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  • AutorenbildChristoph Lorenz

VNV Nation - Interview (2017)


Wir schreiben Samstag, den 16.12.2017. Es ist also Mitte Dezember und das jährliche Weihnachtsfest steht somit unmittelbar vor der Tür. Das macht sich nicht allein nur durch die ziemlich winterlichen Temperaturen vor ebendieser oder dem sichtlich gehetzten Trubel in den Straßen und Städten bemerkbar, sondern vor allem auch durch dieses ganz spezielle, innere Gefühl. Je älter man mit den Jahren wird, umso später scheint es sich jedoch erst bei einem selbst einstellen zu wollen. Ein untrügliches Zeichen dafür, endgültig erwachsen geworden zu sein oder ist es doch der Stress? Als ich in Kindertagen davon zum ersten Mal gehört hatte, konnte ich diesen, für mich damals völlig unverständlichen, Fakt ebenso wenig glauben, wie ich den heiligen Abend erwarten konnte. Immerhin zählt man in dieser Zeit ja gemeinsam mit seinem geliebten Adventskalender praktisch jeden einzelnen Tag, bis es dann am vierundzwanzigsten Dezember endlich soweit ist. Zugegeben, bei mir persönlich ist es in diesem Jahr bisher nicht viel anders verlaufen, denn bis zum gestrigen Abend hat die fröhliche Festtagsstimmung noch ganz schön auf sich warten lassen. Dabei sind es doch gerade die kleinen Dinge und (Vor-)Freuden, welche man im hitzigen Gefecht des Alltags besser nicht aus den Augen verlieren, sondern bewahren sollte, oder? All das geht mir durch den Kopf, als ich an der Haltestelle aussteige und mich schnellen Schrittes in Richtung Kulttempel aufmache, wo ich in weniger als zehn Minuten einen Termin für ein Interview habe. Seitdem ich vor rund zweieinhalb Jahren meine Homepage ins Leben gerufen und mit viel Herzblut beständig daran gearbeitet habe, gab es auch immer wieder ganz besondere Momente. Solche, von denen man schon zuvor gewusst hat, dass sie dich ungemein inspirieren und motivieren werden, gleichzeitig aber nie angenommen hätte, dass sie so oder so ähnlich einmal Wirklichkeit werden würden. Der heutige Abend ist so ein Moment. Als ich auf dem kleinen Parkplatz vor der Lokalität stehe, ist es genau 17.00 Uhr und so wähle ich die Nummer des Tourmanagers an. Als er nach wenigen Sekunden abhebt, höre ich plötzlich laute Musik hinter mir. Reflexartig drehe ich mich um und sehe einen schwarzen Van die schmale Einfahrt hinunterkommen, aus dessen heruntergekurbelten Fenstern das ikonische „Eye Of The Tiger“ von „Survivor“ schallt. Der Wagen hält nur wenige Meter neben mir und noch bevor er überhaupt zum Stehen kommt, wird die Seitentür von innen aufgeschoben und eine Person mit überspitzt heroischer Siegespose ist zu sehen. Es ist „VNV Nation“-Frontmann Ronan Harris. Amüsiert und gleichzeitig irritiert schaue ich ihn an. „Hallo. Und? Wie fandest du das Intro?“, blickt er mich erwartungsvoll an, ehe er aus dem Wagen aussteigt. „Super, ganz große Show!“, lache ich und vergesse dabei fast, dass ich eigentlich gerade telefonieren wollte. „Ähm, Entschuldigung. Christoph Lorenz hier, ich habe jetzt gleich das Interview.“, setze ich etwas aus dem Konzept geraten an. „Ach, du bist das da? Wir sind gerade angekommen. Bis gleich!“, meldet sich meine Kontaktperson und legt wieder auf. In der Zwischenzeit ist schon die gesamte Band und Crew ausgestiegen und macht sich nun daran, alles Notwendige auszuladen. „Hey, grüß dich! Wir brauchen noch einen kurzen Moment, ja?“, sagt Peddy und so rauche ich erst noch meine Zigarette in Ruhe zu Ende. Wenige Minuten später höre ich eine vertraute Stimme. „Wollen wir?“, fragt Ronan freundlich und ich gehe zum Eingang, wo mir der Tourmanager zuvorkommend die große Doppeltür aufhält. Ich bedanke mich und trete ein. Im Club selbst geht es derweil schon wie in einem Bienenstock zu. Egal ob hinter dem Mischpult, auf der Bühne oder auch davor, überall gibt es noch etwas zu tun. „Hm, ich würde sagen, das Interview machen wir am Besten hier, okay?“, schlägt der Sänger spontan vor und deutet zur kleinen Bar auf der linken Seite, an welcher er jetzt zwei Hocker zurechtrückt. „Klar, gerne!“, antworte ich und krame dann in meiner Tasche umher, um anschließend den Ausdruck mit allen Fragen und das Diktiergerät auf die Theke zu legen. „Möchtest du die Fragen auf Deutsch stellen und ich antworte dir auf Englisch, sollen wir das so machen?“, fragt er und ich stimme nur zu gerne zu. Wenige Augenblicke später drücke ich den „Record“-Button...


Roggenfaenger: „VNV Nation“ wurde 1990 in London von dir gegründet, seitdem sind nun also exakt siebenundzwanzig Jahre vergangen. Ein wirklich bemerkenswerter Zeitraum, in welchem das Projekt zu einem der gefragtesten Acts geworden ist, bedeutsame Musikgeschichte geschrieben und weltweit zurecht Bekanntheit bis weit über die Grenzen der schwarzen Szene hinaus erreicht hat. Auch wenn es vor diesem Hintergrund vermutlich geradezu unmöglich erscheint, einzelne Aspekte herauszufiltern: Gab es in dieser Karriere spezielle Schlüsselerlebnisse, die dir ganz besonders in Erinnerung geblieben sind und deshalb hier Erwähnung finden sollten?


Ronan Harris: Ich denke, dass jede neue Ebene, jede einzelne Stufe immer eine Art Schlüsselmoment ist, weil ich von vielen Dingen nicht erwartet hätte, dass sie so geschehen. Ganz am Anfang denkst du gar nicht erst, dass du die nächste Stufe erreichen wirst und alles immer genauso bleiben wird, wie jetzt und dann passiert schon wieder etwas anderes. Zum Beispiel einen Plattenvertrag zu bekommen, dein erstes Konzert und Festival zu spielen, danach ein noch größeres Festival, ein eigenes Album zu veröffentlichen und zu sehen, dass es plötzlich in den Charts ist, vor fünfundzwanzigtaufend Leuten auf dem Mera Luna zu aufzutreten, nach Amerika reisen und dort eine Tour zu machen und Dinge tun, welche du dir niemals hättest vorstellen können… Jeder einzelne dieser Punkte war eine völlig neue Erfahrung. Ich glaube, das bisher größte Erlebnis für mich war, als „Automatic“ in die Top Ten in Deutschland eingestiegen ist! Ich meine, die Charts im Allgemeinen bedeuten rein gar nichts, sie sind kein wirklicher Maßstab, aber sie vermögen es doch, neue Türen zu öffnen. Sie bringen viele Leute aus dem Business, die deine Musik zuvor gar nicht erst kannten und gehört haben, dazu, dich endlich zu bemerken und zu sagen, „Oh, wer ist das denn? Die sind ja wirklich erfolgreich!“. Es ist dann ein bisschen so’ne Art von „Hehe, wir haben’s geschafft!“, weißt du? Wir wussten, dass wir es schaffen werden. Es ist ein sich nahezu fortlaufend entwickelnder Prozess, der größer wird und sich dabei immer weiter verändert. Ich glaube, der für mich persönlich unvergesslichste Moment war, als ich zum allersten Mal die Show mit dem Orchester gegeben habe, weil es einfach etwas komplett anderes war. Weißt du, ich habe die meiste Zeit in den letzten Jahrzehnten elektronische oder generell eher moderne Musik gehört und dann lebe ich auf einmal meinen Traum und spiele zusammen mit einem Orchester (lächelt). Das ist von all diesen Dingen genau das, wovon ich niemals angenommen hätte, dass es einmal möglich wäre. Ich war so überwältigt, es war auf die beste Art und Weise so emotional. Es war exakt der Moment, in welchem ich ganz genau auf meine eigenen Texte gehört habe, die ja so etwas wie mein Tagebuch sind. Und als das Orchester dann gespielt hat, habe ich sie plötzlich wie im Zeitraffer gehört. Ich habe dazu gesungen und dabei versucht, mir nicht vorzustellen, was ich damit aussagen wollte, als ich sie zu der Zeit geschrieben habe, weil es mich wirklich komplett übermannt hat. Ich habe gemerkt, dass ich in diesem Moment auf einmal ganz emotional wurde. Es war in etwa so, als ob man in seinem Leben einige Schritte zurückgehen, alte Freunde und vergangene Erlebnisse wiedersehen würde. So, als würdest du Entscheidungen, die du einmal getroffen hast, wieder erleben und nun auch verstehen, warum du sie eigentlich genauso getroffen hast. Du siehst den gesamten Weg deines Lebens vor dir, bis zu dem Punkt, an dem du dich jetzt befindest. Und als es dann dazu kam, das „Resonance“-Album und erste Konzert damit zu planen, war es wirklich das gleiche Gefühl. Da war die eine Hälfte von mir, die ins Studio gegangen ist und gesagt hat, „Ja, das klingt wirklich gut, das ist großartig, okay.“. Das ist die professionelle Seite, der Produzent. Und die andere Hälfte von mir hat so nach dem Motto, „Oh Gott, das passiert gerade alles wirklich!“, reagiert. Oftmals muss ich mich fokussieren, bin dann sehr verantwortungsbewusst und denke, „Okay, wir müssen erst noch dies und jenes erledigen, weil wir ja immerhin für eine Show, ein Festival oder irgendwas in der Richtung hier sind.“. Und wenn ich dann auf einer großen Bühne stehe, ist da noch ein ganz anderer Part von Ronan, der vor Freude herumbrüllt und gar nicht glauben kann, dass das alles gerade wirklich passiert. Ja, das sind so diese Schlüsselmomente und da werden ganz bestimmt noch einige Weitere folgen, da bin ich sicher (lächelt).

Roggenfaenger: Insgesamt besteht eure Diskographie von damals bis heute aus acht Singles, drei EPs, zwei DVDs und dreizehn Studioalben. Innerhalb dieser Veröffentlichungen seid ihr niemals auf der Stelle stehengeblieben, habt mit nahezu jedem Werk neue Stilistiken und Einflüsse hinzugenommen und stetig daran gearbeitet euren Sound weiter auszubauen und zu perfektionieren. Im Hause „VNV Nation“ gab es niemals wirklich Stagnation. Eine bekannte Lebensweisheit besagt: „Veränderung gehört zum Leben dazu“. Wie haben sich „VNV Nation“ und auch ihre Fanbase seit dem Release des Debütalbums „Advance And Follow“ deiner Meinung nach verändert und an welchen Punkten kannst du diese Weiterentwicklung festmachen? Gab es eventuell gewisse Meilensteine im bisherigen Schaffenszyklus, anhand derer dieser Umbruch für dich ganz besonders deutlich geworden ist? Und warum erachtest du es darüber hinaus als wichtig, dich nicht ausschließlich auf sicherem Terrain zu bewegen und gewohnte Standards zu reproduzieren, auch wenn dieses Vorgehen manchmal doch gewisse Risiken birgt?

Ronan Harris: Ich glaube, sehr vieles davon hat generell mit den Erwartungen zutun. Die Songs auf „Advance And Follow“ waren so etwas wie Schlafzimmer-Demos, zusammen auf einem Album vereint. Ich war total begeistert, dass ich gerade selbst überhaupt eine CD mache. Ich denke, „Praise The Fallen“ ist für mich persönlich das erste richtige Album, weil ich das wie aus dem Nichts heraus erschaffen habe. Dazu kommt es immer auf einem ganz natürlichen Wege, da bin ich dann immer irgendwo in einem Schlafzimmer oder so ähnlich… Ja, ich glaube, dieses Album habe ich wirklich im Schlafzimmer geschrieben, das ist richtig. Wie habe ich das nochmal für „Empires“ gemacht? „Empires“ wurde in meinem Kopf geschrieben und dann bin ich nach der Arbeit anschließend ins Studio gegangen und habe es herausgebracht. Musik hören ist wichtig! Ich höre dauernd Musik und gerne viel Neues. Ich habe zum Beispiel schon Bands getroffen, die keine Musik fernab ihres eigenen Genres gehört haben, das verstehe ich nicht. Das ist sehr puristisch und engstirnig. Lass es mich so sagen: Es macht den Genpool unnötig klein. Musik ist wundervoll, Musik ist wunderschön. Das merke ich mit jedem neuen Musik-Stil, den ich höre, wie auch durch die ganze Erfahrung in meinem bisherigen Leben und die reine Entwicklung als Person. Es sind gerade die neuen Dinge, die ich besonders mag. Diese Erlebnisse verändern mich. Ich mag es zum Beispiel auch nicht, mich ständig zu wiederholen. Ich mag es durchaus als eine Art der Nostalgie, wenn man versucht, etwas wie einen alten Track klingen zu lassen. Das ist wie ein Blick in deine eigene Vergangenheit, den du dafür verwenden kannst, um zu sehen, wo du jetzt stehst. Warum entwicklen sich und entstehen Dinge? Ich vermute, ich wollte schon immer etwas Neues ausprobieren und kann nicht stagnieren. Ich würde nie ein Album machen wollen, was wie das Vorherige klingt, weil ich finde, dass das unglaublich langweilig wäre. In der Musik gibt es so viel zu entdecken und es geschieht so viel, von dem ich immer wieder beeinflusst werde. Ich glaube, dass das für mich und meinen künstlerischen Ausdruck die wundervollste Sache überhaupt ist. Das alles ist kein Lieferservice. Ich ziehe diesen Vergleich jetzt, weil es da immer wieder Leute gibt, die etwas verlangen und erwarten, was du aber schon mal zuvor längst gemacht hast. Trotzdem wollen sie, dass es beim nächste Mal wieder genau das Gleiche ist und deshalb sage ich, „Der Grund, weswegen du das erste Album so sehr gemocht hast, ist, weil es zu dem Zeitpunkt neu und anders war. Also gewöhne dich an diese Vorstellung, erwarte etwas Neues und Anderes jederzeit.“. Die meisten Personen folgen dieser Weiterentwicklung und ich bin sehr froh darüber. Du lernst Leute kennen und fühlst, dass es auch für sie ein absoluter Traum ist, dass „VNV“ mit einem Orchester zusammen spielen und dann gibt es wiederum auch einige Menschen, die einfach nicht verstehen, was „VNV“ eigentlich mit einem Orchester zutun hat. Ich führe ihnen dann eine Auflistung vor Augen und sage, „Dieser Track, dieser Track, dieser Track und dieser Track… Alle davon sind orchestral inspirierte Lieder!“. Es gibt so viel orchestralen Einfluss, weil ich eine Menge dieser Art von Musik höre. Zum Beispiel klassische Musik, Modern Avantgarde… Das ist in etwa die gleiche Formel und alles davon beeinflusst mich. Diese ganzen Veränderungen sind so, als würdest du sie alle nacheinander von einer langen Liste streichen und sagen, „Erledigt! Erledigt! Okay, jetzt habe ich diese Orchester-Sache auch erledigt.“. Ich würde nun noch gerne mit einer Big Band spielen und Jazz-Versionen von meinen Songs machen oder komplett akustisch, mit einer Gitarre oder so ähnlich. Ich habe das schon mal mit einem Piano ausprobiert und fand, dass es wunderschön ist. Aber ich möchte noch viel lieber ganz andere Sachen machen, mehr Abenteuerliches, Nebenprojekte… Ich würde sehr gerne ein Konzert ausschließlich nur mit analogen Synthesizern geben, die ich dann live spiele. Einfach, weil ein Großteil meiner Musik mit einer Sammlung von Synthesizern, die bis 1970 zurückreicht, entstanden ist. Also warum die Weiterentwicklung? Ich denke, weil ich immer neue Dinge höre und daraus mit neuen Ideen hervorgehe. Ich bin glücklich damit! Wenn dem nicht so wäre, wäre es ja langweilig.

Roggenfaenger: Viele eurer Songs übertragen eine ungemein positive Energie. Sie motivieren und appellieren an den Hörer, den Glauben an sich selbst niemals zu verlieren und für seine Träume zu kämpfen. Für viele eurer Fans seid ihr daher so viel mehr, als nur rein musikalische Wegbegleiter. „VNV Nation“ sind zu einem persönlichen Mantra, einer inneren Lebenseinstellung vieler Menschen geworden. Im Refrain von „Resolution“ heißt es etwa, „Light the brightest fire from the highest mountain, so the whole world knows that your spirit can’t be broken“. Nicht ausschließlich nur in diesem, sondern auch nahezu jedem anderen Text, ist deutlich herauszuhören, dass diese aus persönlichen Emotionen heraus entstanden sind und du damit so manches Mal sehr viel von deinem Innersten preisgibst. Ist das Komponieren für dich eine Art Selbsttherapie, mit deren Hilfe du all deine Eindrücke, Gedanken und Gefühle verarbeitest? Wie sehr hilft dir die Musik und welchen Ratschlag kannst du jenen Personen vielleicht geben, die sich derzeit in einem schwierigen Lebensabschnitt befinden, um nicht aufzugeben?

Ronan Harris: Okay, ist das eine Art der Therapie für mich? Ich habe zunächst nicht daran geglaubt, dass Musik für mich so hilfreich hätte sein können, wie sie es letztendlich war. „Praise The Fallen“ wurde in einer für mich sehr harten Zeit geschrieben. Eine Menge Veränderungen sind in mir vorgegangen, eine Menge Veränderungen sind in meinem ganzen Leben geschehen. Ich hatte keine Antworten und habe mich in dieser Welt sehr fremd und auf verschiedene Arten sehr allein gefühlt, selbst im Kreis meiner Freunde. Ich fand es sehr hart, Leute zu finden, mit denen ich mich wirklich verbunden gefühlt habe und so ist es immer noch. „Praise The Fallen“ war ein Weg für mich, um Musik zu schreiben, obwohl ich dieses Album niemals veröffentlichen wollte. Ich habe es nur für mich allein geschrieben, aber auf eine Weise, um mich selbst zu dokumentieren. Was ich fühle, all meine Philosophien, meine Gedanken… Es ist ein sehr kryptisches Album, in einem sehr polemischen Stil, sowohl lyrisch als auch musikalisch. Vor allem in musikalischer Hinsicht folgt es nicht allen Regeln und Vorschriften, aber all meine Liebe und Interessen sind irgendwie in dieses Album eingebettet, auf eine Art, die ich selbst nachvollziehen kann und nur ich habe den Schlüssel dazu. Es war ein sehr tiefgründiges Album für mich. Die Sache ist die, als ich „Empires“ geschrieben habe, wusste ich bereits, was da auf mich zukommen und mein ganzes Leben ziemlich in sich zusammenbrechen würde. Es waren eine ganze Menge Dinge… Angefangen von der Familie, über persönliche Beziehungen. Am Ende habe ich die Entscheidung getroffen, dass ich Grund und Boden hinter mir augenblicklich niederbrennen und fliehen musste. Vor allem. Vor jedem. Weil diese Personen auf viele Arten egoistisch waren, so eine Wut und Frustration gegen sich selbst verspürt haben, sodass sie ebenfalls versuchten, alle und jeden um sich herum mit zu zerstören, mich eingeschlossen. Und ich war meinen Freunden gegenüber eine sehr mitfühlende Person, die ihnen gerne viel gegeben hat. Ich habe begonnen, diese Leute endlich so zu sehen, wie sie wirklich sind, was ich zuvor nicht getan habe. Ich glaube, du kannst jemanden erst durch deine gemeinsamen Erlebnisse mit ihm richtig kennenlernen. Ich könnte jetzt zu dir hingehen und sagen, „Hey, ich bin ein super netter Typ!“, aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich das auch wirklich bin. Du siehst es nur in meinen Handlungen, Worte bedeuten rein gar nichts. Handlungen sind hingegen alles. Was ich verstanden habe ist, dass das keine egoistische, einsame Sichtweise ist. Ich habe Hoffnung für diese Welt, ich habe Hoffnung für mich selbst und daran glaube ich fest. Ich werde dieser Welt nicht den Triumph einer Niederlage gönnen, mich besiegt zu haben. Sie wird mich nicht brechen. Ich war ganz sicher keine starke Person, ich denke nicht einmal jetzt, dass ich eine starke Person bin. Ich musste da durch, weil ich nicht geglaubt habe, dass es da eine andere Wahl gibt. Und um ehrlich zu sein, denke ich, dass genau das viele Leute nachempfinden können, weil es nur temporäre Gefühle sind. Es ist nicht der Status Quo und so, wie es noch in drei Wochen, in drei Monaten oder in drei Jahren sein wird. Wir alle müssen durch schwere Zeiten gehen, es ist wie eine Prüfung für uns selbst und ich habe gelernt, dass es ein Test für mich als Mensch ist. Es ist wie ein Test, warum ich gerade die Personen verlassen sollte, die mir nicht gut tun und die versuchen, mich zu besiegen, zu brechen, zu verletzen und zu stoppen. Selbst als ich damit angefangen habe, Musik zu machen, gab es Leute, die gesagt haben, „Warum machst du diesen Quatsch eigentlich? Warum gibst du dir dafür so eine Mühe?“. Weil sie es nicht verstehen. Aber wozu sollte ich gerade ihre Erlaubnis oder ihre Meinung brauchen, wenn sie es einfach nicht verstehen? Die einzige Person, die es verstehen muss, bin ich. Niemand sonst. Also ich habe mich wirklich hineingekniet, um an „Empires“ zu arbeiten. Ich habe für das Album all jene Worte niedergeschrieben, von denen ich wirklich so sehr gewollt habe, dass sie mal jemand zu mir sagt. Aber niemand hat es getan. Ich habe dieses Album als meinen persönlichen Leitstern verfasst. „Arclight“ ist ein künstliches Licht, welches speziell für Leuchttürme gemacht wird. Es ist eines der hellsten Lichter überhaupt und der Grund, weswegen ich den entsprechenden Song so genannt habe, ist, weil ich damit ein eigenes Licht für mich selbst erschaffen wollte. All das waren die Worte, die ich von einer anderen Person hören wollte, die mir ihren Rat gibt. Ich bin mit einer sehr philosophischen, selbstreflektierenden Sichtweise an die Arbeiten zu diesem Album herangegangen und habe durch meine Erfahrungen realisiert, dass sich vieles verändert hat, ich daran gewachsen bin und es bergauf geht. Ich bin an all den schlechten Erfahrungen gewachsen und habe dadurch erst die Möglichkeit bekommen, eine stärkere Persönlichkeit zu werden. Ich habe nicht daran geglaubt, dass es gut ist, mich allem zu fügen, denn nur so kann ich für etwas für mich daraus lernen und manchmal ist es auf diesem Wege auch wirklich schwer, aber… Halt inne, hol tief Luft und besiege dann anschließend dein Problem! Auf diese Weise kannst du all die kleinen Einzelteile dieses Problems nacheinander lösen und selbst wenn du vielleicht nicht alle von ihnen reparieren kannst, dann immerhin 60% oder 70% davon… Um den ganzen Rest kannst du dich ja später immer noch kümmern. Kein Problem wird dich jemals umbringen! Okay, das kann man so auch wieder nicht sagen. Manches wird dich vielleicht wirklich umbringen (lacht). Was ich damit sagen möchte, ist, dass manche Menschen ihre Probleme größer machen, als sie es in Wirklichkeit eigentlich sind. Das ist eine reine Sache des Egos und ich habe gelernt, dass das Ego alle möglichen Arten von Tricks kennt. Ich denke, dass es für einen Menschen sehr wichtig ist, zu verstehen, wie das Ego überhaupt funktioniert, dich zu überlisten versucht und dir erzählen will, was du hören musst, um etwas Bestimmtes tun zu können. Das ist wie eine panische Stimme in deinem Innersten, die dir immer wieder sagt, „Oh, das musst du unbedingt machen!“. Es ist wie ein kleines Kind tief in dir. All diese Dinge sind eine Form der Selbstbeherrschung und ich glaube, nach den ganzen Jahren habe ich darüber genug gelernt. Ich lasse das in meine Songs einfließen, weil sie ein Ausdruck dessen sind, was in mir vorgeht. Es stecken wirklich eine ganze Menge positiver Botschaften darin, weil ich den Hörern gegenüber eine sensible Verantwortung verspüre. Nicht für jeden im Publikum, aber gegenüber jenen, die diesen einen Song gerade wirklich brauchen. Als ich damals damit angefangen habe, Musik zu machen und in diesem Zuge „Praise The Fallen“ zu veröffentlichen, habe ich gedacht, dass tausende Leute dieses Album kaufen werden, aber wenn auch nur eine einzige Person aus irgendeinem einem kleinen Dorf dieses Album hören und sagen wird, „Jemand anderes denkt genau wie ich. Ich bin nicht allein!“, würde es das wert gewesen sein. Ich wollte schon viele Male aufgeben, weil es so stressig und schmerzvoll war, es so viele Schwierigkeiten mit dem gab, was ich gemacht habe. Und das Einzige, was mich dazu motiviert hat, trotzdem weiterzumachen, ist, dass dir die Leute Nachrichten schreiben und du erst dann den Einfluss realisierst, den du auf ihre Leben hast. Wie ich schon gesagt habe, wir alle sind zusammen auf dieser Reise. Ich unterhalte mich mit Leuten aus dem Publikum und sie inspirieren mich, sie erzählen mir ihre gesamte Lebensgeschichte und so ist es seit, lass mich kurz überlegen, 1999, als die Leute angefangen haben, mir zu erzählen, welchen Einfluss die Musik auf sie gehabt hat. Ihre Erlebnisse haben wiederum einen großen Einfluss auf mich und inspirieren mich. Ich denke, wir alle lernen voneinander. Ich bin kein Meister, sondern habe bloß gelernt, meine Gefühle, Gedanken und Ansichten in lyrischer Form umzusetzen. Es ist für mich der einzige Weg, mich auszudrücken zu können. Ich bin in Gesprächen nicht wirklich gut, ich weiß nicht, warum. Aber die Musik ist wie das perfekte Medium für mich. Jeder hat ein Talent, jeder hat so ein Medium. Ich war nicht besonders gut in Musik, bevor es auf einmal einen Tag „Klick“ gemacht hat. Und dann habe ich angefangen, mehr darüber zu lernen und daran zu wachsen. Ich habe herausgefunden, dass ich es besser kann und habe es mehr dem angeglichen, was ich in meinem Kopf gehört habe. Es geht immer darum, zu wachsen und zum Horizont hinauf zu blicken. Dich von Worten inspirieren zu lassen, die berühmte Leute einmal gesagt haben. Winston Churchill hat einmal gesagt, „Wenn du dich selbst in der Hölle vorfindest, gehe weiter, bis du nicht mehr in der Hölle bist.“. Realistisch gesehen, ist das wirklich eine wahre Aussage. Ich bin kein allzu großer Fan von diesem Mann, aber ich denke, was er sagt, macht ziemlich Sinn. „Gehe weiter, bis du nicht mehr in der Hölle bist.“, es wird immer genauso sein. Sieh dir einmal die Leben aller Leute um dich herum an, sie alle sind niemals nur in einem Dauerzustand von Schmerz. Schmerz verändert sich, Schmerz endet. Es liegt ganz an dir, das zu ändern. Du hast gegenüber anderen Leuten keinerlei Verpflichtung, denn am Ende ist es ausschließlich eine Entscheidung zwischen dir und ihnen. Ich weiß, dass du diese Entscheidung manchmal treffen musst und es nicht leicht ist. Manchmal musst du dich von Menschen trennen, weil du weißt, dass sie dir schaden. Aber du bist zu anständig und deshalb bleibst du bei ihnen. Du musst dich fragen: Wer ist wichtig? Wer wird noch an deiner Seite sein, wenn du Achtzig bist? Du. Niemand sonst. Sie werden nicht da sein. Also zieh deine Schlüsse daraus, überdenke dein ganzes Leben und stell dir selbst die Frage, was genau du wegen anderen Menschen darin vermisst. Am Ende triffst du diese ganzen Entscheidungen nur für dich allein. Sie sind nicht einfach, aber es wird einfacher werden, wenn du erstmal damit anfängst. Die folgenden Entscheidungen zu treffen, wird dann sehr viel einfacher sein. Du fängst an, zu begreifen, dass nichts Schlimmes passiert ist, weil du es getan hast. Und dann triffst du die nächste Entscheidung und denkst, „Oh mein Gott!“. Wie ich schon gestern Abend zu jemandem gesagt habe: Frag! Frag nach Informationen! Frag die Leute, was sie denken! Frag um Rat! Denn wenn du nicht nachfragst, wird die Antwort immer „Nein“ sein. Es sind kleine Sachen, wie diese… Okay, die nächste Frage (lächelt).

Roggenfaenger: Im November 2012 wart ihr Headliner bei „Gothic meets Klassik“, einem zweitägigen Festival in Leipzig, welches es den Fans ermöglicht, die dort auftretenden Band einmal von einer ganz anderen Seite zu erleben. Am ersten Tag spielen alle Künstler jeweils im Haus Auensee ein Set in gewohnter Manier, am Folgetag im Gewandhaus präsentieren sie dann ausgewählte Titel mit einem Orchester. Euer dortiger Auftritt war ein voller Erfolg und hat alle Anwesenden tief berührt, weswegen ihr ganze drei Jahre später mit der Unterstützung des Filmorchesters Babelsberg ein eigenes Album unter dem Titel „Resonance - Volume 1“ veröffentlicht habt und damit auf große Tournee gegangen seid. Doch schon in den Anfangstagen von „VNV Nation“ waren immer wieder orchestrale und symphonische Versatzstücke in euren Songs zu finden. Hattest du also schon vor diesem aufwändigen Projekt gewisse Berührungspunkte mit der Klassik und dürfen eure Fans bald auf einen zweiten Teil hoffen? Falls ja, wie weit sind die Arbeiten an „Volume 2“ bereits fortgeschritten?

Ronan Harris: Es waren schon immer orchestrale Eindrücke in meiner Musik. Weil ich privat eine Menge klassische Musik höre. Egal ob es jetzt ein großes Orchester, ein kleines Quartett, Quintett oder Ensemble, welches experimentelle Musik spielt, ist. Sie alle hatten schon immer ihren Einfluss auf meine Songs und die Musik, die ich schreibe. In ihnen ist etwas Großes, Ausladendes. Es ist ein symphonischer Ansatz, der nicht sich nicht zwingend im Klang eines Orchesters äußert. Zum Beispiel die große Leadline bei „Perpetual“. Es ist etwas Symphonisches, etwas Bombastisches darin. Ich liebe es, dieses Gefühl in der Musik zu haben, aber es war mir trotzdem nie genug. Als ich damals die Anfrage bekommen habe, an „Gothic meets Klassik“ teilzunehmen, bin ich wortwörtlich aufgesprungen. Ich glaube, ich habe keine zwei Sekunden überlegt, um „Ja“ zu sagen. Ich habe diese ganze Erfahrung vom Anfang bis zum Ende hin geliebt. Auch den Arrangeur, er und ich sind gute Freunde und hatten beim Musik machen eine wundervolle Zeit. Wir haben bereits vier komplett neue Arrangements geschrieben und gerade schreibe ich tatsächlich auch schon fürs nächste Jahr, weil es 2018 ein neues „VNV“-Album geben wird. Ich möchte aber auch gerne ein zweites „Resonance“-Album machen. Bei dieser Sache ist aber der Punkt, dass ich die neuen Songs speziell auf das Orchester zugeschnitten schreibe. Es gibt also keine elektronischen Versionen davon. Das war genau das, was ich von Anfang an wollte, weil ich denke, dass es zwar schön ist, Orchester-Versionen der Originale zu haben, aber es ist gleichermaßen auch eine echte Herausforderung und eine wundervolle Sache, wenn du etwas einzig und allein für das Orchester schreibst. Es gibt zwei Lieblingsstücke von mir auf „Resonance“. „Sentinel“ und „Resolution“, welches einfach atemberaubend ist! Aber das ist dann wirklich eine Menge Arbeit zusammen mit dem Arrangeur. Bei „Sentinel“ hingegen habe ich das Arrangement geschrieben und die Stimmung geschaffen, in der es spielt, weil ich meine ganz eigene Vorstellung davon hatte, wie dieses Stück zusammen mit einem Orchester klingen soll. Ich wollte, dass der Text hier auf eine gänzlich andere Weise interpretiert wird, dass, wenn du die Musik in einem anderen Gewand hörst, sie eine komplett neue Sichtweise auf den jeweiligen Song ermöglicht. Das zu machen, war wirklich eine wundervolle Sache! Ich wollte auch immer schon ein Largo. Ein Largo eine Taktvorgabe, eine Art zu spielen. Weil es in dieser Musik keinen Takt pro Minute gibt. Da gibt es verschiedene Wege, wie etwa Andante oder Adagio, um etwas zu spielen. Das schönste Largo aller Zeiten ist für mich persönlich aus der Oper „Xerxes“, eines der schönsten Musikstücke überhaupt. Ich wollte das unbedingt machen und schon immer mal einen Stil wie diesen auf einem meiner Alben haben. Als ich an „Nova - Largo“ gearbeitet habe, war das ein großer Wunsch von mir. Das war ich, der gesagt hat, „Bitte, komponiere es für mich. Hilf mir, eines zu schreiben.“. Daraufhin haben der Klavierspieler und der Arrangeur mit mir zusammengearbeitet und etwas Wunderschönes geschaffen. Das ist Nichts, was du mal so eben nebenbei machst oder einfach wäre. Das ist meine Leidenschaft und in meinem Herzen, will das einfach machen. Also ja, davon wird es mehr geben, mach dir darum keine Sorgen (lächelt).

Roggenfaenger: Auf dem Amphi Festival 2015 in der Lanxess Arena Köln hast du zum ersten Mal das sogenannte "Compendium" angekündigt. Eine Veröffentlichung, die euren gesamten Schaffenszyklus in sich vereinen und mit weiteren Extras in insgesamt drei Editionen ausgestattet werden sollte. In den folgenden Monaten darauf habt ihr unter diesem Banner weltweit einige Shows zu eurem Jubiläum gespielt und den Konzertbesuchern dabei ein umfassendes Best-Of-Set geboten. Noch im vergangenen Jahr sprachst du noch von einem Release in 2016, wie ist diesbezüglich der heutige Stand der Dinge? Da wir gerade schon von neuem Material sprechen, drängt sich natürlich auch gleich die Frage auf, wie es um ein komplett neues Studioalbum von euch bestellt ist. Ich persönlich habe gestern eurer Show im Kulttempel beiwohnen dürfen und deine Ankündigung dazu also schon gehört, doch das Vergnügen hatten natürlich nicht alle Leser. Könntest du ihnen also bitte verraten, was im neuen Jahr auf uns zukommt?

Ronan Harris: Das ist etwas, was ich über das deutsche Gesetz gelernt habe. Was das „Compendium“ aufgehalten hat, war, dass es da einige Vorschriften gibt, von denen ich zuvor gar nichts gewusst habe. Von denen eigentlich niemand sonst im Rest der Welt glaubt, dass es sie überhaupt gibt… Ich brauchte noch gewisse Elemente für diese Zusammenstellung. Das Problem war, dass es so viel Zeit gekostet hat, all das überhaupt erst zusammenzutragen. Die Skizzen, die Box, der Vertrieb muss dem Ganzen zustimmen. Alles benötigt seine Zeit. Nun habe ich alle Rechte für jedes Element auf dem „Compendium“. Ich muss rechtlich gesehen eine schriftliche Genehmigung von den Musikern und jedem, der einmal in irgendeiner Form daran beteiligt war, vorweisen. Selbst als sie zu mir persönlich sofort, „Ja, absolut kein Problem!“, gesagt haben, reichte das einfach nicht, sie müssen etwas schreiben. Und jede einzelne dieser Personen ausfindig zu machen, hat Monate gedauert. Dazwischen war ich auf Tournee oder habe ganz andere Sachen gemacht, also es war wirklich nicht einfach. Ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass irgendjemand gedacht hätte, dass ich dazu erst all diese Sachen brauchen würde. Als ich das Box-Set angekündigt habe, war das gesamte Design bereits komplett und danach hat es sehr lange gedauert, um tatsächlich alles einzufädeln. Also es wird noch kommen! Der Entwurf ist fertig, aber es muss auch in den Zeitplan passen, weil ich nicht ein Box-Set und dafür kein neues Album herausbringen will. Wenn ich wählen müsste, wäre es natürlich das „VNV“-Album, das hat Priorität. Das war alles zu dem „Compendium“, es wird definitiv kommen!

Roggenfaenger: Bis noch vor kurzem habt ihr die Konzerte zu eurer „Automatic Empire“-Tournee gespielt, auf welchen ihr dem Publikum die beiden Alben „Automatic“ und „Empire“ jeweils komplett präsentiert habt. Vergangenen Winter bildeten sechs Termine in eher kleinen Venues den Auftakt dazu. Auch dieses Mal habt ihr euch für den Jahresabschluss etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Im Dezember spielt ihr sowohl im Hamburger Logo-Club als auch im Kulttempel Oberhausen jeweils an zwei aufeinanderfolgenden Abenden exklusive Shows unter dem Titel „Christmas Party“. Was hat dich zu dieser schönen Idee veranlasst, eure Fans so kurz vor den besinnlichen Feiertagen nochmals für einige Stunden vereinen zu wollen? Was reizt dich an diesem Konzept?

Ronan Harris: Mit dieser Frage hast du dir deine Frage bereits selbst beantwortet (lacht). Es geht in der Tat einfach um eine kleine Weihnachtsfeier. Wir hatten so viel Spaß daran, alle von uns. Wenn ich „Wir“ sage, spreche ich von der gesamten Crew, weil die Chemie zwischen uns allen einfach wundervoll ist. Wir hatten schon letztes Jahr so viel Freude dabei, diese Shows zu spielen und eine ganze Menge davon haben im Dezember stattgefunden. Da habe ich mir gedacht, dass man so etwas in der Art ein Jahr später wieder machen könnte. Erst wollten wir es nur in Hamburg machen, weil das Konzert dort etwas ganz Kleines und Besonderes war. Da lebe ich ja auch, da leben alle von uns. Also habe ich gesagt, „Okay, wir haben schon ein paar Termine für das nächste Jahr gebucht. Lass uns unbedingt noch ein paar Weihnachtsshows machen, einfach weil es bald Weihnachten ist! Warum also nicht?“. Und dann habe ich über all die blöden Sachen nachgedacht, die ich in diesem Rahmen anstellen könnte (lächelt). Zum Beispiel die ganze Festtagsbeleuchtung, die Weihnachtsmusik… Und dann habe ich gesagt, „Lass es uns anpacken!“. Ich meine, wir haben sogar einen großen Santa Claus, den habe ich extra gekauft (deutet auf den aufblasbaren Deko-Artikel neben der Bar). Es gibt noch einen davon, der ist in etwa dreieinhalb Meter groß, also glaub mir, da haben wir lieber den Kleinen genommen (lacht). Ich bin der Meinung, dass das ein ganz wundervolle Erlebnis und auf der anderen Seite aber auch einfach lustig ist, wenn jeder diese schwarzen Nikolausmützen trägt und all solche Sachen. Als ich noch ein Kind war, war Weihnachten für mich so etwas wie ein einziges, großes Winterfest und ich glaube, für alle anderen Leute auf der Welt, egal wo, ist es das auch. Es muss nichts mit Religion zutun haben, es gab diese winterlichen Feierlichkeiten in Europa schon vor tausenden Jahren. Es ist also völlig egal, ob du nun religiös bist oder nicht. Für mich ist es einfach eine Möglichkeit, dass wir alle in einer ganz besonderen Zeit des Jahres etwas näher zusammenrücken können. Ich liebe das wirklich und schätze dieses Privileg sehr, das alles gemeinsam mit den Fans machen zu dürfen. Ich glaube, dass das eine wunderschöne Sache ist, demnach würden wir das gerne zu einer Tradition machen. Wir wollen das jetzt jedes Jahr so machen, warum nicht? Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir zumindest schon mal Hamburg für nächstes Jahr gebucht!

Nach etwa einer Dreiviertelstunde schalte ich das Diktiergerät wieder aus. „Moment, ich habe da noch eine Kleinigkeit!“, sage ich im Anschluss an die interessante Unterhaltung und hole eine Flasche Wein aus meiner Umhängetasche hervor. Bei persönlichen Interviews pflege ich das immer so zu machen, um mit einem kleinen Gastgeschenk ein bisschen für die investierte Zeit zurückgeben zu können. Zu meiner hellen Freude gelingt die Überraschung und der „VNV“-Frontmann bedankt sich begeistert. Ich packe meine Sachen wieder zusammen und ziehe mir meine Jacke an, bevor wir zusammen zum Merchandising-Stand gehen, wo er für das in Kürze beginnende Konzert schon einmal einige CDs von Hand signiert. Wir machen ein gemeinsames Foto, unterhalten uns noch ein wenig über die diesjährigen Weihnachtsshows und kommen anschließend auch auf die erwähnten Mützen zu sprechen, von denen ich gestern bereits so einige im Publikum erspäht habe. „Konnte man die hier eigentlich vor Ort kaufen?“, frage ich, worauf mir der nette Verkäufer, der mich vom Vortag erkennt, entgegnet, dass diese direkt am Einlass verteilt wurden. „Oh, hast du keine bekommen? Warte mal...“, meint Ronan und bittet anschließend den Besitzer des Kulttempels darum, mir eine der Mützen mitzugeben. „Hier, das ist für dich!“, raunt der Sänger geheimnisvoll und steckt mir zwinkernd ein hübsches Lanyard mit Bandlogo zu. Ich freue mich natürlich riesig darüber und bedanke mich, ehe wir uns voneinander verabschieden und ich positiv aufgeladen zur Turbinenhalle 1 hinübereile, in welcher „Eisbrecher“ gleich ihr großes Jahresabschlusskonzert geben. Es ist in der Tat kein allzu großes Geheimnis, dass ich auch nach all der ganzen Zeit noch immer mit einer gewissen Grundnervosität an jedes einzelne Interview herangehe. Das war am heutigen Abend ganz sicher nicht anders, im Gegenteil. Insbesondere bei Künstlern, deren Schaffen dich selbst schon lange Zeit begleitet, ist die Aufregung vorab immens, was sich im weiteren Verlauf dann zumeist wieder etwas legt. Heute war es gleich und doch ganz anders. Ronan Harris ist auch fernab der Bühne im Einzelgespräch so, wie man ihn auf ebendieser schon kennt und erwies sich damit als ein ungemein engagierter und herzlicher Interviewpartner, der es mir durch seine offene und durchweg sympathische Art mehr als leicht machte, die anfängliche Anspannung schnell abzulegen. An dieser Stelle nochmals tausend Dank von ganzem Herzen für diese großartige Möglichkeit!

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