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  • AutorenbildChristoph Lorenz

Hämatom - Interview (2016)


Roggenfaenger: Nach eurem letzten Studioalbum, dem 2013 veröffentlichten „Keinzeitmensch“ und dem ersten Best Of-Album „X“, startet ihr mit dem brachialen Epos „Wir Sind Gott“ in das Jahr 2016. Stelle uns die Band doch bitte einmal kurz vor und verrate den Lesern, die euch noch nicht kennen, wer ihr seid und was sie von musikalischer Seite aus von euch zu erwarten haben.

Süd: Dann fangen wir doch jetzt erstmal bei der grundlegenden Beschreibung unseres Sounds an. Ich persönlich bezeichne es immer als deutschsprachigen Metal. Textlich versuchen wir prinzipiell, der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten, auch ein bisschen anzuecken und unangenehme Themen anzusprechen. Also das, was wir eigentlich so täglich in den Nachrichten mitverfolgen, in Songs zu verpacken. Das nun einfach mal, als eine schnelle Zusammenfassung.

Roggenfaenger: Wie du schon sagst, seid ihr seit jeher bekannt dafür, euren Finger direkt in die offenen Wunden dieser Gesellschaft zu legen, Tabus zu brechen und genau dort zu provozieren, wo es weh tut.

Auch auf „Wir Sind Gott“, bleibt ihr diesem Prinzip mehr als treu und wendet euch, passend zum derzeitigen Weltgeschehen, ein weiteres Mal brisanten, äußerst kritischen Thematiken zu. Wie kam das Konzept zu diesem Album ursprünglich zustande, was genau wollt ihr damit ausdrücken oder vielleicht sogar bewegen?

Süd: Erstmal schön, dass du den Begriff „Konzept“ erwähnst. Das ist es jetzt auch wirklich ein bisschen geworden, was aber mehr oder weniger Zufall war. Wir haben uns verschiedene Themen rausgepickt und damit dann ein wenig herumprobiert. Davon haben es dann aber nicht alle Songs auf das Album geschafft und dann kam eigentlich erst ganz zum Schluss dieser Titel dazu. Es gab dann einen Song, der eben „Wir Sind Gott“ hieß. Im Vorfeld war das zwar schon ein wenig in der Diskussion, wurde aber nicht für gut befunden. Durch den Song hat er dann aber seine Renaissance erlebt und auf einmal waren wir alle Feuer und Flamme und fanden, dass dieser Titel eigentlich sehr gut alle Thematiken der einzelnen Songs zusammenfasst. Um auf diese zu sprechen zu kommen: Es gab da noch viel mehr Ideen. Da stolpert man einfach drüber, auch durch das Anschauen der Nachrichten oder das Lesen der Zeitung, teilweise aber auch durch bloßes herumstöbern auf irgendwelchen Facebook-Chroniken oder Pinnwänden. Der Fundus ist da eigentlich endlos.

Roggenfaenger: Die Welt ist streckenweise zu einem erbarmungslosen, grausamen Ort geworden und diese Entwicklung scheint allgegenwärtig kein Ende zu nehmen. Terror, Krieg, Mord und Hunger sind nur einige wenige Punkte auf der langen Liste des Leidens. Welche Ereignisse aus jüngster Vergangenheit, haben euch besonders erschüttert, nachdenklich gemacht oder bewegt?

Süd: Es gibt natürlich absurde Dinge, aber was mich persönlich nachdenklich macht und ich glaube, dass das allen so geht, ist der zunehmende Terror, welcher nun eben auch nach Europa kommt. Das ist natürlich blöd, dass es einen erst dann so richtig berührt. Wenn er in der Ferne und auf weite Distanz, also täglich in Syrien oder dem Irak geschieht, dann findet man es schlimm, aber wird emotional nicht so sehr mitgerissen. Da spreche ich jetzt glaube ich nicht nur für mich, aber das Ereignis damals in Paris, hat die ganze Bundesrepublik mitgenommen.

Roggenfaenger: Mal angenommen, ihr könntet für einen Tag „Gott sein“. Welche Dinge würdet ihr in dieser Welt unbedingt und dringlich ändern wollen?

Süd: Gute Frage! Natürlich gibt’s auch hier schon allerhand zu tun, aber irgendwie müsste man es schaffen, dass Menschen sich und andere Menschen lieben. Möglicherweise waren dann schon viele der Probleme behoben. Der IS oder auch andere Fanatiker, können ja im Prinzip nur da ernten oder punkten, wo eine gewisse Unzufriedenheit vorherrscht. Vielleicht kann man ja irgendwie schon mit ganz kleinen Dingen, Zufriedenheit und ein Gleichgewicht in Bezug auf Nahrung und Geldflüsse schaffen. Ich glaube, dann würde man die Welt ein bisschen besser machen können. Toleranz ist da besonders wichtig. Leider ist der Mensch dafür geschaffen, seiner Habgier immer wieder freien Lauf zu lassen und Reichtum, Macht oder ähnliche Dinge an sich zu reißen, wodurch dann natürlich wieder Ungleichgewichte entstehen. Waffenlieferungen unsererseits in Krisengebiete, tragen zum Beispiel natürlich auch ihren Teil dazu bei und da darf man sich dann nicht wundern, wenn Flüchtlinge zurückkommen. Das ist ein sehr komplexes Thema und das wäre mein Versuch, wenn ich jetzt sozusagen „Gott wäre“, da eine Art Gleichgewicht herzustellen.

Roggenfaenger: Kurz vor dem Release, habt ihr mit „Offline“ eine weitere Single aus eurem aktuellen Werk ausgekoppelt und passend dazu, euer bisher aufwändigstes Video gedreht. Und ihr behaltet Recht: Der Social-Media-Wahn nimmt unheimliche Züge an, alles dreht sich nur noch ums liken, teilen und folgen - für manche Mitmenschen mittlerweile ein unverzichtbarer Lebensinhalt. Was genau bemängelt ihr besonders an diesem Trend? Und einmal ganz anders gefragt: Welche guten Seiten seht ihr in dieser Technologie? Wie stark nutzt ihr Handy, Tablet und Co. in eurem Privatleben - seid ihr da mehr on- oder offline? Süd: Ich steige da mal gleiche auf deine letzte Frage ein, wir sind da jetzt leider auch keine wirklichen Vorbilder. Wir sind, natürlich auch berufsbedingt, schon eher online. Wir laufen jetzt aber auch nicht mit erhobenem Zeigefinger herum und sagen „Dein Handy hast du jetzt aber schon recht oft in der Hand!“, weil wir da letztendlich schlechte Vorbilder sind und unsere Handys auch schon sehr oft in der Hand haben. Als Band entstehen da natürlich sehr viele Vorteile, weil du im Prinzip auf diesem Weg dein eigenes Netzwerk aufbauen und pflegen kannst und somit unabhängiger von den großen Multiplikatoren bist, die früher eben tendenziell eher die Mainstream-Musik supportet haben. Es gibt jetzt eben sehr viele Kanäle, die unkommerziell angefangen haben und es vielleicht auch immer noch sind, die jetzt eher freakige Sachen, zu denen ich „Hämatom“ jetzt auch noch dazuzählen würde, supporten und aufbauen. Das ist natürlich eigentlich eine tolle Entwicklung und das wäre ohne Internet so nicht denkbar. Ohne Internet gab’s eben nur die Fernsehsender, die durch die Machtspielchen der großen Major-Plattenfirmen, mit der Musik der Mainstream-Künstler zugeschissen wurden. Das war natürlich ein härterer Kampf, als er es heute eigentlich ist. Das ist eindeutig ein Vorteil dieser Entwicklungen. Was die negativen Punkte anbelangt: Solche Züge habe ich dann auch. Man merkt dann natürlich schon, dass es wirklich so Suchtverhalten sind und dass man sehr oft eine lange Kommunikation betreibt, mit einem eigentlich nichtigen Inhalt. Wenn man eine Stunde lang für lauter Quatsch hin und her „whatsappt“, muss man sich das dann schon fragen. Auch bei Kindern ist es dann teilweise besonders schlimm, da gibt’s dann Zicken-Terror darüber und all sowas. Da kann man dann natürlich sagen, dass es jetzt Zeitverschwendung wird und es eigentlich schöner wäre, etwas konstruktives, sinnvolles zu machen. Das ist die Gefahr und ich denke auch, dass der Mensch oder unsere Gesellschaft noch ein bisschen lernen muss, damit umzugehen. Diese Entwicklungen sind ja auch noch brutal jung und ich kann mir vorstellen, dass in ein oder zwei Generationen, ein souveränerer Umgang mit diesen Medien möglich ist. Also: Ich will’s jetzt mal positiv sehen!

Roggenfaenger: Als erste Single-Auskopplung, habt ihr euch für „Fick Das System“ entschieden. Was stößt euch besonders sauer auf, was läuft alles besonders falsch und was kann jeder Einzelne tun, um der Message des Songs möglichst erfolgreich nachzukommen?

Süd: Okay, also fangen wir bei der Message an: Ich glaube, sie kam eindeutig rüber. Ich will aber trotzdem nochmal erwähnen, dass es kein Song ist, der zu Politikverdrossenheit aufrufen und keinesfalls der AfD, ähnlichen Parteien oder ihren Angehörigen irgendwie Rückenwind geben soll, ganz im Gegenteil. Wir wollen eigentlich partielle Bereiche des Systems mit diesem Song kritisieren und dazu ermuntern, sprichwörtlich auf die Straße zu gehen. Es gibt aber auch einen stillen Widerstand, den du betreiben kannst. Ich nenne jetzt mal ganz banale, grundlegende Dinge. Es klingt jetzt vielleicht ein bisschen bescheuert, aber als Beispiel nehme ich jetzt mal den Milchpreis. Den Milchpreis hast du als Konsument selbst in der Hand. Du kannst dich nämlich entscheiden, ob du die Milch vom Discounter oder aus dem Biomarkt kaufst, die ein Drittel oder sogar noch teurer ist, aber bei welcher der Bauer letztendlich genug Geld bekommt, um es der Kuh gut gehen zu lassen. Das ist so ein Verhalten, mit dem man eigentlich sehr viel steuern kann, ohne jetzt auf die Barrikaden gehen zu müssen oder mit Gewalt oder ähnlichem anzuecken. Da gibt’s viele Sachen: Es setzt sich fort mit der „BILD“-Zeitung oder mit allen Bereichen, die eigentlich sau dumm sind, da kann man mit seinem Verhalten eigentlich sehr viel lenken. Bei unserer Marktwirtschaft, wird immer die Nachfrage, die verschiedenen Bereiche der Industrie mitbestimmen. Wenn wir als Gesellschaft natürlich keine Nachfrage mehr fordern, dann geht’s natürlich wie folgt weiter: Dann wird alles immer billiger und damit aber auch qualitativ schlechter.

Roggenfaenger: Gibt es einen Song auf „Wir Sind Gott“, welcher euch aus einem bestimmten Grund sehr wichtig ist?


Süd: Ich würde jetzt tippen, dass wir da alle andere, unterschiedliche Lieblingssongs haben. Ich bin zum Beispiel ein großer Fan, von „Fick Das System“. Der hat mir irgendwie von Anfang an gefallen, so ungeschminkt und direkt raus, auch wenn er natürlich ein bisschen aneckt. Ich weiß auch, dass der Ost ein ganz großer Fan von „Zu Wahr Um Schön Zu Sein“ ist, eine sehr ruhige Nummer. Bei den anderen, weiß ich das jetzt gar nicht so genau. Nord mag auch immer so die „Hau-Druff“-Sachen. Ich würde jetzt sagen, dass ist immer individuell unterschiedlich, jeder hat so seinen eigenen Lieblingssong. Wir haben insgesamt dreizehn Songs auf dem Album. Ganz am Anfang, hatten wir so um die dreißig oder fünfunddreißig Ideen und haben dann immer mehr selektiert. Am Schluss haben wir dann achtzehn davon aufgenommen. Mit den Songs, die auf dem Album sind, sind wir alle vier schon sehr glücklich. Also diese Auswahl, da waren wir uns alle einig, sind schon die besten Song. Eigentlich ist auch auf der Bonus-CD etwas cooles drauf, aber das war irgendwie unser gemeinsamer Konsens, das eben genau diese dreizehn Songs drauf passen.

Roggenfaenger: Zurzeit seid ihr mit den Release-Shows wieder auf den Straßen unterwegs und auch einige Festivals sind schon bestätigt. Eure Konzerte werden ja stetig spektakulärer, was habt ihr euch dieses Mal für die Bühne einfallen lassen, um die Stimmung weiter anzuheizen und gibt es noch weitere Pläne für eine Tour 2016?

Süd: Das Ziel nach der Tour ist immer, ohne Geld nach Hause zu kommen. Das heißt, wir sind wieder mit einem Fahrzeug mehr unterwegs, also jetzt mit drei Sprintern. Und ich finde, es ist lohnend diese Show mal anzuschauen. Da gibt’s viel Licht, viel Geblitze, Pyros und Videoleinwände. An allen Registern wird gezogen. Und ja, wir wollen im Herbst dann noch eine richtige, ausgedehnte Tour ansetzen. Im Prinzip waren das ja nur vier Release-Shows, die vier Himmelsrichtungen der Bundesrepublik. Ich glaube, es sind insgesamt zwölf Konzerte, das weiß ich aber nicht genau. Die Termine habe ich jetzt nicht alle hier vor mir, aber diese werden dann noch zeitnah veröffentlicht.

Roggenfaenger: Ihr gehört zu Bands, welche den Ruhrpott immer wieder gerne besuchen, insbesondere die Matrix in Bochum. Was genau schätzt ihr am Pott, dieser Stadt und genau diesem Club so sehr?

Süd: Also man muss erstmal sagen, dass wir eine ganz große Fanbase im Ruhrpott haben. Schon die Matrix-Konzerte von vor drei Jahren, als eben alles noch etwas kleiner war, sind immer positiv herausgestochen. Im Fall der Release-Shows war klar, dass wir vier Himmelsrichtungen brauchen. Klar, man hätte auch einen anderen Ort wählen können, aber da hat uns gleich die Matrix angelächelt. Die ist mit ihrem Gewölbe auch schon sehr eigen, aber irgendwie waren es immer coole Shows und dann haben wir uns auch dafür entschieden.

Roggenfaenger: Gibt es etwas, was ihr euren Hörern und den Lesern abschließend noch sagen wollt?

Süd: Verändert die Welt und kommt mal auf ein Konzert vorbei! Gebt „Hämatom“ eine Chance, falls ihr euch noch nicht damit beschäftigt habt. Es gibt sehr viel Material von uns auf YouTube, wie ich finde. Da kann man sich ein ganz gutes Bild machen. Sowohl musikalisch, als auch durch ganz lustige Interviews mit Schnaps zum Beispiel. Gerne mal reinziehen und sich ein eigenes Bild von uns machen. Man kann zwar sehr viel über Musik reden, aber am Ende des Tages muss man dann auch einfach mal reinhören.

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