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BEITRÄGE:

  • AutorenbildChristoph Lorenz

Hybridize Festival - Kulttempel, Oberhausen - 08.03.2019


Veranstaltungsort:

Stadt: Oberhausen, Deutschland

Location: Kulttempel

Kapazität: ca. 500

Stehplätze: Ja

Sitzplätze: Nein

Homepage: http://www.kulttempel.com

Einleitung:

Wir schreiben den 08.03.2019, ein junger Freitag Abend. Diese Woche ist entspannt und ereignisreich zugleich, habe ich in jener doch nicht nur etwas Urlaub, sondern erst vor drei Tagen „Oomph!“ bei ihrem Gastspiel in der Bochumer Zeche sehen dürfen. Heute steht schon das nächste Event an, auf welches ich mich bereits seit seiner Ankündigung vor weit über einem halben Jahr freue. Sogar so sehr, dass ich in meiner Euphorie bereits letzten Sommer sofort alle möglichen Hebel für eine Presseakkreditierung in Bewegung gesetzt habe. Wahrscheinlich ein bisschen zu früh, wurde ich damals doch freundlich gebeten, zu Beginn des Jahres 2019 nochmal anzufragen. Das habe ich getan und zum Glück hat alles geklappt - Toll! Das Programm ist aber auch mehr als verlockend: Unter dem als „Hybridize“-Festival angekündigten Konzept, haben sich mit „Eisfabrik“, „Funker Vogt“ und „Agonoize“ gleich drei zugkräftige Bands als Headliner zusammengefunden, dazu wurden mit „Vanguard“ und „Intent:Outtake“ sogar noch zwei spannende Support-Acts zusätzlich angekündigt. Ein absoluter Hochgenuss für alle Fans des schwarzen Electro also, der in all seinem Facettenreichtum in vier Städten keine Wünsche offen lässt! Als ich gegen 18.50 Uhr am Kulttempel in Oberhausen ankomme, ist der Einlass bereits vorüber. Ohne lange Wartezeit nenne ich an der Abendkasse meinen Namen und bekomme kurzerhand ein rotes Bändchen ums Handgelenk gelegt. Keine Minute später fängt mich Torsten, der heute Abend fotografiert, auch schon im kleinen Foyer ab und verrät mir, dass wir unsere Ausrüstung und Garderobe im Backstage-Bereich unterbringen dürfen, da wir ja keine Verzehrkarte erhalten haben. Zwar anfangs noch etwas ungewohnt für mich, aber allemal eine tolle Sache! Vor allem auch deshalb, weil man so automatisch gleich viel näher am Geschehen ist und im Verlauf des Abends schnell neue Kontakte knüpfen kann. Zum Beispiel mit den beiden wirklich sympathischen Jungs von „Intent:Outtake“ oder einzelnen Crew-Mitgliedern. Und auch das ein oder andere bekannte Gesicht sieht man hier auf einen kleinen Plausch mal wieder, wie etwa Jens Domgörgen, den Keyboarder von „X-Divide“ und Moderator zahlreicher Festivals. Die Atmosphäre ist sehr familiär, geerdet und entspannt. Als nur wenig später schon die ersten wummernden Klänge aus dem Saal dröhnen, lege ich meine Sachen schnell unter den Tisch neben mir und öffne die kleine Tür in Richtung Bühne. Los geht’s!

Vanguard:

Etwa um 19.00 Uhr fällt also der unüberhörbare Startschuss für die erste Ausgabe des neuen „Hybridize“-Festivals in Nordrhein-Westfalen. Und das nicht einfach nur so, sondern sofort mit einer ganzen Menge guter Musik! Doch sind es zum jetzigen Zeitpunkt nicht die plakativ angepriesenen Elemente aus Eis, Feuer und Blut, welche hier für die nächsten Minuten die Bühne dominieren sollen... Zumindest noch nicht. Nein, denn zur Eröffnung gibt es feinsten Alternative Electro aus Schweden! „Vanguard“ nennt sich das gemeinsame Projekt von Keyboarder Jonas Olofsson und Sänger Patrik Hansson aus dem beschaulichen Gothenburg, die 2011 mit ihrer selbstbetitelten EP ein erstes Lebenszeichen in die Welt entsandten. Einst also unter den Fittichen von Conzoom Records gestartet, sind seitdem mehrere Singles, EPs und nicht zuletzt ganze vier Alben erschienen. Das Fulltime-Debüt „Sanctuary“ legte dazu anno 2012 den ersten Stein, es folgten „Retribution“ und „Never Surrender“. Mittlerweile bei Infacted Recordings unter Vertrag, veröffentlichte man erst kürzlich „Manifest“, das rundum hervorragende Resonanz erfuhr. Als größte Inspiration für ihre Musik, nennen die beiden Schweden das Leben selbst. Das lässt sich spätestens dann fraglos so unterschreiben, als man mit „Higher Grounds“ vom neuesten Ableger ins Set durchstartet, „A Different Story“ knüpft daran an. Der Sound ist tatsächlich ungemein abwechslungsreich und vielschichtig. Irgendwie durchgängig introvertiert und verträumt, trotzdem aber sehr catchy und tanzbar. Es ist schwelgerisch schöner, wirklich professionell gemachter Synthie-Pop mit Köpfchen und Herz, der sofort in Selbige trifft. So letztlich auch „Hate“ oder „Save Me“, die nach etwas weniger als einer unterhaltsamen, halben Stunde einen runden Abschluss bilden. Eine schöne Einführung in den frühen Abend, die das pure Gefühl für elektronische Musik hier mit angenehmer Leichtigkeit bei den ersten Besuchern sogleich entfacht haben dürfte. Davon in Zukunft gerne mehr!

Intent:Outtake:

Der zweite Special Guest des noch immer recht jungen Abends ist die aufstrebende Dark-Electro-Formation „Intent:Outtake“ aus Leipzig. Das sympathische Duo aus Keyboarder Andreas Engleitner und Sänger Bastian Polak war zu seinen Gründungszeiten in 2011 vorerst noch als reines Ein-Mann-Projekt erdacht, das zuerst ausschließlich mit Remix-Arbeiten für andere Künstler auf den Plan der Öffentlichkeit trat, spätestens seit 2014 und dem gleichzeitig erfolgten Heimspiel auf dem Wave Gotik Treffen jedoch als echte Band fungiert. Schon ein Jahr später folgte mit dem „Wake Up Call“ sodann ein aussagekräftiges Signal, welches für erste Aufmerksamkeit in der Szene sorgen und sich immerhin bemerkenswerte acht Wochen in den Top 10 der DAC-Charts behaupten konnte. Das zur ersten Single auserwählte und dabei äußerst passend betitelte „Neustart“ fungierte danach als appetitanregender Vorbote zum mit einiger Spannung erwarteten Zweitling „About Halos“, der abermals bis an die Spitze derselbigen vorzurücken wusste. Seit Herbst des Jahres 2017 läuft nun die „Schmerzmaschine“ über Plattenlabel Sonic-X eifrig auf Hochtouren, gefolgt von exklusiven Release-Konzerten. Als Einflüsse zu ihrem Tun geben die beiden Musiker etwa Bands wie „Haujobb“, „[:SITD:]“ oder „Hocico“ über die sozialen Netzwerke an. Allesamt namhafte Einflüsse, die sich bestens im facettenreichen Sound der Sachsen wiederfinden, wie jetzt beispielsweise „Seek & Destroy“ oder „Evolution“ zeigen. Wer „Intent:Outtake“ zuvor vielleicht schon auf dem Nocturnal Culture Night bei Deutzen oder dem just vergangenen Amphi Festival in Köln einmal live erleben durfte, der weiß um ihre packenden Qualitäten. Wer hingegen das erste Mal eine ihrer Show-Cases erlebt, wird spätestens jetzt überzeugt. Und so dauert es nicht einmal zehn Minuten, bis Oberhausen mit zunehmender Begeisterung feiert und sich sichtlich gerne mitreißen lässt. Ständige Animation? Nicht einmal annähernd notwendig. So soll‘s sein! Rein optisch wird das energiegeladene Geschehen zudem von kreativ gestalteten Outfits aus allerhand Fetzen, zahlreichen Brandlöchern und martialischer Kriegsbemalung unterstützt. Selbst das Mikrofonstativ, welches aus einigen Kabeln, Rohren und einem ausgeschlachteten Herzen mit daran montierten Schläuchen besteht, gliedert sich stimmig in den apokalyptischen Style irgendwo zwischen dystopischer Zukunftsvision und „Mad Max“ ein. Eine Videoleinwand im Hintergrund sorgt unterdessen mit kleinen Clips und passenden Visuals weiterhin für die richtige Atmosphäre. Das balladeske „Der Letzte Tanz“ schlägt dann gegen Ende nochmals nachdenkliche Töne an und wird dem erst kürzlich tragisch verstorbenen „The Prodigy“-Kopf Keith Flint gewidmet. Ein durchaus bewegender Moment. „Ihr seid doch hier zum feiern, oder? Schluss mit traurig sein!“, lockert Engleitner die melancholische Stimmung nun wieder etwas auf und gibt anschließend Ausblick auf ein baldiges Wiedersehen: „Wir sind später noch am Merch. Da können wir dann noch etwas zusammen trinken und ein bisschen quatschen, wenn ihr wollt.“, heißt es, bevor es zum Schluss dann an der Zeit für einen kompletten „Neustart“ ist. Der überraschend laute Beifall zum Abschied untermauert ganz klar, dass das verhältnismäßig kurze Gastspiel der beiden Leipziger bleibenden Eindruck im Kulttempel hinterlassen hat. Nicht unbedingt selbstverständlich für einen Support, der hier gerade immerhin vor dem eingeschworenen und somit nicht minder kritischen Fan-Kern dreier Top-Acts aufspielte. Mit seinem bestens ausgeglichenen Sound aus melodischem Pop, tanzbaren Rhythmen, kritischen Texten und harschen Beats hat das eingespielte Duo offenbar den Nerv vieler Gäste getroffen und stellt so das perfekte Bindeglied zwischen den verschiedenen Bands dar... „Intent:Outtake“: Ein Name, den man sich für die Zukunft merken sollte!

Eisfabrik:

Gegen 20.15 Uhr ist, pünktlich zur besten Sendezeit, dann auch endlich das erste Element des Abends an der Reihe: Eis. Und wer könnte für die Vertretung dessen wohl besser geeignet sein, als die Hamburger von „Eisfabrik“? Das im tiefsten Winter des Jahres 2011 gegründete und nicht weniger mysteriöse Projekt, tauchte erst anno 2015 mit seinem starken Debüt „When Winter Comes“ überraschend in der schwarzen Szene auf und eroberte die Herzen des Genres sofort im (Schnee-)Sturm. Seitdem sind die vier Fabrikanten nicht mehr aus den schwarzen Clubs und von den zahlreichen Festivals wegzudenken. Nein, die unterkühlten Hanseaten sind selbst nach dieser verhältnismäßig kurzen Zeitspanne zu einem modernem Klassiker geworden. Ein sicherer Selbstläufer und verlässlicher Hit-Garant, der seinen hohen Qualitätsstandard mit jeder weiteren Veröffentlichung konstant hält - Ein wahnsinniger Erfolg! So ist es also nicht gerade verwunderlich, dass die „Eisfabrik“ auch jetzt wieder einen großen Teil des Publikums bereits längst zu ihren treuen Fans zählen kann, die nunmehr enthusiastisch jubeln, während Schlagzeuger René Dornbusch, sowie die beiden Keyboarder Jan „Celsius“ Bertram und Gerrit „Der Frost“ Thomas zu den stampfenden Takten des grollenden Intros die Bühne betreten. Ihnen folgt Sänger Charly „Dr. Schnee“ Barth-Rickfels, um mit dem technoiden „Shadows“ gebührend zu eröffnen. „Hallo, Oberhausen!“, begrüßt er die sichtlich erfreute Menge, die sowohl beim folgenden „Polar Night“ als auch bei „A Million Lights“, das hier von frostigen Stürmen aus reichlich Kunstschnee begleitet wird, nicht einmal daran denkt, nachzulassen. Die, wie gewohnt, komplett in klinischem Weiß gehaltene Bühne beherbergt im Hintergrund zudem ein ausgefallenes Konstrukt mit mehreren Metallplatten, auf denen zu „Schneemann“ jetzt der Bandname als LED-Schriftzug wild blinkt. Es wird allerorts voller Inbrunst mitgesungen, denn auch bei „The Survival Of The Strongest Mind“ bilden sich so stimmgewaltige wie textsichere Chöre im Publikum. Nachdem Barth-Rickfels die ihm angereichte, liebevoll gestaltete Flagge eines Fans aus den vorderen Reihen für alle sichtbar stolz präsentiert, wendet er sich für eine etwas längere Ansage an die Besucher: „Vielen Dank! Jetzt kommt ein neuer Song, den wir vor zwei Wochen in Hamburg zum ersten Mal gespielt haben. Das ist quasi unser Beitrag zur Tour, der ist übrigens auch auf der EP. Wenn ihr uns unterstützen wollt, die gibt’s für ein paar Euro direkt am Merch in limitierter Auflage. Also greift zu, es sind noch in etwa so einhundertfünfzig Stück da, das war’s dann... Also Attacke!“, motiviert er werbewirksam und kann sich spätestens nach „You Got That Fire Over Me“ sicher sein, den Absatz erheblich gesteigert zu haben. Anschließend lässt man die „Maschinen“ dann aber so richtig heißlaufen. Dazu streift überraschend ein roboterartiges Wesen auf meterhohen Stelzen quer durch den Saal und schießt grelle Laserstrahlen aus seinen Händen, die sich fortan meterweit auf die Wände projizieren. Das Hit-Programm reißt nicht ab und so setzt man mit „The Choice“, „Ice Crystal“ und vor allem dem unerschütterlich-epischen „Walking Towards The Sun“ auf eine ausgewogene Mixtur aus Neu und Alt. Nachdem man unter den zahlreichen Gästen einen augenscheinlichen Doppelgänger von Bertram ausgemacht und ihn sodann kurzerhand spaßend als Ersatz für personelle Engpässe konsultiert hat, geht’s direkt in den „White Storm“ hinein. Der Kulttempel hebt dazu die Arme und klatscht mit. Nordrhein-Westfalen feiert ausgelassen bis zum Ende, das heute aber leider schneller gekommen sein soll, als den meisten Besuchern lieb sein dürfte. So markiert die launige Hymne „Friends“ den Abschluss des Sets, zu welchem es jetzt nicht nur wieder zu schneien beginnt, sondern auch der kürzlich via Facebook als vermisst gemeldete Yeti das Mikrofon gegen eine Banane austauscht und allerhand weiteren Schabernack treibt, bis die „Eisfabrik“ nach etwa einer guten Stunde ihre Pforten schließt. Die zahlreichen „Zugabe!“-Rufe müssen ob des strengen Zeitplans leider unerhört bleiben...

Funker Vogt:

Pünktlich um 21.30 Uhr ruft man im Kulttempel endgültig den offiziellen „Tanzbefehl“ aus, denn der Funker kommt! Die Spannung steigt weiterhin an und die ohnehin schon beengten Reihen vor der Bühne verdichten sich jetzt immer mehr. Ja, mittlerweile ist es hier richtig voll geworden und das Interesse an der einstigen EBM-Instanz aus Hameln groß. Für jene waren die letzten Jahre nicht gerade leicht, musste sie doch durch den Ausstieg von Jens Kästel eine einschneidende Wendung erfahren, sondern mit kurzen Verpflichtung des umstrittenen Sacha „Sick Man“ Korn zuletzt vor allem auch massive Kritik in der schwarzen Szene einstecken. Seit Ende 2016 verpflichtete man „Agonoize“-Mastermind Chris L., der fortan die neue Stimme des Funkers sein sollte und der Band durch ihren Neustart mit „Code Of Conduct“ wieder massiven Aufwind verschaffte. Auch der Zweitling „Wastelands“nwusste Fans und Kritiker vergangenen Herbst weitestgehend zu überzeugend. Die Segel sind gesetzt, die Zeichen stehen auf Sturm. So auch jetzt, als dramatische Chöre und schwer drückende Beats ertönen, während zwei Maskierte mit Sturmhauben und Fahnen in den Händen die imposante Kulisse aus Satellitenschüsseln und Sandsäcken betreten, die einem Schützengraben gleicht. Über allem thront die auffällige Replikation des bekannten Logos, vor dem jetzt René Dornbusch an dem Drumkit aus rostigen Fässern und Gerrit Thomas am Keyboard in Stellung gehen, bis L. schließlich zum wütenden Opener „Phönix“ dazukommt. „Hallo, wir sind „Funker Vogt“! Auch wenn wir hier gerade vor einem riesigen „Agonoize“-Banner stehen...“, lacht der Sänger mit Blick auf das übergroße Backdrop des Headliners. „Naja, schon okay. Geht’s euch da unten gut?“, fragt er und gibt den „Desperado“. Raue Mengen an Nebel wabern durch den Saal und hüllen alles in dichte Wolken ein. „So, wir haben hier nix mehr zu trinken, glaube ich. Kann’s endlich losgehen?“, fragt er, als es danach für lange Sekunden auf der Bühne dunkel bleibt. Scheinbar gibt es hier ein kleines, technisches Problem, welches aber schon bald wieder behoben werden kann. „Wir könnten auch A cappella singen, was meint ihr?“, witzelt der Front-Funker sarkastisch, danach geht’s mit dem aktuellen Titeltrack auch schon ins „Wasteland“. „Vorhin haben wir uns hier noch den Arsch abgefroren, jetzt läuft uns die Suppe!“, bemerkt L. bei „Gladiator“ und behält Recht. In der Tat ist es seit Beginn zunehmend wärmer geworden und kein Ende scheint in Sicht. Auch der bahnbrechende Über-Hit „Gunman“, der nun im stark optimierten Neumix daherkommt, ändert rein gar nichts an diesem Fakt, im Gegenteil: Die Fans feiern die alten Klassiker im modernisierten Gewand heute ebenso sehr, wie auch das frische Material der letzten beiden Alben. Unterdessen werden die Kanonen am Bühnenrand geladen und schon bald sausen einige T-Shirts mit ordentlich Druckluft unter freudigem Johlen ins Publikum. „Wir hatten da mal so eine Single, glaube ich!?“, spielt der Sänger augenzwinkernd auf den Song „Feel The Pain“ an, das seine Live-Premiere auf dem letzten Amphi Festival erfuhr. Just in diesem Moment mache ich zufällig die kurze Bekanntschaft mit Tourmanager Alexander „Fischy“ Fischer, der ein kurzes Video für den Tour-Trailer macht. Auf seine Nachfrage erzähle ich ihm, dass ich einen Konzertbericht über den heutigen Abend schreibe und er besteht auf die Erwähnung, dass der Tourmanager eine „geile Sau“ ist. Ich verspreche ihm, genau das zu erwähnen und schon geht’s mit dem tragischen „Für Immer“ und dem gnadenlosen Bass-Gewitter „Bring The Fight“ weiter im Programm. Zwei echt überzeugende Nummern, die sich live ganz besonders gut machen! So auch die spektakuläre Band-Hymne „Funker Vogt 2nd Unit“, welche abermals als hitziges Duett zwischen Dornbusch und L. aufgezogen wird. Sehr cool. Dabei fällt vor allem positiv auf, wie sehr sich das neue Gefüge mittlerweile aufeinander eingespielt hat. Die drei Musiker harmonieren zu jeder Zeit hervorragend miteinander und haben sichtlich Spaß... Der Funker ist endlich zurück! Vielleicht sogar stärker, als jemals zuvor, wenngleich natürlich angemerkt werden muss, dass deutliche Unterschiede zu damals nicht zu leugnen sind. Das ist jedoch völlig normal und das Trio geht mit der Situation nun deutlich gelassener und sicherer um, als noch zur Reunion. Nein, „Funker Vogt“ machen hier das einzig Richtige und versuchen gar nicht erst, ihre Wurzeln alter Tage unnötig zu verleugnen, schauen gleichzeitig aber äußerst zielstrebig nach vorn. Zudem hätte man sich für die martialische Neuinterpretation wohl keinen besseren Frontmann als Chris L. wünschen können, der bekanntlich ein echter Entertainer ist und die Atmosphäre authentisch transportiert. Der Fokus liegt hier klar auf energiegeladenen Rhythmen für den Dancefloor und Konzerte, auch die Visualisierung hinsichtlich einer stets unterhaltsamen Show wurde merklich aufgestockt. Das tut der Musik sehr gut und hebt das Projekt gleichzeitig auf ein aktuelles Level. Ausreichend überzeugende, neue Lieder sind ebenfalls keine Mangelware. „Thor‘s Hammer“ und das zuletzt zur EP ausgekoppelte „Ikarus“ stellen da keine Ausnahme dar. Zum Abschluss gibt es mit dem epochalen „Tragic Hero“ nochmals einen echten Everblack, bevor man dann zum letzten Tanz ruft. Ein wirklich gelungenes Showcase, welches die Brücke zwischen damals und heute perfekt geschlagen hat. Ein klarer Sieg für „Funker Vogt“ in dieser Schlacht, dem mit Sicherheit in Zukunft viele Weitere folgen werden... „Musik ist Krieg!“.

Agonoize:

Die Uhr zeigt mir 23.15 Uhr an. Normalerweise würden die meisten Konzerte spätestens jetzt ihr streng gesetztes Ende finden und die Fans somit nachhause gehen. Nicht so beim „Hybridize“, denn immerhin stellen die insgesamt vier Termine den heißen Anwärter auf eine gänzlich neue Indoor-Festival-Reihe dar. Und wie es sich für ein ebensolches Event richtig gehört, gibt es selbstverständlich noch einen großen Headliner. Diese ehrenvolle Aufgabe übernimmt an diesem Abend niemand Geringeres, als die berühmt-berüchtigten „Godfathers of Hellectro“: „Agonoize“. Die erfolgreichen Berliner spalten die schwarze Szene seit jeher so sehr, wie wohl kaum ein anderes Projekt und werden für ihre schonungslos harte Musik irgendwo zwischen massiver Sozialkritik, exzessiven Gelüsten und brutalen Horror-Elementen vom Publikum gleichermaßen gehasst, wie geliebt. Keine Frage, die aggressive Industrial-Maschinerie aus der Hauptstadt schockt und polarisiert seit ihrer Gründung im Jahr 2002 mächtig. Ein nicht immer angenehmer Nebeneffekt, welcher zwar schon so manches Mal einige Widrigkeiten mit sich brachte, die Band aber mittlerweile für sich zu nutzen weiß. Der Hintergrund wird von einem riesigen Backdrop mit dem klassischen Band-Logo darauf bestimmt, das sich davor auf zwei erhöhten Podesten befindliche Instrumentarium wurde mit Pentagrammen und Trommeln für zusätzliche Percussion ausgekleidet. Aus dem fahlen Licht der Scheinwerfer schält sich jetzt eine vermummte Gestalt im zerlumpten Umhang hervor, die einen Rollstuhl mit einem darin sitzenden Skelett über die Bühne schiebt. Da Gründungsmitglied Oliver Senger nach wie vor verhindert ist, greift man auch jetzt auf das Line-Up der letzten Festival-Saison zurück. So entern unterdessen der mit einem Totenschädel maskierte Live-Drummer und Keyboarder Sams Tiller, der einigen Gästen unter anderem bestimmt als „FanTotal“-Merchandiser bekannt sein dürfte, die Bretter und heizen das ohnehin schon jubilierende Publikum weiter an. Zu guter Letzt schreitet auch Sänger Chris L. unter frenetischem Applaus ins Zentrum der Aufmerksamkeit, in eine dunkle Kutte gehüllt und die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Durchaus ungewöhnlich und hinsichtlich der Stimmung etwas riskant, greift man für den Opener nicht etwa auf einen lange schon bekannten Song zurück, sondern bietet mit „Apeirophobia“ gänzlich unbekanntes Material vom kommenden Studioalbum „Midget Vampire Porn“, dessen anstehender Release nunmehr für Frühjahr 2019 angesetzt wurde. Der Überraschungseffekt greift zuverlässig und die Fans bereiten den Berliner Provokateuren einen herzlichen Empfang. Zum ebenfalls neuen „Weltenschmerz“ gibt es dann zumindest hinsichtlich der Effekte gewohnt beliebte Kost, als L. ein scharfes Messer an seinen Hals anlegt. Ein kurzer Schnitt und schon schießt eine meterhohe Fontäne aus rotem Lebenssaft in die Luft empor. Lauter Beifall, (fast) hier will jeder Gast etwas vom Blutbad abbekommen. „Sorry, no blood for you today!“, wie es noch auf dem vergangenen Amphi Festival entschuldigend hieß? Weit gefehlt: „There will be blood on the dancefloor!“ lautet heute Abend die klare Kampfansage oder auch „Schmerzpervers 2.0“.

Nach dem furiosen Einstand aus ganzen drei taufrischen Tracks, ist es mit „Dafür“ jetzt aber erst einmal wieder an der Zeit für Bewährtes. Dazu ziehen beängstigend große Nebelwolken auf, die sich innerhalb von nur wenigen Sekunden zu einer undurchsichtigen Wand verdichten, die selbst noch bis zur stolzen Bekundung anhält, ein „Staatsfeind“ zu sein. Spätestens jetzt wird der Kulttempel zum kochenden Hexenkessel! Das mitreißende „Blutgruppe Jesus Negativ“ entfacht wilde Tänze und schickt sich danach mit scheinbarer Leichtigkeit an, zum neuen Klassiker zu mutieren. Dass allein der sarkastisch kokettierende Titel den Frontmann nur zu gerne dazu einlädt, den kalten Stahl erneut schnitzend über die angedeuteten Pulsadern fahren zu lassen, erklärt sich dabei praktisch von selbst. Die Menge begrüßt die zweite Blut-Dusche freudig und breitet ihre Arme aus. Chris L. hat ebenfalls seine helle Freude und lässt niemanden aus. In den folgenden Minuten tue ich es dem mit viel obligatorischen „Hey, Hey, Hey!“-Rufen besungenen „Vollrauschfetischist“ gleich und „mixe so nebenbei noch einen letzten Drink“. Mit einem vollen Becher in der Hand bin ich pünktlich zurück, um mir das neue Pendant zu einem weiteren Hit anzuhören: „Homme Fatale“ geht in Text und Arrangement verständlicherweise ganz ähnliche Wege, wie die „Femme Fatale“ vom gefeierten 2007er Ableger „Sieben“, besitzt aber trotzdem ausreichend Eigenständigkeit, seinen Platz auf dem kommenden Release zu verdienen. Eine wirklich charmante Hommage mit dem typischen „Agonoize“-Charakter, der nur eine Frage zulässt: „Was war da los letzte Nacht?“. „Seid ihr bereit für das neue Album!?“, brüllt L. vor „A Vampire Tale“ animierend ins Mikrofon und sieht sich abermals tosendem Jubel gegenüber. „Na, bitte! Believe in yourself!“, lautet seine augenzwinkernde Antwort vor „Glaubenskrieger“, welches die Stimmung natürlich nochmals erheblich nach oben treibt. Während dem noch immer aktuellen „Deutsch“ passiert dann ein kleines Missgeschick: L. rutscht versehentlich auf dem blutverschmierten Boden aus und fällt recht unglücklich von der Bühne hinunter. Ein kurzer Schockmoment, der jedoch schon bald aufgelöst werden soll, denn der Fronter lässt sich nicht beirren und singt einfach direkt im Publikum weiter, bis er zu „For The Sick And Disturbed“ erneut auf die Bretter klettert. Das unschlagbare „Bis Das Blut Gefriert“ bietet danach mit fetten Beats und einer weiteren Ladung Blut abermals alles fürs Fan-Herz, ehe es mit dem „The Prodigy“-Cover zu Ehren des kürzlich verstorbenen Keith Flint ein so packendes wie auch ergreifendes Tribut an einen der wohl einflussreichsten Inspiratoren der Electro-Szene gibt. Für kurze Zeit verabschieden sich „Agonoize“ danach, nur um bald darauf für eine Zugabe zurückzukehren... Sehr zur Freude der versammelten Fans, die hier an diesem Freitag Abend selbst weit nach 0.00 Uhr noch tapfer ausharren. Nach einem kurzen Verweis auf die Tour-EP gibt es auch den Aggrotech-Beitrag aus dieser zu hören: „Eiszeit“. Vielleicht vor allem für jene eine kleine Überbrückung, die schon ungeduldig auf neues Futter warten. „Koprolalie“ vollendet das Set dann nach rund fünfundsiebzig Minuten und lässt anhand der euphorischen Reaktionen nur hoffen, dass dieses Festival schon im nächsten Jahr fortgesetzt wird... „Hybridize“: Ein wahres Gipfeltreffen der verschiedensten, elektronischen Klänge und zudem ein echter Gewinn für die schwarze Szene. Auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr!

Setlist:

01. Apeirophobia (Intro)

02. Weltenschmerz

03. Schmerzpervers 2.0

04. Dafür

05. Staatsfeind

06. Blutgruppe Jesus Negativ

07. Vollrauschfetischist

08. Homme Fatale

09. A Vampire Tale

10. Glaubenskrieger

11. Deutsch

12. For The Sick And Disturbed

13. Bis Das Blut Gefriert

14. Breathe („The Prodigy“ Cover)

15. Eiszeit

16. Koprolalie

Impressionen:

Torsten Kutschka - Bong13

http://www.bong13.de/Bong13/Start.html

https://www.facebook.com/TorstenKutschka

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