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NEUESTE
BEITRÄGE:

  • AutorenbildChristoph Lorenz

Herren - Heldmaschine - Schattenmann (2018)

Herren - Neue Deutsche Herrlichkeit (2017)

Genre: Rock / Alternative

Release: 17.11.2017

Label: Laute Helden (SPV)

Spielzeit: 44 Minuten

Fazit:

Er ist eine ehemalige Größe der einst so florierenden NDW, der Vierer hingegen ist für harten Deutschrock im Fahrwasser der florierenden NDH bekannt. Wie genau passen diese beiden, scheinbar unvereinbaren Komponenten, welche auf den ersten oberflächlichen Blick wohl unterschiedlicher kaum sein könnten, also zusammen? Doch fangen wir für den Einstieg von ganz vorne an und beleuchten zunächst einmal jede der beiden Seiten im Einzelnen für sich... „Er“ ist Hubert „Kah“ Kemmler. Im Jahr 1961 in Reutlingen als Sohn des Betzinger Bezirksbürgermeisters Dieter Kemmler geboren, entdeckte er schon bald seiner Liebe zur Musik und sollte knapp zwei Dekaden später erste kommerzielle Erfolge feiern. Bis heute bekannte Lieder wie „Rosemarie“, „Sternenhimmel“ oder „Einmal Nur Mit Erika“ avancierten schnell zu unverzichtbaren Hits der Neuen Deutschen Welle, doch bald kam die Depression und Kah zog sich nahezu komplett aus der Öffentlichkeit und dem Musikbusiness zurück, bis er schließlich 1996 mit „C‘est La Vie“ seine Rückkehr einleitete. Nach der Reise des „Seelentaucher“ herrschte erneut einige Funkstille, doch 2014 gab es durch die Teilnahme an der TV-Show „Promi Big Brother“ ein weiteres Comeback, dem die beiden Studioalben „Willkommen Im Leben“ und zuletzt „RockArt“ nachfolgen sollten. Mit dem Gegenstück, dem erwähnten Vierer, sind „Herren“ gemeint. Die Dessauer Band, welche aus dem gemeinsamen von Henry Henze und Thilo Reinhardt bei „Woodland“ hervorging, besteht erst seit 2013. Im Folgejahr erschien ihre mit „Lauf Weg“ die erste Single, darauf das Fulltime-Album „Lust“. Anfangs noch als eher wenig bekannter Vertreter eingestuft, arbeitete man beständig daran, sich einen Namen in der Szene zu machen. Zum Gelingen trugen vor allem die Support-Slots im Vorprogramm von „Ost+Front“ und „Heldmaschine“, sowie die kurzfristige Live-Vertretung durch „Stahlmann“-Mastermind Martin Soer bei. Nachdem Gründungsmitglied und Sänger Christian Reichel aus gesundheitlichen Gründen sein Amt unfreiwillig niederlegen musste, suchten die übrigen Mitglieder Schlagzeuger Marco Böllicke, Keyboarder Steffen Pamperin, Gitarrist Henze und Bassist Reinhardt händeringend Ersatz und sollten ihn schließlich finden: Für die vorab veröffentlichte Auskopplung „Liebessachen“, plante man einen Gastauftritt von Hubert Kah, der seinerseits zu diesem Zeitpunkt musikalisch weiter in die schwarze Szene vordrang. Aus der einmaligen Kooperation sollte fortan eine längerfristige Zusammenarbeit werden und so kündigte man den gebürtigen Baden-Württemberger im vergangenen Sommer überraschend als neuen Frontmann an. Die Reaktionen, wie so oft bei Kemmler, äußerst gespalten. Was kommt also dabei heraus, wenn zwei komplett fremde Welten aufeinanderprallen? Zwar nicht zwingend etwas Schlechtes, zumindest aber auch nicht unbedingt etwas Längerfristiges, wie die vorzeitige Trennung im Januar 2018 bewies. Die Formation ist dieser Tage also vorerst wieder „herrenlos“ am Mikrofon und temporär ohne markante Stimme, die Fans stehen trotzdem weiter hinter ihnen. Kein Grund also, um die Flinte ins Korn und nicht doch mal einen kleinen Blick auf das Album aus dem Spätherbst des letzten Jahres zu werfen „Neue Deutsche Herrlichkeit“ statt Neue Deutsche Welle...

Das eröffnende „Mein“ kommt sogleich mit einem kurzen, aber nicht minder wuchtigen Vorspiel aus donnernden Gitarrenwänden und epischen Chören daher, welches die isolierte Atmosphäre gelungen transportiert, bis sich schließlich die Stimme von Hubert Kah seelenruhig und hörbar bedrohlich über die erste Strophe legt. In gewohnter Manier beginnt er schon bald, mit den Facetten zu spielen. Ein Wechselspiel zwischen sanft flehender Zerbrechlichkeit und funkelnder Bedrohung entbrennt, die groteske Thematik der Nekrophilie gemahnt über weite Strecken an „Heirate Mich“ von „Rammstein“, musikalisch bleibt der Titel leider weitestgehend unspektakulär. Mit dem vorab veröffentlichten „Liebessachen“ gibt es sodann einen klassischen NDH-Stampfer: Verzerrt sägende Gitarren und bruchstückhafte Synthie-Spitzen bilden hierzu die grundlegende Basis, die textlich mit augenzwinkernden Groupie-Allüren und Gothic-Attitüde aufgeladen wird. Ein vergleichsweise stumpfsinniger Party-Song, der bewusst mit den Rockstar- und Genre-Klischees liebäugelt. „Nordwärts“ drückt das metallische Gaspedal weiter durch. Ein durchaus solider Nackenbrecher, bestehend aus Saitengewitter und flirrenden Electro-Sounds. Der Gesang sticht über weite Strecken ganz besonders löblich hervor und macht das gewöhnliche Grundgerüst angenehm interessant. „Seelenräuber“ bedient sich, wie in dieser Sparte üblich, eines traditionellen Kinderliedes, das heuer mit unheimlicher, gepitchter Stimme vorgetragen wird. Obgleich die Idee sicher alles andere als neu ist, verbirgt sich hier eine der stärksten Nummern des gesamten Albums, die gut nach vorne geht. Die erste und gewissermaßen auch einzige Ballade auf ebendiesem, folgt danach mit „Komm Zu Mir“. Orientalisch angehauchte Züge einen sich mit schwelgerischen Lyrics und bilden somit eine homogene Einheit, die einfach funktioniert. „Eisengel“ ist wiederum ein mitreißender Up-Tempo. Der recht generische Text tritt durch das kurzweilige Arrangement jedoch schnell in den Hintergrund. In den reduzierten Strophen dominieren größtenteils Bass und Stimme, die kurz darauf vom Chorus abgelöst werden, der mit erheblichem Ohrwurmpotential punktet. Nahezu das komplette Riffing von „Verliebt In Den Teufel“ erinnert verdächtig stark an „Küss Mich“ der Berliner Legende. Textlich spart man auch hier nicht mit bewährten Floskeln, die von der lockenden Gefahr des schönen Geschlechts handeln, der melodisch äußerst packende Refrain reißt durch seine powernde Ader aber nochmal alles raus und erhebt die Nummer zu einem wahren Highlight. Wirklich sehr schön! Das letzte Drittel kann dieses Niveau leider nicht mehr annähernd halten: „Brennst Du?“ und „Küss Mich“ präsentieren sich gerade mal als solide Kost im Mid-Tempo, lediglich das tragische „Herzton“ fällt mit seinen dröhnenden Dubstep-Elementen willkommen aus dem Rahmen, dunkler Pop für die Clubs. Mit einem Sample aus einer Rede von Donald Trump beginnt das ausgelassene „Einmal Nach Amerika“, welches einige lyrische Querverweise auf die NDW-Zeit Kahs in sich versteckt. Hart rockende Gitarren und verspielte Sounds muten beschwingt und amüsant an, was durch den launigen Refrain nur noch intensiviert wird. Ein recht versöhnlicher Abschluss, der vor allem durch seine ausgefallen verrückte Andersartigkeit besticht und irgendwie zu gefallen weiß. Wie lautet nun also das Resümee? Nach ihrem Debüt „Lust“ liefern die Dessauer ein Album ab, das in erster Linie deutlich runder als der Erstling daherkommt. Das rührt unter anderem vom pointierten Einsatz der Elektronik, die ihren Teil zur generellen Eingängig- und Tanzbarkeit maßgeblich beiträgt. Auch das Mitwirken von Hubert „Kah“ Kemmler stellt sich unterm Strich als echter Gewinn heraus, hebt seine individuelle Interpretation so machen Titel doch aus der bloßen Berechenbarkeit heraus. Deutlich spürbar fühlt sich der kreative Exzentriker in seine jeweiligen Rollen ein und schöpft nahezu das komplette Potential seiner weit gefächerten, gesanglichen Palette aus, was eine willkommene Abwechslung und ein gleichsam schönes Kontrastprogramm zu dem stereotypen Gehabe der NDH bietet, wenngleich es für manch alteingesessenen Hörer zunächst sicher etwas an Offenheit und Eingewöhnung bedarf. Es ist, wie es immer war: Kah polarisiert. Entweder hasst oder liebt man ihn, dazwischen scheint es nichts zu geben. Im Endergebnis ist die gebotene „Neue Deutsche Herrlichkeit“ also genau das, was „RockArt“ einst hätte sein können: Ein Hybrid aus metallischer Schlagseite und spezieller Kunst, der anecken und nicht jedem gefallen will. Damit spaltet die Band die Gemüter und vollbringt mitunter jenes Kunststück, das vielen ihrer Kollegen in letzter Zeit nicht wirklich gelang. Das ist zwar nicht wirklich neu, dafür aber deutsch und irgendwie doch auch „herrlich“...

Informationen:

http://www.herren.rocks

https://de-de.facebook.com/HERREN.Band/

 

Heldmaschine - Live + Laut (2018)

Genre: Rock / Alternative

Release: 26.01.2018

Label: Mp-Records (Soulfood)

Spielzeit: 114 Minuten

Fazit:

Im Jahr 2011 in Koblenz bei Rheinland-Pfalz gegründet, ging diese Band einst parallel zum viel umjubelten Tribute-Projekt „Völkerball“ an den Start, welches der kontrovers diskutierten Berliner Legende von „Rammstein“ durch detailgetreue Rekonstruktion bis zum heutigen Tag seinen Respekt zollt und somit Fans aus ganz Deutschland das seltene Privileg ermöglicht, das musikalische Vermächtnis der Genre-Vorreiter auch livehaftig miterleben zu können. Zu Anfang von einigen Kritikern noch als unverschämtes Plagiat verschrieen, entwickelte sich der Fünfer aus Schlagzeuger Dirk Oechsle, Bassist Marco Schulte, den beiden Gitarristen Dejan Dean Stankovic und Tobias Kaiser, sowie Sänger Réne Anlauff nicht nur zunehmend konsequent weiter, sondern gar weit über die Norm der klassischen Neuen Deutschen Härte hinaus. Wiesen das Debüt und sein Folgewerk zunächst noch frappierende und schwer zu leugnende Ähnlichkeiten mit dem großen Vorbild auf, beschritten die Maschinisten bereits mit dem dritten Studioalbum hörbar neue Wege. Die anfängliche Selbstfindung war geglückt und sollte auch in der nächsten Zeit alles andere als abreißen. Im Gegenteil: Die ausgewogene Mixtur aus zwingendem Industrial, metallischen Saiten, scharfkantigem Electro und der gesammelten Urgewalt der NDH, machte den frischen, perfekt ausbalancierten Sound schnell zum signifikanten Alleinstellungsmerkmal der jungen Formation. Zusammengenommen mit den gesellschaftskritischen, schwarzhumorigen Texten über soziale Fehlentwicklungen, sexuelle Triebe, versteckte Wahrheiten und die Vergänglichkeit des Seins, trafen „Heldmaschine“ einen altbewährten Nerv ganz und gar neu. Zudem trugen die schier unermüdlichen Aktivitäten hinsichtlich zahllos bespielter Konzerte und Festivals maßgeblich zu einer stetig wachsenden Fangemeinde bei, die mittlerweile selbst international aktiv ist. Richtig, der Erfolg breitet sich unaufhaltsam aus und erreichte sogar das ikonische Wacken Open Air im Sommer 2017. Ein wahrer Meilenstein der bisherigen Karriere! Doch das soll noch lange nicht alles gewesen sein, denn Stagnation schien für die Mannen noch nie eine befriedigende Lösung zu sein. So initiierten die umtriebigen Fünf im Dezember ihr erstes, eigenes Indoor-Festival unter dem Namen „Nacht Der Helden“ und luden gemeinsam mit „Nachtsucher“, „Schattenmann“ und „Maerzfeld“ in der Turbinenhalle Oberhausen zum Jahresabschluss. Und die Maschine läuft auch 2018 weiterhin auf Hochtouren: So begleitete man jüngst die vier Himmelsrichtungen von „Hämatom“ als Support auf ihren Release-Shows, im Februar und März geht es danach weiter durch zwölf Städte...

Nach insgesamt sieben Jahren Bandgeschichte, vier Veröffentlichungen, sechs Videoclips und hunderten Auftritten, ist es für die „Heldmaschine“ endlich an der Zeit, das unvergleichliche Feeling ihrer mitreißenden Live-Shows für die Nachwelt festzuhalten. „Live Und Laut“ heißt das Dokument und erscheint als bis zum Rand gefülltes Paket auf zwei CDs. Bei der Aufzeichnung hat man sich für das Heimspiel im erstmalig restlos ausverkauften Café Hahn zu Koblenz entschieden, in welchem man laut eigener Aussage das bisher längste Programm zum Besten gab, das sich aus einem weitreichenden Querschnitt aus allen bisherigen Veröffentlichungen gestaltet. Dabei wurde die standarisierte Setlist zugunsten eines großzügigen Überblicks vielfach umgestellt und dahingehend so einige Songs ausgetauscht. Somit finden sich nicht nur viele aktuelle Titel auf den beiden Silberlingen, sondern zunehmend auch ältere Perlen, die seit den entsprechenden Tourneen nicht mehr gespielt worden sind. Neben Liedgut des neuesten Studioalbums „Himmelskörper“, wie etwa dem Titeltrack samt ausgedehntem Intro, wurden mit „Alles Eins“, „Spieglein, Spieglein“, „Kein Zurück“, „Dünnes Eis“, „Die Braut, Das Meer“, „®“ und „Auf Allen Vieren“ zusätzlich noch gleich sieben weitere Tracks ausgewählt, die fortan rund ein Drittel des gesamten Programms ausmachen. Der Vorgänger „Lügen“ ist mit dem dramatischen „Schwerelos“, der Anti-Kriegshymne „Collateral“, dem technoiden „Der Hammer Fällt“, der brachialen „Maskenschlacht“ und „Wer Einmal Lügt“ ebenfalls mehr als gut aufgestellt. Aus dem Zweitling sind dann „Ich komme“, „Herz Aus Stein“, „Nachts Am Kanal“, „Propaganda“, „Kreuzzug“, wie auch der Club-Klassiker „Weiter!“ enthalten, wohingegen das Debüt mit den drei Stücken „Radioaktiv“, „Heldmaschine“ und „Gammelfleisch“ etwas hinten abfällt. Eine mehr als gelungene Auswahl also, die mit ihren vielen Highlights für jeden Geschmack etwas bereithält und darüber hinwegsehen lässt, dass leider ein paar wenige Stimmungsmacher wie „Doktor“, „Menschenfresser“, „Ich Will Dein Bestes“, „Sexschuss“ oder das grandiose „Gegenwind“ fehlen. Übermäßig viel Interaktion mit dem Publikum ist zwischen den einzelnen Songs zwar nicht inkludiert, was aber nicht stört, sondern dem allgemeinen Fluss eher zuträglich ist. Überlange Ansagen oder motivierende Aufforderungen sind überdies auch gar nicht notwendig, beide Seiten verstehen sich ohne Worte nahezu blind, heizen sich gegenseitig an, klatschen, singen, tanzen und feiern zusammen. All diese Komponenten kommen dem durchweg authentischen Live-Feeling zugute, welches die Stimmung einer gängigen „Heldmaschine“-Show überaus gut zu transportieren weiß und nicht etwa das seltsame Gefühl einer unnötig aufgeblähten Inszenierung hinterlässt. Darüber hinaus ist die Abmischung mit ihrem klaren, aber dennoch nicht allzu sehr glattgebügelten, Sound gelungen, Gesang und Instrumente lassen sich genügend Raum und überschatten sich nicht störend. Die Maschine spricht nun also auch durch die heimischen Boxen zum geneigten Anhänger und das gleich auf zwei randvoll gepackten CDs! Jetzt fehlt doch eigentlich bloß noch eine DVD, oder? Allzu lange warten müssen die Fans in dieser Angelegenheit allerdings nicht mehr, befindet sich jene nämlich schon längst in Arbeit und soll noch in diesem Jahr erscheinen... Man kann also gespannt sein. Sicher ist auf jeden Fall, dass diese Maschinerie so schnell nicht mehr stoppen wird, denn für diese Band geht es nämlich immer „Weiter“!

Informationen:

http://www.heldmaschine.de/de/

https://de-de.facebook.com/Heldmaschine/

 

Schattenmann - Licht An (2018)

Genre: Rock / Alternative

Release: 02.03.2018

Label: Drakkar Entertainment GmbH (Soulfood)

Spielzeit: 50 Minuten

Fazit:

„Ohne Schatten gibt es kein Licht, man muss auch die Nacht kennen lernen.“, kündete einst der französischer Schriftsteller und Philosoph Albert Camus. Der renommierte Nobelpreisträger muss es wissen, gehört der Franzose doch schließlich zu den bedeutendsten Autoren des zwanzigsten Jahrhunderts. Der offizielle Pressetext zum Album dieser Newcomer lehnt sich an das bekannte Zitat an und schürt die Neugierde am Ungewissen: „Etwas rührt sich in den Schatten. Etwas will ans Licht. Schattenmann sind da!“, heißt es in den einleitenden Zeilen etwa. Widmen wir uns also vorerst einmal dem Bandnamen und weichen von der Literatur auf die Psychologie aus. Ist in dieser nämlich von einem sogenannten „Schattenmann“ die Rede, handelt es sich in der Regel dabei um eine mysteriöse Person, die betroffenen Frauen nahezu ein Leben lang unerreichbar im Kopf bleibt. Es sind jene Männer, die allein in der Fantasie und selbst während etwaiger Partnerschaften und Ehen weiterleben. Einen anderen, alternativen Ansatz liefern die Franken selbst: So stehe der sagenumwobene „Schattenmann“ etwa für jene Seite in uns allen, welche wir lieber im Verborgenen lassen und dennoch manches Mal daraus hervorbricht, weil sie sich nach Freiheit sehne und ausgelebt werden will. Genau dieses Phänomen wird im übertragenen Sinne auch in ihrer Musik zelebriert: Die Songs bewegen sich vornehmlich in Gebieten, über die meistenteils nicht gesprochen wird. Die Texte drehen sich um zwischenmenschliches Verlangen, wie etwa verborgene Sehnsüchte, fragile Leidenschaft und wahre Liebe, aber auch genau jene destruktiven Seiten, welche dadurch ausgelöst werden können. Erst Ende 2016 in Nürnberg gegründet, fasst der Vierer aus Schlagzeuger Nils Kinzig, Bassist Luke Shook, Gitarrist Jan Suk und Sänger Frank Herzig schon jetzt äußerst versierte Ziele ins Auge. Eine klare Vorstellung von sich selbst und dem Sound, für den sie künftig stehen wollen, gibt es natürlich auch: Neue Deutsche Härte 2.0. Neben bekannten Kernelementen der NDH, zieht man die inspirativen Anleihen hier vor allem aus dem Deutsch-Rock, Industrial oder auch mal Metal. Garniert wird das Gemisch mit melodisch-hymnischen Hooklines und dem allzeit innewohnenden Drang, die inneren Dämonen auszutreiben. Die ersten Schritte, um sich einen Namen in der Szene machen und erste, eigene Fans gewinnen zu können, wurden bereits vor einiger Zeit getan. Ungewöhnliche viele Live-Shows wurden in jüngster Vergangenheit bestritten, so begeisterte man als Support das eingeschworene Publikum von Bands wie „Stahlmann“ oder „Heldmaschine“. Der schnelle Ausverkauf der exklusiven Tour-EP und hohe Klickzahlen bei „YouTube“ und Co. sprechen für sich. Nun steht das viel beworbene und mit einiger Spannung erwartete Debüt in den Startlöchern, welches am 02.03.2018 in die Schatten locken soll…

Das Album beginnt sogleich mit dem bezeichnenden Titeltrack, welcher gleichsam auch als erste Single-Veröffentlichung samt 360-Grad-Video fungierte. Lasst uns die Schatten vertreiben: „Licht An“! Eine flirrende Electro-Linie vereint sich mit treibenden Gitarren in klassischer Manier. Der Gesang wird teilweise mal gefaucht und dann wieder gefährlich verzerrt präsentiert, was zunächst zwar eher noch höchst gewöhnungsbedürftig erscheint, aber dann in einem eingängigen Refrain mündet. Die rahmende Thematik wird somit gut umrissen, wenngleich ein markanter Unterschied zu sonstigen Songs dieser Couleur hier ebenso wenig zu erkennen ist, wie auch beim folgenden „Brennendes Eis“. Dieses Lied dürfte den meisten Hörern schon bekannt sein, wurde es doch erst kürzlich als dritter und letzter Vorgeschmack vor offiziellem Release herangezogen. Der straighte Up-Tempo, welcher wieder einen mitreißenden Chorus zum obersten Ziel hat, schlägt in eine ganz ähnliche Kerbe wie sein chronologischer Vorgänger und geht mit seinen kantigen Riffs und unterschwelligen, synthetischen Einschüben direkt nach vorn. Auch wenn diese Nummer ebenfalls alles andere als schlecht ist, hält man sich vom Aufbau doch sehr eng an die Regeln der gängigen Vertreter. Sowohl musikalisch als auch inhaltlich, bestehen jedenfalls deutliche Parallelen zum üblichem Material der Sparte. „Gekentert“ ist durch die vorab veröffentlichte Akustik-Version, die übrigens zudem als Bonus am Ende der CD enthalten ist, ebenfalls nicht mehr völlig neu, sondern mittlerweile schon ein etablierter Hit im Repertoire des Quartetts. Die romantisch-gefühlvolle Power-Ballade trägt den gewohnten Pathos inne, verzichtet ansonsten aber dankbarerweise auf unnötig aufgeblasenen Kitsch, wodurch die Grundnote betont rau und ehrlich bleibt. Es ist ein authentisches und überraschend ergreifendes Liebeslied, das seine hohe Dramaturgie vor allem durch die klar hörbare Verzweiflung des emotionalen Gestrandetseins generiert. Passend dazu kommt die Stimme nun erfreulicherweise um einiges kräftiger daher. Zarte Klaviertupfer und hintergründig pulsierende Beats leiten „Zahn Der Zeit“ ein, bis man schließlich mit einem Paukenschlag an epischem Bombast dazugewinnt. Die Instrumente umspielen Herzig sanft, aber bestimmt und geben trotz behäbigem Takt einige Energie ab. Im Hauptteil löst sich die musikalische Zurückhaltung hingegen je auf. Technoide Sounds schwillen jetzt zu einer kräftigen Industrial-Schlagseite an und bereiten im Folgenden auf eine typischen NDH-Walze vor. In direkter Kombination mit dem erhöhten Tempo, gefallen hier insbesondere die sägenden Gitarren, die sogleich zum headbangen einladen. Fordernd presst der Sänger die einzelnen Töne zum donnernden Viervierteltakt heraus, jede Zeile passt perfekt auf die hart angeschlagenen Saiten und sorgt für den durchweg dreckigen Tune. Kurz vor dem Chorus entschleunigt man nochmals für einige Augenblicke, nur um danach mit vollends aufgeladener Bedrohlichkeit wieder durchzustarten. Eine elektronisch stark verzerrte Frauenstimme bildet heuer das melodiöse Kurz-Intro und ruft zur „Generation Sex“ auf. Die wechselhafte Nummer hält galant die Balance zwischen brachialer Härte und poppiger Einprägsamkeit. Die bewusst schroffe Direktheit der in den Lyrics besungenen Plattitüden, fügt sich homogen zum frivolen Inhalt, wohingegen der Refrain mit apokalyptisch untermauernden Chören und konterkarierender Verspieltheit aufwartet. Auch das zugehörige Musikvideo sorgte für einiges an Aufsehen, wurde es doch nach nichtmal einem Tag auf der Plattform „YouTube“ wegen jugendgefährdenden Inhalts gesperrt. Provokation at it’s best! Ein misslicher Umstand, der jedoch zeigt, dass auch heute noch immer mit einfachsten Mitteln geschockt werden kann. Ganz besonders charmant, weil dieses doch recht prüde Gebaren somit gegenteilig zum thematisierten Verrohen der Gesellschaft steht. „9mm“ kann fast als geistiges Pendant zum zum vorletzten Song gesehen werden und treibt mit hasserfüllter Attitüde das Aggressionspotential weiter nach oben. Musikalisch liefern die vier Mannen stimmige Standardkost ohne Extravaganz oder klares Alleinstellungsmerkmal. Das verblüfft nicht, enttäuscht dafür aber genauso wenig, denn solide Kost ist das allemal! In etwa ähnlich verhält es sich dann auch bei „Krieger Des Lichts“ und „Trümmer Und Staub“, die sich beide wieder eher im mittleren Tempo bewegen und einen persönlichen Neuanfang beschwören. Eine letzte Steigerung zum krönenden Abschluss des regulären Albums ist dann die gelungene Bandhymne: Betörend, sphärisch und unheilvoll kommen die einzelnen Strophen daher, der bretthart powernde Refrain setzt einen aufrüttelnden Kontrast. Komm mit, erforsche die ureigene Dunkelheit und lass deinen inneren „Schattenmann“ raus! Immer noch nicht genug? Kein Problem, denn mit „Böser Mann“ und „Rot“ gibt es direkt noch weiteren Nachschlag, als üppigen Bonusinhalt obendrauf. Ersteres widmet sich dabei dem bekannten Kinderlied „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ und fügt sich äußerst stimmig ins restliche Konzept ein, Letzteres wiederum war bisher nur exklusiv auf der lange vergriffenen „Limited Tour EP“ erhältlich und markiert einen größtenteils elektronisch arrangierten Ausflug in packende Gefühlswelten. Wie klingt es also nun, das plakativ verhießene Genre-Update für die stagnierende Neue Deutsche Härte? Sagen wir mal so, der erste Schritt in Richtung einer neuen Szene-Band ist somit getan, ein echtes „2.0“ ist das präsentierte Material aber noch lange nicht. „Schattenmann“ ist eine junge und engagierte Band, die aufgrund der bisherigen Erfahrungswerte äußerst professionell und ehrgeizig vorgeht, wie die bisherigen Live-Shows und die Qualität der Songs eindrucksvoll zeigen. Es ist jedoch nicht zu leugnen, das all das in der Summe aber trotzdem nicht für die angepriesene Revolution der Sparte ausreicht. Wie ein weiteres Exponat unter den zahllosen Nachahmern und Stereotypen, die allzu offensichtlich an das Vorreiter-Original aus Berlin erinnern, klingen Herzig und Co. dabei löblicherweise nicht. Um wirklich aus der Masse herauszustechen, traut sich der Vierer unterm Strich aber leider viel zu wenig und bietet sowohl textlich als auch musikalisch zu oft Bewährtes auf Nummer sicher. Das dürfte zwar manchen Szene-Veteranen ausreichend befriedigen, der ganz große Wurf bleibt so dennoch verwehrt.

Informationen:

https://www.schattenmann.net

https://de-de.facebook.com/schattenmannband/

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