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BEITRÄGE:

VNV Nation - Construct (2025)

  • Autorenbild: Christoph Lorenz
    Christoph Lorenz
  • 4. Juni
  • 18 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 2 Tagen

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Genre: Electro / Alternative


Release: 09.05.2025


Label: Anachron Sounds (Edel)


Spielzeit: 45 Minuten


Pressetext:


VNV Nation sind seit über 30 Jahren eine beliebte und verlässliche Größe im Future-Pop-Bereich. Nun erscheint mit »Construct« das erste von gleich zwei neuen Alben in diesem Jahr.


Ein doppelter Grund zur Freude also für die zahlreichen Fans des Projekts um Mastermind Ronan Harris. Und vielleicht auch ein Dankeschön dafür, dass sie die letzten vier Alben von VNV Nation in die deutschen Top 10 der Albumcharts gehievt haben.

Zwei Jahre nach »Electric Sun« legt der Brite nun mit »Construct« nach. Es enthält zehn neue Tracks, die mit ihrem Ohrwurm-Charakter und ihrer emotionalen Tiefe einen weiteren Höhenflug in der Bandkarriere markieren. Denn niemand verbindet eine kühl-düstere Atmosphäre mit zugänglicher Tanzbarkeit wie VNV Nation.


Ursprünglich waren »Construct« und sein Nachfolger »Destruct« als gemeinsames Doppelalbum geplant. Aber mit der Zeit zeigte sich, dass Ronan Harris einfach zu viele mitreißende Ideen für zwei »halbe« Alben hatte. »›Construct‹ wurde immer größer und ›Destruct‹ hat sich zu etwas völlig anderem entwickelt, als ich es mir hätte vorstellen können«, verrät der Sound-Visionär.


Beide Alben heben den ohnehin schon vielschichtigen und facettenreichen Sound der Band auf ein neues Level. »Construct« und »Destruct« zeigen die Weiterentwicklung von VNV Nation und sprengen die Grenzen der alternativelektronischen Musik mit komplexen Klanglandschaften und emotionaler Tiefe.


Das Album erscheint in einem aufwendig gestalteten Cover im Stil eines Codebuchs, bei dem Bandname und Titel durch ausgestanzte Löcher sichtbar werden.


Kritik: „Raising the frequency, the pulse is getting loud


Dance with the universe to the interstellar sound


No time to wait for life to take you by the hand


I want you to feel it in your soul


I want you to feel it in your soul“


Der Einstieg in das aktuelle Studioalbum ist so unerwartet, wie gleichermaßen monumental ausgestaltet worden: Ein dichtes Geflecht aus allerlei hellen Stimmen steigt empor und manifestiert sich schon binnen der ersten Sekunden zu einem großen Chor, welcher schnell in gar sakrale Höhen aufsteigt, bevor sodann zusätzlich eine mächtige Orgel erhaben einsetzt und die Gesänge sanft stützt. Trotz seiner schier überwältigenden Wirkung mutet das Stück alles andere als schwer oder gar bedrückend an, sondern setzt sich als sphärisch-leichte Einführung behutsam im Gehör ab und verströmt dabei eine ungemein hoffnungsvolle, tröstende und warme Atmosphäre. Wie eine majestätische, reinigende Klang-Kathedrale, die den Rezipienten sanft dazu anregt, tief in sich hineinzuhorchen und zu -fühlen. „Hymn“ ist entgegen seiner zunächst vielleicht wahrgenommenen Andersartigkeit fürwahr ein durch und durch klassisches Opening für ein VNV-Werk im wirkungsvollen Stil eines „Pro Victoria“, „Foreword“ oder „Firstlight“, wenngleich die beiden Vorgängeralben einen solch rein instrumental arrangierten Auftakt ausließen, dafür jedoch Interludien als Bindeglieder zwischen den Songs in die Tracklist einwoben. Dabei klingt das Stück ganz so, wie man es anhand seiner Betitelung schon fast vermuten könnte und unterstreicht Harris‘ glühende Leidenschaft für klassische Musik, die er unter anderem durch seine vergangenen Arbeiten an „Resonance“ sowie dessen geplanten Nachfolger handwerklich zu vertiefen wusste und die hörbar signifikanten Einfluss auf die musikalische Gestaltung und den dramaturgischen Aufbau der folgenden Alben nahm. Man denke da etwa an Offensichtliches wie beispielsweise „Nocturne No. 7“, „Guiding“ und natürlich das epochale „All Our Sins“ vom 2018 erschienenen „Noire“ oder auch „The Game“, „Sunflare“, „Under Sky“ und nicht zuletzt den Titeltrack der letzten Veröffentlichung namens „Electric Sun“. Doch auch „Collide“, „In The Temple“, „At Horizon‘s End“ und „Run“ können ihre Wurzeln in der Klassik und Filmmusik durch orchestrale, symphonische Versatzstücke oder ihren Aufbau ebenso wenig verbergen, wie viele weitere Songs aus der langjährigen Diskographie des Projekts. Viel mehr reichen diese sogar bis zu den äußersten Anfängen mit dem Debüt „Advance And Follow“ in 1995 als kohärent präsente Komponente der VNV-DNA zurück. Mit diesem Wissen wirkt die Einführung, welche in den rund zweieinhalb Minuten Spieldauer jeden noch so kleinen Hinweis auf elektronische Musik auslässt, wenig befremdlich, sondern nur konsequent und zudem sogar sehr persönlich. Das überraschende Reduzieren auf eine unverstärkte, handgemachte Ebene fühlt sich mitnichten minimalistisch an und führt den Hörer in klangliche Weiten. Feierlich und groß. Auf diese Weise wirkt das Stück beinahe wie eine introspektive Messe, ein Gebet an das Leben und alles, was in uns wohnt. An das Sein selbst. Feinfühlig gegossen in einen hohen Raum aus Klang, der hier nahezu greifbar architektonisch vor dem inneren Auge als Art inneres Heiligtum entsteht und einzig den reinen Ton selbst zur Hauptfigur erhebt… Mit „The Spaces Between“ folgt anschließend der erste reguläre Song: Leicht unterkühlt klingende Arpeggio-Tupfer wirbeln im energetischen Loop aus dem Nichts auf. Betont futuristisch angehaucht und gleichwohl wunderbar belebend transzendieren sie vorerst alleinig in den spürbaren Weiten des hiesigen Kosmos, bis nur wenig später plötzlich ein dominant stampfender Beat die so auferstandene Szenerie präsent ins Mid-Tempo kickt und fortan die Führung übernimmt, während sich alsbald wärmende Synthies als umarmende Melodie auf diesen setzen. „Night falls. Crowds surrounding saviors to judge what yet remains. The procession walks away my fear and trepidation. A witness to transformation the cries below unceasing until grace will let them rest…“, webt Harris mit seiner unverkennbar charismatischen Stimme, welche die pulsierenden Synth-Sprengel in wunderbarer Melodiösität umschmeichelt, die ersten Zeilen ein. Eine melancholisch aufgeladene Bitte um Antwort inmitten der Leere, die wie eine geistige Mischung aus „The Farthest Star“ vom 2009 veröffentlichten „Of Faith, Power And Glory“ und „Homeward“ von „Matter + Form“ aus 2005 anmutet. Stilsicher getragen von der unerschütterlichen Hoffnung, sie nach dem Zerfall mit purer Emotion auszufüllen. Stets behände zwischen Reflexion und Tanzbarkeit oszillierend, entsteht auf diese Weise Raum für reflektierende Nachklänge und Heilung - Future Pop at it‘s finest! „Find me in the space between us where I am lost and drifting. Will you tell me why? Here, ever waiting. Spirits come to whisper where I am lost and dreaming. Will you ask my name?“, adressieren die Lyrics verlorene Verbindungen sowie das Suchen und Wiederfinden jener zum Gegenüber und nicht zuletzt sich selbst: „The beginning and the end in the space between when you are there to greet me. Will you tell me why? Here I rest now. Devoted, I remain where I am lost and dreaming. Alone in reverie…“.


Eine dunkel angehauchte Synth-Linie breitet sich flächendeckend aus, elektrisierende Sprengsel pulsieren perlend in jenem Unterbau. „CQ-CQ-CQ. This is Sierra Two One Victor November Victor. Calling, secure and listening…“, macht sich eine schwer verständliche Frauenstimme als Sample-Element eines Funkspruchs bemerkbar, der jetzt in den Äther gesendet wird. Zum näheren Verständnis: Dies ist die allgemein bekannte Art, einen Ruf via Amateurfunk abzusetzen, wobei das Kürzel „CQ“ hier die Kurzschrift darstellt, um dem potentiellen Empfänger mitzuteilen, dass man sich meldet. Das anschließende „Sierra Two One Victor November Victor“ markiert hingegen das Rufzeichen des jeweils Sendenden in Form einer Kombination aus Buchstaben und Zahlen als Erkennungsmerkmal der entsprechenden Station. Geht man auf Sendung, werden die Worte voll ausgesprochen, damit die Buchstaben nich missverstanden werden können, wozu sogar ein eigenes Funk-Alphabet existiert. Die zweite Vorab-Single namens „Station 21“ besticht nach ihrem atmosphärischen Aufbau mit süßlichen, blitzschnell flimmernden Synthie-Salven, die fast schon zu überzuckert-verpoppt erklingen und in ihrem charmanten Retro-Gewand ein wenig an die Kollegen von „Welle:Erdball“ erinnern. Müsste man einen Vergleich zum vnv‘schen Schaffen ziehen, so läge „Only Satellites“ ziemlich nahe. Inhaltlich wird eine recht metaphorische Geschichte in gewohnt futuristischer Bildsprache mitsamt dystopischem Science-Fiction-Einschlag erzählt, welche erneut auf zwischenmenschliche Verbindungen  und die Suche nach gleichgesinnten Seelen nach dem großen Kollaps umgedeutet werden kann. „The bit war raged and some survived. Offered a hand and promised life until atomic rays made cinders of the past. Engaging auto lock, we'd rise through cataclysmic coloured skies. Skyward through the atmosphere of a world that was…“, heißt es in den Strophen oder später auch „Through the lens of magazines. New sounds, new styles, successive scenes. Watch it 24/7 on wall to wall TVs. Empires crumbled on command replaced by never never lands. Repelling waves from other realms sent to destroy. We lived, we danced, we raced, we run from the oblivion to come. Dressed for the last dance of a hundred thousand suns…“. So betrachten die Überlebenden von einer Weltraumstation aus die letzten Überreste der menschlichen Zivilisation unter ihnen, halten Ausschau nach Leben und schwelgen dabei in Erinnerungen an vergangene Zeiten. Die sphärisch blubbernden Synthies halten sich neben den rhythmischen Percussion-Patterns in den Strophen ein wenig mehr zurück und geben Lyrics somit ihren Raum zur Entfaltung, begehren im Chorus dann jedoch wieder umso stärker auf und offenbaren  hochflächig elektronischen Symphonie-Charakter. Ein klassischer VNV-Song, der betont catchy, aber vielleicht etwas zu poppig und auf Nummer sicher getrimmt daherkommt. Nichtsdestotrotz weiß die Hymne an Wiederauferstehung als Versprechen an einen Neuanfang insbesondere durch ihren Text doch zu gefallen, der den Gedanken an Aufbruch und Reset an der symbolischen Station schürt: „This is Station 21, are you receiving me? Have I lost you? Can I hear your voice again? Are you as happy as I remember? Electric lights and synthetic thunder or are you busy firing rockets at the sun? Hello from Station 21, are you hearing me? I hope you know we'll never see your likes again. What can seem electric dreams the war of silicon machines and if I go back now, would I ever leave again?“.


Als dritte und letzte Single vor dem Release wurde „By Your Side“ ausgewählt, deren größte Stärke ihre stilistische Dualität darstellt. Auf kalt pochende Synthies folgt schon bald eine Melodie aus einem minimalistisch gehaltenen, recht angespannten Beat im angedeuteten EBM-Rhythmus, welche sich sofort in Bewusstsein und Tanzbein drängt, kurzerhand mobilisiert und schnell zur Bewegung auf dem Dancefloor animiert. Eine überraschende Ausrichtung, die gemäß des Titels, der zunächst wohl eher eine Ballade vermuten lässt, nicht unbedingt zu erwarten war. „Tensions raise, emotions tamed. A kiss, a promise, all to gain. Tears or joy? Endurance tests guilt and shame as a recompense. Pressure mounts, shatter, break. Penance made for our mistakes. Knives are out till blood will flow. The deepest cut, the mortal blow. Returning stares in mirrors trained. Swapping places, hearts exchanged. Insults careless, though implied. Doubts that linger paid in kind!“, beginnt Harris nur wenig später in die Strophe einzusteigen, die von pulsierend knurrender Elektronik und grundierenden Details bestimmt wird. Fordernd und kühl, doch nicht etwa aggressiv, sondern viel mehr straight forward und ermutigend. „If you were I. If it could be so easy…“, heißt es dann im Pre-Chorus, bevor alles mit dem Refrain, der nun einen einschneidenden Kontrast zum dunklen Anstrich setzt, aufklart: „Heart is racing, synaptic flow. The moments pass and the glass explodes. Who protects us if it hurts too much? Can we turn away when we fear to touch? And I'll be by your side. I'll be by your side…“. Die angespannte Rhythmik bleibt zwar auch hier klar erhalten, wird aber durch aufstrebend erhellenden, sphärisch klingenden Synth-Wände gebrochen, welche die dichte Wolkendecke der Zweifel für einen kurzen Momente beiseite schieben und das Herz öffnen, während die Lyrics geradezu euphorisch implodierend bedingungsloses Beisein beschwören. Ein festes Versprechen an Verbindlichkeit als treibende Instanz in stürmischen Zeiten. „Fire alighting, a cold embrace. Should we go too far into splinter’s break. Connection forms and it screams so much. The seconds slow when we fear to touch…“. Der Song ist ein Hybrid zwischen auffordernder Energie und persönlicher Intimität. Dynamisch und zugleich doch leicht balladesk im mittleren Tempo geeint. Loyalität und Sicherheit aller Widrigkeiten zum Trotz - VNV-Grandezza! Wenngleich „Construct“ viele ruhigere Songs in der Tracklist vereint, sticht „Nothing More“ wohl fraglos als die Ballade schlechthin aus dieser heraus, was nicht zuletzt auch in ihrem grundverschieden Ansatz begründet liegt. Rein instrumental wurde das Stück nämlich rein auf ein organisches, bewusst reduziertes Arrangement bestehend aus Piano und Streicher-Ensemble ausgerichtet. Elektronische Einflüsse bleiben der Intimität wegen vollständig aus, was sich hinsichtlich der extrem starken Wirkung bereits nach wenigen Sekunden als absolut richtige Entscheidung herausstellt. Ungemein zarte Klavier-Akkorde eröffnen im gemeinsamen Zusammenspiel mit dem zurückhaltenden Cello, bevor sich Ronan Harris mit wunderbar tröstlichen Worten persönlich an den Hörer richtet: „I hope I’m not imposing but, I feel I have to say that I can see that you are burdened. Foundations giving way. The day is waning losing sun. The light is dimming in your eyes. Hard to find or see your purpose but if I can I’d change your mind…“, singt er und klingt dabei so einfühlsam und sanft, wie eh und je. Man spürt geradezu, wie sehr es dem sympathischen Sänger, der hier vor lauter Ergriffenheit zuweilen selbst mit den Tränen und einer leicht zitternden Stimme zu kämpfen scheint, eine aufrichtige Herzensangelegenheit ist, seine erbauende Botschaft zu übermitteln: „You’re not the problem and not the cause. It doesn’t matter what you were tolda. A good intent, taken for granted is better served where it can grow. Life offers lessons and hopes you learn to rise above and overcome. To show the measure of your person and prove to you that you weren’t wrong!“. Der Song, der wie eine konsequente Fortsetzung des ergreifenden „Illusion“ vom 2007 veröffentlichten Album „Judgement“ wirkt, ist ein persönliches Loslass-Ritual im kammermusikalischen Gewand, in welchem sich Musik und Text zu einer stärkenden Meditation über das Abschließen mit der Vergangenheit und Selbstachtung aufschwingen. Melancholisch, emotional und dabei nicht weniger klar und reflektiert.


Hell gestimmte Synthie-Kristalle steigen langsam perlend, anschmiegsam und wärmend wie hunderte kleine Lichtpunkte als magisch zirkulierendes Klangspiel aus den tiefen Schatten empor. „Did a reckless call decide that you were leaving? Traded all you’d left behind for other skies to where the rain offers mercy. Grants the faithful a disguise if ever tears should wash away a paper smile. When the battle was through and done. Decreed by judgement of the sun. Had you lost more than all that you can say you’d won…“, setzt Harris bald schon darauf ein, während sich ein tiefer, vibrierender Bass parallel dazu grundierend unter seine charismatische Stimme gräbt. Mit mit jedem einzelnen Wort scheint dieser in seiner Intensität auch über die zweite Strophe weiter anzusteigen, ohne unangenehm zu bohren oder gar zu aufdringlich zu sein. Nein, viel mehr mutet das Arrangement wie die cineastische Inszenierung eines baldigen Sonnenaufgangs an. Dennoch ist ganz klar spürbar, wie hier auf den nahenden Klimax hingearbeitet wird. Auf diese Weise erinnert „Save Me“, welches zudem als etwas unkonventioneller Opener der just vergangenen Tournee auserkoren worden ist, im Aufbau ein wenig an den Beginn von „Collide“, später dann sogar an den Über-Hit „Nova“ von „Automatic“ aus 2011. Den reduzierten Klängen, welche den Text hier zärtlich zu umarmen scheinen, wohnt beinahe etwas Kosmisches und Spirituelles inne. Es klingt bedeutsam und wie der Anfang von etwas Großem. „When to your eyes the worlds a stranger without courage and full of anger. Like castles on the sand before the tide…“, heißt es zum Ende der dritten Strophe hin, nach der jedoch nicht etwa der Chorus, sondern eine weitere folgt. Mit ihrem Einsatz bricht dann schließlich auch der charakteristische Future-Pop durch: Rhythmische Drum-Beats verleihen pumpend Nachdruck, aufgeweckte Synthies rotieren um sich selbst und setzen stetig positive Energie frei. In jeder Zeile knistert Hoffnung und innige Vertrautheit, die sich daraufhin im von elegischen Chorälen begleiteten Refrain als Ausbruch manifestieren: „Save me. You’ll always save me! When you’re strong enough to heal a fragile heart and if you save me, even pray for me. Fill my heart and mind to remind me who I am! We’ve yet so many worlds to conquer, so many roads for us to wander. I will write our names in a heaven full of stars!“. Diese Ballade wirkt mit ihrem gesunden Pathos-Touch wie ein fragiler Aufschrei und das Ende einer lange Suche nach innerer Rettung und Verbundenheit. Wie die flehende Bitte und ein Dank aus tiefstem und reinstem Herzen. Mit Sicherheit eines der absoluten Highlights auf „Construct“! 


Dürfte man nur ein einziges Adjektiv auswählen, um den nächsten Track möglichst kurz und doch passend zu beschreiben, wäre es wohl am ehesten „up-lifting“. Das liest sich zwar viel zu fancy und betont modern, trifft es in diesem Fall aber wie die Faust aufs Auge, denn das im Zugaben-Block der letzten Konzerte bereits dargebotene „Close To Heaven“ ist exakt das und nichts weniger! Eingangs flirrt die Synthie-Tonleiter erfrischend auf und ab, dann setzt plötzlich ein angespannt pochender Basslauf ein, welchen Harris als Basis für seine Ansprache innerhalb der ersten Strophe nutzt, die er hier persönlich direkt an den Hörer adressiert. Ganz so, als befände man sich gerade inmitten einer laufenden Live-Show der Band und wurde dabei von der Bühne aus für ein kurzes Zwiegespräch erspäht. Interaktionen, wie sie bei Konzerten von „VNV Nation“ durchaus gerne vorkommen: „Your attention please, we're about to start the show! You're back by demand for a single night in the starring role. So enter the ring and find some space, let yourself go. It's second nature, open up. Don't even try to take it slow! We bring the light and sound and you just improvise. Move as we celebrate this precious taste of life! Open your inner self, let happiness abound. No time to be shy, thе countdown’s on and the number’s going down…“, fordert Harris ermutigend auf und ruft uns in diesen Momenten mehr zu, als das er singt. Er klingt ungemein energiegeladen und motivierend, während ein leicht halliger Filter über seiner Stimme authentisch den Eindruck erzeugt, er würde gerade tatsächlich über ein Mikrofon kommunizieren. Es soll nicht mehr lange dauern, bis auch die Drums kicken und für einen powernden Rhythmus sorgen, bei dem jetzt kein Fuß mehr stillstehen will. Es ist catchy, es ist poppig. Durch und durch. Vielleicht sogar ein bisschen zu sehr, unterstützt die beabsichtigte Atmosphäre und Message damit jedoch perfekt. Unterdessen rufen die fröhlich verspielten Sounds schnell sehr lebhafte Erinnerungen an „Veum Aeternus“ wach. Rein stilistisch gesehen, hätte der Song hingegen am ehesten auf „Automatic“ gepasst, wie die warmen Synthies zeigen, denen mit einem kleinen Solo vor der zweiten Strophe nun viel Platz zur Entfaltung ermöglicht wird. Nach dieser eröffnet flimmernd kreiselnde Elektronik eine Art ausgelagerten Mittel-Part, welcher als klug eingewogenes Bindeglied zwischen der soeben verklungenen ersten Hälfte und dem bald folgenden Part fungiert, denn tatsächlich wirkt der Track durch diesen kleinen Kunstgriff, die sich allmählich aufbauende Dramaturgie und alles Folgende ganz so, als wären zwei Akte zu einem einzigen Song verquickt wurden. „You can’t move forward when you can’t let go. Some would call it madness but it’s so much more! I want to get back to a place I know. Keep it going, keep it moving, there’s still so far to go! Move myself forward 'cause I can’t stand still. I can’t go back and I won’t go back!“, heizt Harris zu marschierender Percussion unablässig weiter an. Nach viereinhalb Minuten breitet sich ein sanft zirkulierender Synthie-Teppich im klassischen VNV-Style für ein Fading-Out aus und setzt einen kurzen Ruhepol zum Durchatmen. „When it’s all we have, I know. It’s the best of times, so please show. The world how you let go. We’re getting close to heaven…“, heißt es darin und nachdem nochmals alle Kräfte sorgfältig mobilisiert wurden, setzt der Song schließlich zum herzerwärmenden, hochemotional inszenierten Finale mit absolutem Gänsehaut-Charakter der allerersten Güte an: Sphärische Synthie-Sounds katapultieren sich feierlich jubilierend in höchste Höhen und reißen den Hörer voller Euphorie und Zuversicht mit, während irgendwo in der Ferne immer wieder epochal ein majestätisches Horn erschallt, sodass man sich sofort im titelgebenden Musik-Himmel wähnt. „It’s far as we can go, I hope you feel it in your soul. Baby, open up and show… It’s as close to heaven as you’ll know! I can feel it in my soul, it’s as close to heaven as I know! Show the world how you let go, it’s as close to heaven as you’ll know!“, singt Harris. Vor allem inhaltlich trifft „Close To Heaven“ durch seine wirklich schöne Metaebene mitten ins Herz, geht es hier doch um das Erleben dieses speziellen Songs und von Musik allgemein. Musik als Vehikel für einen vor Freude jauchzenden, befreienden Schrei voller Mut und Aufbegehren. Das Stück bebt in den rund sieben Minuten geradezu vor Optimismus und Lebensfreude, was zuerst vielleicht etwas naiv und kitschig wirken kann. Doch: Zu selten setzt man seine Scheuklappen ab, zu oft verliert man sich in den eigenen Gedanken und Sorgen. Es ist der fest initiierte Aufruf dazu, sich selbst in diesem Moment des Erlebens zu verlieren und somit Eins mit den Klängen zu werden. Sich mit ihnen federleicht emporzuschwingen und ganz bei sich zu sein, Freude und pure Glückseligkeit zu spüren und einfach in diesem einen Augenblick zu leben. Hält man kurz inne, wird einem bewusst, wie nahe man dem Himmel gerade scheint. Eine wirklich wundervolle Ode an die unbändige Macht der Musik! „Dance until dawn has bid the stars. A grand farewell when they part. For a moment, I hope you see how close to heaven you’ll be…“.


Ziemlich verblüffend werden jetzt angriffslustig knurrende Beat-Salven im aggressiven Industrial-Stil abgefeuert, darunter pocht von mechanisch ätzenden Sounds ein dominanter Bass. Allein binnen der ersten Sekunden kippt die Stimmung unvorbereitet in finstere Gefilde und entwickelt eine starke Sogwirkung: „Silence Speaks“ ist die erste Single-Auskopplung von „Construct“ und rückblickend nur wenig repräsentativ für den Rest des Werks, soll dieses ja immerhin auch die positivere Seite des ursprünglichen Doppelalbums darstellen. Musikalisch sticht der Track in seiner clubtauglichen Brachialität jedenfalls deutlich als Fremdkörper heraus, wenngleich die absolute Eruption vorerst ausbleibt. „Silence speaks but no one listens. Communicate without a voice. Without science or religion. Silence offers you a choice…“, singt Ronan Harris. Nach jedem Vers hallt seine ernste Stimme als gellendes Echo wider, darunter grollt der düster pulsierende Basslauf, durch welchen immerzu kurze Synths und metallisch anmutende Klänge brechen. Minimalistisch, aber wirkungsvoll. Daraufhin folgt dann ein kurzes Innehalten samt knackigem Break, der es wahrlich in sich hat und den tanzbarem Industrial-Charakter jetzt umso stärker herauskehrt. Der Beat peitscht ordentlich nach vorne, der satte Bass schiebt druckvoll. Passend zum Inhalt bleibt jener Hauptteil bis zur dritten und letzten Wiederholung ohne Gesang, was anfangs etwas gewöhnungsbedürftig erscheinen kann. Die passenden Worte folgen zum Schluss: „Beneath the chaos and the rhythm. Hitting deep within thе void. Among the patterns, if you listen. Silеnce hides within the noise!“. Der lyrische Kontrast um Stille und Wucht wird so auch musikalisch zum Thema. Kommunikation durch Abwesenheit und Schweigen. Vernichtende Stille. Introspektiv und doch aufgeladen. Ein wechselhaftes Spiel zwischen Absenz und Aussage. Elegische Klänge säuseln sich zum Auftakt von „On Other Oceans“ in das Gehör, kurz darauf von hell auf und ab flackernde Synths abgelöst, die sodann von rhythmischen Drum-Patterns im gediegenen Tempo unterstützt werden. „Freeze the image, take a photograph. Keepsake of a time gone by. Technicolor films play over the sights and sounds of other lives. Faces come and faces go like leaves that dance upon the air. Fragments of half lost recollections. A lost lament for who we were…“, bedient man sich hier der gängigen, gerne verklausulierten VNV-Bildsprache, um das verträumte Portrait von innerer Reise und Aufbruch zu zeichnen. Der poppig getragene Song rangiert beständig im Mid-Tempo ohne viel Variation, was gleichzeitig auch seine signifikanteste Schwäche darstellt. Der Sound bietet für die Spielzeit von sechs Minuten leider zu wenig Abwechslung und klangliche Finesse, um langfristig interessant zu bleiben. Schlimmer noch, können die nervösen, hoch fiependen Synths auf die gesamte Dauer zuweilen sogar störend auffallen. Der wirklich schöne, melancholische Refrain rettet durch die Hinzunahme von zurückhaltenden Chören wiederum einiges, täuscht über das etwas zu arg verkitschte Gesamtbild aber nicht ganz hinweg: „It isn’t goodbye, it isn’t the end if we should part. Impressions and traces remain inside like shining stars. One day I’ll find you out on the waves of other oceans. Looking for land, safe from the tempests of the seas. Singing the song of the expansive cloak of heaven. Singing laments to the precession of the stars!“. Eine sehr solide, wenn auch vielleicht etwas zu lang geratene, zu facettenarme Nummer mit gelungenen Metaphern und schön transportierter Botschaft. „Frontier I + II“ setzt danach den zweistufigen Schlusspunkt in rund siebeneinhalb Minuten, wofür beide Parts jedoch nicht voneinander getrennt worden sind, sondern nahtlos aufeinanderfolgen. Dabei beginnt der erste Teil trance-artiges Ambient-Instrumental, welches sich allmählich in kleinen Klang-Variationen steigert und dabei bewusst viel Zeit für den Aufbau nimmt.


Hell perlende Synth-Tupfer und engelsgleiche, sanfte Choräle gestalten eine beruhigende und geradezu meditative Atmosphäre von sakraler Strahlkraft, womit sich der geistige Kreis zum einst eröffnenden „Hymn“ wieder schließt. Zeitweise macht sich der tiefe Bass Verhalten bemerkbar, droht jedoch nicht, das zauberhafte Konstrukt konträr zu überfrachten, sondern stärkt behutsam dessen Intensität, bis Ronan Harris mit seinen hoffnungsfrohen Worten ruhig zu singen beginnt: „In a place of our creation beneath undying eternal sun. A domain as yet unfounded to be uncovered, claimed and won. So gather all the people raised from ruin, and from despair. Unite spirit and machine in visions built of dust and air! Oh, guardians, do not worry. Your work will soon be done! Navigate the endless oceans, not to flounder nor to drown. Oh, vanguards, won’t you wake. Vanquish night and tame the dark. Waiting out beyond the frontier, far from a dying star…“ - Wow! Nachdem die letzten Töne leise und sacht verhallt sind, steigt zu Beginn des zweiten Teils dann der Basslauf wieder ein und schwillt unter Einsatz majestätischer Blechbläser beständig an, bis dann zusätzlich helle Signature-Synthies aufsteigen, um orchestrale Weite und symphonische Schönheit mit Future Pop zu einem emotionsgeladenen Crescendo zu formen. Ein narrativ geführter Abschluss, der nicht vieler Worte bedarf und diese musikalische Reise schließlich zu einem unglaublich ergreifenden Abschluss geleitet. Jedoch nicht ohne die Tür einen kleinen Spaltbreit für die noch in diesem Jahr erscheinende Gegenseite geöffnet zu lassen…


Tracklist:

01. Hymn 02. The Spaces Between 03. Station 21 04. By Your Side 05. Nothing More 06. Save Me 07. Close To Heaven 08. Silence Speaks 09. On Other Oceans 10. Frontier I+II


Fazit:


Bereits zwei Jahre nach dem letzten Opus „Electric Sun“ meldet sich Ronan Harris mit einem seiner bisher wohl ambitioniertesten Projekte zurück: Im Sommer 2024 ursprünglich noch als Doppel-Album samt groß angelegter Tournee durch vierzehn verschiedene Länder unter dem Titel „Construct // Destruct“ angekündigt, entschloss sich der sympathische Wahl-Hanseat später doch dazu, die zwei Werke als jeweils eigenständigen Teil getrennt voneinander zu veröffentlichen. Ein durchaus bewusstes Statement zur musikalischen Balance und differenzierten Klarheit des übergreifenden Gesamtkonzepts. Zu groß waren am Ende die Gegensätze beider Seiten in Sound und Emotion, ähnlich einem Yin und Yang, welche während der Produktion und des kreativen Prozesses scheinbar eine Art Eigenleben entwickelten und unabhängig über sich hinauswuchsen, was am Ende zu jener Entscheidung führte. Die entsprechende Kursänderung war somit also keine rein formale oder profitorientierte Entscheidung, sondern viel mehr künstlerische Weiche, um der neuen Musik die nötige Tiefe und Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Dabei repräsentiert „Construct“ die helle, aufbauende und optimistischere Seite des komplexen Geflechts, während das noch für dieses Jahr terminierte „Destruct“ die düstere Kontraposition darstellt. „Wir sind zwei Wölfe… Freunde dich mit dem Schatten-Ich an!“, fasste Harris selbst das Konzept knapp in eigenen Worten zusammen. Ein psychologischer Dualismus. Wie schon beim Vorgänger sollte ein Release vor den angesetzten Shows leider nicht gelingen, wodurch die Besucher dieser jedoch noch vor allen anderen in den Genuss kamen, eine ausgewählte Handvoll neuer Songs live zu erleben. Erscheinen sollte der erste Part dann während der laufenden Konzertreise Ende März, unvorhersehbare Probleme bei der Produktion zwangen Harris aber schließlich zu einer kurzfristigen Verschiebung auf den 09.05.2025. Beschäftigt man sich etwas eingehender mit der lyrischen Bildsprache wird das Konzept hinter „Construct“ nochmals umso klarer: Licht, Hoffnung, Mut, euphorische Weite und vor allem ganz viel Gefühl. Rein musikalisch fühlt man sich hingegen sehr schnell in die bekannten VNV-Gefilde zurückversetzt: Helle Chöre, symphonischer Grundcharakter, orchestrale Versatzstücke, cineastische Klanglandschaften, große Melodien, warme Synthesizer-Sounds und natürlich ganz viel Future-Pop-Appeal. Atmosphärisch, hochemotional, hymnisch, überwältigend schön und nicht selten mit einer gesunden Pathos-Essenz versetzt, destilliert zur typischen Balance aus introspektiver Breite und tanzbarer Euphorie. In diesem gefühligen Sog mutet die vertraute Stimme von Ronan Harris wie ein roter Faden und Leuchtfeuer an, welches den Hörer sanft und sicher auf seiner Reise durch alle Höhen und auch Tiefen begleitet. Beinahe wie ein ganz eigenes Instrument, das sich organisch in die dargebrachten Klänge einbettet. „Construct“ ist eine dramaturgisch geführte Future-Pop-Oper in zehn Akten, designed für individuelle Retrospektiven und zukünftige Momentaufnahmen vor dem inneren Auge und der eigenen Seele. Nicht nur Musik, sondern ein unheimlich bewegendes, auditives Statement. Von der Eröffnung durch das sakrale „Hymn“ bis zum ergreifenden Abschluss mit „Frontier I + II“ entsteht auf diese Weise Baustein für Baustein, Song für Song, ein kraftvolles Bauwerk, das trotz seiner akribischen Konzeption und spürbaren Reflektiertheit nie auf die persönliche, einfühlsame Komponente verzichtet, sondern diese umso mehr herausarbeitet. Hier treffen Hymne und Herz, breiter Arena-Klang und zerbrechliche Intimität aufeinander. Nein, mit „Construct“ erfinden sich „VNV Nation“ mit Sicherheit nicht gänzlich neu und verbleiben auf vertrautem Terrain, fokussieren die emotionale Dichte, große Geste und persönliche Note aber gefühlt stärker. Die Songs sind alles andere als ein Schritt weg vom Sound der letzten Alben, sondern eine nur konsequente, wenn auch eher kleine Evolution: Noch dichter im Arrangement, noch klarer im Fokus, noch stärker im Gefühl. Auf Hochglanz poliert, rund und merklich durchdacht. Fein nuancierte Modernisierung anstelle des großen Umbruchs. Wer also Klänge im Stil der VNV-Ära seit „Judgement“ schätzt oder sich zu den Hörern neueren Datums zählt, wird hier sicher fündig und mehr als glücklich. Der Old-School-Fangemeinde könnten weite Teile des aktuellen Outputs hingegen zu soft sein, doch wird das Pendel mit „Destruct“ mutmaßlich in jene ausgleichenden Gefilde zurückschwingen… Das Album ist zwar in den meisten Momenten sehr eingängig und hochmelodiös, doch keine seichte Kost für den oberflächlichen Konsum, sondern viel mehr eine monumentale Kathedrale, innerhalb der jedes einzelne Lied mit Nachklang selbstbewusst für sich steht. Perfekt austariert im Spannungsbogen zwischen Licht, Hoffnung und Möglichkeit. Alles hat seinen Platz. So ist „Construct“ ein in sich ruhender Future-Pop-Monolith. Erbaut für die Massen, doch gestaltet für die Stille dazwischen.


Informationen:



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