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NEUESTE
BEITRÄGE:

  • AutorenbildChristoph Lorenz

Solar Fake - Eisbrecher - Solitary Experiments (2018)


Solar Fake - You Win. Who Cares? (2018)

Genre: Electro / Alternative

Release: 31.08.2018

Label: Out Of Line Music (rough trade)

Spielzeit: 94 Minuten

Fazit:

Es ist noch gar nicht allzu lange her, seitdem ich anlässlich meines großen Berichts zum Amphi Festival 2018 eine Kurz-Vita zu nachfolgender Band verfasst habe, weswegen ich mir nun einfach mal erlaube, jene an dieser Stelle einzufügen: Im Jahr 2007 in Berlin von „Zeraphine“- und „Dreadful Shadows“-Mastermind Sven Friedrich erschaffen, um seinen elektronische Songs eine angemessene Plattform zu geben, konnte man bereits wenige Monate danach mit dem Debüt „Broken Grid“ oder später auch als Support für „Camouflage“, „Project Pitchfork“, „Covenant“ und „VNV Nation“ zunehmend von sich reden machen. Mit jedem neuen Release stiegen „Solar Fake“ nun sowohl in den internen DAC-Charts, in denen sich der Zweitling für den längstmöglichen Zeitraum hielt, als auch in der Gunst der schwarzen Szene immer weiter auf. Neben eigenen Club-Shows wurden jetzt auch die namhaften Festivals, wie das e-Tropolis, Nocturnal Culture Night oder Méra Luna bespielt. In 2014 trennte sich der angestammte Live-Keyboarder schließlich aus persönlichen Gründen von der Band und ließ diese als das allseits bekannte Duo zurück, was man bis heute kennt. Mit dem letzten, regulären Studioalbum „Another Maniac Episode“, erreichten die beiden Musiker dann vor drei Jahren ihren bisherigen Schaffenshöhepunkt: Platz 31 in den offiziellen Media Control Charts, so einige ausverkaufte Shows und die aufwändige Aufzeichnung der emotionalen Akustik-Tournee... Was will man mehr? Mit dem letzten Werk scheinbar auf dem Gipfel ihres bisherigen Schaffens angelangt, schickt sich das illustre Duo nun ein weiteres Mal an, diesen Erfolg zu wiederholen. „You Win. Who Cares“ heißt das kommende Album, welches am 31.08.2018 als CD, Doppel-CD im Digipak, Vinyl oder streng limitierte Fan-Box über Stamm-Label Out Of Line erscheint...

Ohne Umschweife geht es sofort los: Rhythmisch treibende, jedoch vergleichsweise ruhige Strophen gestalten den Einstieg und münden schließlich in einem rauen, wütenden Refrain. Die in den Strophen dezent sphärisch angehauchte, verhohlen säuselnde Melodie bleibt mit ihren durchweg flüssigen Wechseln der Tempi und verschiedenen Stimmungsphasen so eingängig, wie auch überraschend, was „Sick Of You“ zu purem Abwechslungreichtum beim Hören verhilft. Eine nachdrücklich progressive Abrechnung mit allen Belanglosig- und Oberflächlichkeiten der heutigen Gesellschaft, die nicht gänzlich davor scheut, auch das eigene Tun zu hinterfragen. „Wrong Direction“ bietet danach in instrumentaler Hinsicht vor allem beschwingt flirrenden Future Pop, der zeitweise an die Kollegen von „Solitary Experiments“ oder „Mesh“ erinnert. Die dominant energiegeladene Melodieführung hebt die Stimmung weiterhin an und lädt äußerst schnell zum Tanzen ein, was seine Begründung nicht zuletzt in der clubtauglichen Hook findet, die ob aller lyrischen Ernsthaftigkeit fürwahr vorhanden ist. Bewegen wir uns etwa in die falsche Richtung? Wann ist es an der Zeit umzukehren? Das tonale Interpretation als gespaltener Dialog sind der quälend essenziellen Frage nach dem „Warum?“ nur umso zuträglicher und lassen den Hörer vor dem Fakt zurück, dass der Ursprung aller Änderung nicht zuletzt auch bei sich selbst zu suchen ist. Im Arrangement nicht weniger ausgereift, aber dabei doch ganz anders, dann das großartige „A Bullet Left For You“. Eine hasserfüllt aufgeladene Breitseite gegen alle Enttäuschung. In ihrem Muster fast an die wütend stampfende Monotonie von kantigem EBM oder Bands wie etwa „And One“ folgend, implodiert diese Nummer schon bald in ihrem packendem, energetischem Hauptteil. Sehr gelungen! Das zunächst gemächlich getragene „Invisible“ wird hingegen immer wieder von drückenden Beats durchsetzt, dazwischen kommt die markante Stimme von Friedrich besonders gut zur Geltung. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der zugrundeliegende Text mit hoher Wahrscheinlichkeit zu den besten des geschlossenen des „Solar Fake“-Universums gehört: Hier liefern sich Resignation und Reflexion ein gefährlich brüchiges Wechselspiel, in welchem das lyrische Ich keinen anderen Ausweg mehr sieht, als unsichtbar zu werden, zu verschwinden. So wird jene Frage, die omnipräsent über dem gesamten Album schwebt, in den Kontext mehrerer Perspektiven gestellt. Ein Balanceakt zwischen aufkeimender Hoffnung und drohender Selbstzerstörung. So auch im folgenden „Anything You Want“, welches sodann wieder verstärkt packend nach vorne geht, jedoch ohne dabei den auszeichnenden Charakter des typischen Sounds zu vernachlässigen. Nicht länger nur auf das eigene Ich projiziert, erschließt man das beunruhigende Krankheitsbild einer ganzen Generation, die sich immerzu auf scheinbar sinnloser Sinnsuche befindet und doch niemals an ihrem Ziel ankommt. Die Jahre verrinnen, wie feiner Sand in unser allen Händen. Was, wenn wir die ersehnte Liebe, Anerkennung und Bestimmung niemals finden? Verschwenden wir unsere Leben? Es ist ein ewiger Kampf, den wir, stets hungrig nach dem Glück, nicht gewinnen können... Ganz gleich, ob wir uns dazu entschließen, ihn aufzunehmen oder nicht. Die wohltuende Power-Ballade „The Pain That Kills You Too“ steht für echten Synthie-Pop in Reinform, feinsinnig akzentuiert mit atmosphärischen Ambient-Anleihen, die sich mit fortschreitender Spielzeit zu einer träumerischen Melange verdichten, ehe „Just Like This“ wieder in altbekannter Manier durch die Boxen fegt. Ein klassischer Floorfiller in bester Tradition: Hochmelodiös und doch nicht weniger melancholisch... Die perfekte Fusion also. Gebeutelt von allen Widrigkeiten, die hochgesteckten Ziele nicht erreicht, alles verloren und am Anspruch, mehr zu sein, zerbrochen, treibt der Protagonist fortan in die innere Leere hinein. Wie betäubt und blind vor Schmerz, steigert sich der Song immer weiter in ein klagend schreiendes Höchsttempo, kurz vor dem tiefen Absturz in den dunklen Sog... Das Doppel aus „Too Late“ und „If This Is Hope“ fällt im direkten Vergleich zu den vorherigen Titeln leider etwas ab, bietet es zwar durchaus solide Kost in gewohnter Qualität, traut sich unterm Strich aber viel zu wenig. Viel eher sticht da schon „I Don‘t Fight Back“ heraus, dass mit seinen harschen Beats einen angenehm anderen Kontrast bietet. Zu den ungewohnt entfesselten Shouts des Frontmanns scheppert dieser Track mit brutaler Kraft alles nieder und dürfte insbesondere live für ordentlich Bewegung sorgen. Das ruhige „What If There‘s Nothing“ vermag es anschließend wieder, die gerade noch so rauen, tobenden Wogen mit heimeliger Sanftmütigkeit zu glätten. Hier bekommt der geneigte Hörer abermals eine ungemein zarte Ballade mit nunmehr cleanen Vocals und behutsamen Piano-Tupfern kredenzt. Trotz des akustisch friedlichen Grundtenors, entsteht durch die hier verwendeten Klang-Collagen ein sonderbar apokalyptisches Szeneario, welches aus dem Hintergrund weiter heranrückt. Emotionale Dramaturgie mit höchster Authentizität, die am Ende doch noch einen heilenden Hoffnungsschimmer lässt. Das Bonusmaterial der erweiterten Editionen ist sichtlich von diesem Konzept gelöst und beginnt soundtechnisch zunächst noch ein wenig ungewohnt mit dem schönen „Editors“-Cover von deren Über-Hit „Papillon“, dass anfangs mit leicht verqueren Sounds spielt, sich aber schon bald schnell im üblichen Fahrwasser bewegt. Das spaßige „Fuck U“ entfacht dann hingegen retrolastige 80er-Vibes. Dazu gibt es eine Handvoll hochklassige Remixe von „Mr. Kitty“, „Adam Is A Girl“, „Patenbrigade Wolff“, „Ost+Front“ oder „In Strict Confidence“, auf der dritten Disc finden sich Akustik-Versionen des Hauptalbums in klarer Anlehnung an die vergangene Unplugged-Tournee... Es ist nicht zu leugnen, dass „You Win. Who Cares?“ das bisher wohl dunkelste und gereifteste Studioalbum dieser beiden Ausnahmemusiker ist, das dem viel exerzierten Prinzip, auf reine Unterhaltung abzielender Electronica, angenehm widerspricht und thematisch stattdessen auf schwere, nicht immer leicht bekömmliche Kost setzt. Das äußert sich nicht nur in den starken, durchdachten Texten, sondern gerade auch in den passgenauen Arrangements, die als schlüssige Einheit hinter dem Konzept über den zunehmenden Verfall zwischenmenschlicher Beziehungen stehen. „Solar Fake“ wins. Who cares? Hoffentlich alle Freunde elektronischer Musik!

Informationen:

https://solarfake.de

https://www.facebook.com/SolarFake/

 

Eisbrecher - Ewiges Eis (2018)

Genre: Rock / Alternative

Release: 05.10.2018

Label: RCA Deutschland (Sony Music)

Spielzeit: 152 Minuten

Fazit:

„Ob du einen großen Traum träumst oder einen Kleinen: Es kostet das Gleiche!“, wusste einst schon Donald Duck zu sagen. Ein so charmantes, wie gleichzeitig auch wahres Zitat, welches wohl wie kein Zweites zu dieser einzigartigen Erfolgsgeschichte passt. Im Jahr 1993 riefen die beiden Musiker Jochen „Noel Pix“ Seibert und Alexander „Alexx“ Wesselsky in München das Projekt „Megaherz“ ins Leben, die neben anderen, ersten Vertretern wie etwa „Oomph!“ und „Rammstein“ bis heute zu den bekanntesten Vertretern des Genres der NDH zählen. Neben dem in kompletter Eigenregie vertriebenem Debüt „Herzwerk“, gingen mit „Wer Bist Du?“, „Kopfschuss“, „Himmelfahrt“ und „Herzwerk II“ immerhin vier ganze Studioalben auf das Konto des kreativen Duos, ehe sich die beiden Kreativköpfe dazu entschieden, ihrem musikalischen Kind für immer den Rücken zu kehren. „Am Anfang war das Eis! Als wir erkannten, dass es weit und breit um uns herum die Musik nicht gab, die wir im Jetzt und Hier hören wollten, beschlossen wir sie selbst zu machen.", äußert sich Frontmann und Sänger Wesselsky höchstpersönlich dazu. Und so geschah es 2003 in einer weißen, kalten Winternacht, dass der unaufhaltsame „Eisbrecher“ als direkter Nachfolger aus den Tiefen des Meeres emporstieg und sich selbst nach fünfzehn langen Jahren der harten Arbeit noch bestem Wellengang erfreut. Mit seiner organischen Mixtur aus martialischem Rock und treibenden Electro-Elementen, vereint das unaufhaltbare Flaggschiff seit jeher Metal, Gothic und eine leichte Pop-Affinität gleichermaßen, was über die Zeit verdient verstärkten Anklang fand und somit immer mehr potentielle Hörer in seinen eisigen Bann zu ziehen wusste. So fand man zunächst vor allem in der schwarzen Szene ganz besonderen Anklang, was 2010 seinen vorzeitigen Höhepunkt mit dem Release von „Eiszeit“ fand. Doch damit noch lange nicht genug: Die versierten Mannen wollten mehr und holten nur zwei Jahre später mit „Die Hölle Muss Warten“ zu einem weiteren Schlag aus, der gerade in den offiziellen Media Control Charts triftig sitzen sollte... Der Rest ist Geschichte, denn seitdem vermag kein noch so gewaltiger Gletscher mehr, den druckvolle Dampfer zu bezwingen. Mittlerweile gehen zahlreiche Abverkäufe, zwei goldene Schallplatten und eine Nominierung für den just abgesetzten Musikpreis Echo auf das Konto der nimmermüden Bayern. Und auch auf den Bühnen dieser Welt fühlt sich die Band, live zusätzlich ergänzt durch Schlagzeuger Achim Färber (u.a. „Project Pitchfork“), Bassist Rupert Keplinger („Darkhaus“) und Gitarrist Jürgen Plangger („A Life Divided“), ganz offensichtlich mehr als nur wohl. Neben bestens besuchten Headliner-Tourneen in vollen Häusern, standen etwa Gigs auf dem Wave Gotik Treffen, Amphi Festival oder Méra Luna auf der Agenda, aber auch auf dem Summerbreeze oder sogar Wacken Open Air. Auch vor Shows in sehr speziellem oder gar riskantem Rahmen schreckte man nie zurück, tourte durch Frankreich und Russland, gastierte an Bord der MS RheinEnergie, gab ausverkaufte Jahresabschlüsse in Augsburg und Oberhausen oder sorgte auf dem Gipfel der Zugspitze in Höhe von rund 2962 Metern für knappe Sauerstoffreserven. Als wäre all das nicht schon genug, organisierte man im vergangenen Jahr erstmals ein eigenes Indoor-Festival in der Ratiopharm Arena zu Neu-Ulm, um dem ganzen endgültig die Krone aufzusetzen. Das Motto: „Volle Kraft Voraus“. Na, wenn das mal keine vorzeigbare Vita ist... Endlich an der Zeit also, für einen kurzen Moment die Anker zu lichten und einen Blick zurück zu wagen. Zu diesem Anlass erscheint am 05.10.2018 die umfassende Retrospektive „Ewiges Eis“ in insgesamt fünf verschiedenen Editionen. Warum man auch im digitalen Zeitalter der rasenden Schnelllebigkeiten noch an physischen Tonträgern festhält und sich nicht ausschließlich mit Streaming und Co. begnügt, erklärt Wesselsky: „Digital Release? Nein danke, das ist nichts für mich. Dann lieber etwas Physisches, etwas zum anfassen! Du willst ja auch keine Digital-Freundin und keine Digital-Haustiere. Du willst deinen Hund streicheln, deine Freundin küssen und dir die echte Zigarette nach dem echten Danach mit einem echten Streichholz anzünden. Echt und authentisch gibt es nicht digital!" Recht hat er, der gute Kapitän. Und so dürfen sich alle Sammler, Fans, Gelegenheitshörer und vor allem Neueinsteiger auf ein randvolles Package als Doppel-CD im Jewelcase, im Hardcoverbook, auf Doppel-Vinyl, in einer exklusiven Media Markt- und Saturn-Edition mit Dog-Tag und als limitierte Fan-Box mit Gürtelschnalle, Schlauchschal, Sprühschablone, Stickern und DVD freuen. Was drin ist, wisst ihr ja jetzt schon einmal und was drauf ist, gibt es nun zu lesen...

Ganz anders, als bei den meisten dieser Kompilationen, werden die hier ausgewählten Songs nämlich nicht verwirrend und bunt zusammengewürfelt, sondern orientieren sich an einem klar festgelegten Muster, welches die Entwicklung dieser Ausnahmeband umso mehr verdeutlicht. Das Motto: Aus dem Hier und Heute direkt zurück in die Vergangenheit! Bereits der Einstieg könnte zeitgemäßer kaum sein: Das Cover von „Menschenfresser“ eröffnet die erste Disc und fungiert dabei zugleich als neue Single. Die Original-Version von Rio Reiser hat bis zum heutigen Tage leider nichts von seiner brennenden Aktualität und brutalen Wahrheit eingebüßt. Genau der richtige Song zur richtigen Zeit also. Hier selbstverständlich im modernen, typischen „Eisbrecher“-Sound mit viel Charme, Biss und brettharter Faust in die Magengrube kredenzt - Eiskalt! Doch die spannende Zeitreise in der ureigenen Diskographie hat gerade erst begonnen... Den Anfang machen „Was Ist Hier Los“, „Das Gesetz“ und „Wo Geht Der Teufel Hin“ vom aktuellen Longplayer „Sturmfahrt“, darauf folgen „1000 Narben“, „Rot Wie Die Liebe“ und „Zwischen Uns“ vom Vorgänger „Schock“. „Die Hölle Muss Warten“ trumpft neben dem melancholisch-balladesken Titeltrack zusätzlich noch mit „Prototyp“ und „Verrückt“ auf, das Hit-Potential ist also konstant hoch! Erwähnter Durchbruch der 2010er Ära wird sodann durch die beiden Kracher „Eiszeit“ und „Amok“ abgedeckt, wohingegen „Sünde“ mit „Kann Denn Liebe Sünde Sein?“ und „This Is Deutsch“ brilliert. Danach geht es gar noch weiter zu den Wurzeln zurück, von der „Antikörper“ sind hier das unheimliche „Leider“ und „Vergissmeinnicht“ vertreten, bis die Szene-Hymne „Schwarze Witwe“ und „Willkommen Im Nichts“ den geschichtsträchtigen Ausgangspunkt beim einstigen Debüt markieren. Zugegeben etwas unpassend, endet die erste CD schließlich mit der Live-Version von „Himmel, Arsch Und Zwirn“ aus dem Circus Krone und „Miststück 2012“. So richtig interessant ist dann der zweite Rohling, die sogenannten „Eisspezialitäten“, auf dem sich alle bis zum heutigen Tage veröffentlichten B-Seiten, rare Bonus-Tracks und ausgewählte Remixe befreundeter Künstler befinden. Diese Beigabe beginnt ebenfalls mit einem Cover, nämlich dem bereits auf „Sturmfahrt“ erhältlichen „Eisbär“, ein Tribute an die NDW-Band „Grauzone“. Weiterhin sind die so titulierten „Neuschnitte“ von „Schwarze Witwe“, „Adrenalin“ und „Eisbrecher 2013“, welche allesamt die bereits vergriffene EP zum zehnjährigen Jubiläum ausgestalteten, mit von der Partie und natürlich auch das brettharte „Metall“, „Wenn Zeit Die Wunden Heilt“, „Zu Leben“ und „Zeit“ von der erweiterten „Miststück Edition“ des 2012er Albums „Die Hölle Muss Warten“. Der damalige iTunes-Exclusive „Süßwasserfisch“, die „Rheingold“-Verneigung „Das Steht Dir Gut“ und „Ozean“ von der „Rot Wie Die Liebe“-Single verweisen abermals auf „Schock“, während „Eiskalt Erwischt“ vom vorherigen Best-Of „Eiskalt“ aus 2011 sehr schön veranschaulicht, dass der Zeiger niemals still steht. Die „Eiszeit“-Beigabe „Kein Wunder“ besiegelt die Auswahl regulärer Studiotracks final. Auch die erwähnten Remixe können sich mehr als nur hören lassen, stammen diese doch von namhaften Szene-Acts. So steuern „[:SITD:]“ ihren Beitrag in Form des ironischen „This Is Deutsch“ bei, „Clawfinger“ verdingen sich mit dem Everblack „Miststück“, „Neuroticfish“ nehmen sich „Rot Wie Die Liebe“ an, „Aesthetic Perfection“ beschwören den „Automat“ und die legendären Düsseldorfer Crossover-Helden „Die Krupps“ fragen „Was Ist Hier Los?“. Die Interpretationen sind dabei durch die Bank weg passend gewählt und äußerst tanzbar, ein schöner Abschluss dieser randvollen Zusammenstellung! Natürlich stellt sich auch bei „Ewiges Eis“ wieder einmal die berüchtigte Frage nach der Notwendigkeit einer solchen Veröffentlichung, immerhin dürften die Alt-Fans zumindest alle regulären Alben bereits ihr Eigen nennen, was Releases jener Couleur bestenfalls für Neueinsteiger interessant macht. Neben dem roten Faden der ersten Disc machen „Eisbrecher“ hier allerdings genau das richtig, woran es sonst scheitert und machen ihren Fans mit der zweiten CD ausnahmslos den gesamten Backkatalog exklusiver, seltener und teils schon lange vergriffener Songs auf nur einem einzigen Tonträger zugänglich. Das ist einzigartig, lohnt sich und kann sich darüber hinaus vor allem mehr als hören lassen! Uninspiriertes, reines Füllmaterial nach Schema F sucht man somit glücklicherweise vergebens und bekommt stattdessen eine schöne Komplettierung der heimischen Sammlung, die nicht allein den Die Hards zu empfehlen ist. Eine freundliche Geste zum Geburtstag und zudem ein lückenloser Rückblick, mit dem nun ein jeder die Erfolgsgeschichte von „Eisbrecher“ nachvollziehbar für sich persönlich Revue passieren lassen kann. Auf die nächsten fünfzehn Jahre, denn eines ist schon jetzt sicher: Das war bisher nur die Spitze des Eisbergs!

Informationen:

http://www.eis-brecher.com

https://www.facebook.com/eisbrecher/

 

Solitary Experiments - Future Tense (2018)

Genre: Electro / Alternative

Release: 26.10.2018

Label: Out Of Line Music (rough trade)

Spielzeit: 128 Minuten

Fazit:

Manchmal sind es ja bekanntlich gerade die kleinen Dinge im Leben, aus denen dann ganz plötzlich doch einmal ungeahnte Größe entstehen kann. So und nicht anders auch geschehen bei den 1994 in Frankfurt an der Oder gegründeten „Solitary Experiments“, die bereits ein Jahr zuvor mit einem Amiga 500 und Kawai K4 unter dem Projektnamen „Plague“ erste, experimentelle Gehversuche wagten, welche 1996 in der gemeinsamen Demoaufnahme „Risque De Choc Electrique“ mit Sängerin Dana Apitz resultierte. Mit „Dein Fleisch“ sah man sich darauf das erste Mal auf der „Electronic Future Compilation Vol. 1“ vertreten, die folglich erworbene Erfahrung der ersten Konzerte wurde sodann in den nächsten Ableger „Death In Small Doses“ investiert. So manchen Besetzungswechsel, einige veröffentlichte Songs und gespielte Shows im Ausland später, erhielten die Hessen Anfang der 2000er einen Vertrag beim Plattenlabel Maschinenwelt, unter dem auch das Debüt „Final Approach“ erschien... Seit über zwanzig Jahren stehen „Solitary Experiments“ nun für einnehmende Melodien und tanzbare Beats, die sofort gleichwohl in Ohr und Beine gehen. Und so zählt die Band aus Schlagzeuger Frank Glaßl, den beiden Keyboardern Markus Otto und Michael Thielemann, sowie Sänger Dennis Schober zu den beliebtesten Vertretern des Future Pop, können auf insgesamt fünf EPs und acht reguläre Studioalben zurückblicken. Doch damit noch lange nicht genug: Auch live begeistert der Vierer seit jeher die Anhänger elektronischer Musik und so sind sie stets gern gesehene Gäste auf dem WGT, Amphi Festival oder natürlich Méra Luna. Ihre Hits wie etwa „Stars“, „Déjà Vu“, „Rise And Fall“, „Point Of View“, „Delight“, „Trial And Error“ und „Epiphany“ gehören nach wie vor zu den absoluten Dauerbrennern in den schwarzen Clubs. Das 2013er Werk „Phenomena“ erreichte 2013 den dreiundsechzigsten Platz in den offiziellen Media Control Charts. „Memorandum“ konnte sich 2015 immerhin auf der Einundachtzig behaupten. Drei Jahre nach dem letzten Release erscheint am 26.10.2018 nun endlich neues Futter für die Dancefloors. „Future Tense“ heißt es und kommt im Digipak auf zwei CDs und als auf fünfhundert Stück limitierte und nummerierte Holzbox. Was euch darauf erwartet, lest ihr in den nächsten Zeilen...

Jetzt geht’s los: „A Countdown“ zeigt sich von Beginn an als rein instrumentale Eröffnungssequenz, die von einem fein perlenden Glockenspiel, sanft pulsierendem Pluckern, wummernder Percussion, sowie aufstrebenden Chören getragen wird und somit gleich zum jungen Einstieg ein epochales Feeling serviert. Nahtlos darauf folgt „Every Time“, der mit seiner süßlich-verträumten Melodie sofort an klassische Synthie-Pop-Nummern erinnert. Nur kurze Zeit später runden leicht pumpende Beats das Arrangement zusätzlich ab. Insgesamt kommt der Track grundsolide, leider aber auch ohne echte Überraschungen daher und zieht seine grundlegende Motivation eher aus der positiv behafteten Energie im beschwingt intonierten Refrain, der von Reue und alten Erinnerungen erzählt. Sehr catchy, jedoch völlig ohne nennenswerte Ecken und Kanten. Einen ganz ähnlichen Ton schlägt das nachfolgende „Achromatic“ an, wenngleich es hier etwas gediegener, denn verträumt poppig zugeht. Zudem setzt man auf sphärische Sound-Teppiche, um den Hörer im Mid-Tempo auf einer wohligen Welle angenehmer Melancholie schweben zu lassen. Ein lupenreiner „Solitary Experiments“-Song! Mit der vorab veröffentlichten Single „Crash & Burn“ wird es erstmals treibender, welches zudem ein hervorragendes Duett mit Tea F. Thimé von „Ashbury Heights“ bietet. Schnell flirrende Electro-Linien strömen technoid tanzbar aus den Boxen und markieren einen cleanen Dancefloor-Filler mit klar angezogener Geschwindigkeit. Schober dominiert die jeweiligen Strophen, seine Gesangspartnerin erklingt derweil nur leicht gefiltert im Hintergrund und ist dabei dennoch sehr präsent. So verschmelzen beiden Stimmen zu einer homogenen Einheit, die beim Hören einfach Spaß macht. Auch „Brace Yourself!“ bewegt sich weiterhin in bekanntem Fahrwasser und steuert mit seinen ohrwurmigen Space-Synthies auf ausladenden Future-Pop-Bombast im soundtechnischen Gewand des Openers zu. Schober trägt die druckvollen Beats mit seiner dunklen Stimme bis zum Chorus, der sodann das eingangs zelebrierte Muster wieder aufgreift und sich in affirmativen Merkmalen des Genres bewegt. Eine Abwechslung dazu bietet „Shelter“, welches mit retrolastigen Vibes und leichten E-Drum-Einschüben entgegen seiner direkten Vorgänger fast schon minimalistisch anmutet. So fokussiert man deutlich mehr auf die Lyrics, die in leidender Isolation das aktuelle Weltgeschehen reflektieren und einen sicheren Zufluchtsort in stürmischen Zeiten herbeisehnen. Einen weiteren Schnittpunkt mit jener Leitfaden-Thematik erreicht man sodann mit „Die Zukunft“. Hier lässt der Vierer plötzlich überraschend dicke, im Takt stampfende Bässe und surrende Industrial-Versatzstücke für sich sprechen. Derweil kommt ausnahmslos der gesamte Text in deutscher Sprache daher, was nicht nur für gehörig Abwechslung sorgt, sondern auch wunderbar smooth und zugleich kraftvoll klingt. Eines der unstrittigen Highlights des ganzen Albums! „Sanctuary“ nimmt anschließend das noch eben zuvor aufgebaute Tempo wieder komplett raus und senkt die Spannungskurve damit wieder in einen seligen Ruhepol hinein, was sich durch das positiv powernde „I Am“ jedoch wieder schlagartig ändert, welches neuen Mut und Selbstbestimmung skandiert. Das sanft groovende „The Struggle“ verblüfft mit einem fließenden Wechsel zwischen englischen und deutschen Passagen, die so dermaßen unauffällig und passend integriert wurden, dass es beim ersten Durchgang kaum auffällt. Eine wirklich ungewöhnliche, aber nicht minder schöne Idee, die zudem auch instrumental zu überzeugen weiß und sich mit zunehmender Spielzeit zu einem schlüssigen Ergebnis aufbaut. „Double Dealer“ anvisiert mit seinen pochende Bass-Linien, pulsierenden Beats und mitreißenden Rhythmen gleich wieder die Tanzflächen und entpuppt sich als gefälliges Energiebündel im beliebten Genre-Style, bis die musikalische Reise mit „Phoenix“ zum Abschluss in harmonisch-anschmiegsamer Versöhnlichkeit gipfelt, die trotz aller aktuellen Geschehnisse ein kleines Licht für den Hörer und nicht zuletzt die Welt selbst scheinen lässt und verdeutlicht, dass alle Ruinen aus der Asche wiederauferstehen können, wenn man den Hoffnungsschimmer nur erhält... Wer sich für die Edition mit zwei Discs entscheidet, bekommt oben drauf zudem gleich noch ein paar Remixe, unter anderem von „ES23“, „Binary Park“, „Beborn Beton“, „L‘âme Immortelle“ oder „Mono Inc.“. So lässt sich anschließend mit Fug und Recht behaupten, dass sich „Future Tense“ perfekt in den bisherigen Backkatalog der gestandenen Formation einfügt und dem geneigten Fan auch anno 2018 so ziemlich alle beliebten Trademarks anbietet, für welche man die ambitionierten Frankfurter kennt. Wenngleich sich die Formation hier leider viel zu selten aus dem üblichen Komfortzone-Standard des Genres hervorwagt, ist selbstredend dennoch gewohnt hohe Qualität geboten, was sich einmal mehr insbesondere in den starken Texten und ungemein eingängigen Melodien zeigt.

Informationen:

https://www.solitaryexperiments.de https://www.facebook.com/solitaryexperiments/

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