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BEITRÄGE:

  • AutorenbildChristoph Lorenz

Blackfield Festival - Tag I - Amphitheater, Gelsenkirchen - 12.06.2015


Veranstaltungsort:

Stadt: Gelsenkirchen, Deutschland

Location: Amphitheater Nordsternpark Kapazität: ca. 6.000

Stehplätze: Ja Sitzplätze: Ja Homepage: http://www.blackfield-festival.de

Einleitung:

War die strahlende Sonne hoch am azurblauen Himmel Gelsenkirchen an diesem Wochenende auch gut gewogen, so ist es nun doch schon langsam dämmrig geworden. Die Luft ist angenehm klar an diesem Sommerabend, an welchem ich nun gemächlich, fast schon etwas andächtig, über den nahegelegenen Parkplatz des angrenzenden Amphitheaters, mitten am Rhein-Herne Kanal, spaziere. Nicht nur dunkel, auch leer ist es hier geworden. Kaum mehr stillstehende Autos und Wohnmobile sind in Sicht. Von Gästen in Feierlaune, welche sich mit eingeschalteter Musik und kalten Getränken vor eben diesen in aufgeregter Vorfreude aus das Kommende Ereignis unterhalten, (wieder-)sehen oder Richtung der Arena aufmachen, keine Spur mehr. Ein leichter Hauch kühler Abendluft ist zu verspüren und so bleibe ich noch einen kleinen Augenblick dort stehen. Zu hören, ist auch nichts mehr. Die Musik ist verstummt. Und mit ihr die krachenden Gitarrenwände, der vibrierende Bass, sogar der schallende Applaus voller Begeisterung ist nun nicht mehr zu vernehmen. Es ist also nicht nur leer, sondern auch sehr still geworden. Mein Blick schweift über den Schotterplatz und die verbliebenen Wagen, ich drehe mich noch einmal um, blicke zum Nordsternpark samt Theater zurück. Einige andere Gäste, vermutlich mit die Letzten hier, kommen mir aus meiner ursprünglichen Gehrichtung noch entgegen. Wahrscheinlich suchen sie ihr Auto, oder wollen zur Bushaltestelle in der Nähe. Sie verabschieden sich untereinander. Herzlich. Und wahrscheinlich haben sie, ebenso wie ich und viele andere auch, einen denkwürdigen, emotionalen, aber auch schönen Tag gehabt. Dennoch ist kein Zeichen von Ausgelassenheit in ihren Gesichtern zu sehen, sie wirken nachdenklich, leicht bedrückt. Und sie alle tragen ausschließlich schwarz. Auch wenn diese Farbe an den vergangenen Tagen eine ganz andere Bedeutung und Art des Ausdrucks hatte, so könnte man als Außenstehender meinen, sie trägen Trauer für etwas oder jemanden. Das was mich in diesem Moment sehr nachdenklich macht, ist das es sogar irgendwie passt, das sie das tun. Seit 2008 findet hier alljährlich ein wahres Ereignis statt. Das Blackfield Festival. Inmitten vom idyllischen Grün des Nordsternparks gelegen und mit bester Sicht auf eben erwähnten, von Ausflugsbooten und Frachtschiffen befahrenen Kanal, welcher sich um dieses Areal schließt, liegt es, das altehrwürdige Amphitheater. Einmal im Jahr für mehrere Tage das Zentrum der versammelten schwarzen Szene, in Nordrhein-Westfalen. Einst von den drei Geschäftsführern Dirk Verseck, Dirk Zimmer und Pedram Sadighi ins Leben gerufen, entwickelte sich dieses von Jahr zu Jahr kontinuierlich in nahezu allen Bereichen weiter und etablierte sich somit zu einer festen Größe am Festival-Himmel, direkt neben dem Amphi-Festival in Köln, dem Mera Luna in Hildesheim und im Terminkalender vieler Szene-Gänger. Auch das Line-Up wurde durch großes Engagement des Veranstalters, als auch durch das Feedback der Community stetig verbessert und angepasst, der Radius auf viele Sparten und Interessen ausgeweitet.


Ebenso das Rahmenprogramm mit Camping Möglichkeit, VIP-Uprgrades, Autogrammstunden der zahlreichen Künstler, Pre- und Aftershow-Party inklusive Gast-DJs, sowie einer Händlermeile mit vielen Verkaufstständen und reichhaltigem Angebot in nahezu allen Bereichen. Im Sommer 2012 bezog man erstmals den Platz neben der Hauptlocation für eine weitere Bühne, in einem dort erbauten Zelt mit ein und weitete das Programm ein Jahr später auf ganze drei Tage aus. Nicht nur Location und Rahmenangebote, sondern auch der mehr als gerechtfertigte, wenn nicht sogar zu niedrige Preis, von unter 60 Euro für ein Drei-Tages-Ticket, zogen die Besucher in Scharen an. Gerade die außergewöhnliche Atmosphäre in den Mauern des Theaters ließ familiäre Züge aufkommen, die zurückzulegenden Wege waren kurz, die Stimmung augelassen, friedlich und gut, ebenso die Sicht auf die Mainstage. Von Platzmangel, Streit und Gedränge nichts zu merken. Jeder Einzelne knüpfte schnell Kontakte, man lernte sich kennen und schätzen, traf sich am gleichen Ort jährlich wieder und feierte zusammen. Ein lieb gewonnenes Ritual, Vorfreude auf den nächsten Sommer. Vorfreude auf ein Wiedersehen mit allen. Zur gleichen Zeit, am gleichen Ort. "Wohnzimmer der Festivals", wie das Blackfield liebevoll von vielen getauft wurde. Niemand dachte an ein Ende. Doch dann am 05. Mai diesen Jahres dann der große Schock: Über die Social Media-Plattform "Facebook" verkündet man aus wirtschaftlichen Gründen das endgültige Aus für das Blackfield Festival. Über die Jahre immens gestiegene Kosten von allen Seiten, seien der ausschlaggebende Punkt für diese folgenschwere Entscheidung, welche emotional auch für das gesamte Team nicht leicht gewesen und gründlich überlegt worden sei. Als einzige Möglichkeiten habe man deutlich höhere Ticketpreise, als auch einen Ortswechsel mit anderer Location angesehen. Da Ersteres auf Seiten des Veranstalters nicht in Frage kam, entschied man sich dazu, das Blackfield 2015 nun zum letzten Mal auf Gelsenkirchener Boden stattfinden zu lassen. Ob und wie es mit dem Festival in Zukunft weitergeht, steht noch in den Sternen. All das und der anstehende Festivalbericht schießt mir jetzt durch den Kopf. Langsam wird mir bewusst, dass ich hier nun zum letzten Mal auf diesem mittlerweile verwaisten Parkplatz stehe und zum letzten Mal gemeinsam mit allen anderen zusammen diese Zusammenkunft zelebriert habe. Gerade an diesem letzten Tag sind in vielen Augen Tränen zu sehen gewesen. Es ist der definitive Abschied, von einer Veranstaltung, die wir alle vielleicht all die Jahre über als zu selbstverständlich, das Wiederkehren im Folgejahr als routiniert und gewöhnlich angesehen haben. Noch am Freitag Mittag haben all diese Menschen und auch ich noch an all die Begegnungen und die Musik gedacht, nicht an Abschied. Doch wie es immer so ist, geht alles Schöne einmal vorbei. Und somit auch diese drei, ganz besonderen Tage. Und so stehe ich auf diesem Parkplatz, blicke ein allerletztes Mal zurück, denke an Vergangenes. An viele Begegnungen, gute Gespräche, tolle Bands und eine mehr als nur schöne Zeit. Denn in der Erinnerung wird sie bleiben. Für immer. Und so drehe ich mich ein letztes Mal um und trete den Heimweg an.

Freitag, 12.06.2015 - Blackfield Festival Tag:

Es ist sonnig. Sehr sogar. Das Wetter über Gelsenkirchen meint es gut mit seinen Festivalgängern. Ich steige aus dem Zug und gehe die Treppen hinunter. Komplett in schwarz gekleidet, wie so oft. Als ich auf einer Bank kurz meine Tasche abstelle und alles sortiere, bemerke ich den skeptischen Blick eines älteren Mannes, auf der anderen Seite. Bevor ich genauer darüber nachdenke, ist er auch schon wieder im Getümmel verschwunden. Ich gehe durch die Eingangshalle und erkundige mich schonmal nach den Abfahrtszeiten für die Rückfahrt am Abend. Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren, geht es hier noch recht bunt zu. Erst als ich die Rolltreppe zu der nahegelegenen Haltestellen-Insel nehme, sehe ich noch einige andere und steige wenige Minuten später mit ihnen in den Bus Richtung Krokuswinkel. Das ich schon wenig später und somit viel zu früh auch mit all den anderen wieder aussteige, hätte ich zuvor nicht gedacht. Und da der nächste Bus laut Plan noch länger auf sich warten lässt, finden wir uns als kleine, verzweifelte Tollpatsch-Gruppe zusammen und pilgern bei sommerlichsten Temperaturen und großer Hitze zum Nordsternpark. Einige witzige Anekdoten und ausgetauschte Festival-Erfahrungen später, stehen wir auch schon vor dem Torbogen des Amphitheaters und passieren den großen Parkplatz, auf welchem sich nach und nach immer mehr Gäste einfinden. Parkplätze werden gesucht, Kofferräume gehen auf und zu, man packt seine Sachen zusammen, sorgt mit einigen Accessoires für den letzten Feinschliff. Viele suchen und verabreden sich, man trifft sich wieder. So wie jedes Jahr. Die Ausgabe der Festivalbändchen findet zur linken Seite des Geländes in einem großen Zelt statt und geht sehr zügig voran. Dieses ist 2015 in den Farben grau und grün gehalten, ein passendes Programmheft mit den Spielzeiten und Band-Infos gibt es dazu. "Thank You" steht ganz hinten in großen Lettern darauf. Ich werde kurz nachdenklich, doch bevor der erste Hauch Abschiedsmelancholie über mich kommen kann, mache ich mich zum Einlass auf. Die freundliche Security bittet um das Vorzeigen des Bändchens, danach werden die Taschen kontrolliert. Noch ist es recht ruhig und leer auf dem Gelände, der Einlass ist erst seit gerade in vollem Gange und wir zählen zu den Ersten hier. Von der Bühne hallen einige Töne von zu stimmenden Instrumenten herüber, vermutlich der Soundcheck. Man fühlt sich direkt wieder heimisch, nahezu alles ist hier vertraut. Ich passiere den Pfad direkt nach dem Einlass und komme an den ersten Ständen und dem Zelt für die Autogrammstunden vorbei. Zahlreiche Händler und Verkäufer locken mit ihrem Angebot aus CDs und wahren Musik-Raritäten, Handgemachtem, Schmuck und Szene-Kleidung für alle Gruppierungen. Auch kulinarisch hat das Blackfield einiges zu bieten: Vom Mittelaltermarkt mit Lagerfeuer und traditionellen, frischen Köstlichkeiten vor dem Veranstaltungsgelände, bis hin zu Asia-Nudeln aus dem Wok, Bratwürsten, Cocktail-Bars und ausreichend Getränke-Ständen, ist hier alles vertreten um die zahlreichen Gäste angemessen und vielfältig zu moderaten Preisen zu verköstigen. Und aufeinmal stehe ich wieder dort, auf der allerersten Treppenstufe des Amphitheaters und blicke tief hinunter, über all die noch ungefüllten Plätze hinweg, bis hin zum Innenraum und der Mainstage mit dem Zeltdach. Was für ein wunderschöner, wenn auch wohl bekannter Ausblick. Und wieder fühle ich mich direkt heimisch. Ich atme tief ein und genieße nach einem Jahr der Abwesenheit diesen einzigartigen Augenblick und das wohltuende Gefühl des Angekommenseins. Doch allzu lange verharre ich nicht, denn schon nach einigen Minuten kommen weitere Gäste an. Denn gleich schon ist es soweit und die erste Band beginnt. Ich hole mir noch schnell ein Getränk und setze mich auf eine der obersten Stufen, mit bester Sicht auf die Bühne. Endlich wieder da. Endlich angekommen.


Mainstage, 16.40 Uhr - Xiphea:

Wie es seit einigen Jahren Tradition beim Blackfield Festival ist, gibt der Veranstalter auch jungen, unbekannten Bands die Chance, sich und ihre Musik vor einem größeren Publikum mit weit gefächertem Musikgeschmack zu präsentieren. Der Gewinner des diesjährigen, von Szenemagazin-Größe "Sonic Seducer" präsentierten "Battle Of The Bands"-Contests ist die deutsche Band "Xiphea", welche das Festival musikalisch eröffnen darf. Die junge Combo aus Nürnberg besteht seit 2011 und spielt melodischen Symphonic-Metal. Die Musiker um Frontfrau Sabine agieren allesamt erfahren und bestens aufeinander eingestimmt, Unsicherheit oder kleine Patzer gibt es nicht ansatzweise. Die Musik, welche sich an offensichtlichen Genre-Kollegen wie Nightwish, Evanesence oder Epica orientiert, findet schnell Anklang bei vielen Besuchern und wird gut aufgenommen. Die Mischung aus harten Gitarren und Sabines warmer Stimmfarbe, harmonieren perfekt zusammen und lassen, zusammen mit melodiösen Elementen, beim immer größer werdenden Publikum Stimmung aufkommen. Leicht hat es die eröffnende Band auf einem Festival nie, doch durch große Suveränität, eine saubere, professionelle Spielweise und einer gelungenen Song-Auswahl machen "Xiphea" ihren Job heute mehr als gut. Eine Band, von welcher man in Zukunft hoffentlich noch mehr hören und sehen wird.

Mainstage, 17.15 Uhr - Pre/Verse:

Die Hambruger Band "Seasurfer" mit ihrer Mischung aus Pop und Punk Elementen, war ursprünglich für den zweiten Slot im Running Order angekündigt, musste aber aus "persönlichen Gründen" laut Veranstalter absagen. Als Ersatz konnte dafür die Elektro-Rockband "Pre/Verse" für den Ersatz im Line-Up gewonnen werden. Die Bottroper Band bestehend aus Kai Schwenkler, Andreas Schmitz, Hilger Tintel, Dae Joon und Neila Fynn legen eine überzeugende Performance mit ihrer klangvollen Kreuzung verschiedener Elemente vor und begeistern mit hoher Eingängkeit die Anwesenden. Die abwechslungs- und facettenreiche Mixtur ihrer Songs tut ihr übriges und lässt viele Arme schon kurz nach Beginn in die Höhe schnellen. Zart, hart, elektronisch, rockig, vor allem aber eigenständig präsentiert sich die Gruppe hier, sei es mit krachendem Drumming, verzerrten Keyboardsounds oder eigebundenem Bass. Ein sympathischer lokaler Act, welcher im Gedächtnis vieler bleiben dürfte, nicht zuletzt durch den krassen Kontrast mit den pinken Flamingos auf der Bühne. Die Aufwärmphase fürs Publikum ist somit erfolgreich geglückt.

Mainstage, 18.00 Uhr - Spetsnaz:

Im Anschluss legt das 2001 gegründete EBM-Duo um Stefan Nilsson und Pontus Stalberg nach. Durch die harten, Elektrosounds, ganz im Stile von Vorreitern wie "Front 242" oder "Nitzer Ebb", kommt im mittlerweile gut besuchten Amphitheater immer mehr Stimmung auf. Der Innenraum verwandelt sich schon nach kurzer Zeit in eine wahre Tanzfläche und auch auf den Rängen sind Reaktionen zum wummernden Bass zu beobachten. Mit einer Auswahl an beliebten Klassikern aus ihrem Backkatalog, wie "Apathy" oder "To The Core", als auch Material ihres 2013er Werks "For Generations To Come" wie beispielsweise dem treibenden "Free Fall", sorgen die Schweden mit ihrem Sound der alten Schule für einiges an Bewegung im Publikum und ein sich immer mehr füllendes Amphitheater. Wie immer sind "Spetsnaz" also auch an diesem Tag ein Stimmungsgarant für Freunde harter, elektronischer Musik mit Oldschool-Einschlag und überzeugen viele der Besucher gleich von den ersten Takten an.

Mainstage, 19.05 Uhr - Absolute Body Control:

In eine ähnliche Kerbe schlagen danach "Absolute Body Control" aus Belgien, welche mit ihrem Sound ebenfalls so einige Anhänger synthetischer Musik, als auch der EBM-Fraktion anziehen. Das 1980 von Dirk Ivens und Eric van Wonterghem gegründete Projekt überzeugt durch ihre großes Auswahl an Klassikern der alten Schule und lässt die Herzen vieler Fans höher schlagen. Mit einer äußerst gelungenen Mischung an Evergreens der Marke "Figures", "Is There An Exit?" oder "Automatic" im Gepäck und einer kraftvollen Performance, heizt das Duo vor allem den Innenraum ordentlich ein und sorgt für viele ausgelassene Tänze, in diesen frühen Abendstunden des ersten Tages. Die zwei Akteure agierten gewohnt routiniert und erfahren auf der Bühne, feuerten einen Clubhit nach dem anderen in die Reihen. Sicher gab es nach ihrem letzten Auftritt auf dem Blackfield im Jahre 2011 so einige Gäste, welche sich auf ein Comeback auf die Mainstage am Rhein-Herne-Kanal gefreut haben. Enttäuscht wurden sie bei diesem Projekt in keinster Weise. "Absolute Body Control": Eine wahre Bereicherung und feste Instanz im diesjährigen Line-Up, für alle Liebhaber der EBM-Fraktion.


Das Amphitheater ist in der Zwischenzeit regelrecht voll geworden, wo vor einigen Stunden noch leere Plätze zu sehen waren, war die Stimmung nun ausgelassen, die Besucher in bester Feierlaune. Schwer gedämpft wird die Atmosphäre darauf jedoch durch die Ansage des Blackfield-Moderators und "X-Divide"-Musikers Jens Domgörgen, welche die versammelte Menge schlagartig aufhorchen und verstummen lässt. Es handelt sich um die Vermeldung einer Unwetterwarnung über Gelsenkirchen, die plötzlich verschwundene Sonne, als auch ein bedrohlich grauer Himmel und einige Regentropfen, lassen nichts Gutes vermuten. Sollte es zum Äußersten kommen, so wird darum gebeten, den Anweisungen der Security Folge zu leisten und das Gelände im Ernstfall schnellstmöglich zu verlassen. Die Nachfolge-Bands "Lord Of The Lost" und der Headliner des Abends "Subway To Sally", müssten ihre Shows unter diesen Vorraussetzungen abbrechen oder ihren Auftritt ganz absagen. Viele ungläubige Blicke sind in den Gesichtern der angereisten Fans zu sehen, haben sich viele doch gerade auf ebenjene Bands gefreut. Aber die Sicherheit aller Beteiligten geht nun mal vor. Bevor die Stimmung im Theater allerdings zu kippen droht, beginnt vorerst aber ungeachtet des Wetters, der Soundcheck für die nun folgende Formation. Ich begebe mich also die vielen Treppenstufen hinunter in den Innenraum und suche mir einen guten Platz aus.

Mainstage, 20.20 Uhr - Lord Of The Lost:

Seit einigen Jahren gern gesehener und von vielen freudig erwarteter Gast, sind die Hamburger Dark-Rocker von "Lord Of The Lost". In einer recht kurzen Zeitspanne konnten die Musiker um Frontmann Chris Harms beachtliche Erfolge mit ihren Veröffentlichungen, als auch einen enorm gesteigerten Bekanntheitsgrad auch über die Szene hinaus erzielen. Waren sie jüngst noch mit einem Kammerorchester auf eigener "Swan Songs"-Akustiktour, so gibt es für die sommerlichen Open-Air-Shows wieder die volle, metallische Breitseite. Und schon nach einem kurzen, epochalen Intro, betreten die Musiker die Bühne, um mit "Kill It With Fire" vom letzten Studio-Ableger "From The Flame Into The Fire" ihr Set zu eröffnen. Der Platz vor der Bühne hat sich spätestens zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund der großen Fanbase enorm verringert und so feiern die Mannen einen gelungenen Einstand unter großem Beifall. Mit zerrissenen Bühnenoutfits, schwarzer Schminke und verrustem Oberkörper bringt die Formation mit ihren harten Riffs den Boden vor der Bühne zum erbeben. Den Großteil des Sets machen die härteren Stücke ihrer jüngsten Veröffentlichungen aus, die Single-Auskopplung "Six Feet Underground" darf ebenso wenig fehlen wie "Kingdom Come" oder das brachiale "Fists Up In The Air". Aber auch beliebte Klassiker wie "Black Lolita", "Sex On Legs" mit seinen Mitsing-Passagen, das epochal-emotionale "Prison" oder der Brecher "Die Tomorrow" kommen nicht zu kurz und werden von der Menge wohlwollend aufgenommen und abgefeiert. Ist die Stimmung ganz zu Anfang noch recht verhalten, aufgrund der langen Festival-Pause aller Anwesenden, so wissen die sympahtischen Musiker mit ihren melodischen Nummern inklusive Ohrwumpotential die Menge aufzutauen. Hände erstrecken sich in die Lüfte, es wird getanzt, geklatscht und vor allem mitgesungen. Wie bei so vielen Shows merkt man den Lords auch am heutigen Abend den Spaß an, welche sie bei jeder ihrer Shows in pure Energie umwandeln und die Festival-Herzen damit zurecht im Sturm erobern. Die Hamburger geben sich bodenständig, locker und sicher. Sänger Chris Harms motiviert das Publikum mit fordernden Ansagen immer wieder und treibt selbst die obersten Ränge zum mitmachen an, die Ansagen sind sympathisch-humorvoll und selbst einem vorbeifahrendem Ausflugsboot wird auf Geheiß des Sängers mitten im Song gewunken. Zum Abschluss präsentieren "Lord Of The Lost" dann ihren selbsternannten Sommerhit, das feurige "La Bomba", mit seinem abgedrehten Stil und exotischen Rhythmen. Während man sich auch auf der Bühne im Takt bewegt und über die Bretter tänzelt, wird die letzte Nummer des Abends auch seitens der Festival-Besucher durch wilde Tänze und tosenden Beifall quittiert. Zum Abschluss des Sets gibt es noch ein gemeinsames Foto, zu welchem sich alle Arme und Stimmen erheben, dann ist es auch schon wieder vorbei, wenn auch viele der Anwesenden mit Sicherheit genr länger dem Co-Headliner des heutigen Abends gelauscht hätten. Unter großem Jubel verlässt die Band die Bühne und verabschiedet sich herzlich.


Danach: Entwarnung. Der Himmel hat sich über die Show von "Lord Of The Lost" hinweg nahezu unbemerkt aufgeklart, erste Sonnenstrahlen brechen durch die Wolkenfront und lassen große Erleichterung bei allen verspüren. Der Umbau für den sehnlichst erwarteten Headliner beginnt und so mache ich mich noch einmal zum Getränkestand auf, um etwas Kraft für die bevorstehende Show zu tanken. Während es langsam zu dämmern beginnt und immer mehr schwarz gekleidete Personen hinunter zur Mainstage eilen, auf welcher einige Roadies schon fleißig die Instrumente stimmen und das aufwendige Bühnenbild errichten. Ich suche mir einen Platz vor der Bühne, bevor es dort richtig voll wird und sich ein "schwarzes Meer" bildet, um die letzte Band für den heutigen Abend in Empfang zu nehmen. Und schon bald betritt Moderator Jens erneut die Bühne und kündigt ebendiese unter lauten Jubelstürmen an. Es geht los.

Mainstage, 21.45 Uhr - Subway To Sally:

Die Bühne ist nun kaum mehr wiederzuerkennen. Verschiedene Erhöhungen und Ebenen werden von rostigen Gitterwänden und Stahlkonstruktionen geziert, in der Mitte prangt ein großer Käfig. Während ein tiefer Bass den Boden erzittern lässt, wird das Bühnenbild in bedrohliches, rotes Licht getaucht, Nebelwände ziehen aus den Winkeln hervor, schrauben sich in die Lüfte und verdichten die Sicht. Unter verzerrtem, tierisch anmutendem Gebrüll, welches direkt aus einem Horrorfilm stammen könnte, betreten die einzelnen Musiker die Bühne und nehmen ihre Plätze ein. Während sich Gitarrist Simon Michael mit seinem Instrument im Zentrum positioniert, steigen tiefrote Flammensalven im Takt des immer schneller werdenden Intros zum Himmel empor, bevor mit einem lauten Knall, Funkenstößen und Rauchschwaden das Set durch "Warte, Warte" eröffnet wird. Nach kurzer Zeit betreten auch Bodenski und Frau Schmitt die Bretter, um den Song mit Drehleier und Geige voranzutreiben, während Sänger Eric Fish in tiefschwarzer Montur plötzlich inmitten des Käfigs erscheint. Nach dieser imposanten Eröffnung folgt mit "Schwarze Seide" und großem Dubstep-Finale ein weiterer Song vom 2014er Album "Mitgift", welches die Potsdamer diesen Sommer zum letzten Mal auf den Festivalbühnen präsentieren. Auch die für Bandverhältnisse obligatorische Pyrotechnik darf keinesfalls fehlen und so werden schon beim dritten Lied "Feuerland" meterhohe Flammensäulen entfacht, welche bis zum Zeltdach in die Höhe schießen und auch "Wenn Engel Hassen" wird von mächtigen CO2-Kanonen im Refrain unterstützt. Neu im Set ist der titelgebende Track "Mitgift", welcher zwar nicht auf dem regulären Album, dafür aber auf einer exklusiven EP seinen Platz fand und live von hohen Funkenfontänen unterstützt wird. Ebenso melodiös und mitreißend präsentiert sich "Grausame Schwester", zu tiefblauer Beleuchtung bildet sich im Innenraum ein großes Meer aus Armen und wogt im Takt der Musik, bevor mit "Arme Ellen Schmitt" wieder einiges an Fahrt aufgenommen wird. Die Musiker bieten eine perfekte Show und haben das Publikum schon nach wenigen Songs völlig im Griff, so zeigt sich dieses auch bei allen interaktiven Aktionen des Frontmanns gehorsam, springt wild auf und ab, entfacht Tänze oder trägt den Sänger bei "Das Schwarze Meer" auf seinen Händen, als sich dieser wagemutig in die Menge begibt. Mit "Kleid Aus Rosen" wird ein weiterer, unverichtbarer Klassiker angestimmt, allerdings in neu arrangiertem Gewand und mit erheblich angezogenem Härtegrad. Einige weitere CO2-Stöße während des frenetisch gefeierten "Falscher Heiland" später, bilden einige Wagemutige dann auf Wunsch der Band bei "Besser Du Rennst" einen großen Circle Pit. Die Stimmung im Amphitheater kommt mittlerweile einem Hexenkessel gleich, egal ob vor und auf der Bühne, oder auf den Rängen: Überall wird geklatscht, gesungen und getanzt. Besonders "Tanz Auf Dem Vulkan" inklusive unterstützender Pyro im Refrain und das ebenfalls neu ausgearbeitete "Veitstanz" bringen immer mehr Bewegung in die Reihen, bevor sich die Band zum ersten Mal an diesem Abend verabschiedet. Unter nicht abreißen wollenden "Zugabe"-Rufen, kommen "Subway To Sally" erneut auf die Bühne um zusammen mit ihren Fans die Band-Hymne "Sieben" anzustimmen und auch der Klassiker schlechthin, "Julia Und Die Räuber", darf nicht fehlen. Unter schallenden Chören der Menge verlässt die Band nach diesem Finale die Bühne und wünscht den glücklichen Blackfield-Anhänger noch weitere, schöne Tage in Gelsenkirchen. Ein spektakulärer Auftritt, mit viel Esprit, Euphorie und guter Laune, bei Musikern wie auch Fans. Und ein würdiger Abschluss des ersten Festival-Tages.

Das war er also, der erste Tag des Blackfield Festivals. Und genauso vertraut wie sich die Anreise und Ankommen angefühlt haben, so vertraut wirkt die Abreise. Geschafft aber glücklich steige ich mit allen anderen die breiten Stufen hinauf und begebe mich Richtung Ausgang. Die Händler schließen langsam ihre Stände, rechnen die Einnahmen des heutigen Tages durch. Doch ist auf dem Gelände noch lange nicht Schluss: An den ersten beiden Tagen findet im großen Zelt eine Aftershow-Party für alle Gäste statt, die noch nicht genug von treibenden Rhythmen, guten Gesprächen und kalten Getränken haben. Ich schaue kurz vorbei, unterhalte mich noch mit dem einen oder anderen. Danach trete ich den Heimweg an, gehe über den Parkplatz, geradewegs zur Bushaltestelle. Mittlerweile ist es dunkel geworden, einige Besucher scheinen zum Campingplatz zu wollen, andere suchen ihr Auto. Ich passiere den Torbogen erneut, genau wie am Mittag. Lange warten muss ich nicht, denn schon nach kurzer Zeit hält einer der zahlreichen Busse, direkt zum Gelsenkirchener Hauptbahnhof. Ich lasse den Tag mit all seinen wunderbaren Erfahrungen und Gesprächen, der guten Musik und den Erinnerungen nochmals Revue passieren. Die Bahn kommt und ich steige ein. Noch bevor der Gedankengang aufkommen kann, das es schon sehr bald das letzte Mal gewesen sein wird.

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