harmonischen, dreistimmigen Gesängen zwischen den beiden Damen und Pade sowie einer ganz wunderbaren Drehleier-Melodie mit absoluter Sogwirkung, mit „Rhiannon“ gibt es dann gegen Ende schließlich sogar noch eine alte Perle vom 2005 veröffentlichten „Renaissance“ zu hören. Als Abschluss hat man sich passenderweise für das beschwingte „Wenn Wir Uns Wiedersehen“ entschieden, welches weite Teile des Publikums und Band gegenseitig bestimmt als festes Versprechen verstehen dürfen.

Mainstage, 19.30 Uhr - Feuerschwanz:
Zwischenzeitlich hat mittelstarker Regenschauer auf dem hochgelegenen Gelände der Freilichtbühne eingesetzt, zudem ist es relativ frisch und allmählich dunkel geworden. So unerfreulich und ungemütlich der plötzliche Wetterumschwung auch ist, so stimmungsvoll bereitet dieser das unterdessen zahlenmäßig merklich angewachsene Publikum auf das bunte Spektakel aus Drachen, Rittern, Berserkern, Zwergen, Met, Feuer, Funken und natürlich einer geballten Ladung alberner Selbstironie vor. Viel Schutz vor Nässe bietet das offene Areal leider kaum, daher flüchten auch nur wenige Besucher von ihren seit Stunden verteidigten Plätzen, sondern verharren eisern auf diesen. Hier und da wird zwar ein Schirm aufgespannt, der es anscheinend durch die Einlasskontrolle geschafft hat, alle anderen Fans begnügen sich derweil mit Regencapes oder sitzen die Lage aus, bis gegen 19.30 Uhr schließlich der mit einem großen QR-Code bedruckte Vorhang mit einem lauten Knall fällt und des Hauptmanns geiler Haufen mit dem power-rockenden „SGFRD Dragonslayer“ vom 2023er Erfolgsalbum „Fegefeuer“, dessen eindrucksvolles Backdrop unübersehbar im Hintergrund prangt, furios loslegen. Die seit 2004 aktive Kombo aus Erlangen bestehend aus Schlagzeuger Rolf „Rollo“ Hering, Bassist Jan „Jarne“ Beelte, Violinistin Stephanie „Johanna“ Pracht, Gitarrist Hans Platz, den Ex-Miezen und mittlerweile zu Schildmaiden aufgestiegenen Hela und Yennefer sowie den beiden Frontmännern Ben „Hodi“ Metzner und Peter „Hauptmann Feuerschwanz“ Henrici kann mit zwölf regulären Studioalben auf eine beachtliche Diskographie zurückblicken und bringt dementsprechend eine ganze Menge an Erfahrung mit, wenn es darum geht, das Publikum rasend schnell für sich zu gewinnen. Die heutige Setlist reicht von ihrer Auswahl allerdings nur bis ins Jahr 2018 mit „Methämmer“ bis heute zurück und konzentriert sich dementsprechend vorrangig auf die neueren Songs seit dem großen Durchbruch, welcher der Band spätestens 2020 mit „Das Elfte Gebot“ gelang. Für die Gäste auf der Loreley bedeutet das vornehmlich Hits, Hits und nochmals Hits. Kein schlechter Schachzug, um ein breit aufgestelltes Festival-Publikum, bei dem natürlich niemals alle Zuschauer mit dem gesamten Schaffen vertraut sind, möglichst zuverlässig mitzunehmen. Der hymnische Titeltrack des 2021 erschienenen „Memento Mori“, „Untot Im Drachenboot“ vom selben Werk oder auch der „Bastard Von Asgard“, bei dem jetzt die lauten Zurufe der Fans gefragt sind, sind davon nicht ausgenommen und sorgen binnen weniger Minuten für eine extrem ausgelassene Stimmung, welche die Freilichtbühne wie auch die augenzwinkernde ESC-Kandidatur „Knightclub“ in einen brodelnden Party-Hexenkessel verwandelt, der nicht zuletzt durch den großzügigen Pyro-Einsatz immer weiter angeheizt wird. Und auch ansonsten ist das für die Kürze der Umbauzeit aufgezogene Bühnenbild mit seinen verschiedenen Aufgängen und von malerischen Schädeln gesäumten Podesten ziemlich imposant anzuschauen und eines Co-Headliners ebenso würdig, wie die Show selbst: So schießen nun immerzu hohe Rauchfontänen oder heiße Feuerschübe in den Abendhimmel, es gibt Flammenwerfer, funkensprühende Gitarren-Soli oder ein charmantes Gesangsbattle zwischen Hodi und dem Hauptmann, die bei „Ultima Nocte“ jeweils eine Seite des Publikums für sich beanspruchen. Schwertkampf? Turniere? Pff, nur „Schubsetanz“ ist echter Rittersport, wie uns „Feuerschwanz“ danach wissen lassen. Aufgrund der baulichen Gegebenheiten und einem damit quasi nicht vorhandenen Infield vor der Bühne, muss ein zünftiger Pit zwar ausfallen, um Verletze auf den steilen Rängen zu vermeiden, dafür wird nun halt etwas vorsichtiger zu den Seiten gepogt. Vom „Kampfzwerg“ geht es über in den zynischen „Berzerkermode“, bevor es mit „Highlander“, hier in der englischsprachigen Version von „Warriors“ dargeboten, einen weiteren Höhepunkt zum Mitsingen setzt. Wer „Feuerschwanz“ schon länger und frühere Songs wie „Met & Miezen“, „Hurra Hurra Die Pest Ist Da“, „Metnotstand Im Märchenland“ oder „Blöde Frage, Saufgelage“ kennt, um hier nur einige zu nennen, oder heute Abend während des Sets und der Ansagen zumindest ein wenig die Ohren aufgesperrt hat, dem dürfte sicher aufgefallen sein, dass Hauptmann, Hodi, Johanna und Co. der Blödelei nicht abgeneigt sind und sich auf erfrischende Art und Weise mal so gar nicht ernst nehmen. So legte man den Deluxe-Versionen der letzten Alben etwa gerne eine zweite Disc mit launigen Cover-Versionen bekannter Gassenhauer aus diversen Genres bei. Neben Szene-Gängern wohlbekannten Stücken wie „Amen & Attack“ von „Powerwolf“, dem „Rammstein“-Klassiker „Engel“ oder „Twilight Of The Thunder God“ der Melodic-Death-Metaller „Amon Amarth“ befindet sich auch Untypisches wie „Ding“ von „Seeed“ und der „Deichkind“-Dauerbrenner „Limit“ darauf… Oder eben „Dragostea Din Tei“ der One-Hit-Wonder-Boygroup „O-Zone“, der jetzt tatsächlich aus den Boxen scheppert. Spätestens in launigen Momenten wie diesen ist der Gig dann so dermaßen drüber, dass man es entweder nur total abfeiern oder unendlich bescheuert finden kann - Folk-Power-Metal meets Ballermann! Der Großteil des Publikums hat sichtlich Spaß an der ausgelassenen Sause und singt mit, denn auch wenn’s niemand zugeben mag: Den Text kennt und kann jeder. Kindergeburtstag für Erwachsene, ein großer Spaß! Zum Abschluss geht’s nach „Valhalla“, bevor die Band zusammen mit den Fans feierlich „Das Elfte Gebot“ verliest, welches bekanntlich zu Leben gebietet. Dass das heute alle Anwesenden sehr wohl verstanden und verinnerlicht haben, steht völlig außer Frage. Zum eigenen Cover des „PSY“-Hits „Gangnam Style“, welches auf dem am 22.08.2025 erschienenen neuen Album enthalten ist und jetzt als eifrig mitgegröltes Outro vom Band kommt, verabschieden sich die Musiker unter massig Beifall und räumen die Bühne schnell für die mit Spannung erwarteten Gastgeber…

Mainstage, 21.15 Uhr - In Extremo:
Noch wird die mittlerweile in völliger Dunkelheit liegende Bühne von einem großen Vorhang verhüllt, auf welchem das in industrieller Steam-Punk-Ästhetik aus allerlei stählernen Scharnieren, Zylindern und Zahnrädern eingebettete Band-Logo zu sehen ist, wobei einigen besonders aufmerksamen Fans unterdessen bestimmt schon aufgefallen sein dürfte, dass es sich dabei um eines von den insgesamt drei Backdrops der vergangenen „Kompass Zur Sonne“-Tournee in umfunktionierter Form handelt. Um 21.15 Uhr ist es dann endlich soweit und ein ohrenbetäubender Knall schreckt urplötzlich auf und zieht sodann alle Aufmerksamkeit in Richtung des Zentrums, während aus dem Off sanftes Vogelgezwitscher und die zarte Melodie einer Harfe das mystische „Wintermärchen“ als stimmungsvoll instrumentales Intro erklingen lassen. Erst mit dem geradezu erlösenden Einsatz der gesamten Band fällt der schwere Stoff unter dem tosenden Applaus des schon jetzt restlos begeisterten Publikums schließlich zu Boden und gewährt einen umfassenden Blick auf das Geschehen: Die obere Front der Bühne wurde mit vierzehn senkrechten LED-Säulen bestückt, zu den Seiten hängt jeweils ein Gitter mit drei untereinander angeordneten Scheinwerfern hinab. Das Zentrum wird von einer massiven Leinwand ausgefüllt, welche derweil mit der Front einer alten Dampflokomotive ein stimmungsvolles Bild aus dem 2020er Album zeigt, das bereits auf oben genannter Konzertreise als einer der Hintergründe zum Einsatz kam. Davor sitzt Schlagzeuger Florian „Specki T.D.“ Speckardt hinter seinem Drum-Kit, welches mittig auf einem rustikalen Podest platziert wurde. Direkt dahinter erstreckt sich der Länge nach eine mit acht Moving Heads bestückte und in insgesamt sechs hölzerne Rahmen unterteilte Zeile, in die verschiedene Bilder fantasievoller Gegenstände aus dem Artwork des aktuellen Albums oder auch das goldfarbene Band-Logo eingefasst worden sind, die von langen LED-Leisten unterhalb angeleuchtet werden. Damit entspricht der generelle Aufbau bis auf die riesige Video-Wall zum größten Teil dem der erst kürzlich vergangenen „Wolkenschieber“-Tour. Auf den niedrigen Erhöhungen stehen Bassist Kay „Die Lutter“ Lutter und Gitarrist Sebastian „Van Lange“ Lange, während Marco „Flex der Biegsame“ Zorzytzky und André „Dr. Pymonte“ Strugalla mit den Marktsackpfeifen im Anschlag gemeinsam am vorderen Rand agieren, bis nur wenige Sekunden später Frontmann und Sänger Michael Robert „Das letzte Einhorn“ Rhein in ihre Mitte tritt, um die letzten Zeilen des Stücks kraftvoll zu intonieren. Wie bereits auf der Album-Tour selbst, fungiert anschließend das wütend tobende „Troja“ als bewährter Opener des ersten Tages, welches im ausladenden Solo-Part und den euphorisch mitgesungenen Refrains natürlich von heißen Feuerschüben begleitet wird. „Einen wunderschönen guten Abend! Schön, dass ihr alle da seid. Ja, dreißig Jahre… Wer hätte das gedacht!?“, begrüßt Rhein die Fans herzlich. „Liebe Leute, ganz im Ernst, diese Tage werden wirklich sehr emotional für uns alle. Wir haben jetzt nämlich fast zwei Jahre an dieser Veranstaltung hier gearbeitet und freuen uns, dass ihr so zahlreich da seid. Es macht richtig Spaß hier, ich soll euch von den ganzen anderen Bands ein Dankeschön sagen. Habt ihr denn noch Power genug? Zum Singen auch, ja?“, erkundigt er sich. Das dem so ist, beweist das Publikum dann sofort beim ikonischen Chorus des unschlagbaren Klassikers „Vollmond“, der von langsam herabregnenden Rosenblättern eingeleitet wird. „Vielen vielen Dank! Wir spielen an den drei Tagen auch viele Song aus dreißig Jahren, die wir schon lange nicht mehr gespielt haben!“, verspricht der Sänger und hält dieses direkt mit dem folkig-verpunkten „Werd Ich Am Galgen Hochgezogen“ vom Zweitling „Verehrt Und Angespien“ aus dem Jahr 1999. Während auf dem Screen das große Logo aus der Frühzeit immerzu wild aufflackert, entzünden sich hinter dem Schlagzeug drei lange, hochgebockte Metallstreben und erzeugen einen dichten Teppich aus lodernden Flammen. Unterdessen geht auch der auf der Bühne drapierte Holzgalgen wie von Geisterhand in Flammen auf, am Bühnenrand schrauben sich derweil synchron zu den rauen Riffs dicke Feuersäulen die in Luft - Wow! Zu „Herr Mannelig“ vom selben Album sind dann alle Hände zum Mitklatschen gefordert. Die Geschichte über das Zusammentreffen eines Bergtrolls und Ritters, das vielen Besuchern und auch Nicht-Fans da draußen sicher noch als Akustik-Version aus dem PC-Spiel „Gothic“ geläufig ist, hat völlig zurecht echten Legenden-Status inne und ist damit oft in den Sets vertreten. „Dankeschön, vielen vielen Dank! Eine mega Stimmung hier, das ist unglaublich, absolut. Nur noch kurz: Wir haben heute mitbekommen, wo alle so herkommen. Deutschland, Mexiko, Argentinien, Finnland, Schweden… Respekt für die lange Fahrt!“, zeigt sich das letzte Einhorn ehrlich beeindruckt und dankbar. „Jetzt kommt ein Stück, das wir auch ewig nicht gespielt haben. Als wir damals auf Wacken waren, dachten wir uns, wir brauchen unbedingt ein Zeichen… Kennt das noch jemand?“, fragt er und tatsächlich formen einige Hände jetzt die entsprechende Geste. Langjährige Fans wissen bei der Ansage natürlich ganz genau, dass es sich dabei nur um den berüchtigten „Erdbeermund“ handeln kann! Zu den dreckig-markanten Signature-Gitarrenriffs des frivolen Klassikers von „Sieben“ aus dem Jahr 2003 wird im blutroten Scheinwerferlicht erneut die Pyrotechnik bemüht, wobei die hintenstehenden Flammenwerfer fünf Stöße gleichzeitig in diverse Richtungen verschießen, sodass beeindruckend großflächige, halbe Feuerräder entstehen. Das düstere „Unsichtbar“ hält Tempo und Härte mitsamt sprühenden Funken-Fontänen nach dem Gitarren-Solo danach mühelos, die sehnsüchtige Power-Ballade „Kompass Zur Sonne“ bringt wiederum etwas Ruhe. Die Folge? Laute „In Extremo!“-Chöre, die jetzt minutenlang einfach nicht mehr abreißen wollen. Lächelnd setzt der Sänger sich auf einen der Ego Riser und lässt die Fans singen. Berührt und durchaus etwas sprachlos wirkt die Band ob des schon jetzt schier überwältigenden Zuspruchs.

„Tausend Dank, liebe Leute! Es ist und wird wirklich ganz schön emotional hier, besonders der erste Tag. Vorhin bei den Chören von „Metaklapa“ musste sich schon der ein oder andere eine Träne aus den Augen wischen, aber auch Danke an „Schandmaul“, „Faun“ und „Feuerschwanz“! So, ein Stück aus dem Album… Weiß ich nicht! Eins von vielen!“, lacht der Fronter. Bei einer so umfassenden Diskographie von allein dreizehn Studioalben kann man es ihm nicht verdenken. Der sanfte Hoffnungsspender „Siehst Du Das Licht“ vom 2011er Werk „Sterneneisen“ zaubert mit seinen warmen Klängen jedenfalls eine wundervolle Stimmung auf das Gelände der Freilichtbühne, während auf der Leinwand eine langsame Kamerafahrt durch einen von schimmernden Laternen gesäumten Gang zu sehen ist - Sehr schön! „Vielen Dank! Ich hab’s zwar schon tausend Mal gesagt und werde es in den nächsten Tagen auch immer wieder sagen, aber wenn man hier oben steht und sich die ganzen Leute so anguckt, scheint einem echt die Sonne ins Herz! So, nun auch wieder zu einem alten Stück, wo nicht so viel Sonne scheint. Eine alte, isländische Sage von der „Sünder Ohne Zügel“ für euch!“, berichtet Rhein zum unterkühlten „Krummavísur“, bei dem nun Pymonte und Flex mit Harfe und Drehleier mehr im Vordergrund stehen. Es ist eine wahre Freude, den seit 2011 auf den regulären Tourneen nicht mehr gespielten Song endlich wieder hören zu dürfen! „Wart ihr eigentlich schon auf dem mittelalterlichen Markt? Da solltet ihr morgen Mittag hingehen, da gibt’s dann vielleicht etwas zu sehen… Aber das ist sowieso immer wunderbar dort. Ich muss auch noch ein Dankeschön an die lieben Menschen von Burg Satzvey loswerden. Die haben diesen ganzen Markt dort nämlich extra komplett abgebaut und hier wieder aufgebaut!“, berichtet der Sänger dankbar und fragt dann: „Wie viele Männer sind heute Abend eigentlich hier? Und wie viele Frauen?“, woraufhin natürlich das ganz der Damenwelt gewidmete „Küss Mich“ folgt, zu dem einige knallrote Lippen über den großen Screen purzeln. „In Extremo!“, skandieren einige Konzertbesucher anschließend immer wieder. „Alle oder keiner! So viel Zeit muss sein…“, scherzt das letzte Einhorn und vergleicht die Jubelrufe spaßend mit den Stadion-Gesängen auf Schalke: „Ach, was. Ich mache doch nur ein bisschen Spaß. Wir haben hier so gute Laune, da kann man zwischendurch auch mal einen Witz machen. Versteht man, oder? Wenn nicht, ist auch egal! Okay, wir spielen gleich ein Stück, das wir auch bestimmt zwanzig Jahre nicht mehr gespielt haben. Vielen wissen, dass ein Kollege von uns, der sonst immer die Nyckelharpa gespielt hat, nicht mehr unter uns ist und wir wollten es auch deshalb auf jeden Fall spielen…“, hält Rhein hinsichtlich des plötzlichen Todes von Boris „Yellow Pfeiffer“ Pfeiffer vor drei Jahren inne. Noch 2015 stand Pfeiffer, der seit den Rock-Anfängen in 1997 mit dabei war, auf eben dieser Bühne, um unter anderem das folgende Lied an genanntem Instrument zu begleiten. Es sind Momente wie diese, die erschreckend aufzeigen, dass alles endlich ist und Feste wie das heutige daher umso kräftiger gefeiert werden müssen. „Ihr kennt ihn und wir sind sehr stolz, dass Oliver von „Faun“ heute da ist. Ich freue mich immer, ihn zu sehen. Wir kennen uns jetzt auch schon knapp dreißig Jahre, oder?“, begrüßt der Frontmann den Gast des heutigen Abends auf den Brettern für die Interpretation des schwedischen Traditionals „Vänner Och Frände“ aus 1999, wobei besonders der kurze Trio-Part aus Schalmei und Flöten zwischen Pymonte, Flex und dem letzten Einhorn heraussticht. Doch wenn schon einmal die Möglichkeit besteht, sich gemeinsam mit Pade die Bühne zu teilen, muss dieser natürlich für ein weiteres Stück bleiben: „Der nächste Song ist harter Tobak und heißt „Feine Seele“… In den letzten dreißig Jahren ist der ein oder andere von uns gegangen. Viele Freunde, Bekannte, Eltern sind nicht mehr unter uns, deshalb ist dieses Stück entstanden. Das gehört leider zum Leben dazu und war uns wichtig. Es wäre schön, wenn ihr für sie bitte alle ein Licht entzündet. Vielleicht sehen sie uns von da oben und wünschen uns alles Gute…“, hält Rhein zur hochemotionalen Ballade vom aktuellsten Release „Wolkenschieber“ dann ungewohnt angefasst eine berührende Ansprache. „So, einmal kurz Luft holen… Das kommende Stück hat einen sehr makaberen Text. Das haben wir damals so gemacht, weil wir einfach Lust darauf hatten, nur achten viele nicht auf die Pointe hinten… Hm?“, beginnt der Sänger die Ansage zur nächsten Nummer und hält dann kurz inne. „Okay, ich habe gerade erfahren, es kommt gleich erstmal ein anderer Song. Naja, ich bin schon alt und kann mir mittlerweile nicht mehr alles merken. Dann erzähle ich die Geschichte gleich einfach nochmal und vielleicht besser, damit sie auch jeder versteht…“, lacht er. Doch zunächst wird auf der Freilichtbühne der „Sängerkrieg“ ausgerufen. Im Hintergrund galoppiert dazu das vom Cover-Artwork bekannte Pferd, hinter den Drums lodern wieder züngelnde Feuer und an vorderster Front schießen hohe Stichflammen empor.

Anschließend ist es dann aber wirklich an der Zeit für die zuvor umschriebene Nummer, die sich als echte Überraschung herausstellt: Das finstere „Albtraum“, ein eher weniger bekannter Track von „Sieben“, markiert eine weitere Rarität im heutigen Set und wurde zuletzt am ersten Tag des „20 Wahre Jahre“-Festivals in 2015 live gespielt. Auch für den nächsten Song haben die sechs Vagabunden einen Gast eingeladen, der „nah am Glas gebaut ist“ und „nichts anderes zutun hatte“, womit Henry Rauhbein der gemeint ist. Der hünenhafte Sänger begleitete „In Extremo“ mit seiner gleichnamigen Band bereits auf vergangenen Tourneen und ist somit natürlich auch an Tag Drei des diesjährigen Festivals vertreten. Obwohl mittlerweile der Herbst im Lande eingekehrt ist, folgt als nächstes „ein Stück über den Frühling, für das wir heute Ärger wahrscheinlich kriegen würden!“, wie das letzte Einhorn augenzwinkernd spaßt. Er könnte damit durchaus richtig liegen, denn es geht um das anzügliche „Nymphenzeit“, nach dessen grollendem Solo-Part sich Rhein einen roten, Feuerlöscher-artigen Behälter auf das Knie stützt, der einigen langjährigen Fans vielleicht noch von der Live-Aufführung zur „Sängerkrieg“-Tournee 2008 bekannt vorkommt, und den langen Hebel hinunterdrückt, um einen laut knallenden Pyro-Effekt auszulösen. Ebenso lange befand sich das großartige Lied leider auch nicht mehr auf den Setlisten der letzten Jahre - Wahnsinn, wie doch die Zeit vergeht! Auch diese selten gewordene Nummer könnte in Zukunft sehr gerne wieder öfter gespielt werden, wird zumindest mir persönlich in Momenten wie diesen einmal mehr klar, wie schmerzlich man diese Songs in den vergangenen Jahren doch vermisst hat. „Wir haben jetzt eine riesige Bitte an euch, wir fragen das bei jedem Konzert. Dass das hier alles überhaupt stattfinden kann, haben wir ganz vielen Leuten hinter uns zu verdanken. Das sind zweieinhalb Jahre Arbeit, unfassbar. Wir bitte euch um den größten Applaus für alle Bühnenhelfer, über die Putzfrau bis hin zum Catering und unsere Haupt-Crew, die uns schon seit Jahren die Stange hält, den ihr geben könnt!“. Das lässt sich das Publikum natürlich nicht zwei Mal sagen und spendet einen so dermaßen lauten wie gleichermaßen langanhaltenden Applaus für alle Beteiligten, dass es der Lore nur so die Haare föhnt. „Wer von euch möchte in den Himmel? Und wer in die Hölle!?“, fragt der Frontmann, worauf natürlich „Himmel & Hölle“ vom 2014 veröffentlichten Ableger „Kunstraub“ folgen muss. Direkt danach geht es mit dem legendären Epos aus Norwegen namens „Villeman Og Magnhild“ vom Debüt „Weckt Die Toten!“ aus 1998 weiter, welches lange Jahre den furiosen Schlusspunkt eines jeden Konzerts setzte. Einer der ersten Rock-Songs von „In Extremo“ überhaupt und damit ein geschichtsträchtiges Highlight, das bei einem solchen Jubiläum auf gar keinen Fall ausgelassen werden darf! Lauter Donner grollt bedrohlich aus den Lautsprechern, dunkle Wolken ziehen sich zu einem Gewitter zusammen, es blitzt und starker Regen setzt ein… Zum Glück nur in Form atmosphärischer Visuals auf der Leinwand. Das Publikum klatscht rhythmisch im Takt und singt die Zeilen textsicher nach dem Call-&-Response-Prinzip mit. Im Finale warten dann wieder loderndes Feuer und heiße Flammen im Übermaß, wenn sich Rock- und Mittelalter-Fraktion vereinen. Damit endet der Hauptteil des heutigen Sets auf klassische Weise, doch noch haben die Fans nicht genug und fordern eine Zugabe ein.

Lange muss niemand warten, denn schon bald kehren die Sechs nach einer kleinen Umbaupause wieder und nehmen ihre neuen Sitzplätze am Rand der Bühne vor einem kleinen, prasselnden Lagerfeuer ein. „Wir sind zurück, aber anders als gedacht! Wir hatten ja vor vielen Jahren mal eine Akustik-Tour, das machen wir nächstes Jahr auch wieder und zwar mit Verstärkung. Lasst euch überraschen…“, lächelt Rhein verschmitzt und so werden „Frei Zu Sein“ sowie „Nur Ihr Allein“ im Folgenden als reduzierte Unplugged-Versionen in absoluter Wohnzimmer-Atmosphäre gespielt. Völlig klar, dass hier alle mit einstimmen. Eine wirklich schöne Idee! „Vielen Dank für den wunderschönen Abend, darauf stoßen wir an. Danke, dass es euch gibt!“, freut sich der Sänger und prostet dem Publikum zu, welches sich als Antwort darauf zu „Sternhagelvoll“ im etablierten Koma-Schunkeln im Reigen aus mit Rauch gefüllten Blubberblasen übt, bis gegen Ende schließlich eine riesige Ladung bunter Luftschlangen über alle Köpfe verschossen wird. „So, wir spielen jetzt noch zwei Stückchen und dann gehen wir wirklich feiern! Wir wünschen euch eine wunderschöne Nacht auf den Zeltplätzen oder sonst wo. Im Namen der gesamten Band Danke für eure jahrzehntelange Treue!“, verabschiedet sich das letzte Einhorn auch im Namen seiner fünf Kollegen, bevor es mit der eingängigen „Feuertaufe“ nochmals so richtig heiß auf und vor der Bühne wird. Besonders kreativ: Die zwei am Technik-Zelt inmitten des Publikums installierten Flammenwerfer verschießen derweil in regelmäßigen Abständen ihre Stöße über die Köpfe der Fans, sodass nicht nur den vorderen Reihen etwas Wärme gespendet wird - Mittendrin statt nur dabei! Zum großen Abschluss darf der sehr beliebte Set-Closer „Pikse Palve“, welcher diese Position nun tatsächlich auch schon seit fast zehn Jahren einnimmt, von „Quid Pro Quo“ natürlich nicht fehlen. Es wird geklatscht, getanzt und gesungen. Alle Besucher feiern die sechs Jubilare jetzt nochmal so richtig ab und geben alles. Auch pyrotechnisch wird alles herausgeholt: Feuer lodert meterhoch empor, ein weiter Funkenregen ergießt sich über den Akteuren und zu den letzten Klängen wird von den hinteren Türmen ein kurzes Feuerwerk entzündet - Ganz großes Kino! Etwa gegen 23.30 Uhr entlassen „In Extremo“ ihre Fans dann überglücklich aus dem ersten Tag hinein in die kühle Nacht. Ob naher Zeltplatz, Shuttle- oder Autofahrt, Hotel oder Ferienwohnung: Für die rund 12.000 Gäste beginnt jetzt der steile Aufstieg, denn das Gelände wird relativ zügig geräumt. Speisen und Getränke bekommt man hier verständlicherweise nicht mehr, der Ausschank nimmt jedoch noch Becher entgegen. Wirklich schade ist hingegen, dass der Mittelaltermarkt nicht wie ursprünglich angekündigt noch bis 0.00 Uhr geöffnet ist, um eine Kleinigkeit in den Magen zu bekommen oder bei einem letzten Absacker das Erlebte Revue passieren zu lassen. Alles ist geputzt und leer. Man dürfe offiziell nichts mehr verkaufen, gibt einer der Verkäufer als Grund an. Etwas schade, aber klar, es war ein langer Tag und weitere werden noch folgen. Auf diese Weise hätte man aber die gleichzeitig abwandernde Menge auch relativ leicht entzerren können, zumal es sich sowohl vor den Shuttles als auch auf dem Weg, den Camper und Parker nutzen, aufgrund einiger zu eng gestellter Zäune doch staut. Trotzdem läuft alles geordnet und ruhig ab, wenngleich man im Auto angekommen natürlich erst ein wenig warten muss, bis man vom Feld rollen kann. Am Ausgang wird der Verkehr zudem von der Polizei geregelt, sodass die Fahrt vom Felsen kein Problem darstellt - Top organisiert! Auf der Rückfahrt sind wir alle nicht nur absolut müde, sondern uns auch einig: Ein wirklich fantastischer Auftakt nach Maß, der einzig die Frage offen lässt, was die nächsten zwei Tage überhaupt noch kommen soll…

Setlist:
01. Wintermärchen
02. Troja
03. Vollmond
04. Werd Ich Am Galgen Hochgezogen
05. Herr Mannelig
06. Erdbeermund
07. Unsichtbar
08. Kompass Zur Sonne
09. Siehst Du Das Licht
10. Krummavísur
11. Küss Mich
12. Vänner Och Frände
13. Feine Seele
14. Sängerkrieg
15. Albtraum
16. Weckt Die Toten!
17. Nymphenzeit
18. Himmel & Hölle
19. Villeman Og Magnhild
20. Frei Zu Sein (Unplugged)
21. Nur Ihr Allein (Unplugged)
22. Sternhagelvoll
23. Feuertaufe
24. Pikse Palve Impressionen:
In Extremo
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