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BEITRÄGE:

  • AutorenbildChristoph Lorenz

Blutengel - Leitbild (2017)


Genre: Electro / Pop / Alternative

Release: 17.02.2017

Label: Out Of Line (rough trade)

Spielzeit: 73 Minuten

Pressetext:

Eine der populärsten deutschen Szene-Bands hat ihr persönliches Meisterwerk geschaffen. Das neue Album Leitbild hat alles, was Blutengel ausmacht: Dunkle Club-Sounds, Atmosphäre, Härte, Gänsehaut-Feeling und Hymnen für Gefühlskrieger, so ungefiltert und vielschichtig, wie nie zuvor. Lebe deinen Traum! Blutengel-Kopf Chris Pohl hätte sich wohl kaum träumen lassen, dass er innerhalb von anderthalb Dekaden mit seinem musikalischen Werk zu einem der wichtigsten Acts seines Genres und weit darüber hinaus aufsteigen würde. Jetzt präsentieren Blutengel den Nachfolger zu ihrem gefeierten Top-5-Erfolg Save Us (Platz 4 der deutschen Albumcharts). Der Titel des neuen Albums, Leitbild , könnte nicht passender gewählt sein, denn es ist Evolution, Revolution, Reifezeugnis und Gefühlsorkan zugleich und gerade deswegen das wohl ehrlichste, direkteste und mitreißendste Erlebnis, das uns die Berliner je beschert haben. Man fühlt sich sofort zu Hause und entdeckt doch immer wieder unerwartete Seiten. Oder ganz einfach: Leitbild ist Blutengel pur!

Kritik:

"Wir wollen leben, leben so wie wir sind

Wir folgen keinem selbsternannten Gott

Wir wollen glauben, glauben woran wir wollen

Wir schaffen uns unser eigenes Leitbild"

Hinter den einnehmenden Mauern der schwarzen Szene ist es schon lange kein Geheimnis mehr: "Blutengel" sind einer der angesagtesten, gefragtesten und damit erfolgreichsten Acts und das schon seit vielen Jahren. Im Jahre 1998 in der Bundeshauptstadt Berlin aus dem Vorgänger-Projekt "Seelenkrank" heraus geboren, setzte Mastermind Chris Pohl zu einem zielsicheren Siegeszug an, der bis zum heutigen Tag anhält. Die erwählte Ausdrucksform, die mit ihren mal minimalistischen und dann wieder recht pompösen Arrangements aufwartet, verbindet seit jeher clubtaugliche Electro-Sounds für die Tanzflächen und einfühlsam-balladeske Elemente. Die Band selbst tauft diesen Stil, der abwechselnd sowohl in englischer als auch deutscher Sprache in die eingängigen Songs verbaut wird, kurz und klangvoll "Dark Pop". Mit dem Debüt "Angel Dust" machte man anno 2002 dann erstmals von sich hören, während nachfolgende Alben wie "Demon Kiss", "Live Lines", "Labyrinth" und "Schwarzes Eis" und diverse Auftritte auf namhaften Festivals einem stetig wachsenden Interesse, sowie einer gleichermaßen höheren Bekanntheit zutrugen. Eine neue Ikone der modernen Gothic-Bewegung hatte ihren festen Platz gefunden und ist seitdem nicht mehr wegzudenken. Doch machten sich die Berliner mit ihrem schnellen Aufstieg in den dunklen Olymp nicht ausschließlich Freunde: Werden "Blutengel" von ihren treuen Anhängern frenetisch als eine der einflussreichsten Gruppen gefeiert, so rufen sie seit Beginn doch auch einen nicht minder großen Teil an Neidern und Kritikern auf den Plan, der das durchdachte Schaffen argwöhnisch betrachtet und verurteilt. So ziehen böse Zungen den rapiden Aufsteiger immer wieder gern als erstes Beispiel für den kreativen Verfall und die steigende Oberflächlichkeit der gotischen Musik-Kultur heran, titulieren Pohl als "Dieter Bohlen der Szene". Neben einem durchweg zu poppigem Gesamtbild, führen nicht selten ausbleibende Innovation und ein berechnendes Kalkül die Liste der Vorwürfe an. Glattgebügelt seien die Melodien, wenig glaubhaft, klischeebeladen und ohne Ecken und Kanten die Texte und Botschaften. Auch für viele Alt-Fans stellte sich ab dem 2011er Release von "Tränenherz" spürbare Veränderung ein, die Euphorie flachte ob eines selten kreativen Wagemutes zunehmend ab, viele verließen das einst so stark verteidigte Lager. Pohl und Goldmann drohten in einen eigens geschaffenen Einheitsbrei abzurutschen, der das Duo durch einen verstärkt rührselig verklärten Output nur noch wie eine blasse Karikatur seiner selbst wirken ließ. Nach zahlreichen, internen Besetzungswechseln, orientierte man sich vor allem im Hinblick auf die Live-Shows neu, setzte auf organische Vertonung durch angestammte Musiker, mit denen es dann sogar auf exklusive Orchester-Tournee ging. "Monument" schlug ein wie eine Bombe und auch "Omen", das aus rechtlichen Gründen eine Umbenennung in "Save Us" erfuhr, wirkte deutlich erwachsener und an den eigenen Ansprüchen gereift. Der Hoffnung auf Weiterentwicklung wurde mit der aktuellen Single-Auskopplung "Complete" alsbald jegliche Luft zum atmen genommen und ließ aufgrund gezähmter Anpassung an den Massenmarkt böse Vorahnungen aufkommen. Diese schienen sich jüngst durch gewinnverheißende Werbemaßnahmen auf einem bekannten Fernsehsender nur noch zu bestätigen. Ein Aufschrei geht durch die Hörerschaft: Langjährige Wegbegleiter sehen das Schaffen ihrer Lieblinge endgültig gefährdet, der Rest wähnt sich sensationsheischend in der Bestätigung eines lang gehegten Vorurteils. Ist eine weitere Band im Kommerz angekommen? Folgt nach "Unheilig" etwa "Blutengel"?

Tiefe Glockenschläge erklingen wie aus dem Nichts. Erst scheinen sie noch weit entfernt, dröhnen leicht verschwommen wie aus einer anderen Dimension, nur um dann in ihrer Intensität anzusteigen und in einem lauten, klaren Widerhall zu stagnieren. Wie auch schon jüngst auf "Black Symphonies - An Orchestral Journey" setzen im Folgenden epochale Streicher ein und erzeugen zusammen mit klagenden Chorälen einen cineastisch anmutenden Bombast. Ein gellendes Horn ruft, es beginnt! Die Tore zu einem neuen Kapitel der "Blutengel"-Ära öffnen sich in diesem gut drei Minuten langen Prolog nur schwerfällig, doch dann ist es endlich soweit: "Welcome To Your New Life". Mit einem Mal lodern wohlbekannte Harmonien auf, der Sound gibt sich gewohnt elektronisch und kommt, konträr zum wuchtigen Einstieg, in einem bekömmlichen Mid-Tempo daher. Der Fokus liegt auf dem Gesang des Duos, wobei die zu intonierenden Kernelemente Strophe, Chorus und Refrain begrüßenswert gleichmäßig zwischen Pohl und Goldmann aufgeteilt werden. Mit insgesamt über sechs Minuten Spielzeit ist die imposante Eröffnungssequenz mit ihrer integrierten Einleitung ein kleines Novum im bandeigenen Kosmos und steuert durch ihre ausladende Präsenz ein Mehr an einnehmender Atmosphäre bei. Deutlich routinierter geht man bei dem Stück "Lebe Deinen Traum" zu Werke, das nicht nur die neue Single samt zugehörigem Video darstellt, sondern auch in den erwähnten TV-Spots werbewirksam zum Tragen kommt. Zugunsten einer schnellen Eingängigkeit wurde hier nahezu komplett auf komplexere Versatzstücke oder Experimente verzichtet, was der angestrebten Ohrwurmgarantie zwar dienlich ist, der Nummer aber zugleich auch einen höheren Anspruch nimmt. Ganz ihrem verfolgten Stil des Dark-Pop entsprechend, verweben "Blutengel" hier leicht bekömmliche Melodien mit simpel gehaltenen, aufbauenden Passagen, in denen sich so ziemlich jeder Hörer wiederfinden kann, vor allem aber auch soll. Fast schon anbiedernd schlageresk schmeichelt sich Pohls helle Stimme zusammen mit wohltuend hymnischen Synthie-Klängen in die Gehörgänge und verweilt dort. Ob gewollt oder nicht. Trotz eines eher gemäßigten Tempos kommen die tanzbaren Rhythmen nicht zu kurz, wohl aber der weibliche Gegenpart von Ulrike Goldmann, der sich lediglich auf ein hintergründiges Mitwirken im Refrain beschränkt. Und auch sonst bleibt von den pathetischen Phrasen nicht viel mehr, als ein zu sehr gewolltes Mantra theatralischer Tiefgründigkeit. Abgesehen davon ändert dies aber nichts an der eigentlichen Hit-Qualität, welche unverkennbar die signifikante Handschrift des Berliner Allroundtalents trägt. Doch wie heißt es? "Unverhofft kommt oft" und somit erfährt das bisher eher schmal abgesteckte Spektrum eine deutliche Wendung. Eindringliche Electro-Tupfer perlen fein und zurückhaltend sanft aus den Boxen, doch soll es nur ein tückischer, kurz geschlossener Frieden mit der vermeintlichen Idylle sein. Bereits nach wenigen Sekunden baut sich ein brodelnder Beat auf, um sich anschließend in treibender Percussion zu ergießen. "Waste My Time" entfaltet sich als niederdonnernde Dampfwalze mit gehörigem Industrial-Einschlag. Über stampfendem Takt und messerscharfen E-Salven regiert Pohls wütend verzerrte Stimme, die mit zusätzlich eingefügten Effekten, wie etwa gellenden Echos und sich immerzu überschneidenden Doppelungen, den aggressiven Grundcharakter und die, aus jeder Zeile sprechende, wütende Resignation unterstreicht. Stilistisch erinnert das Konzept hier etwa an "All These Lies", vom Erfolgsalbum "Monument" und legt seinen inhaltlichen Schwerpunkt auf die innere Müdigkeit von all den alltäglichen Kämpfen, dem Zwang gesellschaftlichen Konventionen entsprechen und gefallen zu müssen, niemals anecken zu dürfen. Es ist der Musik gewordene Widerstand gegen die schablonenhafte Anpassung, denn am Ende muss sich ein jeder nur vor sich selbst verantworten. Ein selbstbestimmtes Leben ist auch der Aufhänger für den nächsten Song, welcher gleichsam auch titelgebend ist. Eingeleitet durch eine retrolastige Kulisse und unterfüttert von schrill aufheulenden Sounds, entfernt sich das Duo hier von typisch schwarzer Wortmalerei und nimmt sich anstelle emotionaler Gefühlswelten, den aktuellen Befindlichkeiten eines ohnmächtig taumelnden Weltgeschehens an. Will man dessen Bedeutung und Begrifflichkeit näher erfassen, genügt es, die medialen Meldungen dieser Tage nur erschreckend kurz zu überfliegen. Hass, Terror und Gewalt sind an der Tagesordnung, die allgegenwärtige Angst wird zielgenau gesteuert und instrumentalisiert. Die Menschheit sucht ihren vermeintlich letzten Schutz und Halt in den scheinheiligen Predigten ihrer Idole, Religionen und Politiker, stürzen wie wildgewordenes Vieh unaufhaltsam auf den nächsten Abgrund zu. Die einfache, wie geniale und einzig richtige Lösung? Konstruiere deine führende Norm, verkörpere die Vorstellung deines Ideals und erschaffe dir dein eigenes "Leitbild"!

Konnte der vorangegangene Track noch mit frischem Gedankengut und zeitgemäß kritischen Tönen überzeugen, so setzt man sich mit dem schlicht betitelten "Black" wieder in gewohnten Fahrwassern ab. Abermals dominiert ausschließlich die Stimme von Pohl selbst, während Goldmanns Gesang, wie auch beim Groß des aktuellen Albums, eher einer verzierenden Untermalung des Gesamten gleicht. Recht unspektakulär und ohne nennenswerte Überraschungen, legt man einen typischen Dancefloor-Filler der Marke "You Walk Away" vor, der ein weiteres Mal die mittlerweile recht ausgetretene Aussage eines einheitlichen Zusammengehörigkeitsgefühls fördern und transportieren soll. Damit leistet man ebensolche Auftragsarbeit für das angepeilte Klientel, wie auch mit "Scars", einem vor tiefem Seelenschmerz und aussichtsloser Hilflosigkeit schreienden Stereotypen, der seinen geforderten Anklang finden wird. Dramatische Trommelschläge untermalen die eher ruhig arrangierten Strophen, die von einer teils klaren Stimmfarbe und düsterem Flüstern unterstützt werden. "Unser Weg" dringt hingegen in gegensätzliche Gefilde vor: Ein peitschender, von Sirenen unterfütterter Takt ebnet den Weg für einen selbstbewusst trotzigen Stampfer in apokalyptischer Endzeitstimmung. Unabhängige Revolution und eine, mit Querverweisen auf die Szene angeordnete, Anti-Haltung gegen übermächtige Fädenzieher und Diktatur ist die mit Nachdruck untermauerte Devise. Minimalistische Einschübe konkurrieren mit gelegentlichen Disharmonien und erfüllen das aufbrausend bestehende Recht auf Selbstentfaltung. Sehr gelungen! "Immortal" steht dann exemplarisch für einen der beliebten Solo-Titel von Ulrike Goldmann. Ein tief verstimmtes Piano vermittelt den organischen Part, wohingegen stilistisch abwechselnd immer wieder mit sanfter Synthetik im mittleren Tempo aufgebrochen wird. Zwar liegt hier erneut ein solider Ohrwurm vor, doch kann Goldmann ob der eingrenzenden Gegebenheiten ihr Können nicht voll ausspielen, was den ganz großen Moment mit Gänsehaut-Garantie leider verhindert. Auch "The Days Of Justice" kann nicht vollkommen überzeugend und glänzt zwar durch gelungene Zwischenparts mit 80er-Vibes, die sich in leicht abgewandelter Art insgesamt aber zu oft wiederholen und durch die gesamte Spielzeit ziehen. Nahezu das gesamte Konstrukt stürzt sich auf die immer gleiche Harmonie und wirkt dadurch zu uninspiriert und gewöhnlich, als das die Rechnung hier aufgehen könnte. Einfühlsame Rührseligkeiten bleiben wohl auf nahezu keinem Album sämtlicher Genres aus und somit ist es jetzt "Complete", den Platz einer Ballade ehrenvoll auszufüllen. Der einstige Vorbote auf das vorliegende "Leitbild" erschien bereits im vierten Quartal des vergangenen Jahres und sorgt für gespaltene Reaktionen der Fangemeinde. Wohl auch deswegen, weil der mit viel melodramatischer Traurigkeit aufgeladene Song sowohl in instrumentaler als auch lyrischer Hinsicht nur allzu innovationsarm und dadurch eher schwach daherkommt. Narrativ dreht man sich im Kreis und behandelt mit dem Verlust eines geliebten Menschen und dankbarer Ehrerbietung, ein viel zu oft aufgegriffenes Thema der schwarzen Szene.

Das wiederum lässt den Verdacht von reiner Pflichtkür aufkommen und wirkt damit mindestens genauso wenig authentisch wie "Gott:Glaube", eine verdrossene Kampfansage an Religion und Götzen-Verehrung, welche es dieser Art auf den letzten Veröffentlichungen schon zu genüge gab. Lobenswert ist jedoch die eiserne Konsequenz, mit der hier der thematische, rote Faden immer wieder aufgegriffen und weiter verfolgt wird. So bleibt zumindest das umfassende Konzept der geforderten, selbstbestimmten Zielsetzung eines jeden Individuums durchweg erhalten. Überraschend wird dann auch die alte Schule des Goth-Rock bedient, indem sich "Say Something" zumindest ansatzweise den Wurzeln einstiger Pioniere annimmt. Auffällig bereichernd fügen sich dezente Gitarren-Riffs in den überwiegend elektronischen Sound ein und gemahnen mit leichten Batcave-Zügen entfernt an erfolgreiche Top-Acts wie unter anderem die "Sisters Of Mercy". Besonders im Vergleich zu den bisherigen Songs fällt Pohls tiefe Stimmlage auf, die zunächst etwas befremdlich wirken kann, das Gesamtergebnis aber stimmig abrundet und unter dem Strich einen guten Eindruck hinterlässt. Sehr schön! Es ist das beste Beispiel dafür, dass derartige Abweichungen von der bewährten Erfolgsformel nur bereichernd sind und ein gelegentlicher Mut zum Neuen durchaus lohnenswert ist. Ein nicht zu vernachlässigender Punkt und fordernder Anspruch, den allerdings schon "Wasting The Years" nicht mehr halten kann. Denn hiermit steht wieder eine sensible Ballade nach dem bekanntem Muster auf dem Plan, die sich lediglich mit gelegentlichen Unplugged-Elementen aus der total Belanglosigkeit heraus retten kann. Auch "Alle Wunden" und "The Way You Feel" bewegen sich unspektakulär weiter in diesem Segment, wobei ersterer Song zumindest noch am ehesten mit einer nett gemachten Pop-Melodie aufzuwarten weiß. Das hochwertig instrumentierte und nicht minder epische "Der Himmel Brennt" schließt die Akte "Leitbild" dann auf reduzierte, doch erfreulich gereifte Art.

Tracklist:

01. Welcome To Your New Life

02. Lebe Deinen Traum

03. Waste My Time

04. Leitbild

05. Black

06. Scars

07. Unser Weg

08. Immortal

09. The Days Of Justice

10. Complete

11. Gott:Glaube

12. Say Something

13. Wasting The Years

14. Alle Wunden

15. The Way You Feel

16. Der Himmel Brennt

Fazit:

Achtung, Entwarnung an alle treuen Fans und solche, die es noch werden wollen! Auch im Jahre 2017 bleiben "Blutengel" weiterhin sie selbst, klingen wie auch schon auf den vorherigen Werken weitestgehend unverändert und bleiben somit ihrer Linie mit schwarz angehauchtem Pop-Appeal treu. Ob man das nun gut oder schlecht finden soll, sei allerdings dahingestellt und ist, wie so vieles im Leben, eine reine Frage des Geschmacks. Fakt ist aber damals wie auch heute, dass die Berliner über die Jahre hinweg einen mindestens ebenso großen und stetig wachsenden Kreis leidenschaftlicher Anhänger um sich versammeln können, wie sie Kritiker und Feinde haben. Das mag vor allem daran liegen, dass das Duo mit einer kalkulierten Art der Fließbandproduktion zu Werke schreitet, welche die gängigen Begierden des Masseninteresses abdeckt und sich daher oftmals nahezu völlig ohne Ecken und Kanten präsentiert. Nicht abzustreiten ist, dass Pohl ein erfahrener Experte auf seinem Gebiet und in der Kreation von immer neuen, eingängigen Hits ist, die meistenteils zügig ihren Weg in die Gehörgänge finden. Genau dadurch wirken sie in ihrer bloßen Anzahl aber auch nur maximal solide und zu schnelllebig, erscheinen zu sehr auf den schnellen Effekt gezielt und wenig glaubhaft. Auch "Leitbild" macht da keinerlei Ausnahme: Zwar ist der neue Ableger wie gewohnt durchgängig hochwertig ausproduziert und hält das Niveau seiner Vorgänger mit absoluter Leichtigkeit, dafür fehlen jedoch ein höherer Anspruch und neue Denkansätze, wie es der Titel vermuten lassen und die aktuellen Zeiten erfordern würden. Viel mehr kommt man wieder einmal nicht über die typischen Motive und Aussagen wie inneren Zwiespalt, emotionale Qualen, Mut, Liebe, Leid, Hoffnung, sowie Politik- und Religionsverdrossenheit hinaus und müht sich dabei zunehmend, die gängigen Gothic-Klischees, wie etwa die "Gegen den Strom"-Attitüde und ein vermeintlich protestantisches Anderssein, mit der Brechstange zu erfüllen. Obwohl nun auch auf den privaten Fernsehkanälen geworben wird, dürfte die Szene hier allzu schnell kein neues Trauma im Ausmaß der einstigen Erfolgswelle eines bekannten Adligen ereilen. Ganz im Gegenteil: Der neue Release wird nichts verändern und zwar weder bestimmte Einstellungen zu gewissen Thematiken des aktuellen Weltgeschehens und allgemeinen Denkens, noch die festgefahrenen Meinungen der einzelnen Fronten zu "Blutengel" selbst. Dafür ist die Message schlicht zu simpel und nichtssagend, das Konstrukt zu erzwungen. Es ist viel eher reine Unterhaltung, als eine Kunst, die Verantwortung für neue Anstöße übernehmen will. Kurz: Es ist das einfache Prinzip von Angebot und Nachfrage in seiner reinsten Form, auf Erfolg ausgelegte Musik, welche sich mehr und mehr auch an die genormte Allgemeinheit richtet, von dieser wahrgenommen werden will... Und das wissen Pohl und Goldmann auch selbst. Ob dieses Vorhaben aufgeht, ist jedoch genauso fraglich, wie die Analyse, ob der Markt derzeit ausreichend offen für düsteren Pop ist und es das angepeilte Phänomen, wie einst 2010 mit "Unheilig", so schnell wieder geben kann. An derlei Versuchen scheiterten in der Vergangenheit schon mehr als genug. Tatsache ist: Wer "Blutengel" bisher mochte, wird das Zweigespann auch nach "Leitbild" weiterhin unterstützen. Wer dem Duo hingegen schon immer einen Hang zur bloßen Oberflächlichkeit attestierte, wird sich darin noch immer bestätigt fühlen. Es ist alles beim Alten. Diese Musik wird geliebt und gehasst. Das war so, ist so und wird vermutlich auch immer so bleiben.

Informationen:

http://blutengel.de

https://de-de.facebook.com/BlutengelOfficial/

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