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BEITRÄGE:

  • AutorenbildChristoph Lorenz

In Extremo - „Quid Pro Quo"-Tour - Turbinenhalle 2, Oberhausen - 13.10.2016


Veranstaltungsort:

Stadt: Oberhausen, Deutschland

Location: Turbinenhalle 2

Kapazität: ca. 1.800

Stehplätze: Ja

Sitzplätze: Nein

Homepage: http://www.turbinenhalle.de

Einleitung:

Wir haben Freitag, den 30.09.2016. Es ist etwa 23.20 Uhr und nachdem die Pfandmarke recht zügig an der ortsansässigen Garderobe gegen meinen Mantel eingetauscht wurde, befinde ich mich nun mit einer Handvoll anderen Besuchern auf dem Heimweg. Zu Fuß. An ein Taxi ist schon dann nicht mehr zu denken, als ich aus der Location hinaus an die frische Luft trete und die gegenwärtige Situation ein paar Sekunden lang beobachte. Nahezu alle scheinen so schnell wie möglich das Gelände wieder verlassen zu wollen, nur Wenige halten sich noch an der Bar oder auf eine Zigarette vor den Toren auf. Mein erster und einziger Versuch eine der raren Mitfahrgelegenheiten zu erhaschen schlägt fehl und nach einigen ungeduldigen Blicken auf meine Uhr, entscheide ich mich schließlich dafür zu laufen. Der Weg zum Bahnhof Köln-Mülheim entfaltet sich für Ortsunkundige wie mich zu einer verworrenen Odyssee, zum Glück kennt sich ein freundlicher Fan bestens aus und muss den gleichen Weg nehmen. Kurz vor dem Ziel verabschiedet man sich, ich mache mich vorsorglich schon mal auf die Suche nach meinem Gleis, sie hingegen will sich beim Kiosk gegenüber noch ein Getränk holen. Während ich auf den Regionalexpress Richtung Bochum warte, beruhige ich mich langsam. Meine Laune ist definitiv alles andere als gut, was aber viel weniger am Konzert von "In Extremo", denn dem anwesenden Publikum lag. Anwesend waren diese zum größten Teil nämlich nur physisch, zumindest in meiner näheren Stehplatz-Region. Eher vergnügten sich die meisten damit, reihenweise Unbeteiligte anzupöbeln oder sich gefühlt alle paar Minuten mit palettenweise neuem Bier zu versorgen, nur um sich anschließend wieder ruppig ihren Weg durch die Reihen zu bahnen und das eben erworbene Gezapfte beherzt in die Luft zu schleudern. Zu allem Überfluss wurde das Konzert vom gegenüberliegenden E-Werk verlegt, nämlich ins Palladium. Ein industriell anmutender Quader, der in seiner Bauweise für große Menschenmassen ebenso ungünstig ist, wie der dort vorherrschende Sound. Ein Abend, der schön hätte werden können, im Nachhinein aber in einer unruhigen Katastrophe endete. Zum Glück steht nur zwei Wochen später mit dem Konzert in der Turbinenhalle Oberhausen eine weitere Station auf meinem Plan, da muss es dann einfach besser werden!

Es ist Donnerstag, der 13.10.2016. An diesem Abend soll es tatsächlich besser laufen, um ein Vielfaches sogar. Nur weiß ich das natürlich noch nicht und bin dementsprechend angespannt. Obwohl gerade eben erst von der Arbeit heim gekommen, lasse ich mir kaum eine ruhige Minute und bereite mich umgehend auf den Abend vor. Schon wenig später sitze ich dann in der Bahn zum Hauptbahnhof Oberhausen, 17.30 Uhr zeigt meine Uhr mir zu diesem Zeitpunkt an. Ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, es ein wenig ruhiger angehen zu lassen, eile ich im Anschluss direkt zur nahegelegenen Bus- und Straßenbahn-Station. Nur wenig später erhasche ich das nächstbeste öffentliche Verkehrsmittel und steige keine 5 Minuten danach an der Haltestelle "Im Lipperfeld" wieder aus. Bis zum Veranstaltungsort ist es von hier aus nur noch ein kurzer Marsch und so finde ich mich schon bald auf einem riesigen, verlassenen Parkplatz und vor einer menschenleeren Turbinenhalle wieder. Fragend blicke ich mich um, als mich einer der Einweiser anspricht: "Zu "In Extremo"?", lautet die knappe Ansprache. "Genau!", entgegne ich. "Dann bitte einmal um das Gebäude herumgehen, das Konzert findet in Halle 2 statt.", bekomme ich als Hinweis. Ich bedanke mich und tue, wie mir geheißen. Für kurze Zeit habe ich wirklich geglaubt, der Erste in der Schlange zu sein. Nun wurde das Konzert also ganz ohne Vorankündigung in die etwas kleinere Turbinenhalle 2 verlegt. Das wäre insofern nicht schlimm, wenn sich noch nicht allzu viele Fans vor dem Eingang versammelt hätten und man somit die Chance auf einen guten Platz hätte. Zu meiner Überraschung ist dem so. Ab 18 Uhr gilt es nun also, sich in klirrender Kälte die Zeit zu vertreiben und sehnsüchtig auf den Einlass zu warten. Gesagt, getan. Immer wieder mal werfe ich einen kurzen Blick auf die stetig anwachsende Menschenmenge hinter mir, um mir den womöglich nahenden Ansturm auszumalen, dann richte ich ihn wieder nach vorne, um zu überprüfen, wie weit die vier Jugendlichen mit ihrem mitgebrachten Kasten Bier mittlerweile vorangeschritten sind. Kurz vor 19 Uhr ist es dann endlich soweit: Die Schlange hinter mir hat sich mehr als verdoppelt und reicht nun quer über den großen Parkplatz um das große Gebäude herum, der Kasten einer bekannten Brauereimarke enthält keine einzige Flasche mehr. Der Einlass beginnt! Wie im Vorfeld bereits angekündigt, fallen die Kontrollen aufgrund aktueller Geschehnisse weitaus gründlicher aus. So ist laut ausgehängtem Plan das Mitführen von großen Handtaschen und Rucksäcken, Getränken aller Art und Profi-Equipment genauso untersagt, wie etwa die Mitnahme von Laptops, Tablets, scharfen Gegenständen, sowie Stühlen und Höckern. Aha. Die Kontrolle hinter mir, eile ich sofort zur Dachterasse, für einen schnelleren Zugang zu den Balkonen. Keine Chance, die Türen bleiben laut Security verschlossen. Also auf schnellstem Wege wieder hinunter und hinein in den Konzertsaal. Auch diese ist mit Getränketheken und Bars gespickt, spätestens nach der Erfahrung in Köln also kein optimaler Platz, um die Show in Ruhe genießen zu können. Also weiter zum Mischpult. Hier könnte man sich bequem anlehnen, das Risiko einer versperrten Sicht bleibt jedoch. Ich sehe einige Besucher Treppen zum oberen Teil hochsteigen. Auch wenn die Tür oberhalb weiterhin zu bleibt, hält der Sicherheitsdienst sie nicht davon ab. Also: Freie Bahn! Ich tue es ihnen gleich und schaue mir das Szenario von oberhalb an. Dennoch bleibt die Unsicherheit. Ich pendle abwechselnd vom Innenraum zu den Balkonen und wieder zurück, während immer mehr Fans ins Innere strömen. Viel Zeit bleibt also nicht mehr und so fällt die Entscheidung auf die erste Reihe der Empore, direkt gegenüber der Bühne. Die beste Wahl, wie sich später noch herausstellen soll. Auch hier oben gibt es eine kleine Theke, für den Kauf von Getränken gelten aber auch hier Wertmarken als Währung. Ein Besuch beim Merchandising-Stand, zwei gekaufte T-Shirts und ein Bier später, soll es dann schließlich losgehen.


Hämatom:

Ein tiefes Vibrieren lässt den Boden der neuen Turbinenhalle erzittern. Alle Blicke sind just in diesem Moment nach vorne auf das imposante Backdrop gerichtet, welches in intensiven Gelbtönen erstrahlt. „Der Mensch sprach „Es werde Gott“ und es wurde Gott“, erklingt die tiefe Stimme eines Erzählers aus dem Off, die als Intro fungiert, während Schlagzeuger Süd, Bassist West, Gitarrist Ost und Sänger Nord die Bühne betreten. Das epochale „Wir Sind Gott“ eröffnet, wie auch schon auf dem gleichnamigen Erfolgsalbum, den Abend und sorgt für erste Bewegung in den vorderen Reihen. Deftige Sozialkritik in dichter Verbindung mit Ironie und pechschwarzem Galgenhumor bietet das folgende „Made In Germany“, bevor man mit „Feuerwasser“ einen brandneuen Track der kürzlich erschienenen Tour-Edition darbietet. Die Stimmung steigt mich jedem Song mehr und mehr an, auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch deutlich verhalten. Zwar befinden klar ersichtlich einige „Hämatom“-Fans im Publikum, einem Groß der Mittelalter-Liebhaber scheint der deutliche Unterschied zum Haupt-Act aber trotz höflichem Beifall dennoch zu groß zu sein. Kein Wunder, spielen die Franken doch lupenreinen Thrash-Metal. Doch wie heißt es so schön? „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft…“ und in diesem besonderen Falle eines Falls, tragen die Präsente sogar erheblich dazu bei. Zum Klassiker „Auge Um Auge“ nimmt West schließlich hinter einer mysteriösen Apparatur Platz, die sich sodann als T-Shirt-Kanone offenbart. Die Frage nach dem "Warum" steht Nicht-Fans ins Gesicht geschrieben. Während Süd die Menge mit einem vorgegebenen Rhythmus zum mitmachen anheizt, schießt das Gratis-Merchandise in regelmäßigen Abständen in diverse Richtungen. Nicht wenige Gäste versuchen dieses zu erhaschen und applaudieren den Musikern danach für eine derart kreative Idee. Die Power-Ballade „Totgesagt Doch Neugeboren Teil 2“ bringt dann ein wenig Ruhe in das ansonsten gnadenlos brachiale Kurz-Set der vier Himmelsrichtungen, bevor das „Marteria“-Cover „Kids (Zwei Finger An Den Kopf)“ für pure Ausgelassenheit sorgt und zeigt, dass ein gut gemachter Song auch immer ein gut gemachter Song bleiben wird. Egal in welcher Version. Mit „Alte Liebe Rostet Nicht“ vom Longplayer „Keinzeitmensch“, drehen Nord und seine Mannen nochmal so richtig auf und entfesseln selbst bei zuvor noch deutlich Unbeteiligten, eine echte Begeisterung für ihre abendliche Neuentdeckung. Mit dem von „Hämatom“ geforderten Gedanken an das eigene „Lieblingsarschloch“ und dem damit verbundenen Closer „Leck Mich“, geht eine schweißtreibende und nicht minder beeindruckende Support-Show zu Ende. Starke Songs, tolle Ideen, Energie und Arrangement. Ein ebenso stimmiges, wie voll und ganz aufgehendes Konzept eines fantastischen Supports. Kein Wunder also, dass es danach recht voll am Merch wird…


In Extremo:

Pünktlich um 21 Uhr soll es dann endlich soweit sein: Das Licht wird leicht gedimmt und mit einem Mal stürzt das eindrucksvoll-ausladende Banner der Support-Band rauschend gen Bühnenboden hinab. Während einige Crew-Mitglieder sich fleißig daran machen dieses subtil vor dem nahenden Beginn zu entfernen, bietet sich dem Publikum nun ein Blick auf einen dreigeteilten Vorhang, welcher von den bezeichnendsten Symboliken der bandeigenen Historie, wie etwa dem Galgen, dem Schmierkreuz-Logo oder der Horge vom Album-Cover "Weckt Die Toten!", geziert wird. Als das epochale Instrumental durch die Boxen dringt und die Turbinenhalle zeitgleich in tiefen Blautönen versinkt, bricht steter Jubel los. Die Spannung und Vorfreude ist allgegenwärtig, das ist ganz deutlich zu spüren und vor allem auch zu hören. Mit dem letzten verklingenden Ton wird es plötzlich stockdunkel, bevor blutrote Pyro-Salven aus dem Nichts heraus die Düsternis erhellen und den schweren Stoff zu den ersten Takten des Openers "Quid Pro Quo" förmlich zerschießen. Mit einem letzten großen Donnerschlag fällt auch das Mittelstück nieder und gewährt die Sicht auf das vollständige Szenario. Vor einem atmosphärischen Backdrop, welches die industriell anmutende Szenerie einer alten Schnapsbrennerei zeigt, ragen drei hohe Podeste in Backstein-Optik mit der klassischen Anordnung in die Luft, in deren Zentrum das wuchtige, von stählernen Laternenpfählern umsäumte Schlagzeug von Drummer Florian "Specki T.D." Speckardt thront. Zu den Seiten die beiden Sackpfeifenspieler Boris "Yellow Pfeiffer" Pfeiffer und Marco "Flex der Biegsame" Zorzytzky, befinden sich die übrigen Bandmitglieder André "Dr. Pymonte" Strugala, Kay "Die Lutter" Lutter und Sebastian "Van Lange" Lange hingegen direkt an vorderster Front, an welche nun auch Frontmann und Sänger Michael "Das letzte Einhorn" Rhein stürmt. Das Stimmungsbaromter schlägt unweigerlich aus und scheint bereits jetzt den ersten Höhepunkt des noch jungen Abends zu verzeichnen. Der Titel des neuen Albums ist Programm und zeitgleich Schlachtruf, schallt das Tour-Motto im kernigen Refrain doch nahezu aus allen Kehlen. So auch bei der Hit-Single "Feuertaufe", in dessen Hauptteil meterhohe Flammen thematisch passend empor steigen. "Einen wunderschönen guten Abend. Was für ein Empfang!", freut sich Rhein über die rege Anteilnahme der Fans und wünscht allen anschließend viel Spaß. Mit dem räudigen "Zigeunerskat" heizt man die Menge weiter an, bevor Harfenist Pymonte alle Aufmerksamkeit gebührt, der den Saiten seines Instruments nun ein wohlbekanntes Solo entlockt. Viele Anhänger wissen schon, welcher Song nun folgen soll und stimmen die Zeilen von "Vollmond", das auch auf der diesjährigen Tour leider ohne herabregnende Papierherzen auskommen muss, als kollektiver Chor an. Doch haben die Vagabunden auch reichlich neues Material mit im Gepäck, welches natürlich auf keinen Fall zu kurz kommen darf.


So geht die punkige Freibeuter-Nummer "Störtebeker" nach ihrem beschwörerischen Prolog direkt nach vorne, ehe es mit der tragischen Spielmannsballade "Gaukler" in ruhigere Fahrwasser geht. Auch in diesen besinnlichen Momenten können "In Extremo" voll und ganz auf die Textsicherheit ihres Publikums vertrauen, etwa wenn die gesamte Halle den eingängigen Refrain fast im Alleingang übernimmt oder zahlreiche Feuerzeuge wie ein Lichtermeer im Takt der Musik über den Köpfen wogen. Deutlich krachiger wird es dann mit dem brachialen "Unsichtbar" und der heimlichen Band-Hymne "Sängerkrieg", die auch sogleich mit meterhohen Brandsäulen für das Fehlen der Funkenfontänen des zuvor gespielten "Sterneneisen"-Titels entschädigt. Diesem Prinzip folgt auch der hochemotionale Anti-Kriegssong "Lieb Vaterland, Magst Ruhig Sein": Nach einer einleitenden Ansage des letzten Einhorns, ziehen zarte Klänge und große Melodien direkt in den Bann. Doch schon wenig später ziehen dunkle Wolken auf und stören die friedvolle Atmosphäre durch die bedrohlichen Laute einer Sirene. Zahlreiche Bengalos entzünden sich und entfachen dichte Rauchwolken, während Flex und Pfeiffer fluchtartig Schutz auf ihrer Eingangsposition suchen und Gitarrist Lange zwischen wilden Flammenstürmen ein wahres Metal-Monster am vorderen Bühnenrand entfesseltt. Ein optisch wie klanglich beeindruckendes Spektakel! Tosender Beifall erfüllt die dichten Reihen. Dieser soll auch beim düsteren "Mein Rasend Herz" nicht abebben, wie immer durch Pymonte am Klangbaum und weiteren Effekten eingeleitet. Zum Instrumental-Part gegen Ende sind wirklich alle Hände in der Luft und klatschen im Rhythmus der Dudelsäcke, eine mächtige Detonation später singen alle den finalen Refrain. Das die umtriebigen Berliner auch gerne durch Russland touren ist kein Geheimnis, machte man doch erst kürzlich wieder die dortigen Clubs unsicher. Um dieser langjährigen Freund- und Leidenschaft gebührend Tribut zu zollen, veröffentlichte man mit dem rauen „Roter Stern“ eine regelrechte Hommage an Land und Leute. Unterstützt von tiefroten Flammenschüben bietet man der enthusiastischen Menge nun dieses Stück dar, die instrumentale Einbindung traditioneller Elemente und Rheins’ Interpretation des Kosaken-Chor-Parts markieren währenddessen die Höhepunkte. Das beliebte „Frei Zu Sein“ regt zum ausgelassenen Feiern an, die Szenerie ändert sich ein weiteres Mal: Im Hintergrund ist nun eine historische Altstadtgasse mit einigen versteckten Besonderheiten zu sehen.


So ragt im Zentrum etwa ein meterhoher Glockenturm mit dem Band-Logo anstelle des Hahns auf seiner Spitze in die Höhe, an einer der Mauern prangt die Horge als Graffiti-Tag. Gelöst stolziert „Das letzte Einhorn“ von der einen zur anderen Seite, spaßt mit der ersten Reihe oder setzt sich für die ein oder andere Strophe auf die Boxen. Mit dem „Spielmannsfluch“ hingegen steht ein weiterer unverzichtbarer Klassiker aus dem erlesenen Repertoire der glorreichen Sieben auf dem Programm. Dieser fungiert zudem als regelrechter Startschuss, für eine Zeitreise der besonderen Art: Mit dem majestätischen „Ave Maria“ und „Ai Vis Lo Lop“ haben die Mannen nämlich auch für Alt-Fans zwei Gassenhauer vergangener Tage am Start. Es ist genau diese Art der Ausgewogenheit und Abwechslung, die den Abend im direkten Vergleich mit der letzten Tournee so besonders macht. Danach geht es jedoch wieder zurück zu Schandtaten neueren Datums und dem spaßigen Trinklied „Sternhagelvoll“. Gekonnt motiviert man alle Versammelten hierbei zum gemeinsamen „Komaschunkeln“ und erntet dafür rege Beteiligung. Als absolutes Highlight regnet im Schlussteil dann noch ein riesiger Konfettiregen auf die glückselige Menge hinab. Die Fan-Gesänge halten noch einige Zeit im nachhinein an, es folgt „Küss Mich“. Ein heiseres Krächzen und lauter Flügelschlag verkünden „Чёрный ворон (Schwarzer Rabe)“, die zweite Verneigung vor osteuropäischen Landen. Vor allem live geht das leicht mystische Volkslied bestens ins Ohr und sorgt weiter für Stimmung. Das verträumte „Moonshiner“ erzählt danach vom schweren Schicksal der Schwarzbrenner, großen Ängsten, Risiken und einem gefährlichen Leben auf der Flucht.


Der perfekte Closer für das reguläre Set, doch soll der wehmütige Abschied nicht lange andauern: Wirklich nach Hause gehen will hier niemand so recht und so fordert Oberhausen seine Lieblinge schon bald auf die Bretter zurück. Natürlich kommt die Band dem Wunsch nach und setzt zu einem wahrhaft ausgiebigen Zugabe-Block an. Die Bühne wird in ein tiefes Blau getaucht, während Schlagzeuger „Specki T.D.“ den Takt angibt. Jetzt kehren auch „Die Lutter“, „Van Lange“ und Rhein selbst zurück, um sich mit dem Rücken zum Publikum vor dem Drum-Set aufzustellen. Verzerrte Riffs eröffnen das schwarzhumorige „Himmel Und Hölle“, das Gassen-Flair weicht dem übergroßen, von grellen Blitzen umrahmtem, Logo. Im eingängigen Refrain singen wirklich alle nochmal mit, während hohe Feuer sich in die Lüfte schrauben. Was ein Bild! Einen Dank für die jahrelange Treue ihrer großen Anhängerschaft, schicken die Musiker alsdann mit dem rohen „Nur Ihr Allein“ in die Reihen hinaus, um im direkten Anschluss mit dem gälischen Hit „Liam“ und eisblauen Flammen weiter aufzutrumpfen. Zum frivolen „Belladonne“ regnen zahlreiche Luftschlangen nieder und verfangen sich teilweise im Dachstuhl der Turbinenhalle 2. Auch die Animationen zum rhythmischen Klatschen fruchtet besser denn je, die Stimmung kocht gewaltig. „Mit dem nächsten Lied wollen wir uns von euch verabschieden. Danke Oberhausen, kommt gut nach Hause!“, wendet sich der Sänger an die Konzertbesucher und legt sich zum letzten Mal an diesem Abend den Gurt seiner Cister um den Hals. „In Extremo“ haben noch eine letzte, große Überraschung für die Stadt im Ruhrgebiet in petto: Anstelle eines altbekannten und in den letzten Jahren zu oft gehörten Titels, wie etwa „Herr Mannelig“, beschließt man die perfekt ausgewogene Setlist mit einem der neuen Songs, wie er besser nicht in dieses Konzept passen könnte: „Pikse Palve“. Der alt-estnische Titel, eine tanzbare Mischung aus Donnergebet und Heiducken-Tanz, steht so manchem Klassiker in nichts nach und ähnelt in seinem Aufbau ganz deutlich dem jahrelangen Abschlusssong „Villeman Og Magnhild“, welches zuletzt leider immer seltener seinen Weg in die Live-Shows fand.


Ein würdiger Erbe, wie sich in wenigen Minuten herausstellen wird. Zum großen Finale wandelt sich die Location endgültig in einen Hexenkessel: Als Rhein die flotten Akkorde anspielt und gesanglich erste Zeilen darbringt, versteht man unter dem dichten Jubel kaum noch sein eigenes Wort. Der Schauplatz erstrahlt in Dunkelrot, allen Kehlen entspringt gemeinsam der Text. Plötzlich entzünden sich zwei Feuerschalen neben dem Schlagzeug, „Flex der Biegsame“ und „Yellow Pfeiffer“ positionieren sich am vorderen Rand. Synchron zur Melodie versinkt die Bühne in einem heißen Flammenmeer. Kay Lutter besteigt eines der beiden hohen Podeste, die große Trommel zu bearbeiten. Die Vaganten spielen sich immer mehr in Ekstase, dann ein letzter Hitzewall und Beifall. Erschöpft und glücklich verlässt die Band ihre Plätze und reiht sich vor den erfreuten Gästen auf. Ein Gruppenfoto wird noch gemacht, dann verlassen die Spielmänner nach über zwei Stunden zum Outro die Halle. Was für ein Abschluss! Keine Frage: Was „In Extremo“ mit „Quid Pro Quo“ und ihrer aktuellen Konzertreihe auf die Beine gestellt haben, ist hochgradig qualitativ, mitreißend und spektakulär. Eine Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln und doch den Blick nach vorne gerichtet. Sowohl das abwechslungsreiche und aufwendige Bühnenbild, die aufgestockte Pyro-Technik mit vielen neuen, bereichernden Ideen, als auch die durchdachte Setlist mit einer Mischung aus Alt und Neu und die, im Gegensatz zur „Kunstraub“-Tour, endlich wieder zufriedenstellend lange Spielzeit und -freude, sind deutliche Pluspunkte und Rückbesinnung zu alter Stärke, wie ich sie zugegebenermaßen seit „Sterneneisen“ so manches Mal vermisst hatte. Im direkten Vergleich zur Kölner Show, punktet Oberhausen mit entspanntem, vor allem aber friedlichem Publikum und einer tollen Stimmung. Lediglich der Ersatz der dort gespielten, raren Hits „Rotes Haar“ und „Erdbeermund“ durch „Ave Maria“ und „Nur Ihr Allein“ schmerzt etwas, auch wenn es mehr als schön war, auch diese beiden Titel endlich wieder live erleben zu dürfen. Am Ende bleibt Dankbarkeit für die Rückkehr zu dem, was diese Band und Musik wirklich ausmacht. „In Extremo“ sind wieder da, auf ihrem „20 Wahre Jahre“-Festival offensichtlich Kraft getankt, so wie ihre Fans sie lieben. Für mich persönlich eine ihrer besten Tourneen und eines der stärksten Konzerte der letzten Jahre. Faktisch gesehen und anhand der Publikumsreaktionen abgeleitet, kann ich mit dieser Einschätzung auch wohl nicht falsch liegen. Es war ein gegenseitiges Geben und Nehmen. „Quid Pro Quo“ eben. Es wird unvergessen bleiben, nicht nur bei mir. Danke dafür und bis zum nächsten Mal. Ein Wiedersehen gibt es bestimmt.


Setlist:

01. Intro

02. Quid Pro Quo

03. Feuertaufe

04. Zigeunerskat

05. Störtebeker

06. Gaukler

07. Unsichtbar

08. Sängerkrieg

09. Lieb Vaterland, Magst Ruhig Sein

10. Mein Rasend Herz

11. Roter Stern

12. Frei Zu Sein

13. Spielmannsfluch

14. Ave Maria

15. Ai Vis Lo Lop

16. Sternhagelvoll

17. Küss Mich

18. Чёрный ворон (Schwarzer Rabe)

19. Moonshiner

20. Himmel Und Hölle

21. Nur Ihr Allein

22. Liam

23. Belladonna

24. Pikse Palve

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