top of page
  • Facebook - White Circle
  • Instagram - White Circle
  • YouTube - White Circle

NEUESTE
BEITRÄGE:

  • AutorenbildChristoph Lorenz

Megaherz x Combichrist - „In Teufels Namen"-Tour - Kulttempel, Oberhausen - 01.10.2023


Veranstaltungsort:

Stadt: Oberhausen, Deutschland


Location: Kulttempel


Kapazität: ca. 500


Stehplätze: Ja


Sitzplätze: Nein


Homepage: http://www.kulttempel.com


Einleitung:

Sonntag, der 01.10.2023: Manchmal sind die Wege des laufenden Vorverkaufs unergründlich… Dass die schwer gebeutelte Kultur- und Veranstaltungsbranche seit und auch nach der Pandemie noch immer sehr hart an ihren Nachwehen zu knacken hat, ist mittlerweile ein offenes Geheimnis. Dass die Pre-Sales in diversen Segmenten der Live-Veranstaltungen spätestens seit der Inflation teilweise nur schleppend laufen, ebenfalls. Das alles hat gleich mehrere miteinander verknüpfte Gründe, die sich ähnlich einem Dominoeffekt gegenseitig bedingen: Die potentiellen Käufer sind zunehmend vorsichtig geworden. Viele haben noch mannigfaltige Tickets von einst verlegten Events an der heimischen Pinnwand hängen, wiederum andere fürchten erneuten Verschiebungen oder gar Absagen. Ferner sitzt das liebe Geld bei den meisten der zuvor so feierwilligen Fans verständlicherweise nicht gerade locker. Immerhin will der Kühlschrank auch gefüllt und die Miete bezahlt werden. Alles wird teurer. Ticketkäufe und Konzertbesuche finden derweil gerne spontan statt, niemand möchte ein unnötiges Risiko eingehen, was es Veranstaltern und Künstlern nicht gerade leichter macht. Es sind die logischen Folgeerscheinungen der allgemeinen Planungsunsicherheit. Ein gutes Beispiel dafür ist auch die heutige Doppel-Headliner-Show zweier Szene-Schwergewichte, die doch eigentlich mit einem extrem zugkräftigen Line-Up lockt und zudem die einzige in ganz Nordrhein-Westfalen ist: Die Industrial-Metal-Berserker „Combichrist“ gehören sowohl elektronisch als auch metallisch-rockig schon seit vielen Jahren zu den wohl gefragtesten Live-Acts der schwarzen Szene, begeistern die Massen auf einschlägigen Festivals und füllen die Hallen des Landes regelmäßig im Handumdrehen, so zuletzt etwa die Kulturfabrik in Krefeld. Die fünf Münchner von „Megaherz“ zählen hingegen zur absoluten Speerspitze der Neuen Deutschen Härte und landeten im Jahr 2014 mit dem enorm erfolgreichen „Zombieland“ den großen Durchbruch, welcher ihren bisherigen Karriere-Peek markiert. Die logische Konsequenz war die bis dato längste Tournee in der gesamten Historie der Band. So gastierten sie zwischen 2014 und 2016 etwa mehrmals in NRW. Zwei Mal in der Bochumer Matrix und zwei Mal in Oberhausen, wobei ein Club-Gig im Kulttempel und ein weiterer Termin in der zweiten Turbinenhalle stattfand. Jener wurde sogar als größte Show der Tournee beworben, weswegen man zu diesem Anlass viele namhafte Gäste wie „Eschenbach“, „Eizbrand“, „Erdling“ und „Heldmaschine“ als Support in petto hatte und das Gastspiel damit zu einem kleinen Indoor-Festival erhob. Danach ging es sogar noch als Vorband von „Unheilig“ auf deren großer Abschiedstournee durch zahlreiche Stadien in Österreich und Deutschland. Der wiederum weit weniger erfolgreiche Nachfolger „Komet“ zog 2018 hingegen lediglich zwei Tour-Parts nach sich, auch Oberhausen stand mit der zweiten Turbinenhalle wieder auf dem Fahrplan… Doch danach wurde es für längere Zeit sowohl musikalisch als auch live verdächtig ruhig um die beliebten Herzen, woran die unvorhersehbaren Geschehnisse der letzten Jahre vermutlich nicht ganz unschuldig sind. Im Frühjahr 2023 dann plötzlich die äußerst erfreuliche Überraschung: Es wird ein brandneues Studioalbum geben und dazu natürlich auch wieder eine ausgedehnte Tournee mit über zwanzig Terminen. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich und der Schweiz, Tschechien, Ungarn, Polen, Frankreich, England und Spanien - Wow! Wer jedoch lange pausiert und nicht unbedingt zu den absoluten Mega-Stars des Musikbusiness gehört, läuft aufgrund der schieren Schnelllebigkeit der heutigen Zeit oftmals rasend schnell Gefahr, beim Publikum fernab der Hardcore-Fans plötzlich in eine Art von Teil-Vergessenheit zu geraten und plötzlich in halbleeren Sälen aufspielen zu müssen. „Megaherz“ und ihr Label sind sich der etwas eingeschlafenen Popularität scheinbar durchaus bewusst gewesen und so hat man sich zur Sicherheit mit „Combichrist“ einen weiteren, ähnlich großen Act für gemeinsame Gigs zur Seite gestellt. Die simple Kalkulation: Jeder bringt seine eigenen Fans mit. Eventuell hört manch ein Besucher sogar schon beide Bands oder wird durch die Artverwandtheit zumindest auf eine Neuentdeckung aufmerksam? In jedem Fall ist eine totale Pleite inklusive finanziellem Schaden somit so gut wie ausgeschlossen oder zumindest sehr begrenzt. Eigentlich eine relativ sichere Sache also, oder? Erneut war die für das heutige Konzert ursprünglich angesetzte Location die Turbinenhalle 2, doch nur wenige Tage vor der Show wird via Social Media die Verlegung in den deutlich kleineren Kulttempel verkündet. Ein unerwarteter Schritt, der für alle Ortsunkundigen und weit Gereisten zum Glück ohne viel Umplanung verbunden ist, denn der bekannte Szene-Club liegt praktisch gleich neben den beiden Turbinenhallen und doch bleibt ein bitterer Beigeschmack. Natürlich spielen oben genannte Faktoren da eine nicht zu verachtende Rolle und ebenso auch die Tatsache, dass das Konzert leider auf einen Sonntag fällt und viele Leute am Folgetag wieder früh aufstehen müssen. Trotzdem bleibt fraglich, wie es denn bitte sein kann, dass zwei Bands, welche den kultigen Tempel eigentlich mühelos alleine füllen können müssten, nun dazu gezwungen sind, kurzfristig auf einen Spielort umzusatteln, der nicht einmal halb so viel Kapazität, wie zunächst anberaumt, fasst. Zu allem Überfluss kommunizieren Künstler und Location dann auch noch direkt aneinander vorbei: „Megaherz“ geben den Einlass für 17.00 Uhr an, der Kulttempel hingegen 18.00 Uhr. Letzteres stimmt und so stehen sich die frühen Vögel vor verschlossenen Türen leider vollkommen unverdient die Beine in den Bauch… Oh je. Immerhin läuft am Schalter für die Gästeliste soweit alles reibungslos und nur wenig später sind meine Begleitung und ich im Inneren des Tempels. Kurz nach dem kleinen Foyer ist der Merchandising-Stand aufgebaut worden: „Combichrist“ haben neben CDs gleich ein paar neue T-Shirts mitgebracht, von „Megaherz“ gibt es hingegen nur zwei Textil-Motive und natürlich auf Silberling gebannte Musik. Auch der Support, der bereits gleich beginnen wird, hat einige Artikel mit dabei. Langsam und stetig füllt sich der Saal mehr. Es kann beginnen!

Janosch Moldau:


Der Support-Act könnte für einen lauten und schwermetallischen Abend wie den heutigen wohl kaum ungewöhnlicher gewählt worden sein. Dabei schreibe ich tatsächlich bewusst „ungewöhnlich“ und nicht etwa „unpassend“, denn etwas musikalische Abwechslung tut eigentlich immer gut und Janosch Moldau ist durchaus mehr als im Stande, der sich anbahnenden Riff-Übermacht einen konterkarierenden Akzent entgegenzusetzen, der im Gedächtnis bleibt. Der aus Neu-Ulm stammende Solo-Musiker begleitete in der Vergangenheit beispielsweise schon so einige elektronische Größen wie „Mesh“, „Project Pitchfork“ oder auch die EBM-Legende „Nitzer Ebb“ auf ihren Tourneen durch alle möglichen Lande und kann in seinem achtzehnjährigen Schaffen mittlerweile auf fünf Studioalben, zwei Remix-Compilations und eine Single-Collection zurückblicken. Generell ist es ein netter und sehr umsichtiger Schachzug, den heutigen Beginn aufgrund des folgenden Werktages vorzuverlegen. Allerdings hat sich unterdessen eine beachtliche lange Schlange vor den Toren des Kulttempels gebildet, sodass viele Gäste überhaupt noch gar nicht anwesend sind, als Moldau zum charmant betitelten „This Is My Show“ von seiner aktuellen EP „Aid And Abet“ in das sechs Songs umfassende Set startet. Weiter geht es danach mit „Broken Shoulder“ und „Sense For God“ vom 2019 erschienenen Vorgänger „Host“. Bemerkenswert ist dabei, wie dermaßen zurückhaltend, unauffällig und besonnen der lediglich mit einer umgeschnallten Gitarre agierende Musiker dabei zu Werke geht, sodass man fast gar nicht mitbekommt, dass da jemand im spärlich blauen Schimmer der Bühne steht. Der Sound von Janosch Moldau ist am ehesten als verträumt schwelgerischer, unaufgeregt reduzierter und dennoch hochmelodiöser Electro-Pop mit ganz viel Hang zur Melancholie zu bezeichnen. Nur ganz selten kommt der durchdringend pulsierende Beat etwas stärker durch, wie etwa bei „In Another World“. Ansonsten ruht der Fokus hauptsächlich auf Moldaus sehr ausdrucksstarker Stimme, welche schnell zu vereinnahmen weiß und die Songs perfekt zusammenhält. Das sphärische „Reloved“ und das sentimental verpoppte „We Behaved Wrong“ beschließen das Set nach knapp einer halben Stunde und lassen eine zwar nur wenig aufgeheizte, doch stimmungs- und stilvoll unterhaltene Menge zurück, die schon dem bevorstehenden Sturm entgegenfiebert.

Combichrist:


Gegen 19.30 Uhr steht nun also der mit sichtlich viel Spannung erwartete Gig des ersten Headliners dieser furiosen Doppel-Tournee ins Haus und blickt man sich einmal etwas genauer im Saal des Kulttempels um, so wird einem relativ schnell klar, dass die extra für „Combichrist“ angereisten Fans denen der Herzen zahlenmäßig in Nichts nachstehen. Im absoluten Gegenteil: Viele Besucher scheinen sich sogar ausschließlich auf das amerikanisch-norwegische Alternative-Projekt zu freuen und brennen geradezu darauf, sich zu den elektronisch-metallischen Klängen die Seele aus dem Leib zu tanzen. Dass an diesem Abend allerdings weder Aggrotech noch Industrial im Fokus stehen, ist bereits dem fünfköpfigen Line-Up auf dem Tour-Plakat zu entnehmen gewesen. Wer die Band schon eine gute Weile länger verfolgt, wird wissen, dass LaPlegua nach „Making Monsters“ mit dem Videospiel-Soundtrack zu „Devil May Cry“, betitelt „No Redemption“, eine differenzierte Stilrichtung forcierte. So spielten neben Bass, Beats und Drums fortan auch erstmals harte E-Gitarren eine dominantere Rolle und weiteten den Sound spätestens mit „We Love You“ aus dem Jahr 2014 in Richtung des Crossover und Metal aus. Der Nachfolger „This Is Where Death Begins“ intensivierte dieses Vorhaben dann in die Extreme, was teils auf harsche Kritik der Alt-Fans stieß, das noch immer aktuelle Studioalbum „One Fire“ aus 2019 und die letztjährig erschienene „Heads Off“-EP versuchten sich wiederum in mehr Ausgewogenheit zwischen Wurzeln und Moderne. Die live mittlerweile eher rar gewordenen Dancefloor-Klassiker aus der Ära zwischen 2005 bis 2010 fanden zuletzt im Rahmen der sogenannten „Old School Electronic Set“-Sessions wieder ihre gesonderte Aufführung, die bei den Fans so dermaßen gefragt waren, dass im Frühjahr kurzerhand eine eigene Spezial-Tournee durch England, Polen, die Niederlande und Deutschland organisiert wurde… Mit durchschlagendem Erfolg, viele der Shows meldeten schnell restlos ausverkaufte Clubs! Fakt ist, dass die Veränderungen der letzten zehn Jahre längst nicht jedem Hörer gefallen haben, was die Band in ihrem Tun jedoch nicht aufhalten konnte, wenngleich man sich auf den regulären Konzerten erfreulicherweise noch immer um einen Mix aus Alt und Neu bemüht. Auch das comicartige Backdrop, welches das exzentrische Cover-Artwork von „One Fire“ überdimensional abbildet, verkündet visuell, dass es schon bald die volle Man-Power auf die Ohren gibt. Auf dem mittig zentrierten Ego Riser sind die Worte „Days Under The Sun“ in verschmierter Graffiti-Schrift zu lesen. Während es allmählich dunkel im Kulttempel wird, dringen verzerrt schabende Sounds durch den Saal. Es knistert, knarzt und knackt synthetisch. Ein paar wenige Scheinwerfer erzeugen spärlichen Schimmer und werfen lange Schatten, dann ziehen Lichtkegel ihre Bahnen durch die dichten Reihen vor der Bühne.

„We were made to love you. But our only hope to save you, is to terminate you. Humanity is now a threat to itself and extermination is the only way. We will start the elimination process in 10 seconds…“, tönt eine Vocoder-Stimme aus dem Off, während Schlagzeuger Dane White, Keyboarder Elliot Berlin sowie die beiden Gitarristen Jamie Cronander und Eric13 die Bühne nacheinander unter viel Applaus entern. Ihnen folgt schon bald Sänger Andy LaPlegua in zerschlissener Weste, die große Kapuze tief über das fahl geschminkte und von schwarzen Schlieren gezierte Gesicht gezogen. Der Hintergrund wird in blutrote Farben getaucht und plötzlich donnern ohne jegliche Vorwarnung Stakkato-Percussion und drückender Bass im abgehackten, fordernden Rhythmus aus den Boxen. Blitzlicht zuckt und blendet. White malträtiert sein wuchtiges Schlagwerk, Berlin drischt derweil auf ein großes Fass ein. „Hey! Hey! Hey!“, brüllt LaPlegua in sein Mikrofon und hält es sodann auffordernd in Richtung des Publikums, welches seinen Schlachtruf natürlich sofort aus vollen Kehlen erwidert. Jeder wahre „Electrohead“ weiß natürlich ganz genau, welcher ikonische Song den Reigen jetzt eröffnet, vielen weiteren Gästen geht spätestens beim einsetzenden Beat ein Licht auf: „Blut Royale“ ist ein wahrer Club-Hit des schwarz-elektronischen Genres und zählt wohl zu bekanntesten Nummern der Aggrotech-Szene. Doch war der pumpende Track vom 2005 erschienenen Durchbruchswerk „Everybody Hates You“ nicht von Anfang an im Set der laufenden Tour, denn noch in Frankfurt, Nürnberg, Leipzig und einigen anderen Spielorten eröffnete man mit dem ebenfalls grandiosen „All Pain Is Gone“ vom 2009 erschienenen „Today We Are All Demons“, beliebte Klassiker der alten Schule gab bis dato es hingegen überraschenderweise keinen einzigen! Nun, die ein oder andere Veränderung gemessen an den Reaktionen des Publikums ist im Laufe einer längeren Konzertreise ja nichts allzu ungewöhnliches. Sehr schön, dass hier nochmals Hand angelegt worden ist!

Im nahtlosen Anschluss geht es mit dem straight rockenden Abriss „Maggots At The Party“ weiter und ja, Oberhausen scheint wahrlich Lust auf Party zu haben: Bereits jetzt bildet sich ein kleiner Pogo im vorderen Bereich, einige Fans springen im Takt. Alles bewegt sich, reckt die Arme, singt. „Combichrist“ verstehen ihr Live-Handwerk nach wie vor und holen damit selbst den ein oder anderen Skeptiker mit ihrer bloßen Präsenz und unbändigen Energie ab, die sich wie ein Lauffeuer verbreitet und rasch auf die Menge überträgt. Die frische Standalone-Single aus Mai 2022 namens „Modern Demon“ gibt einen Einblick in die aktuelle Schaffensphase und darauf, wie das für 2024 anberaumte Album in etwa klingen könnte. Das von strengen Marschrhythmen getriebene „Scarred“ peitscht danach weiter an, bis mit dem unsterblichen Über-Hit „Get Your Body Beat“ dann die maximale Stufe der Eskalation erreicht wird. Bass und Beat gehen direkt ins Blut, zusätzlich unterstützen Cronander und 13 hier sehr gelungen und reichern die ursprünglich rein elektronisch geprägte Nummer mit ihren metallisch rauen Riffs an, ohne sie ihrer tanzbaren Identität zu berauben. Nein, ganz im Gegenteil. Oberhausen nimmt den Titel anscheinend sehr wörtlich und lässt der eskapistischen Feierei ihren freien Lauf. Auch Nicht-Fans und bislang lediglich neugierige Zuschauer kommen nun nicht mehr umhin, still zu stehen. Es wäre deutlich vermessen, zu schreiben, dass das Publikum nun allmählich aufgetaut wäre, nein, die Besucher brennen geradezu. Etwas unkonventioneller kommt hingegen das Doppel aus „Can‘t Control“ und „Denial“ von erwähntem „We Love You“ daher, das zwar ebenfalls viel Laune macht, jedoch eher etwas für Kenner, da unbekannter, ist.

Nichtsdestotrotz: Mit dem wunderbar antreibenden „Compliance“ und dem hammerharten, wütend tobenden Manifest „Heads Off“, welche ebenfalls just im vergangenen Jahr erschienen sind, hat man alle Augen und Ohren erneut auf seiner Seite. Nicht ohne Grund, denn den neuen Songs gelingt der behände Spagat zwischen dem Früher und Heute. Sie verbinden elektronische Fundamente, Sound-Spielereien und kleine Details mit kernigem Industrial-Metal, der ordentlich Druck und Aggressivität aufweist, zur bewährten CC-Formel. Wie mit dem Spiel aus Licht und Schatten gearbeitet wird, ist unübertroffen. Satte Farben liefern sich einen steten Schlagabtausch mit viel Stroboskop-Gewitter und zeichnen die Band oft nur als perfekt akzentuierte Schemen. Derweil wütet LaPlegua wie ein Berserker über die Bretter, springt auf die kleinen Erhöhungen, marschiert im Rhythmus und keift sich die Seele aus dem Leib. Größere Ansagen gibt es bis auf ein „Danke“ zwischenzeitlich kaum, nichts unterbricht den energetischen Flow. Seine Kollegen tun es ihm gleich und verausgaben sich vollends an ihren Instrumenten. So sieht echte Spielfreude aus! Das fiebrig flimmernde „Fuck That Shit“ und das beatlastige „Never Surrender“ liefern schließlich ein letztes Mal Futter für die Oldschool-Fanatiker, „Hate Like Me“ und das ebenfalls neue „Not My Enemy“ rücken dann eher wieder die Neuzeit mit viel heftiger Saiten-Power in den Fokus. Im Verlauf der diesjährigen Tour wurde das Set des Fünfers übrigens leider um einen Song, nämlich den massiven Bass-Stampfer „Sent To Destroy“, gekürzt. Den Abschluss bildet stattdessen das punk-rockige „My Life, My Rules“, das jetzt nochmal mächtig Staub aufwirbelt und nach knapp siebzig Minuten eine überglückliche Fan-Schar hinterlässt. Was auch sonst!?

Setlist:


01. We Were Made To Love You (Intro)

02. Blut Royale

03. Maggots At The Party

04. Modern Demon

05. Scarred

06. Get Your Body Beat

07. Can‘t Control

08. Denial

09. Compliance

10. Heads Off

12. Fuck That Shit

13. Hate Like Me

14. Not My Enemy

15. Never Surrender

16. My Life, My Rules

Megaherz:


Etwa um 21.15 Uhr ist es schließlich an der Zeit für den zweiten Headliner und damit leider auch schon letzten Act des heutigen Abends, welcher nun durch die grell flackernden Lichter der oberen Scheinwerfer-Front und den bedrohlichen Klang eines mehrmals tief tönenden Horns angekündigt wird, das schnell eine apokalyptische Endzeitstimmung aus dem Nichts auferstehen lässt. Als Erste betreten jetzt Schlagzeuger Maximilian „Maxx“ Hertweck und Bassist Werner „Wenz“ Weninger unter dem laut wummernden Bass die Bühne und nehmen dann ihre angestammten Positionen auf den beiden hinten liegenden Podesten ein. Der Hintergrund wird derweil von einem für diese recht kleine Bühne viel zu großen Backdrop bestimmt, auf dem sich der markante Logo-Schriftzug vor dem Rundfenster einer gotischen Kathedrale abzeichnet. Ansonsten bleibt die Bestückung im Vergleich zu vorherigen Tourneen überraschend kahl und geradezu spartanisch: So gibt es dieses Mal keine Masten mit zusätzlichen Moving Heads oder gar Leinwände für visuell unterstützende Video-Projektionen. Schade. Einen die gesamte Szenerie zunächst verhüllenden, halbtransparenten Vorhang, auf welchem sich die Silhouette des Teufels abzeichnet und der dann anschließend mit dem ersten Song zu Boden fällt, wie es noch zu Beginn der Konzertreise in anderen Städten üblich war, gibt es heute Abend ebenfalls nicht. Vermutlich rein aus Platzgründen. Nur wenig später treten auch die beiden Gitarristen Christopher „Chris“ Klinke und Christian „X-ti“ Bystron hinzu. Sie alle tragen in Anlehnung an den Titel des aktuellen Studioalbums schwarze Hemden mit weißen Kragen, genannt „Kollar“, wie es sonst nur Geistliche tun. Ihnen folgt schon bald Frontmann und Sänger Alexander „Lex“ Wohnhaas in einem dunklen Jackett. Bedächtig schreitet er ins Zentrum, legt seine Arme über Kreuz, faltet die Hände und senkt den Kopf. Für quälend lang erscheinende Sekunden verharren die fünf Musiker nun in ihren Positionen, bis plötzlich das verzerrte Main-Riff des neuen Titelsongs einsetzt und wenig später alle Dämme brechen: Das brachiale „In Teufels Namen“ kommt wie ein grollendes Gewitter über den Kulttempel und begräbt mit seiner energiegeladenen Mischung aus walzendem Stakkato-Drumming und brettharten Saiten im voluminösen Gewand kurzerhand alles unter sich. Die Herzen legen sofort von Null auf Hundert los: Klinke und Bystron erklimmen stehend die Ego Riser am vorderen Rand, während Wohnhaas im schnell zuckenden Schein des stroboskopischen Blitzlichtgewitters von der einen zur anderen Seite der Bühne hechtet und das schwarz-weiß geschminkte Clownsgesicht zu fiesen Grimassen verzieht.

Der Sound ist wie schon zuvor bei „Combichrist“ ziemlich druckvoll, kernig und stark, doch dabei nicht zu laut, sodass man alle Nuancen gut differenziert erkennen kann. Lediglich der Gesang selbst scheint anfangs noch ein wenig zu leise abgemischt und geht etwas unter. „Hallo, Oberhausen! Wie geht’s euch?“, begrüßt der Sänger das Publikum freudestrahlend. „Können wir mal alle eure Arme sehen?“, wünscht er sich und muss die Fans natürlich nicht lange bitten. „Und jetzt im Rhythmus!“, fordert er zum schaurig-eindringlichen „Roter Mond“ vom 2014 erschienenen Erfolgsalbum „Zombieland“ und schon bald klatscht alles im mitreißenden Takt. Mit dem „Horrorclown“ folgt direkt darauf die zynische Trump-Persiflage des Vorgängers „Komet“ aus dem Jahr 2018, der heute immerhin noch mit drei Stücken vertreten sein wird. Auch wenn die Schreckensherrschaft des entsprechenden Ex-USA-Repräsentanten mittlerweile der Vergangenheit angehört, gibt es dafür aber immer noch genügend andere Politiker, Worthülsenschwinger, Besserwisser, Egoisten, Blender und Verbrecher, über welche es sich ordentlich Luft zu machen gilt… „Alles Arschlöcher“ eben. „Wir leben in einer Arschloch-Gesellschaft und haben den passenden Soundtrack dafür geschrieben!“, untermauert Wohnhaas das überdeutliche Statement der aktuellen Single-Auskopplung, die hörbar Anklang bei den Fans findet und geradezu für eine livehaftige Darbietung gemacht ist. So dauert es nicht mehr lange, bis schließlich nahezu der ganze Saal als trotziger Chor den herrlich plakativen Titel lauthals skandiert, um sich der Wut auf die Wütenden auf die denkbar friedlichste Weise zu entledigen. Das den rauschenden Exzess auf Seiten von Band und Publikum beschwörende „Vorhang Auf!“ mutet dann wie ein vor Leben und Lust sprühender Befreiungsschlag an. Insbesondere vor dem Hintergrund, hier und heute erstmals wieder im Rahmen dieser Post-Pandemie-Tour abstandslos zusammenkommen zu dürfen. Allen Beteiligten hat das sichtlich gefehlt, findet auch Lex selbst: „Es tut so gut, diese Lieder endlich wieder abfeiern und euch Pappnasen alle wiedersehen zu können!“, lacht er ausgelassen. Das emotionale „Amnesie“ wurde sich im Vorfeld der Konzerte oft und viel in den sozialen Medien für die Shows gewünscht. Umso schöner, dass die finstere Halb-Ballade rund um den Wunsch des Vergessens schmerzhafter Erlebnisse und suizidale Tendenzen es tatsächlich in das Set geschafft hat! Vor allem die sehr intensive Intonation von Wohnaas, der hier stimmlich ganz besonders im Refrain brilliert, überzeugt dabei durchweg - Gänsehaut! Mit dem Hinweis, dass der nächste Song auf keiner „Megaherz“-Party fehlen darf, blättern wir im Kalender ein wenig zurück zu einem ganz besonderen Datum, das da selbstredend nur der „05. März“ sein kann! Schon der erste Akkord lässt laut aufjubeln und die Herzen haben den Tempel mit diesem unverzichtbaren Klassiker sofort im Griff, bevor mit „Nicht In Meinem Namen“ ein klares Zeichen gegen Rechts gesetzt wird.

Passend dazu entledigt sich der Frontmann seiner Jacke und zieht sich fernab der Bühne kurzerhand um. Trug er darunter bis gerade eben noch ziemlich werbewirksam das brandneue T-Shirt zu „Alles Arschlöcher“, so ist jetzt stattdessen mehrmals „Fuck Racism!“ darauf zu lesen. Eine Einstellung, die man nicht oft genug nach außen tragen kann. „Danke, Oberhausen! Habt ihr noch ein bisschen Kraft? Dann springt mit uns!“, fordert Lex zum treibenden „Glas Und Tränen“ von „Herzwerk II“ aus dem Jahr 2002. Der roughe Banger, der zwar schon auf der vergangenen „Komet“-Tour gespielt wurde und doch eher zu den selteneren Stücken gehört, hat über all die Zeit absolut nichts von seiner unbändigen Power eingebüßt und rockt im besten Crossover-Stil das Haus. Aufgrund der extrem verknappten Spielzeit auf dieser Konzertreise soll es leider schon die letzte echte Oldschool-Nummer im recht kurzen Set bleiben. Auf weitere rare Perlen der letzten Touren, wie beispielsweise „Liebestöter“, „Dein Herz Schlägt“, „Gott Sein“ und „Ja Genau“ oder auch Hits der Marke „Kopfschuss“, „Jordan“ und „Heuchler“ muss im weiteren Verlauf verzichtet werden. Sehr schade! Dafür gibt es aber immerhin genügend neue Tracks, die ins Rampenlicht wollen: Die emotionale Ballade „Rabenherz“ lädt zum Schwelgen ein, beim eingängig pop-rockenden Stampfer „Engelsgesicht“ darf zusammen der Chorus gesungen werden und der explosive Up-Tempo „Freigeist“ bündelt dann nochmals alle Energien zum kollektiven Abgehen. Fast schon unnötig zu erwähnen, dass dieses Trio ganz hervorragend funktioniert, wurde die Live-Tauglichkeit jenen Songs doch quasi auf den Leib geschrieben. „So, der alte Mann muss sich mal setzen. Jetzt kommt ein Song, den ich jeden Abend ganz besonders genieße. Ich hoffe, ihr genießt ihn mit mir…“, möchte Wohnhaas einer kleine Überleitung zum nächsten Stück schaffen, während ihm ein Crew-Mitglied einen hohen Barhocker zur Seite stellt. „Dann wissen wir, dass es jetzt langweilig wird!“, tönt es aus dem Publikum und alle lachen. Auch Lex kann sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen, wird anschließend aber wieder ernster. Es folgt eine der wohl beliebtesten „Megaherz“-Balladen der neueren Ära: „Für Immer“ wird in einer sehr behutsamen Piano-Version samt schön reduzierter Lichtinstallation dargeboten und löst damit „Augenblick“ als Solo-Darbietung der letzten Jahre ab. Viele singen mit. Dass die Herzen keinen Keyboarder haben und die Musik hier ausnahmsweise vom Band kommt, stört da tatsächlich nicht im Geringsten.

Der helle Klang von Stahl auf Stahl, wiehernde Pferde und die gellenden Schreie einer weiter entfernten Schlacht dringen aus den Boxen, bis plötzlich eine ängstliche Frauenstimme aufgeregt ruft: „Die Dummen, sie kommen!“… Natürlich kann jetzt nur der martialische „Der König Der Dummen“ seinen majestätisch-fragwürdigen Einzug in den Kulttempel halten. Prinzipiell verhält es sich hier ein wenig wie auf dem Album selbst: Die Nummer hat rein musikalisch gesehen mächtig Dampf unter dem Kessel und auch der zynische Text weiß zu gefallen, nur will das alles im direkten Vergleich zu den anderen Neuzugängen irgendwie nicht so ganz zünden, was eventuell auch daran liegt, dass dieser metallische Dampfhammer keinen richtigen Refrain hat. Applaus gibt es natürlich trotzdem. „So schön war der Abend und so schnell kann er wieder vorbeigehen… Aber einen haben wir noch für euch!“, leitet der Sänger so allmählich das Ende des Hauptteils ein, welches dann auch prompt mit dem bekannten NDH-Gassenhauer „Miststück“ sowie viel Headbangen und Gesang seitens der Fans besiegelt wird. „Großartig, Oberhausen. Das war „Megaherz“ für euch!“, verabschiedet sich Wohnhaas im Namen der gesamten Band, welche die Bretter daraufhin für eine kleine Pause verlässt. Klar, dass es eine kleine Zugabe gibt, oder? So empfängt das Publikum die Fünf also mit einem lauten Applaus bald zurück auf der Bühne und dann heißt es „Lauf, Baby, lauf!“, denn die „Jagdzeit“ hat gerade begonnen. Alle geben nochmal alles und so taucht Oberhausen gegen 22.30 Uhr mit dem abschließenden „Himmelsstürmer“ gefühlt viel zu früh ins helle Blau ein, bevor noch das obligatorische Abschluss-Foto gemacht wird. Der Großteil entschwindet schon bald durch die Türen in die Nacht hinein, einige restliche Gäste bleiben hingegen noch auf einen Absacker an der Bar mit lieben Freunden oder ein Autogramm am Merchandising-Stand. Schön war’s! Hoffentlich auf ein teuflisches Wiederhören und -sehen in 2024…

Setlist:


01. Intro

02. In Teufels Namen

03. Roter Mond

04. Horrorclown

05. Alles Arschlöcher

06. Vorhang Auf!

07. Amnesie

08. 05. März

09. Nicht In Meinem Namen

10. Glas Und Tränen

11. Rabenherz

12. Engelsgesicht

13. Freigeist

14. Für Immer (Piano)

15. Der König Der Dummen

16. Miststück

17. Jagdzeit

18. Himmelsstürmer

Impressionen: Carsten Zerbe - Pixel.Ruhr / Schwarzpixel http://pixel.ruhr https://www.instagram.com/pixel.ruhr/ https://www.facebook.com/pixel.ruhr/ http://www.schwarzpixel.de https://www.instagram.com/schwarzpixel/ https://www.facebook.com/schwarzpixel

bottom of page