Eisbrecher - „Liebe Macht Monstour"-Tour - WinterLights Festival, Dortmund - 28.11.2024
- Christoph Lorenz
- 10. Jan.
- 24 Min. Lesezeit

Veranstaltungsort:
Stadt: Dortmund, Deutschland
Location: Revierpark Wischlingen
Kapazität: ca. 3.000
Stehplätze: Ja
Sitzplätze: Nein
Homepage: https://winterlights-dortmund.de/
Die Geschichte des PLWM:
Wer den Fredenbaumpark in Dortmund kennt, dem ist vermutlich auch das „Mittelalterlich Phantasie Spectaculum“, kurz MPS, ein Begriff. Die seit 1994 von Gisbert Hiller ins Leben gerufene Event-Reihe hält genau das, was ihr Name verspricht, und vermischt das Konzept der von üblichen Märkten bekannten, mittelalterlichen Lebensweise mit entsprechenden Elementen aus Sagen und Fantasy in Form einer quer durch Deutschland reisenden Mega-Veranstaltung für Klein und Groß. Im Angebot enthalten ist dabei von allerhand kulinarischen Köstlichkeiten über das Handwerk bis zu einem bunten Unterhaltungsprogramm aus Kleinkunst, Gauklern, Artistik und Turnieren nahezu alles, was das Besucher-Herz so begehrt. Selbstverständlich garniert mit viel typischer Live-Musik aus dem Folk-Genre und seinen mannigfaltigen Grenzgebieten auf den umgebenden Bühnen. Mittlerweile gab und gibt es einige Sonder-Ableger desselben Veranstalters unter dem bekannten MPS-Banner, wie beispielsweise das ehemalige Mittelalter-Hallen-Festival, die große MPS-Konzertparty zu Hillers Geburtstag in der Dortmunder Westfalenhalle 1, die Allerheiligen Kirmes Soest oder auch den sehr beliebten Weihnachtsmarkt Telgte. Sogar nach Schottland ging es 2011 mit einem kleinen Gastspiel schon. Dabei wechselten sich die jeweiligen Spielorte im laufenden Jahr immer ab, doch der große Erfolg war nicht überall gegeben, sodass manche Hochburg mehrmals bespielt werden konnte, manch andere Regionen, wie etwa der Süden Deutschlands, aufgrund mangelnden Andrangs oder behördlicher Auflagen hingegen ersatzlos wegfallen mussten. Zwischen 2017 und 2019 gab es viele der Veranstaltungen letztmalig, generell wollte man die Anzahl der Termine weiter reduzieren. Aufgrund der weltweiten Pandemie fand 2020 erstmalig kein Spectaculum statt, zumindest nicht in seiner bis dato gewohnten Form: Doch der Veranstalter zeigte sich äußerst kreativ und richtete anhand der damals geltenden Auflagen einen fantasievollen Skulpturen-Park in Bückeburg und ein Jahr darauf die „Hock-Rock“-Reihe aus, bei welcher die sonst üblichen Konzerte mit stark begrenzter Kapazität vor einem auf Bierzeltgarnitur sitzendem Publikum gegeben wurden. Damit einher ging natürlich auch die traurige Absage der geplanten sechsten Ausgabe des extrem erfolgreichen „Phantastischer Lichterweihnachtsmarkt“, welcher bis dahin seit Spätherbst 2015 im Fredenbaumpark Dortmund veranstaltet worden ist und seitdem einen festen Platz in den winterlichen Terminkalendern der MPS-Besucher aus Ruhrgebiet und Umland innehatte. Auch die zunächst angedachte Alternative „Phantastische Fabelwesen Weihnachtsmarkt“, das Pendant zum Skulpturen-Park, fiel dem „großen C“ zum Opfer. Ferner gab es bereits zuvor einige Unklarheiten bei der Wahl des Spielortes, als die Behörden der Stadt Dortmund den erneut angefragten Fredenbaumpark erst verweigerten. Man wolle die Parkanlage gerade im Sommer schonen und mehr der Bevölkerung zugänglich machen, hieß es da in einer Stellungnahme. Auch der angefragte Volksgarten Mengede sollte es nicht werden. Irgendwie kam es dann aber scheinbar noch zu einer überraschenden Einigung und so durfte das mittelalterlich-fantasievolle Winter-Spektakel ab 2022 doch wieder in altbekannter Umgebung stattfinden!
Seitdem arbeitete das MPS in unterstützender Partnerschaft mit der SKH Spectaculum GmbH, welche nun mehrere Standorte übernommen hatte, wozu auch der Lichterweihnachtsmarkt Dortmund gehörte, hier ausgelagert an die extra dafür neu gegründete Lichterloh Event GmbH. Im Rahmen des oben genannten Konzepts sorgten seit Winter 2022 wieder allerlei Markständen für das leibliche Wohl der Besucher oder bieten ihre Waren feil. Zudem warteten hier natürlich viele weitere Aktivitäten und Programmpunkte vor aufwändig dekorierten Themen-Kulissen auf alle Gäste, wie beispielsweise kinderfreundliche Familien-Vorstellungen der umherziehenden Gaukler oder eine abendliche Feuer-Show. Im beheizten Party-Zelt mit Stehtischen und gemütlichen Sitzgelegenheiten konnte an den Wochenenden zudem bis 0.00 Uhr zu kostenloser Live-Musik wechselnder Künstler gefeiert werden. Das unverkennbare Highlight waren jedoch die exklusiven Konzerte gegen einen separaten Aufpreis auf der großen Bühne in der goldenen Mitte des Parks: So wurde für die meisten Freitage und Wochenenden auf der ehemaligen „Weihnachtsbühne“, welche in den Vorjahren von beliebten Markt-Bands aus dem MPS-Kader wie „Die Streuner“, „Saor Patrol“, „Reliquiae“, „Rapalje“, „Vroudenspil“, „Knasterbart“, „Omnia“, „Mr. Hurley & Die Pulveraffen“ und natürlich „Saltatio Mortis“, aber auch selteneren Gästen wie „Qntal“ oder „Corvus Corax“ bespielt worden ist, ein Paket aus jeweils drei stilistisch passenden Bands geschnürt. Die Preise für die Konzerttickets rangierten dabei immer von ca. vierzig bis sechzig Euro, der generelle Markteintritt in Höhe von fünfzehn Euro war darin bereits inkludiert. Bei der Premiere in 2022 waren unter anderem „Trobar De Morte“ - „Rauhbein“ und „Versengold“, „Storm Seeker“ - „Haggefugg“ und „Feuerschwanz“, Katja Moslehner - „The O‘Reillys And The Paddyhats“ und „Schandmaul“, „Vogelfrey“ - „Tir Nan Og“ und „Saltatio Mortis“ oder „Fuchsteufelswild“ - „Korpiklaani“ und „In Extremo“ dabei. Ein wenig Genre-fremd hingegen die Hamburger Dark Rocker von „Mono Inc.“ mit Unterstützung von „Delva“ und „Manntra“ sowie die „Rammstein“-Tribute-Band „Völkerball“ als krönender Abschluss. Ein voller Erfolg! Innerhalb des extra eingezäunten Bereichs, zu dem natürlich nur Besucher mit gültiger Konzertkarte Eintritt erhielten, fanden sich einige Feuerstellen zum Aufwärmen, ein Merch-Zelt und einige Gastronomie-Hütten. Der Nachteil: Das unberechenbare Wetter mit Wind, Regen, Frost und Schnee ließ das einzigartige Winter-Open-Air-Flair zum puren Glücksspiel werden… Denn ganz ehrlich: So ungewöhnlich-schön es auch war, mitten im Dezember unter freiem Himmel echter Live-Musik mit Festival-Charakter lauschen zu dürfen, hat wahrscheinlich kein Fan große Lust darauf, bei klirrenden Minusgraden stundenlang im Schauer zu stehen, oder? Von den erschwerten Bedingungen für die Musiker, die auf der Bühne teilweise in winterfester Kleidung schwitzen mussten und somit ordentlich Gefahr liefen, im Anschluss krank zu werden oder durch die Witterung gar ihr teures Equipment beschädigt zu sehen, wollen wir gar nicht erst anfangen… Aus diesem Grund gab es ab 2023 betreffend der Bezahl-Konzerte eine einschneidende Änderung: Ausnahmslos alle der gesonderten Exklusiv-Shows fanden nun nämlich in einem großen Acht-Mast-Zelt, hier „Chapiteau“ genannt, statt! Im Inneren gab es zwei große Getränke-Theken, eine zu jeder Seite, eine Rollstuhlfahrer-Tribüne, Stehtische und Barhocker im hinteren Segment und einen neuen VIP-Bereich für insgesamt zweihundert Gäste: Für knapp siebzig Euro pro Person zusätzlich zum regulären Eintrittspreis gab es einen Platz auf entsprechender Tribüne, einen Parkplatz nahe am Gelände, direkten Zugang ins Infield-Zelt über den zweiten Eingang und eine Getränke-Flatrate, die dazu berechtigte, während der Show so viel alkoholfreie Getränke, Kinderpunsch, Bier vom Fass und Glühwein zu trinken, wie man mochte. Auch 2023 glänzte das illustre Line-Up wieder mit vielen großen Namen aus der Gothic- und Folk-Szene, die sich entweder wieder oder erstmalig im Herzen des Fredenbaumparks die Klinke in die Hand gegeben haben: Während unter anderem etwa „Mr. Hurley & Die Pulveraffen“, „dArtagnan“, „Faun“, „Völkerball“, „Feuerschwanz“, „Versengold“ und „In Extremo“ in verschiedenen Support-Konstellationen zurückkehrten, gastierten „ASP“ mit „Two Minds Collide“ und „Diary Of Dreams“, das traditionsreiche Festival „Eisheilige Nacht“ von und mit „Subway To Sally“ oder die Future-Pop-Legende „VNV Nation“ in Begleitung von „Versus Goliath“ und „Adam Is A Girl“ zum ersten Mal auf dem Markt in Dortmund…

Die Kontroverse:
Gisbert Hiller hatte laut eigener Aussage in 2022 alle Rechte für das Comeback des Lichterweihnachtsmarkts in Dortmund an die drei Gesellschafter der SKH Spectaculum GmbH für eine gute Beteiligung an den Umsätzen abgetreten. Nach dem ersten Jahr der gemeinsamen Durchführung kam es zwischen den Gesellschaftern von SKH und der Lichterloh GmBH jedoch scheinbar zu schwerwiegenden internen Streitigkeiten, sodass zunächst einer der Beteiligten erstgenannter Firma das Unternehmen verließ und an seiner Stelle jemand Neues einstieg. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Markt einzig durch die Lichterloh GmBH veranstaltet, welche fortan auch alle Gelder verwaltete. Hiller beklagte neben der seiner Meinung nach unprofessionellen, lieblosen Gestaltung des Events zudem die gestiegenen Eintrittspreise sowie um 30% gesunkene Besucherzahlen und warf den Verantwortlichen von Lichterloh vor, die Gesellschafter der SKH „zu reinen Befehlsempfängern“ degradiert zu haben. Ferner seien seine Anteile nur unter massivem Druck nachträglich ausgezahlt worden. Ferner versuchte sein Anwalt seit Sommer vergeblich, von der Lichterloh GmBH eine verbindliche Antwort zu erhalten, ob es auch 2024 wieder einen Lichterweihnachtsmarkt geben würde, erhielt jedoch nie eine Antwort auf seine Anfragen. Zu seiner Überraschung gab die im Juni neugegründete WinterLights Events GmbH und Co KG plötzlich bekannt, sie würde von Ende November 2024 bis Anfang Januar 2025 das sogenannte „WinterLights Festival“ im Fredenbaumpark Dortmund durchführen. Ihre Geschäftsführer seien dieselben, wie jene der Lichterloh GmBH. Unterdessen suchte die SKH bereits Händler für einen Weihnachtsmarkt bei Schloss Strünkede in Herne. Für ein Hiller ein besonderes Ärgernis, da der 2022 geschlossene Kooperations- und Unterstützungsvertrag noch vier Jahre laufen würde. Durch die Gründung und die Änderung des Veranstaltungsnamens seien er und die SKH demnach ohne vorherige Absprachen oder weiterführende Informationen vor vollendete Tatsachen gestellt, so Hiller via Social Media. Damit sei bei der geplanten Durchführung des überraschenden Quasi-Nachfolge-Events in 2024 keiner der ursprünglichen Ideengeber, Organisatoren und Veranstalter mehr an Bord… Natürlich fachte die - natürlich sehr subjektive - Offenlegung der Fakten in Form beinahe täglicher Posts seitens Hiller und die nahezu vollständige Verschwiegenheit der WinterLights-Veranstalter eifrige Diskussionen und wilde Gerüchte in den sozialen Netzwerken an. Klarheit über Schuld und Unschuld sollte es jedoch vorerst keine geben, nur so viel war bereits jetzt sicher: Einen Lichterweihnachtsmarkt, wie wir ihn bis dato kannten, wird es in absehbarer Zeit in Dortmund nicht mehr geben!
Als wäre das alles noch nicht genug, traten mit der Zeit dann noch mehr Probleme ans Tageslicht: So liegt die alleinige Schanklizenz für den Fredenbaumpark bei dem Inhaber einer dortigen Gaststätte, welcher den Veranstaltern der geplanten „WinterLights“ bereits im Sommer ein Angebot für die Zusammenarbeit vorgelegt, laut eigener Aussage aber keine Antwort von diesen bekommen habe. Da scheinbar „keine Einigung“ erzielt werden konnte, wie öffentlich für die Presse kommuniziert, bot die Stadt Dortmund kurzerhand den Revierpark Wischlingen als alternative Lokalität zum Fredenbaumpark an. Der Deal kam zustande und so war zumindest schon einmal ein neuer Standort gefunden, aber eben auch nur das… Der Vorverkauf für den ominösen Markt, einen speziellen Winter-Zirkus und die zahlreichen Konzerte lief zu diesem Zeitpunkt bereits seit Wochen auf Hochtouren. Zur großen Überraschung, aber nicht unbedingt Freude, der teils langjährigen Gäste wurde also urplötzlich Wischlingen als neue Heimat verkündet, welche bereits kurz zuvor im Internet als Ort für die Konzerte aufgetaucht war, was nur für noch mehr offene Fragen gesorgt hatte. Diese wurden täglich mehr und häuften sich in den digitalen Kommentarspalten der Veranstaltung. Nicht nur rein flächenmäßig sollten die „WinterLights“ der vollmundigen Ankündigung nach das „größte Weihnachtserlebnis-Event Deutschlands“ für jedes Alter werden und mit vielen unterschiedlichen Themenwelten locken. Absoluter Höhepunkt sei dabei wohl das ausgeklügelte Illuminationskonzept, welches unter anderem die sogenannte „Brücke des Lichts“, einen von schwimmenden Feuerschalen gesäumten See samt aufwändig beleuchteten Ufern und abendliche Feuer-Shows am „Flammen-Strand“ enthalte. Auf der „Wunschbaum-Insel“ sollen Besucher ihre Wünsche an der großen Pappel hinterlassen, rings um den See herum führe der „Drachen-Pfad“ mit speziell in Österreich für das Event angefertigten Figuren in märchenhafte Welten, während im „Mystischen Wald“ packende Licht-Installationen im Nebel und sphärische Klänge auf ihre Entdeckung warten. Um die alte Kapelle solle ein mittelalterlicher Markt mit rund fünfzig Ständen aus Gastronomie, Handwerk und Musik erbaut werden. Weiterhin würde das bestehende Angebot des Parks mit Eishalle, Streichelzoo, Disk- und Minigolf einbezogen, wie auf der relativ kurzfristig anberaumten Pressekonferenz im Oktober zu Protokoll gegeben wurde. Auch, wenn man eine Rückkehr in den Fredenbaumpark auf lange Sicht nicht komplett ausschließe, sei die vergleichsweise doppelte Fläche des Revierparks von rund vierzig Hektar, welche man komplett nutzen wolle, einzigartig, sodass man hier sogar von einem „Zuhause“ spricht. Man fühle sich sehr gut aufgehoben. Das „WinterLights Festival“ würde viele Menschen aus Dortmund und auch von außerhalb anziehen. Die schiere Vielfalt der verschiedenen Themenwelten würde es in dieser form deutschlandweit nämlich kein zweites Mal geben…
Große Pläne. Jene selbstbewussten Ambitionen sorgten auf Social Media jedenfalls für gehöriges Stirnrunzeln unter den verärgerten MPS-Fans, aber auch potentiellen Besuchern, deren Fragen weiterhin unbeantwortet blieben. Neben schlechter bis kaum vorhandener Kommunikation auf Facebook und Co. wurden zudem immer mehr Stimmen laut, dass kritische Kommentare einfach gelöscht und höchstens oberflächlich ausweichend auf die vielen Anliegen reagiert würde. Und diese waren gar nicht mal so unwichtig: Neben der zigfach gestellten Frage, welche Händler denn nun auf dem Event anwesend seien, machten sich viele Gäste auch Sorgen um die Anreise, die sich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gar nicht so unkompliziert gestaltete, wie von den Veranstaltern dargestellt. Zu weit seien die Weg, zu wenig und selten würden die Busse und Bahnen in Umnähe verkehren, um insbesondere zu später Stunde einen sicheren Transfer der vermuteten Menschenmassen zu gewährleisten. Ebenfalls gebe es nicht ausreichend Parkplätze und Auskünfte über extra angemietete Flächen für die Stellplätze der Besucher blieben aus, von einem Sicherheitskonzept ganz zu schweigen. Wie Schaulustige aus der Umgebung berichteten, sei weder in der Nähe der Parks noch irgendwo sonst Werbung oder irgendein Hinweis auf den Markt zu finden. Auch von einem Aufbau, der ob des gigantischen Vorhabens wohl sicher einige Zeit in Anspruch nehmen würde, war nur wenige Wochen vor Start weit und breit nichts zu sehen. Manch ein Kritiker witterte gar Betrug und gab zu Bedenken, dass man als Ticketkäufer mitunter sein Geld nicht mehr oder zumindest nur anteilig wiedersehen könnte. Nun, ganz so schlimm kam es dann doch nicht, dafür aber, wie es kommen musste. Es sei denn, über Nacht wären plötzlich Heerscharen von Arbeitern mit tonnenweise Material angerückt, um über Nacht ein zauberhaftes Winterwunderland in Wischlingen zu zaubern. Kleiner Spoiler: Sie sind nicht angerückt. Und es gab auch kein Winterwunderland. Nicht einmal annähernd. Stattdessen gaben die Veranstalter in einer Pressemeldung am 04.11.2025 bekannt, dass es ihnen aus „verschiedensten Gründen“ nicht gelungen sei, das zuvor angekündigte Konzept so umzusetzen, wie sie es gerne getan hätten. Der „Spagat zwischen der Kurzfristigkeit der Genehmigung sowie der Wirtschaftlichkeit als auch der Anzahl der verfügbaren Händler“ wäre gescheitert. Doch damit nicht genug, denn weiter wurden Vorwürfe gegen Dritte, hier als „andere Veranstalter“ genannt, erhoben. Von Einschüchterungen war die Rede, wegen der viele Händler trotz jahrelanger Präsenz in Dortmund bei den „WinterLights“ anscheinend nicht zusagen wollten. Die „Kurzfristigkeit der Genehmigungslage, resultierend aus der horrenden Forderung des Gastronomen vom Fredenbaumpark mit dem daraus folgenden Umzug in den Revierpark Wischlingen, die unverhältnismäßig hohe Kosten nach sich ziehen würde, war ebenso ein K.-o.-Kriterium…“, lautet die Begründung der unglücklichen Verkettung von diversen Widrigkeiten. Also: Doch kein spektakulärer Markt. Und kein Zirkus. Und keine Illumination. Die lange Serie an Konzerten soll aber trotzdem wie ursprünglich geplant stattfinden. Bereits gekaufte Tickets könnten jedoch rückerstattet werden.

Einleitung:
Wir schreiben den 28.11.2024, ein nasskalter Donnerstagabend. Und wie sehr viele Berufstätige wissen, sind Konzerte unter der Woche zeit- und energietechnisch ja immer so eine Sache. Insbesondere dann, wenn man am Folgetag keinen Urlaub zum Regenerieren hat, sie nicht luxuriöserweise in der eigenen Stadt stattfinden und man somit erst noch eine ganze Weile hin- und natürlich auch wieder zurückfahren muss. Noch spannender wird das ganze Unterfangen, wenn die Veranstalter meinen, sie täten ihren Gästen etwas Gutes, indem sie die Shows zur besten Tanztee-Zeit beginnen und folglich arbeitnehmerfreundlich früh enden lassen. Der Einlass wurde heute allen Ernstes für 16.30 Uhr anberaumt, der erste Support-Act, „Versus Goliath“, soll schon um 17.45 Uhr auf der Bühne stehen. Fraglich, wie viele Besucher das pünktlich schaffen sollen. Wir jedenfalls nicht. Nein, wir kurven stattdessen gegen 18.30 Uhr auf der Suche nach einem Parkplatz um den stockfinsteren Revierpark Wischlingen und in den umliegenden Straßen herum. Ausgeschildert oder beleuchtet ist hier nämlich rein gar nichts und einen minimalen Hinweis auf das Event gibt es ebenfalls nirgendwo. Wüsste man es nicht besser, so würde man nie im Leben auf die Idee kommen, dass hier überhaupt irgendwo etwas stattfindet. Generell ist die Parkplatzsituation absolut unklar: Wo darf man eigentlich stehen und was ist Privatgelände? Wo ist eine Gebühr fällig und wo nicht? Wo wird eventuell später noch eine Schranke runtergemacht und wo läuft man Gefahr, plötzlich abgeschleppt zu werden, während man gerade unwissend seinen Lieblingsbands applaudiert? Wohl dem, der die Facebook-Seite des Revierparks gut im Auge behalten hat, der eine Woche nach Beginn der WinterLights erst ausdrücklich darauf hinwies, dass die Parkplätze vor der Eishalle ausschließlich für Gäste ebendieser reserviert seien und später dann, dass für Konzertgäste eine Gebühr erhoben werde. Wer diese nicht zahlt, riskiert ein Bußgeld. Da für Ortsunkundige aber nicht klar ist, wie viele freie Plätze dort überhaupt zur Verfügung stehen oder wie stark der Andrang generell sein würde und von Seiten des Veranstalters weder im Vorfeld noch mit Beginn auf die dutzendfach gestellte Frage nach geeigneten Stellplätzen eingegangen worden ist, sind die Anreisenden also auf sich allein gestellt. Nachdem wir erst im festen Glauben waren, endlich einen offiziellen Parkplatz gefunden zu haben, der aber scheinbar ausschließlich für Camper mit einer entsprechenden Zugangskarte gedacht ist, kommen wir schließlich auf dem recht leeren Hof eines nahen Friedhofs zum Stehen. Immerhin ist nirgendwo ein Hinweis darauf zu sehen, hier um diese Zeit nicht mehr parken zu dürfen und auch kein Tor, das während unserer Abwesenheit geschlossen werden könnte. Wird schon gut gehen. Ohne wirklich Orientierung tapsen wir den nächstbesten Pfad in den maximal finsteren Revierpark entlang. Und weiterhin: Keine Hinweise. Keine Laternen. Nichts. Nur Pfützen und schlammiger Boden.
In der Ferne sehen wir endlich ein großes Zelt mit ein paar daran montierten Lichterketten. Das muss es sein! Wenige Minuten später stehen wir dann auf einem kleinen, schmucklosen Schotterplatz mit je einem Toilettenwagen für Männer und Frauen sowie vier Ständen, an denen es unter anderem Crêpes, gebratene Nudeln oder Gegrilltes zu den üblichen Kirmes- und Weihnachtsmarktpreisen gibt. Wirft man einen Blick auf die einheitliche Arbeitskleidung an allen Buden, lässt das schnell darauf schließen, dass hier genau ein einziger Betreiber angefragt worden ist. Die Getränke sind wiederum nur an den zwei Theken im Zelt selbst verfügbar, was wahrscheinlich mit der Schanklizenz zusammenhängt. Ansonsten gibt es hier keinerlei Deko oder minimale Aufenthaltsqualität in Form von einem Zeltdach als Regenschutz oder Bierbänken. Alles ist auf das Notwendigste reduziert worden, obwohl hier mit recht wenigen Mitteln sicher mehr drin gewesen wäre. Man kommt sich ein bisschen wie auf einer Baustelle vor. Was ebenfalls sauer aufstößt, von offizieller Seite aber auch nicht weiter behandelt wurde: Im Ticketpreis für die Konzerte, die allesamt im Bereich von knapp sechzig Euro und damit eher im gehobenen Segment rangieren, ist automatisch immer der Eintritt für den Lichtermarkt in Höhe von stolzen fünfzehn Euro inbegriffen, welchen es ja jetzt schlicht nicht mehr gibt. Einen nachträglichen Rabatt auf bereits gekaufte Karten gibt es aber ebenso wenig, wie einen Verzehrgutschein als Entschädigung, um die inkludierte und praktisch umsonst bezahlte Markt-Gebühr wieder auszugleichen. Selbst nach Absage des geplanten Rahmenprogramms blieb der Preis für die Konzerte weiterhin fix. Nicht unbedingt kundenfreundlich. Das große Zelt wird wieder über eine schließbare Doppeltür betreten, die in einen Vorbau führt, wodurch die Wärme der Heizanlage weitestgehend erhalten bleibt. Hier werden nun auch die Taschen und Tickets kontrolliert, anschließend gibt es einen Stempel auf den Handrücken, wodurch man das Zelt jederzeit leicht verlassen und wiederbetreten kann. Innen gibt es eine lange Theke zur linken und rechten Seite, an denen neben Wasser und Softdrinks auch Bier, Glühwein und Met gekauft werden können. Das Personal dort ist wirklich sehr freundlich und recht zügig, allerdings ist aufgrund des geradezu erschreckend niedrigen Besucheraufkommens nur ein Ausschank geöffnet, was auch völlig ausreichend scheint. Das Merch der jeweiligen Bands befindet sich hingegen weiter hinten nahe der VIP-Tribüne, eine Garderobe oder mehr Stehtische und Stühle für gehandicapte oder ältere Gäste gibt es wie schon im Vorjahr leider nicht. Im Prinzip ist also alles beim Alten geblieben: Dasselbe Zelt, dieselbe Ausstattung. War das Zelt schon bei den Konzerten in 2023 eher halb gefüllt, so wird einem dessen Kapazität für bis zu 3.500 Besucher erst jetzt so richtig bewusst: Es sind gerade einmal ein paar hundert Fans anwesend. Und es werden auch nicht mehr viel mehr. Würde ein Zelt hallen, so könnte man sicher sein eigenes Echo hören. Es ist extrem weitläufig und leer. Denkt man da an die nahezu ausverkauften „Eisbrecher“-Shows in Oberhausen und Bochum in den Vorjahren zurück, kann man gar nicht glauben, dass hier heute dieselbe Band gastiert. Dabei sind die intimen Club-Show-Zeiten der Münchner spätestens seit „Die Hölle Muss Warten“ vorbei… Im wahrsten Sinne des Wortes verrückt! Schaut man sich die Fotos und Videos von bisherigen Veranstaltungen und auch den Konzerten nach dem heutigen an, wird schnell deutlich, dass sich die Besucherdichte an nahezu allen Tagen mit leichten Ausreißern ähnelt. Egal, welche Zugkraft die entsprechenden Acts üblicherweise sonst üblicherweise haben. Es liegt also weder an den hochkarätigen Bands, noch daran, dass dieser Abend auf einen Donnerstag fällt. Ob der Preis, die mangelnde Werbung und Kommunikation, der fehlende Markt oder Veranstalter-Zwist die Gäste verunsichert und somit vom Kauf abgehalten hat, bleibt fraglich. Am Ende ist es wahrscheinlich eine Kombination aus allem. Wie man es auch dreht und wendet: Die Shows können sich eigentlich nicht rentieren und es würde nicht verwundern, wenn dies die erste und gleichzeitig letzte Ausgabe der WinterLights ist…

Versus Goliath:
Die junge Band „Versus Goliath“ gründete sich 2019 in München und besteht aus Schlagzeuger Jonas Keller-May, Gitarrist Andreas Zöller und Sänger Florian Mäteling. Die drei Süddeutschen beschreiben ihre Musik als einen düsteren Mix aus Rock, Metal und Einflüssen des Rap, die Texte schlagen dabei nicht selten einen sozialkritischen Ton an und spiegeln die Abgründe der heutigen Gesellschaft. Oder: „Versöhnlich, hoffnungsvoll, das alles ist „Versus Goliath“ nicht, aber es ist ein ansteckender, wunderbar abgefuckter Soundtrack für den nächtlichen Spaziergang in der kalten Stahlbetonwüste, die geballte Faust in der Tasche“, wie die Band ihren Sound selbst beschreibt. Als Debüt machte man mit der Single „Friss Oder Stirb“ erstmals von sich Hören, die sich überraschend an die vordere Spitze der Deutschen Alternative Charts setzen konnte. Kurz darauf folgte die zugehörige und mit sechs Liedern bestückte EP „Der Sechste Tag“ sowie mit „Lüg Mich An“ und „Verloren Kaputt“ zwei weitere Singles. Nur ein Jahr später war das Trio dann mit zwei exklusiven Remixen auf der „FAKK“-Single zum kommenden Album der NDH-Größe „Eisbrecher“ vertreten, im nahtlosen Anschluss daran folgte bereits die zweite EP „Der Weg Nach Unten“, die abermals sechs neue Songs für die allmählich heranwachsende Fangemeinde bereithielt, und die beiden Standalone-Tracks „Virus“ und „Wie Viel“. Alle Fäden liefen schließlich am 12.08.2022 auf „Liebe & Chaos“, dem Erstling in voller Spiellänge, zusammen. Im Frühjahr und Sommer diesen Jahres wurde abermals mit zwei weiteren Singles, nämlich „Maschine“ und „Monster“ nachgelegt. Natürlich gab es „VG“, so die markante Abkürzung auf den minimalistisch-schicken Merch-Artikeln der Band, bislang auch live zu sehen… Und das nicht wenig: Da während der Pandemie keine klassischen Gigs vor Publikum umgesetzt werden konnten, gaben die drei Musiker zwei sogenannte „Geister-Shows“ auf YouTube für die heimischen Wohnzimmer und Anlagen, bis im Juni 2021 unter geltenden Hygieneauflagen endlich die insgesamt drei mal verschobene Show mit den zwei weiteren Acts „Kann Tod Frieden Bringen“ und „Kalaska“ im Backstage München stattfinden konnte. Es folgten Auftritte auf dem zweitägigen „The Festival Experience“ in Bonn und bei der Tribute-Club-Show des Autumn Moon Festivals Hameln, doch die für 2022 mit vier Terminen in München, Berlin, Hamburg und Köln eigens anberaumte Headliner-Tournee musste, wie so viele Konzertreisen ihrer Zeit, aufgrund mangelnder Vorverkäufe und einem nicht verkraftbaren, finanziellen Risiko leider ersatzlos abgesagt werden. Doch 2023 wendete sich das Blatt zum Guten: So gastierte man im Sommer zusammen mit „End Of Green“ und „Diary Of Dreams“ auf dem „Maschinengipfel“-Festival von „Heldmaschine“ auf Festung Ehrenbreitstein in Koblenz und sogar der Mainstage des M‘era Luna Festivals in Hildesheim! Gemeinsam mit „Wisborg“ und „Lacrimas Profundere“ lockte das Backstage München zum Gratis-Event „Free & Easy“, im Herbst ging es mit den Heldmaschinisten dann auf den ersten Teil ihrer „Flächenbrand“-Tour. Im Januar 2024 waren die drei Münchner dann als Support auf den insgesamt vier Nachholterminen der unterbrochenen Tour von „Universum25“ zu sehen, im Laufe des kommenden Jahres wartet dann neue Musik auf die Fans. Wie es der Bandname schon prophezeit: Ein harter Kampf gegen so manche Widrigkeit also, der sich am Ende sichtlich gelohnt hat!

Heldmaschine:
Um 19.00 Uhr ist es dann an der Zeit für die „Heldmaschine“, welche heute Abend nicht nur den Slot des zweiten Support-Acts ausfüllt, sondern überdies auch die gesamte Europa-Tournee von „Eisbrecher“ im kommenden Jahr als Anheizer begleiten wird. Na, wenn das mal keine vielversprechende Kombi ist! Wie auch nicht anders zu erwarten, hat die sympathische Band, die sich nunmehr tatsächlich schon im dreizehnten Jahr ihres Bestehens befindet, eine ganze Menge eigener Fans mitgebracht. Kein Wunder, zählt sie doch mittlerweile zu den etabliertesten Vertretern des Genres und hat sich ihren guten Ruf durch viele starke Songs und nicht zuletzt energiegeladene Shows redlich verdient. Viele Besucher tragen das Merch des Quintetts aus Koblenz, stöbern sichtlich interessiert am Stand nach Artikeln und haben sich natürlich überpünktlich vor der Bühne versammelt, um ganz nah live dabei zu sein. Draußen vor dem Zelt tummelt sich so gut wie niemand mehr, alles wartet gespannt. Umso herzlicher ist das Willkommen dann, als schließlich Schlagzeuger Dirk Oechsle, Bassist Marco Schulte, die beiden Gitarristen Eugen Leonhardt und Tobias Kaiser sowie Sänger René Anlauff zum äußerst atmosphärischen Intro der erst kürzlich vergangenen Headliner-Tour, welche die Maschine aufgeteilt in einen Frühjahr- und Herbst-Part durch insgesamt fünfundzwanzig deutsche Städte führte, in lange Kapuzenmäntel und Masken gekleidet, die Bühne entern. Auf den stimmungsvoll rockenden Opener, der Titeltrack des aktuellen Werks namens „Flächenbrand“, folgt dann auch sogleich das extrem beliebte „Luxus“ vom diskographischen Vorgänger „Im Fadenkreuz“, das gewohnt zynisch Gier und Überfluss aufs Korn nimmt. Mit der melancholischen Halb-Ballade „Kein Zurück“ geht es nahtlos weiter, bis das epische Riff-Monster „Die Bestie“ zuschlägt und Dortmund heimsucht. Der energiegeladene Track stammt ebenfalls vom aktuellen Release, hat insbesondere live mächtig Dampf unter der Haube und schraubt das Tempo im unablässig peitschenden Rhythmus geradezu beängstigend hoch. „Wie der ein oder andere vielleicht weiß, habe ich ja kürzlich in einem Film mitgespielt…“, erzählt der Sänger und manch ein Fan jubelt bejahend. Dazu gibt es jetzt natürlich den passenden Song auf die Ohren: „Karl Denke“, der zum offiziellen Soundtrack des gleichnamigen Films von Heintje Peter gehört und dabei die Geschichte von einem der berüchtigtsten deutschen Serienmörder erzählt. „Mahlzeit!“, lächelt Anlauff verschmitzt und ohne viel Zeit zu verlieren folgt direkt ein weiterer brandneuer Track, nämlich das herrlich sarkastische „Übermensch“ - Macht Laune! „Habe ich eigentlich schon mal erzählt, dass wir nächstes Jahr mit „Eisbrecher“ auf Tour gehen? Wir freuen uns tierisch, vielleicht sehen wir uns ja dann wieder?“, fragt der Frontmann werbewirksam und kann sich gemessen am anschließenden Zuspruch sicher sein, in ein paar Monaten viele Besucher vor der Bühne wiederzufinden. Mit dem Titeltrack des 2016 erschienenen Albums, „Himmelskörper“, wird das Set ob des straffen Zeitplans alsbald schnell fortgesetzt, passend zu den Zeilen des Refrains schwenken nun einige Fans große Fahnen mit dem Band-Logo darauf. „Dankeschön, Dortmund! Danke für diese fantastische Zeit mit euch! Wem ist noch kalt?“, erkundigt sich Anlauff grinsend und hat sofort die zündende Idee für aufwärmende Abhilfe: „Springt!“. Das gut gemeinte Vorhaben gestaltet sich in winterlicher Garderobe zwar ein bisschen schwierig, aber rhythmisch auf der Stelle hüpfen ist zumindest drin und siehe da: Es klappt! „So, wir sind fast am Ende angekommen. So schnell geht das, ja! Wir brauchen jetzt nochmal alles, was irgendwie leuchtet… Handy, Feuerzeuge… Wenn der Arsch leuchtet, auch den. Aber erst im Refrain, okay?“, bittet der Sänger die Fans um ein paar Lichtquellen gegen den starren „Tunnelblick“. Dann ist es leider auch schon an der Zeit für das Finale: „Wir wünschen euch gleich ganz viel Spaß mit „Eisbrecher“… Wer sieht uns heute zum ersten Mal? Wir müssen euch nämlich noch erklären, warum wir das R rollen. Wir verabschieden uns, aber wir sehen uns bald wieder!“, heißt es dann zum Schluss und alle machen zur spaßig-selbstironischen Hymne „®“ nochmal ordentlich mit. Es wird geklatscht, getanzt und natürlich lauthals gesungen. Viel zu schnell ist die Zeit vergangen, in der manch einer sicher fast vergessen haben dürfte, dass es sich lediglich um einen Support-Slot gehandelt hat. „Vielen Dank, das war die „Heldmaschine“ für euch!“, verabschiedet sich die Band beim Publikum, mit welchem jetzt noch das obligatorische Abschluss-Foto gemacht wird. Mission geglückt: Dortmund ist aufgetaut!

Eisbrecher:
Nach einem relativ kurzen Changeover von weniger als einer halben Stunde wird die Szenerie in eisig blaues Licht getaucht. Vereinzelt brandet vorfreudiger Jubel auf, ab und an ist nochmal kurz ein Crew-Mitglied irgendwo zu sehen, ansonsten bleibt es still. Sanft wabert jetzt Nebel zwischen umher, doch noch müssen sich die Fans wenige Minuten bis zum endgültigen Beginn gedulden. Das Bühnenbild ähnelt im weitesten Sinne dem der vergangenen Headliner-Tournee zum Studioalbum „Liebe Macht Monster“: Das Zentrum bestimmt ein halbhoher Aufbau mit quadratisch angeordneten, hellgrauen Gitterverschlägen samt einiger daran befestigter LED-Bars, deren Anzahl und Position im direkten Vergleich zu den Konzerten in 2023 nun jedoch etwas aufgestockt und variiert wurde. In der Mitte thront äußerst präsent das von langen Metallrohren eingerahmte Drum Kit, zu dessen Seiten jeweils ein von Moving Heads gesäumtes Podest ausgeht. Davor befindet sich eine kleinere Abstufung mit zwei niedrigen Treppenaufgängen, während den Hintergrund ein großes Backdrop bestimmt, von welchem aus eine mysteriöse, nicht näher undefinierbare Gestalt mit weitem Fellkragen und Gasmaske dem gespannten Publikum aus schwarzen Höhlen entgegenblickt. Auf ihrem Haupt eine Kopfbedeckung mit dem vom Artwork des noch immer aktuellen Langspielers bekannten Logo und darüber eine hochgeschobene Schneebrille. Im direkten Vergleich zu vorherigen Konzertreisen wirkt das alles zugegebenermaßen eher minimalistisch und vermutlich beabsichtigt klinisch-kühl, bietet den Akteuren und natürlich auch der Lightshow aber viele freie Möglichkeiten der Inszenierung. Etwa gegen 20.15 Uhr ist es dann endlich an der Zeit für „Eisbrecher“! Während jetzt elektronische Sounds nervös aus den Boxen flimmern, betritt die Band aus Schlagzeuger Achim Färber, Bassist Rupert Keplinger sowie den beiden Gitarristen Jürgen Plangger und Neuzugang Marc „Micki“ Richter, der Gründungsmitglied Jochen „Noel Pix“ Seibert ablöst, unter viel Applaus kurz nacheinander die Bretter. Nur wenige Sekunden später folgt ihnen allen Sänger Alexander „Alexx“ Wesselsky direkt nach, was den ohnehin schon freudigen Jubel weiter in die Höhe schraubt. In solchen Momenten, von denen es an diesem Abend noch mehrere geben wird, könnte man fast meinen, es wären gleich mehrere tausend Fans im Revierpark anwesend und nicht nur wenige hundert… Die meisten treuen Anhänger dürften es anhand der Intro-Melodie schon erkannt haben: Los geht’s mit einem schon länger nicht mehr live gespielten Song, „Zwischen Uns“, der ersten Vorab-Single des 2015 veröffentlichten Albums „Schock“, woraufhin man ohne jede Atempause einen weiten Bogen zu den eigenen Anfängen schlägt und mit „Willkommen Im Nichts“ einen alten wie sehr beliebten Klassiker des selbstbetitelten Debüts aus den Archiven hebt. „Hallo?“, flüstert der Frontmann und spitzt seine Ohren. „Ich glaube, ich muss meine Mütze mal abnehmen… Ich höre ja gar nichts! Wo sind wir denn hier?“, fragt er scherzhaft zur Begrüßung und schon schallt natürlich die Antwort aus dem Publikum zurück. Anscheinend noch etwas zu verhalten. „So klingt also Dortmund 2024? Hallo!?“, erkundigt sich Wesselsky daher nochmals anstachelnd und schon wird es lauter. „Ah, jetzt aber! Ich habe vorhin schon die erste Reihe begrüßen dürfen. Da vorne ein Leuchtturm von 2,10m!“, lacht er und deutet auf einen groß gewachsenen, begeistert grölenden Mann, der sich sichtlich über die Erwähnung freut. „Naja, wir sind heute zwar nicht die meisten, aber wie viele Leute ist ja auch egal. Lasst uns einen schönen Abend haben!“, zeigt sich Wesselsky trotz des fast schon erschreckend niedrigen Besucheraufkommens gewohnt optimistisch und weiter geht es mit dem furiosen Doppel aus „So Oder So“ und der indirekten Band-Hymne „Volle Kraft Voraus“ vom Album „Schock“ aus dem Jahr 2015. „Ich nehme die Brille jetzt mal ab… Gleitsicht. Mit Weitsicht kann ich nicht dienen. Seid ihr noch da? Sehr gut! Wir haben das mit der Sicht lösen können…“, lächelt der Sänger und animiert das Publikum anschließend dazu, das Klima zu retten, indem es zu Beginn des nächsten Songs rhythmisch wippende Handbewegungen ausführt, um das Energieproblem zu lösen. „Habeck, schau jetzt genau zu!“, feixt Wesselsky. Alle Hände in der Luft, gibt es nun „FAKK“ vom aktuellen Longplayer auf die Ohren. Die wuchtig bretternde Nummer macht insbesondere live gar mächtig Laune, sodass nur zu hoffen bleibt, dass diese auch in den künftigen Setlisten ihren wohlverdienten Platz findet.

„Sehr schön, das kam hier oben an! Ich bin mir sehr sicher, die Zukunft ist gesichert. Alles beginnt irgendwie in Dortmund…“, spaßt der Frontmann. Es folgt die metallisch walzende an die Imperfektion: „Fehler Machen Leute“ und natürlich wird insbesondere ganz vorne fleißig das Haupthaar geschüttelt. Der Sound ist trotz oder wegen des ziemlich leeren Zelts extrem druckvoll und trotzdem klar - Das macht Laune! „Fehler macht der Rupert! Sehr schön, ich empfehle eine Karriere als Rockstar. Ich bringe dich groß raus!“, scherzt er gewohnt sarkastisch mit seinen Kollegen. Generell ist die Stimmung sowohl vor als auch auf der Bühne für einen Donnerstag wirklich ausgelassen und erstaunlich gut. Vom ganzen Hin und Her mit dem unschönen Split der beiden zerklüfteten Veranstalter-Fronten merkt man hier auf beiden Seiten ebenso wenig, wie das geringe Besucheraufkommen. Stünden wir alle nicht in einem für mehrere tausend Gäste kalkulierten Zelt, könnte man rein atmosphärisch wohl von einem intimen Club-Gig sprechen, wobei es der Band bei allen Kosten wirklich hoch anzurechnen ist, dass die heutige Show trotz der offensichtlich alarmierend niedrigen Ticketverkäufe nicht abgesagt hat und stattdessen so energetisch und motiviert aufspielt, wie sonst auch. Das nenne ich mal Wertschätzung und Professionalität! Die melancholisch rockende Power-Ballade „Augen Unter Null“ von „Die Hölle Muss Warten“ aus 2012 kühlt die Gemüter anschließend mit einem ruhigeren Touch gekonnt etwas herunter, denn schon mit „Dagegen“ wird danach wieder voll aufgedreht. Auf der dank Pandemie gleich mehrmals verschobenen, doch 2023 endlich durchgeführten Tour zum Album selbst wurde der wütend prügelnde Up-Tempo, welcher dort übrigens als Feature mit Ex-„OOMPH!“-Sänger Dero Goi enthalten ist, interessanterweise nicht zum Besten gegeben, was heuer also einer unerwarteten, kleinen Überraschung im Set gleichkommt. Das etwas uninspiriert polternde NDH-Formel-Paradebeispiel „Frommer Mann“ fällt dafür ebenso aus diesem weg, wie leider auch „Nein Danke“. Geblieben ist dafür wiederum die zweite Single der „Liebe Macht Monster“-Ära, „Im Guten Im Bösen“, ein sehr eingängiges, pop-rockiges Stück der Marke „1000 Narben“. Anschließend geht Dortmund dann auf große „Sturmfahrt“, während ich mit Getränkenachschub in den Händen an meinen Platz zurückkehre, was ob der sehr lichten Reihen super schnell geht, niemanden in seinem Konzertgenuss stört und damit alles andere als kompliziert ist.

„Sehr verehrte Damen und Herren, Mister Alexx Wesselsky!“, stellt Jürgen Plangger, der mittlerweile zur Akustikgitarre gewechselt und auf einem Hocker Platz genommen hat, seinen Bandkollegen feixend vor. „Hallo, Dortmund. Alright!“, lacht dieser und schnallt sich ebenfalls ein Saiteninstrument um. „Falls es wem schon aufgefallen ist: Wir haben vor kurzem eine neue Single rausgebracht… Einen Schlager! „Tränen Lügen Nicht“, heißt der Song. Wir haben den zwar nicht gemacht, aber lange Zeit gespielt. Seit zwanzig Jahren gefühlt, oder? Dann lange nicht mehr, dann wieder… Jedenfalls ist das gar nicht von uns, sondern von Michael Holm. Meiner Mutter hat der Song gut gefallen… Ja, sie hat’s nicht leicht mit uns!“, grinst der Sänger. „Wer ist heute eigentlich aus Dortmund? Und wer nicht? Hm, ich glaube, es wurde gar nicht kommuniziert, dass wir zu euch kommen!“, erkundigt er sich beim Publikum und kann sich einen scherzhaften Seitenhieb hinsichtlich der Verkaufszahlen nicht verkneifen. „Naja, egal. Herzlich Willkommen auch an alle anderen aus der Ferne… Schaut euch an, einfach der Wahnsinn!“, lobt er die anwesenden Fans und lässt keinen Zweifel daran, dass die Band trotzdem ihre helle Freude an dem Auftritt hat. Es folgt nun also „Tränen Lügen Nicht“, dargeboten vom Akustik-Duo „Jürgen & Ich“, wie Plangger und Wesselsky ihre legendären Intermezzi inmitten eines Sets so schön selbstironisch getauft haben. Obwohl hier sicher niemand ernsthaft gerne Schlager hört, können verdächtig viele Gäste den Text und singen diesen lauthals mit. Ein Echo aus der nicht mehr allzu fernen Zukunft: Die spaßige Nummer sollte aufgrund ihrer langen Tradition ursprünglich schon auf dem Cover-Album„Schicksalsmelodien“ aus 2020 enthalten sein und wird sich nun stattdessen im März 2025 als eine Art kleiner Bonus auf dem kommenden Werk „Kaltfront“ befinden. Echo Ende. Bevor es jedoch zu heimelig-schunkelig wird, grätscht jetzt ein weiterer Klassiker aus eisiger Vorzeit in die Idylle: „Schwarze Witwe“. Fleißig mitgesungen werden darf und wird natürlich trotzdem! Danach verlässt die Band plötzlich für einige Zeit die Szenerie und es wird kurz dunkel. Ist es etwa schon an der Zeit für eine Zugabe? Doch noch ehe die ersten Zurufe aus dem Publikum laut werden können, wird über die Boxen ein mechanisches Dröhnen ausgesendet, das in Mark und Bein fährt. Stille. Und dann wieder. Und wieder. Ein eiskalter Sturm zieht auditiv auf und verströmt frostiges Flair, während die Bühne alsbald in tiefblaues Licht eingetaucht wird und langsam zarte Schneeflocken von oben auf die Köpfe der Fans herabfallen. Erst sind es nur wenige, doch schließlich immer mehr, bis die klare Sicht auf das Geschehen schwerfällt. Als Erster kehrt Alexander Wesselsky sichtlich fröstelnd zurück: Er trägt jetzt einen langen Mantel und auf dem Kopf eine sogenannte „Ushanka“, eine weiße Fellmütze. In seinen Händen hält er zwei Eispickel, mit welchen er bald beginnt, rhythmisch den einsetzenden Takt zu schlagen. Unterdessen kehren auch die übrigen Mitglieder zurück und alle wissen spätestens jetzt: Die „Eiszeit“ bricht an! Anschließend bittet Wesselsky um Beifall für alle, die sonst noch involviert sind: „Wir haben wirklich eine ganz fantastische Crew, die freuen sich immer über einen Applaus… Danke auch an die Jungs in den gelben Westen und alle anderen, dank denen wir hier heute einen schönen gemeinsamen Abend verbringen dürfen!“ - Eine tolle Geste!

„1000 Narben“ schließt sich an, dann darf zu „Himmel, Arsch Und Zwirn“ zusammen kräftig geflucht werden. „Am Ende kommt’s eh raus… Wir sind aus Bayern!“, witzelt der Fronter entschuldigend und berichtet anschließend vom „seltsamen Minister“: „Wir können aber versichern, er wird niemals Kanzler… Nie wird ein Bayer das! Gut, aber die Alternativen sind auch scheiße. Die können nachdenken, wie sie das Land weiter an die Wand fahren. Naja, positiv bleiben!“, muntert er auf und was könnte vor diesem Hintergrund thematisch besser als „This Is Deutsch“ passen? Der zynische Szene-Hit ist seit seiner Veröffentlichung auf „Sünde“ im Jahr 2008 fester Bestandteil der Setlisten und zugleich wohl eines der absoluten Highlights. Nicht zuletzt auch wegen der obligatorischen, meterhohen CO2-Fontänen, welche im Refrain immerzu nach oben schießen. Gleiches gilt für die Hymne aller positiv Wahnsinnigen, zu denen sich an diesem Abend sicher alle gerne dazuzählen: „Verrückt“! „Auf euer Wohl!“, erhebt Wesselsky seinen Becher auf das Dortmunder Publikum, welches daraufhin nur zu gerne zurück postet, bevor sich alle „Was Ist Hier Los?“ fragen. Gegen Ende fährt die Band also nochmals die richtig schweren Riff-Geschütze auf und packt einen eiskalten Hit nach dem anderen aus dem Köcher aus. „So, kein langes Gequatsche: Ihr kennt‘s alle. Es ist alt, es ist wahr. Ein Leben ohne Miststücke ist denkbar, aber sinnlos!“, lächelt der Sänger verschmitzt. Ganz klar, der Klassiker aus seligen „Megaherz“-Zeiten Ende der Neunzigerjahre darf im Set natürlich auf gar keinen Fall fehlen und wird, damals wie heute, frenetisch gefeiert, vor allem aber kräftig mitgesungen. Noch ehe man sich versieht, verschwindet Alexander Wesselsky plötzlich von der Bühne, nur um wenig später dann plötzlich inmitten des Publikums wieder aufzutauchen, um in alter Tradition nach stimmgewaltigen Fans Ausschau zu halten. Dank der lichten Reihen im weitläufigen Zelt stellt sein kleiner Ausflug auch als völlig unproblematisch heraus und so läuft er mit dem Mikrofon im Anschlag zwischen den Besuchern umher und bekommt hier und da ein lautes „… ein Stück Mist!“ entgegengebrüllt. Wie immer ein großer Spaß für alle! Wie schon bei der vergangenen Headliner-Tour, zu deren Zyklus die aktuellen Shows durchaus noch gezählt werden können, bildet das sehr gelungene „Falco“-Cover „Out Of The Dark“ vom 2020 erschienenen Tribute-Album „Schicksalsmelodien“ den Abschluss und beschwört wohlige Gänsehaut herauf, bevor die Show nach anderthalb Stunden pünktlich gegen 22.00 Uhr ihr Ende findet. Wie üblich, versammelt sich die Band zur Verabschiedung am vorderen Bühnenrand, wo jedes Mitglied einen kleinen Plüsch-Eisbären ins Publikum wirft und die Fans daraufhin bestens gelaunt in die kühle Nacht entlässt. Dass „Eisbrecher“ und ihre Fans sich im im folgenden Jahr auf der großen Tournee zum am 14.03.2025 kommenden Studioalbum „Kaltfront“ wiedersehen werden, steht natürlich völlig außer Frage… In diesem Sinne: Auf kalt!

Setlist:
01. Intro
02. Zwischen Uns
03. Willkommen Im Nichts
04. So Oder So
05. Volle Kraft Voraus
06. FAKK
07. Fehler Machen Leute
08. Augen Unter Null
09. Dagegen
Im Guten Im Bösen
Sturmfahrt
Tränen Lügen Nicht
Schwarze Witwe
Eiszeit
1000 Narben
Himmel, Arsch Und Zwirn
This Is Deutsch
Verrückt
Was Ist Hier Los?
Miststück
Out Of The Dark Impressionen:
Wolfgang Hesse - Rezianer.de