top of page
  • Facebook - White Circle
  • Instagram - White Circle
  • YouTube - White Circle

NEUESTE
BEITRÄGE:

  • AutorenbildChristoph Lorenz

Covenant - The Blinding Dark (2016)




Genre: Electro / Alternative

Release: 04.11.2016

Label: Dependent (Alive)

Spielzeit: 46 Minuten

Pressetext:

„The Blinding Dark“ ist sicherlich nicht Covenants einfachstes Album. Es erreicht nicht die Hitdichte von Klassikern wie „Northern Light“ oder „United States Of Mind“, und es ist sicherlich nicht so gefällig wie die besten Covenant-Ohrwürmer „Dead Stars“ oder „Happy Man“. Trotzdem liegt die Spannung von „The Blinding Dark“ nicht nur in seinem aussagekräftigen Titel, sondern auch in der bemerkenswerten stilistischen Weiterentwicklung, die sich Covenant mit diesem Album selbst verschrieben haben - und nicht zuletzt auch der Thematik der sie sich widmen. Natürlich sind mit „Sound Mirrors“, „Immortal“ oder „I Close My Eyes“ auch hier starke Tanzflächenfeger vertreten, aber der Contrapunkt des Albums liegt eher auf gedrückten, unterschwellig düsteren Tracks, wie dem von Kraftwerk und Jean Michel Jarre inspirierten „Dies Irae“ oder dem Lee Hazelwood (!) Cover von „Rider On A White Horse“, welches aus der 1977 erschienenen Country-Hymne ein düster-schleppendes elektronisches Requiem macht, das mit schweren akustischen Drums unterlegt ist. Letztendlich gibt es in „The Blinding Dark“ viel zu entdecken, was wohl nicht nur darin begründet liegt, dass Ur-Covenant Joakim Montelius wieder mehr Verantwortung im Studio übernommen hat als bei den letzten Werken, und dass Daniel Myer („haujobb“, „Architect“) wieder fester ins Live-Lineup integriert wurde. Und so erinnert „The Blinding Dark“ vielleicht eher an ein Album in der Covenant-Historie, das nicht zu den großen Hitlieferanten zählte, aber gerade wegen seines ungeschliffenen Charakters viel Tiefe und Langlebigkeit besitzt: Der zweite Longplayer „Sequencer“ könnte mit seinen langsamen Nummern wie „Tabula Rasa“ oder „Flux“ glatt das Stimmungsvorbild für „The Blinding Dark“ sein. Und das wäre ja wirklich nicht das Schlechteste…

Kritik:

„I bite the hand, that feeds me

I burn the ground, on which I stand

I keep my eyes, on the blinding dark

To catch the light, of the morning star“

Die Tage werden länger, das Laub regnet abwechselnd in goldgelben und rostig roten Farbtönen von den Baumkronen hinab, die Temperaturen sinken beständig, es wird zunehmend kälter und nicht zuletzt beständig dunkler. Der Erdball befindet sich festen Griff des Herbstes. So unbestritten sich dieser Wandel immer wieder vollzieht, so veröffentlichungsstark präsentiert sich dieses Quartal zum aktuellen Zeitpunkt. Einen der klaren Schlusshöhepunkte 2016 setzt dieser Tage eine wahre Legende elektronischer Musik. Herrschte neben dem spektakulären "Gothic Meets Klassik"-Intermezzo, sowie vereinzelten Club- und Festivalshows fast ausnahmslos geheimnisvolle Stille, kehrt eine der innovativsten Legenden elektronischer Musik nach ganzen drei Jahren und ihrer letzten regulären Studioveröffentlichung "Leaving Babylon" endlich zurück. Die Rede ist natürlich von niemand Geringerem, als von der Future-Pop-Institution schlechthin: "Covenant". Bereits mit ihren ersten Alben, wie dem von Szene und Kritikern gleichermaßen hochgelobten "Dreams Of A Cryotank" oder "United States Of Mind", machten die Schweden schon in den frühen Neunzigern von sich reden, spätere Releases der Marke "Northern Light", "Skyshaper" und "Modern Ruin" könnten diesen Erfolg nicht nur halten, sondern um ein Vielfaches ausbauen. Auch heute noch gilt ihr breiter Backkatalog als ebenso frisch, wie einzigartig und ist berechtigterweise zu einem unverzichtbaren Dauerkandidaten diverser Tanzflächen avanciert. Doch war es nie Absicht, mit dem eigenen Schaffen ausschließlich zwischen flackerndem Stroboskoplicht der Clubs und Spaßgesellschaft stattzufinden. Heute noch weniger als damals. Mit ihrem nunmehr neunten, mystisch mit "The Blinding Dark" betitelten, Langspieler, schickt sich das Trio um Mastermind Eskil Simonsson erneut an, seinen Plan gehaltvoll-inspirierender Klangcollagen weiterzuentwickeln und somit einher den nächsten Schritt Richtung Muster-Abkapselung zu gehen. Wie sich der experimentell konstruierte Ausflug in bodenlose Leere und tiefe Dunkelheit anfühlt, vor allem aber anhört, ist wie immer in den nächsten Zeilen zu lesen.

Der Einstieg in die Dunkelheit gelingt mit dem Opener "Fulwell", welcher wider Erwarten viel mehr ein Atmosphäre spendendes Instrumental, denn klassisches Eröffnungsstück im eigentlichen Sinne ist. Rund zwei Minuten erfüllen zuerst leichtes Vogelzwitschern und beruhigendes Rauschen die Spielzeit, nur um dann schlussendlich von einem stetig ansteigenden, immer lauter und bedrohlicher tönendem Dröhnen erstickt zu werden. In den ersten Momenten erwachen somit berechtigterweise einige Anklänge von Ambient-Auswüchsen, wenn der Hörer sich unweigerlich in einem rauschenden Strudel aus Geräuschen und Getöse wiederfindet, nur um dann im nahtlosen Anschluss direkten Zugang zum ersten vollwertigen Titel finden zu können. "I Close My Eyes" kommt in, sofern das Wort in Verbindung mit dieser Ausnahmeband überhaupt zutreffend verwendet werden kann, fast schon klassischem Gewand und weniger drückend angehaucht als gedacht daher. Ein treibender Rhythmus in mittlerem Tempo eint sich mit mal erhellenden, mal verspielt-virtuosen Sound-Komponenten, während sich die eindringliche Stimme von Eskil Simmonson auf jede einzelne Zeile legt, um erhaben über allem zu thronen. Der majestätische Refrain krönt die fast schon leichtfüßig tanzbare Nummer schlussendlich zum ersten Highlight. Im scharfen Kontrast dazu stehen die durchaus kritischen Lyrics, die jedem noch so harmonischem Anflug einen bitteren Beigeschmack zu verleihen wissen. Zu deutlich und unbequem scheinen die textlichen Parallelen zum aktuellen Zustand unserer Zeit, wenn das lyrische Ich für einen entschleunigenden, dafür aber umso erschütternderen Moment in sich geht und die Augen schließt, aber nicht verschließt. Nie war das Ablegen der ach so sicheren Scheuklappen je wichtiger. Dieser Kernthematik nimmt man sich auch im unheilvollen „Morning Star“ an und arbeitet die Essenz weiter heraus. Im direkten Vergleich zum vorangegangenen Material, setzt das Kollektiv den Schwerpunkt hier klar auf die Stimmung. Düster und schleppend zerren die Klänge voran, immer wieder von mystischen Samples und einer minimalistisch anmutenden Melodie durchbrochen. In seiner Gesamtheit lässt sich der Track noch am ehesten mit unterkühlten Stampfern wie „Greater Than The Sun“ oder „Spindrift“ vom Erfolgsalbum „Skyshaper“ vergleichen. Der Text wird passend dazu emotionslos und maschinell wiedergegeben, die ungerührte Zerstörungswut des Menschen zu verdeutlichen. Die Fragen werden nicht beantwortet, sie werden sonderbar unparteiisch und teilnahmslos gestellt. Diesem Stil bleibt in gewisser Hinsicht auch „Cold Reading“ treu, welches das bisherige Tempo allerdings gehörig anzieht. Verzerrte Synthesizer und krachendes Beat-Gewitter, sind die gesamte Spielzeit über an der Macht. Bis auf einen harschen, sich immer wiederholenden und von reichlich Hall durchströmten Beat, existiert hier keine klare Struktur. Einzelne Phrasen wüten zwischen einem wiederkehrenden Mantra, was diesem technoiden Brecher eher zuträglich ist, als das es ihm schadet. Deutlich ruhiger wird es dann wieder mit der Cover-Version des Lee Hazelwood-Klassikers "A Rider On A White Horse", hier überraschend als äußerst gelungenes, wie stimmiges Duett arrangiert. Kraftvolle Drumschläge tragen diese Quasi-Ballade in reduzierter Geschwindigkeit immer weiter voran, die restliche Instrumentalisierung ist unter anderem mit einigen wenigen, dezenten Gitarren-Akkorden auf das Wesentliche reduziert, wodurch das eigentliche Country-Stück jedoch keinesfalls trist oder gar eintönig wirkt. Das Hauptaugenmerk liegt zunehmend auf den beiden Stimmen der weiblichen Gastsängerin und des Frontmanns, wodurch sich in Kombination mit dem verruchten Klang ein überaus homogenes Bild ergibt. Unerwartet, unkonventionell und doch ein ausgezeichnetes Plus auf "The Blinding Dark“.

Mit "Interlude I" wird dann die Brücke zum zweiten Song-Block geschlagen. Wie die knappe Bezeichnung es eventuell schon erahnen lassen könnte, handelt es sich hierbei abermals um ein vergleichsweise kurzes, rein instrumental gehaltenes Bindeglied. Diese Art der Überleitung gelingt durchaus und weiß sehr wohl zum großen Ganzen beizutragen, betrachtet man dieses Intermezzo mit dem vorliegendem Werk in seinem gewollten Gesamtzusammenhang. Losgelöst davon, hat diese Art von Platzhalter, ob der geringen Spieldauer und Variation, jedoch keinen wirklichen Mehrwert vorzuweisen und funktioniert somit nur in Verquickung mit dem darauf folgenden „Dies Irae“. Wie schon der melancholische Einstieg in die neuen Sphären, zeigt auch diese Komposition eine eher gediegenere Natur auf und erinnert dadurch zeitweise etwa an „Ignorance & Bliss“ vom Vorgänger. „Interlude II“ kommt vom klanglichen Spektrum her ein wenig über seinen ersten Part hinaus, das Prinzip bleibt aber gleich. Das nächste Lied dürfte den meisten Anhängern bereits bekannt sein. Hierbei handelt es sich nämlich um die aktuelle Single-Auskopplung, welche bereits während der sommerlichen Festival-Saison einem breiteren Publikum vorgestellt wurde. Die besungenen "Sound Mirrors" waren sogenannte Hochspiegelmikrofone, die wie trichterförmige Ohren aus kaltem Stein im Zeitraum zwischen 1916 und 1930 an der englischen Küste positioniert wurden, um durch akustische Signale vor nahenden Gefahren, wie etwa Flugzeugen oder Kriegsschiffen zu warnen. Verbessertes Kriegsgerät und die Erfindung des Radars, rangierten die Schall-Übermacht schließlich aus und ließen sie zu nicht mehr als optisch bedrohlichen Zeugen der Zeit verkommen. Der treffende Vergleich in Bezug auf die aktuelle Flüchtlingskrise und eine geradezu entmenschlichende Radikalisierung in Zeiten größter Not, setzt direkt beim Herz des Hörers an und appelliert an dessen gesunden Verstand. Auf musikalischer Ebene wendet man sich wiederum alten Tugenden zu, paart klangliche Düster-Epik mit bittersüßen Rhythmen, fordernder Tanzbarkeit und einer Message, die wohl nie wichtiger war als dieser Tage. Auf diese Weise reiht sich der Titel mühelos in das bisherige Schaffen der Band ein und wird künftig in den Köpfen und auf den Tanzflächen für Bewegung sorgen, ohne sich dabei hinter Hits der Marke "Ritual Noise" oder "Last Dance" auch nur im Ansatz verstecken zu müssen. Den Abschluss markieren alsdann das verhalten groovende „If I Give My Soul“ und „Summon Your Spirit“, das den Hörer auf dem gleichen Weg aus dem Album geleitet, wie es ihn zuerst herangeführt hat. Und so schließt sich der durchweg stimmige Kreis, um die einnehmende Dunkelheit.

Tracklist:

01. Fullwell

02. I Close My Eyes

03. Morning Star

04. Cold Reading

05. A Rider On A White Horse

06. Interlude I

07. Dies Irae

08. Sound Mirrors (Fullwell)

09. Interlude II

10. If I Give My Soul

11. Summon Your Spirit

Fazit:

Mit ihrem neuen Werk "The Blinding Dark" verabschieden sich die Kreativköpfe von "Covenant" nach dem 2012 veröffentlichten "Leaving Babylon" noch mehr, wenn nicht sogar endgültig, aus der mittlerweile großteilig von Einheitsbrei getränkten, uninspirierten und zugegeben wenig innovativen Clublandschaft. Bis zur Gänze durchchoreografierte Abläufe und wohl strukturierte Melodien nach berechnender Erfolgsformel oder Schema F, findet der auf Party und leicht bekömmliche Hits gepolte Konsument hier ebenso wenig, wie eingängige Tanzflächenfüller der Marke "Call The Ships To Port". Viel mehr setzen die Schweden mit ihrem 2016er Release auf hochwertig arrangierte, deutlich hörbar inspirierte Klangkonstruktionen und experimentelle Ausschweifungen zu neuartigen Ufern. Vor allem die, zwischen den regulären Titeln, unregelmäßig verbauten Instrumentals, die in ihrer Anwendung ergänzenden Versatzstücken oder Bindegliedern gleichkommen, tragen zu einem deutlich hohen Grad der vorherrschenden Atmosphäre bei und erzielen somit den gewünschten Effekt. Für das vorliegende Material soll dies aber keineswegs bedeuten, dass es nicht auch wieder eine erlesene Auswahl an hochgradig durchdachten und wertig produzierten Songs gibt. Im Gegenteil: Mit dem elegischen "I Close My Eyes", donnernden Beats bei "Cold Reading" und den aufrüttelnden Rhythmen eines "Sound Mirrors", bietet man im Kontext der erzielten Tiefsinnigkeit auch weiterhin Eingängiges an, das in seinen Grundzügen zwar in gewohnter Manier daherkommt, gleichsam aber auch deutlich den Geist der eigenen Ursprünge atmet und rein inhaltlich mehr bedeutende Fragen aufwirft, als es im Kern beantwortet. "The Blinding Dark" ist ein erwachsenes und gereiftes Gesamtkunstwerk, welches, um seine ganze Wirkung und Schönheit entfalten zu können, am Besten als Ganzes verinnerlicht werden sollte, wenn auch ein Groß der Tracks davon losgelöst funktioniert. Einmal mehr verdienen "Covenant" höchsten Respekt für ihren ausgesprochenen Wagemut, sich in einer derart schnelllebigen Musiklandschaft wie dieser, an neue und sicher nicht immer einfache Konzepte heranzutrauen. Hier stehen für die Kunst unerlässliche Werte wie Experimentierfreude und kreative Freiheit, die in den vergangenen Jahren mehr und mehr in den transparenten Hintergrund rückten, hingegen ganz oben auf der Agenda. Der klare Fokus liegt einmal mehr auf dem, was ausgesagt werden soll, vielleicht sogar ausgesagt werden muss und nicht auf starren Mustern, die am lukrativsten erscheinen. Ein alles andere als geringes Risiko, das ganz sicher nicht ohne jedwede Spuren an Fankreis und Verkaufszahlen vorbeigehen, aber auch ein umso wichtigeres Zeichen im Business setzen wird. Weil es manchmal selbstlose Opfer braucht, um in der heutigen Zeit etwas bewegen zu können.

Informationen:

http://www.covenant.se

https://www.facebook.com/Covenant-OFFICIAL-156626197713557/

bottom of page