Christoph Lorenz
Faun - Bannkreis - Omnia (2018)
Faun - XV - Best Of (2018)
Genre: Pop / Folk / Alternative
Release: 16.02.2018
Label: We Love Music (Universal Music)
Spielzeit: 125 Minuten
Fazit:
Für die Einleitung begeben wir uns vorerst einmal mehr in die Welt der Legenden und Sagen: „Faunus“, oder hierzulande auch besser bekannt als „Faun“, ist eine der wohl bekanntesten Figuren aus der römischen Mythologie. Er ist der Sohn des Picus, seines Zeichens König von Laurentum, verehrt als altitlischer Gott der Natur und des Waldes. Weiterhin gilt er als Beschützer der Hirten und Bauern, ihrer Äcker, Felder und des Viehs, hat so viele verschiedene Namen, wie gleichsam Gestalten. Die ihm zu Ehren zelebrierte „Lupercalia“, jährte sich stets zum fünfzehnten Februar. Streift man hingegen die griechischen Überlieferungen auf der Suche nach einem passenden Gegenstück, so ist dort von „Pan“ die Rede. Das optische Erscheinungsbild entspricht dabei einem Mischwesen aus Mensch und Ziegenbock oder gar einem gehörnten Waldgeist, dem sogenannten Satyr. Doch existiert darüber hinaus seit einiger Zeit noch eine weitere und gänzlich andere Bedeutungsebene, sollte jene Bezeichnung in der Musik fallen: Gegen Ende der Neunzigerjahre legten Oliver Pade, Werner Schwab und Birgit Muggenthaler, heute bei „Schandmaul“ und „Sava“ aktiv, im bayerischen Gräfeling den maßgeblichen Grundstein für ihr gemeinsames, deutschsprachiges Pagan-Folk-Projekt. Der Anfang für eine schlicht beeindruckende Erfolgsgeschichte, die sich bis zum heutigen Tage und darüber hinaus fortsetzen sollte, denn seit dem Debütalbum „Zaubersprüche“ ist ungemein viel passiert. Neben den traditionsreichen Akustik-Tourneen, stehen noch immer zahlreiche Auftritte auf mittelalterlichen Märkten und Veranstaltungen, wie etwa dem MPS, genauso aber auch auf szenespezifischen Events wie dem Wave Gotik Treffen oder Méra Luna an. Eine deutlich gesteigerte Bekanntheit erlangte man dann im Jahr 2013, durch den Wechsel zum Majorlabel-Mogul Universal Music, was sich als absoluter Triumph herausstellen sollte: „Von Den Elben“ ist bis heute das meistverkaufte Album der gesamten Karriere. Unter dem Banner „Unser Song für Österreich“ folgte sogar die Teilnahme am ESC-Vorentscheid, die vor großem Publikum live im Fernsehen übertragen wurde. Doch blieb nicht alles beim Alten: Der Sound wurde deutlich eingängiger und fast schon poppig, was die Band auch für Nichtkenner interessant machen sollte, was im Folgenden durch die treue Fangemeinde harsch kritisiert wurde, bis „Luna“ rund ein Jahr darauf wieder einiges an Boden gutmachen konnte. Zuletzt eroberte „Midgard“ im Spätsommer 2016 die Media Control Charts im Handumdrehen und öffnete mit nordischen Thematiken ein neues Kapitel, kehrte musikalisch zeitgleich aber auch großteilig zu den Wurzeln zurück. Nach einigen Besetzungswechseln, welche hauptsächlich die weiblichen Gesangsparts betrafen, besteht die Formation heute aus Percussionist Rüdiger Maul, Tastenmann Niel Mitra, Leierspieler Stephan Groth, wie auch den drei markanten Stimmen von Neuzugang Laura Fella, Fiona Frewert und Oliver „SaTyr“ Pade. Es ist nicht zu leugnen, dass „Faun“ mittlerweile zu den bekanntesten und beliebtesten Vertretern des Genres aufgestiegen und somit weit über die Grenzen der Mittelalter und Gothic-Bewegung hinaus gewachsen sind. Nach insgesamt neun Studioalben, drei DVDs, innovativen Experimenten und musikalischen Variationen, sowie manch unausweichlichen Höhen und Tiefen, sind sie doch immer sie selbst geblieben und haben weiter nach vorn geschaut. Trotzdem oder gerade deswegen, hält man nun für einen kurzen Augenblick inne und wirft einen Blick auf die bewegte Vergangenheit aus insgesamt fünfzehn Jahren „Faun“...
Und wie könnte man diese Feierlichkeiten wohl besser begehen, als mit einer umfassenden Sammlung aller bisher veröffentlichten, beliebtesten und größten Hits in klassischer Manier oder kurz, einem Best-Of und zugehöriger Tournee? Ganz egal, ob Jubiläum, Trennung, Reunion, künstlerische Flaute oder einfach so: Diese Art der zusammenfassenden Compilation ist seit jeher ein fester Bestandteil in den planmäßigen Veröffentlichungspolitiken namhafter Musikvertriebe. Wieso auch nicht? Immerhin ist der Aufwand vergleichsweise gering. Die Chance, somit vor allem neue Hörer zu erschließen, allerdings deutlich höher. Ob sich der Kauf lohnt, ist dabei allerdings ebenso subjektiv, wie auch die getroffene Auswahl der darauf vertretenen Titel. Genauso sehr muss die generelle Sinnhaftigkeit für Label und Hörer in Betracht gezogen werden: Ein nicht zu vernachlässigendes Spektrum Alt-Fans dürfte dabei sowieso eine vollständige Diskographie sein Eigen nennen, weswegen dieser Anteil zumeist schon mal ausgeklammert werden darf, sollten diese nicht unbedingt auf eine reine Vervollständigung ihrer Sammlung setzen. Exakt aus jenem Grund wird zu diesem Anlass dann gern mal in die Tiefen des Archivs gegriffen, um fast vergessene Schätze wie Rares, Demos, alternative oder akustische Versionen, Live-Aufnahmen und unveröffentlichte Tracks als Kaufargument ans Tageslicht zu fördern. Das ist manches Mal auch dringend nötig, denn sind beispielsweise noch nicht ausreichend viele Alben erschienen oder gab es vor geraumer Zeit bereits eine oder gar mehrere solcher Zusammenstellungen, verkleinert sich der Radius des angepeilten Klientels automatisch weiter. Zumindest diese Gefahr besteht bei „Faun“ allerdings nicht, denn einerseits ist ausreichend viel Material auf dem Markt, andererseits markiert „XV“ löblicherweise die allererste Best-Of der bisherigen Bandgeschichte. Lediglich der Titel selbst könnte vielleicht etwas stutzig machen... Selbstverständlich braucht man einen klangvollen Aufhänger und liegt bei einer solchen Retrospektive näher, als eine runde Zahl? Das erste Album erschien, wie schon erwähnt, 2002. Somit ist man für den fünfzehnten Geburtstag genau ein Jahr zu spät. Ginge man von der Gründung in 1999 aus, erst recht. Eventuell wäre es also sinniger gewesen, bis zur zweiten vollen Dekade zu warten, aber eventuell steht uns dann ja ein komplett neues Studioalbum ins Haus? Wer weiß. Was also bietet uns das vorliegende Gesamtpaket also an? Wichtig dabei ist, dass in den zwei erhältlichen Varianten unterschieden wird. Die standarisierte Fassung enthält eine CD mit dreizehn Liedern. Den zugegeben passenden Anfang macht „Diese Kalte Nacht“, welches seinerzeit als erste Single fungierte und daher zweifelsohne als Vorbote für den kommerziellen Durchbruch angesehen werden kann. Mit dem launigen „Santiano“-Duett „Tanz Mit Mir“ gibt es gleich noch einen weiteren Song aus dem Ursprung des stilistischen Umbruchs „Von Den Elben“. Die äußerst gelungene Kooperation mit „In Extremo“-Frontmann Michael Robert Rhein aus dem „Luna“-Zyklus trägt den Namen „Buntes Volk“ und ist genauso enthalten, wie das damals vorab veröffentlichte „Walpurgisnacht“, der ESC-Song „Hörst Du Die Trommeln“ und „Hymne Der Nacht“ als Live-Track. Das schamanisch anmutende „Wind Und Geige“, welches eines der absoluten Highlights auf dem Longplayer „Licht“ war, fand sich bereits 2014 als Neuaufnahme im Bonus-Material wieder und ist mit dem Zusatz „XV“ hier abermals vertreten. Anders als einst beim Original, geht es hier nun deutlich gemäßigter und unpassend glatt produziert zu, was der treibenden Nummer leider einen erheblichen Teil ihres Charakters raubt. Ob das nun wirklich notwendig war? „Federkleid“, „Alba II“, „Sonnenreigen (Lughnasad)“ und die Rabenballade“ verweisen sodann nach „Midgard“. So weit, so unspektakulär. Was ist also das Alleinstellungsmerkmal, respektive Kaufargument? Mit „Feuer“ und „An Die Geliebte“ sind immerhin zwei komplett neue Tracks enthalten, die gekonnt eine Brücke zwischen Alt und Neu schlagen: Ersteres macht Gebrauch von der ursprünglichen Aufgabe des Spielmanntums und möchte mit seiner Message aufrütteln. In bildhafter Reminiszenz an mittelalterliche Welten, bewegt man sich hier ungewohnt nahe am Puls der Zeit, prangert Tyrannei und Kriege an. Letztres kommt gegenteilig eher sanft daher und markiert eine balladeske Ode an längst vergessene Zeiten und eine Hymne auf die Muse. Sehr schön! Wie auch schon bei anderen Best-Ofs der jüngsten Vergangenheit, ist auch hier die fragwürdige Unart zu erkennen, dass der Hauptteil des Albums ausnahmslos vom Abschnitt des Majorlabels dominiert wird. Ganz egal, wie man nun dazu stehen mag, unverständlich bleibt dieser Schritt nämlich allemal. Langjährige Fans dürften hier keinen triftigen Anlass zum Erwerb geliefert bekommen und jene Hörer, welche erst seit dem Durchbruch mit „Von Den Elben“ dabei sind, haben entsprechendes Material vermutlich ohnehin. So wurde auch hier einmal wieder die unkomplizierte Gelegenheit verpasst, die Lücke zu schließen und Neulinge an die Ursprünge heranzuführen. Wirklich interessant ist diese Edition also nur für komplette Einsteiger. Ob die sogenannte Deluxe-Version diesen Eindruck noch retten kann, muss jeder Käufer anhand des individuellen Mehrwerts ebenfalls ganz für sich entscheiden. Schön ist aber, dass hier abermals eine Anzahl von ganzem dreizehn Titeln warten, die zudem allesamt fast ausnahmslos ältere Releases streifen. Lediglich das tanzbare Instrumental „Andro II“, „Wenn Wir Uns Wiedersehen“ und „Mac Beth“ zeugen noch von der auf CD 1 ohnehin mehr als großzügig beackerten Neu-Ära. Dabei stechen insbesondere das Featuring mit „Wadruna“ zum schweren „Midgard“-Opus „Odin“ oder das melancholische „Blaue Stunde“ heraus, welche gerade in ihrer livehaftigen Fassung erst ihr volles Potential entfalten. Überhaupt sind es die mannigfaltigen Konzert-Aufnahmen, welche auf der zweiten Disc durch ihre Exklusivität punkten. So auch bei „Tinta“ oder „Iduna“. Weiterhin gibt es die Originale von „Hymn To Pan“, „Egil Saga“, „Von Den Elben“ und dem „Sigurdlied“, wodurch Meisterwerke wie „Eden“, „Licht“ oder „Totem“ leider nur unzureichend vertreten werden. „Renaissance“ repräsentiert sich unterdessen mit einer Neuauflage von „Rosmarin“ und eine englischsprachige Alternative zum Bonus-Track „Feuer“ findet sich hier auch noch... Mit genau fünfzehn Songs der aktuellen Ära, die somit mehr als die Hälfte des kompletten Best-Ofs ausmachen, gelingt der Blick zurück leider nur teilweise. Wer die älteren Alben noch nicht sein Eigen nennt und einen einigermaßen runden Überblick erhalten will, greift daher lieber zur aufgestockten 2-CD-Edition. Ob sich der Kauf extra für die Zusatzinhalte lohnt oder lieber ein Download via Online-Store infrage kommt, bleibt letztlich offen.
Informationen:
http://www.faune.de/faun/pages/start_de.html
https://www.facebook.com/FaunOfficial/
Bannkreis - Sakrament (2018)
Genre: Pop / Folk / Alternative
Release: 16.03.2018
Label: We Love Music (Universal Music)
Spielzeit: 54 Minuten
Fazit:
„Jede neue Begegnung ist wie ein unbeschriebenes Blatt, auf dem die gemeinsame Geschichte erst noch geschrieben wird.“, besagt das Zitat eines anonymen Verfassers. Es sind nicht ausschließlich nur wahre, sondern in diesem speziellen Fall auch ganz besonders passende Worte, um diese Rezension hier einzuleiten. Doch fangen wir zunächst ganz von vorne an und gehen dazu erst einmal zum äußersten Beginn zurück: Im Jahr 2012 begegnen sich rein zufällig zwei Menschen, welche auf den ersten, unreflektierten Blick unterschiedlicher wohl nicht sein könnten, auf einem Konzert. Die eine Person von ihnen ist ein echtes Urgestein der schwarzen Szene. Seit 1990 im Mittelalter-Metal aktiv, kann sie mittlerweile auf insgesamt zwölf Studioalben, zahlreiche Tourneen, so einige Chartplatzierungen und ein Höchstmaß an Erfahrung zurückblicken. Die Andere hingegen ist das genaue Gegenteil: Eine junge Künstlerin, die noch ganz am Anfang ihres Weges steht und einer musikalisch-klassischen Früherziehung zum Dank bereits seit ihrer Kindheit erste Eindrücke sammeln konnte, die zuerst in kleineren Projekten und vor fünf Jahren dann in der Gründung einer Band mit ihrer Schwester und deren Ehemann mündeten. Dabei ist es kein Zufall, dass der entscheidende Impuls dazu von Ersterem gegeben wurde, der heute mit Fug und Recht als ihr Entdecker und Mentor gilt. Dennoch haben jene zwei Personen eines gemeinsam und das ist die unablässige Liebe zur Musik, aus der nun etwas Neues entstanden ist. Zufälle gibt’s... Im Herbst 2017 sorgte eine mysteriöse Vorankündigung in den sozialen Netzwerken nicht ganz unberechtigt für reichlich Überraschung und Verwirrung, denn die Beteiligten waren längst keine Unbekannten mehr. So stehen auf der einen Seite mit Schlagzeuger Simon Michael Schmitt, Leierspieler Michael „Bodenski“ Boden, Gitarrist Ingo Hampf und Sänger Eric Fish gleich vier Musiker von „Subway To Sally“, auf der anderen Seite Johanna Krins, die dem ein oder anderen aufmerksamen Hörer schon als Stimme von „Delva“ oder Duettpartnerin auf dem Solo-Album „Mahlstrom“ von 2016 bekannt sein könnte. Der illustre Name dieses neuerlichen Zusammenschlusses: „Bannkreis“. Doch halt! Wie manch einer sicher längst bemerkt hat, gab es jene Bezeichnung in einem anderen Zusammenhang doch schon mal, oder? Ganz richtig, der gedankliche Bezug rührt nämlich vom gleichnamigen Album aus 1997 her, das unter anderem mit „Mephisto“, „Unterm Galgen“ oder dem „Liebeszauber“ einige Songs enthält, die bis zum heutigen Tag als echte Klassiker gelten. Der einheitliche Sound von „Sakrament“, welches am 16.03.2018 unter Flagge von Universal Music offiziell auf dem Markt erscheint, ist in seinem Kern jedoch als deutlich weniger düster zusammenzufassen und erinnert somit viel eher an die beschwingten Anfänge mit „Album 1994“, „MCMXCV“ und „Foppt Den Dämon!“ oder den vergangenen Akustik-Ausflügen durch „Nackt“ und „Nackt II“. Allen vorzeitigen Unkenrufen sei hiermit klar entgegengestellt, dass alle treuen Fans keinerlei Angst haben brauchen, denn auch wenn ein neuer Longplayer der beliebten Potsdamer Erfolgsformation erst 2019 veröffentlicht werden soll, steht uns keine Trennung ins Haus. Ganz im Gegenteil: Diese Musiker sind derzeit schaffensfreudiger denn je und scheinen hier nur einen weiteren Katalysator für ihre vielseitige Kreativität gefunden zu haben, der auch sogleich noch nach der Definition eines komplett eigenständigen Genres verlangt. „Epic Folk Rock“ heißt es und ist der plakative Aufhänger für insgesamt dreizehn Lieder, die im Folgenden besprochen werden...
Der Einstieg in diesen Kosmos erfolgt mit dem eröffnenden „Lebenslinien“, welches ab der ersten Sekunde an von einer positiv aufgeladenen, treibenden Folk-Melodie getragen wird und von Aufbruch voller Fernweh erzählt. Der Gesang von Eric Fish, dessen emotionale Intonation die Botschaft nur bekräftigt, dominiert hier hauptsächlich, was vermutlich auch der ausschlaggebende Grund dafür ist, dass der gesamte Titel stark an „Eric Fish & Friends“ erinnert. Die vorab veröffentlichte Single „Lebewohl“, zeigt danach erstmalig das gesamte Potential, das sich vor allem aus dem Zusammenspiel der beiden Stimmen schöpft, welche sich in dieser gefühligen Ballade von Abschied und ungewisser Wiederkehr ideal durch ihre bloße Gegensätzlichkeit ergänzen und perfekt miteinander harmonieren. Die zurückhaltende Instrumentierung gibt ihnen darüber hinaus genügend Freiheit und Raum, um sich ausreichend zunehmend zu entfalten. Beim folgenden „Hilf Mir Zu Glauben“ kommt erstmalig die eigens erdachte Sparte voll zum Tragen. Der energiegeladene und stampfende Takt zieht das Tempo erheblich an und webt orchestralen Bombast in die Melodiebögen ein, wodurch nicht selten Gedanken an die Symphonic-Metal-Ikone „Nightwish“ laut werden. Harte Saitenarbeit bleibt auch hier zwar gänzlich aus, dafür unterstreicht das virtuose Solo einer Sackpfeife den ursprünglichen Genre-Einfluss. „Fährmann“ lebt hingegen von einer ungleich sanfteren Spielart, wird aber vom inhaltlich düsteren Schwerpunkt der Todessehnsucht konterkariert. Das klagende Verlangen nach dem Übersetzen zum Ende mutet sonderbar hymnisch an, unterstreicht so gleichzeitig aber auch die fast schon freudige Erwartung des lyrischen Ichs und verbindet sich passend mit bekannten Elementen historischer Mythologie. Das exotisch angehauchte „Aus Fernen Ländern“ wartet mit einem vielschichtigen Arrangement und filigran versteckten Feinheiten auf, wodurch der allgemeine Abwechslungsreichtum weiterhin enorm gesteigert wird, bis es mit „Doch Ich Weiß Es“ wieder um einiges tanzbarer zugeht. Das Featuring mit den Kollegen von „Santiano“ feierte bereits auf deren aktuellem Album „Im Auge Des Sturms“ seine Premiere und ist ob seiner schnellen Rhythmen eine launige Folk-Nummer, die auf ihre typische Art zu unterhalten weiß, aber wie zu erwarten ohne wirkliche Tiefe bleibt. Während der betörende Titeltrack „Sakrament“ zeitweise das beeindruckende Können von Hampf gelungen in den Fokus rückt, wendet man sich bei „Nimmermehr“ thematisch gar Kult-Autor Edgar Ellen Poe zu. Durch jede Zeile des ungemein sehnsuchtsvollen Chorus, welcher Fish in gewohnt hochklassiger Manier zeigt, dringen der besungene Schmerz und die brennende Verzweiflung, was dem intensiven Gefühl dieses Songs die verdiente Krone aufsetzt und ihn zu einem der absoluten Höhepunkte macht. Die powernde Bandhymne „Bannkreis“ ist davon nicht ausgenommen und liefert im Refrain eine charmante, literarische Hommage an Joseph von Eichendorffs „Wünschelrute“ von 1835, bis mit „Erdbeermond“ ein weiteres, schwärmerisches Liebeslied folgt, das mit seiner klanglichen Idylle aus organischen Elementen und dezenten Beats zu bestechen weiß. Nicht weniger mystische Faszination übt schließlich der „Rabenflug“ aus, welcher zu weiten Teilen dem bekannten Traditional „Black Is The Colour“ entlehnt ist, dessen freier Interpretation sich 2017 schon „Delva“ auf ihrer EP „The Ravens Prophecy“ mit einem äußerst gelungenen Cover annahmen. Auf den angedeuteten Spuren von Otfried Preußlers „Krabat“-Saga, wird sogleich ein epochaler Folk-Reigen mit pulsierender Percussion entfacht. Krins beansprucht mit ihrer anmutigen Stimme die meiste Zeit für sich, erst gegen Ende steigt Eric Fish angenehm zurückhaltend im Hintergrund mit ein. Wundervoll! „Kein Weg Zurück“ markiert den tragischen Abschluss, der voller Resignation das Ende besingt und mit den sich ritualisierend wiederholenden Zeilen, „Für uns bleibt nur noch Trauer und Dunkelheit!“, gekonnt eine thematische Brücke zum Bonus-Material schlägt. Für dieses hat man eine alternative Version von „Ins Dunkel“ auserkoren, dem gleichnamigen „Subway To Sally“-Song, der in seinem Original auf dem 2011er-Werk „Schwarz In Schwarz“ enthalten ist. Bis auf eine leichte Kürzung von rund einer Minute, werden dabei rein musikalisch selbstverständlich keine allzu signifikanten Unterschiede geboten. Der Fokus liegt einmal mehr auf der eigentlichen Basis des Projekts, dem grandiosen Zusammenspiel beider Stimmen. Obgleich nicht als solches arrangiert, funktioniert das ergreifende Stück besonders gut als Duett und erweist sich zudem somit als schlüssiges Bindeglied zweier Welten. Für wen ist „Bannkreis“ also interessant? Nicht zu leugnen und klar erkennbar ist, dass sich der Sound allgemein hin etwa an der aktuellen Schaffensphase von artverwandten Gruppen wie „Faun“ oder den jüngsten Veröffentlichungen von „Santiano“ orientiert und mit einem hohen Maß an Zugänglichkeit auf ein größeres Publikum und Beachtung auch außerhalb der eigenen Nische abzielt. Das lässt sich vor allem an der jeweils recht kurzen Spielzeit der kompakt gehaltenen Songs festmachen, die dadurch bemerkenswert schnell ins Ohr gehen, deutlich eingängiger und ob fehlender Gitarren zudem weit weniger hart als die Hauptband anmuten. Wer jetzt von einer kommerziellen Ausrichtung sprechen möchte, wird damit zwar sicher nicht ganz Unrecht haben, muss den Musikern allerdings auch objektiv zugute halten, dass dennoch kein Titel allzu berechenbar verwässert wird oder gar in den Schlager abdriftet. Umso unverständlicher bleibt dafür aber die Hinzunahme eines externen Songwriter-Teams aus Hartmut Krech und Mark Nissen, das bereits in der Vergangenheit vermehrt ein Auge auf die mögliche Massenkompatibilität des Genres geworfen hat. Gerade deswegen ein umso bittererer Beigeschmack, da mit Michael Boden eigentlich schon ein äußerst erfahrener Text-Virtuose in das Gefüge integriert ist. Trotzdem entstehen so manches Mal bildgewaltige und aussagekräftige Texte. Die anmutigen Melodien wechseln abwechslungsreich zwischen bewusst reduzierter Zartheit, verträumter Magie und hymnischem Folk, wodurch die nicht immer einfache Balance unter den maßgeblichen Einflüssen des Mittelalters, Gothic und Pop relativ stilsicher gehalten wird. Wer sich also für derlei Liedgut begeistern kann, das dazwischen von einer melancholischen, dunkelromantischen Grundnote zusammengehalten wird, die aber nie zu komplex oder schwer wiegt, wird hier ganz sicher fündig werden. Lasst euch in den Bann ziehen!
Informationen:
http://bannkreis.band
https://www.facebook.com/Bannkreis/
Omnia - Reflexions (2018)
Genre: Folk / Alternative
Release: 30.03.2018
Label: Paganscum Records (Alive)
Spielzeit: 61 Minuten
Fazit:
„Omnia chaos est“ ist nicht nur ein lateinischen Sprichwort, welches, übersetzt man es einmal frei ins Deutsche, so viel wie „Alles ist Chaos“ bedeutet, sondern auch anteiliger Namensgeber und Leitmotiv für das 1996 in den Niederlanden gegründete Projekt, das seitdem so einige Wandlungen durchlaufen hat. Hatte es sich das ehemalige Duo zu seinen ursprünglichen Anfängen noch zur anspruchsvollen Aufgabe gemacht, dem nordeuropäischen und römischen Liedgut musikalisch neues Leben einzuhauchen, so erfolgte zur frühen Jahrtausendwende im Jahr 2002 die Entfernung von der historisch angelegten Konzeptionierung und man vollzog einen einschneidenden Wandel zum neo-keltischen Stil. Fanden die ersten Auftritte noch durchaus passend im Ambiente großer Museen statt, erschlossen sich mit den inhaltlichen Veränderungen schon bald weitere Kreise: Rasend schnell erlangten „Omnia“ einen höheren Bekanntheitsgrad und stießen sowohl insbesondere im Mittelalter- und Folk-Genre als auch in der alternativen und schwarzen Szene zunehmend auf gesteigertes Interesse. Der Weg aus den geschichtsträchtigen Gemäuern hinein in die Welt, sollte sich mehr als nur lohnend erweisen: National und international sorgt die Formation seitdem stets für gut besuchte und umjubelte Shows auf dem Hörnerfest, Burgfolk, Festival Mediaval, aber auch dem Hexentanz oder Méra Luna. Nach einigen Besetzungswechseln gehören Steve „Sic“ und Jennifer Evans-van der Harten, die mittlerweile miteinander verheiratet sind, mit der Unterstützung durch Rob van Barschot und Daphyd Sens heute zu den bekanntesten Vertretern des Pagan-Folk und können auf insgesamt zwölf Studioalben, zwei Live-CDs und drei Kompilationen zurückblicken... Was für eine schöne Erfolgsgeschichte! Nach all den gemeinsamen Erlebnissen, künstlerischen Inkarnationen und musischen Metamorphosen, ist von allen Relikten der jüngsten und ältesten Vergangenheit doch eines immer gleich geblieben: Die unablässige Courage für Mutter Erde und Natur, aber auch Liebe füreinander, wird direkt beim Artwork des Covers und rund zweiunddreißigseitigen Booklets von „Reflexions“ für jedermann klar ersichtlich. Und ja, auch in dem aktuell vorliegenden Material selbst, welches dieses Mal in einem aufwendig verzierten und edel ausgestalteten Digipack daherkommt, stecken garantiert nicht minder viel Gefühl und Überraschungen. Warum das so ist und woran sich all das festmachen lässt, steht in den folgenden Zeilen geschrieben.
Zuallererst einmal etwas zu den genauen Hintergründen dieses Unterfangens: „Reflexions“ ist das musikgewordene Ergebnis von zwei essenziellen Zutaten, die für jedes Gelingen beitragen: Eine intensive Zusammenarbeit und Freundschaft. Wenngleich ob einer derzeitigen Kreativ- und Schaffenspause in nächster Zeit kein komplett neues Studioalbum von „Omnia“ zu erwarten steht, so haben sich Christopher Juul, unter anderem bekannt als Produzent von „Valravn“ und „Heilung“ oder Keyboarder der dänisch-norwegischen Band „Euzen“, Jenny und Steve einem über anderthalbjährigen Prozess des aufwändigen Überdenkens und -arbeitens einiger bekannter, aber auch rarer Tracks aus dem Potpourri der letzten Dekade gewidmet. Dabei ist eine schier einzigartige, facettenreiche Konstruktion aus Songwriting, Mixing und Kunst herausgekommen, die es so bislang tatsächlich noch nicht gab. Denn hier erwartet den Hörer keine einfache Sammlung an lediglich neu aufgenommenen oder abgemischten Songs, sondern viel mehr. Der pointierte Streifzug durch die eigene Diskographie stellt die Kompatibilität und Wandelbarkeit bereits entstandener und lange etablierter Stücke auf die Probe und seziert diese bis ins kleinste Detail, sodass aus den vielen einzelnen, versiert herausgelösten Versatzstücken etwas ganz und gar Neues entstehen kann. Weit in der Vergangenheit knüpft auch das hypnotisierende „Shaman Of Chaos“ an, das seinem Namen alle Ehre macht und einem schamanistischen Ritual gleicht. Hier gelingt der Einstieg vor allem durch nostalgische Beschwingtheit, da die Teil-Modernisierung jene Stücke nicht gänzlich verändert, sondern bis zur Ekstase logisch miteinander verwebt. Der markante Sound aus Atem, Knochen, Holz, Haut, Stein und vielen anderen Elementen ihres Klang-Kosmos ist zu jeder Sekunde spürbar präsent. Das gilt beispielsweise auch für das folgende „Niiv’s Cauldron“, welches eine energetische Verquickung der drei Lieder „Nuv“, „Wytches‘ Brew“ und „Babu Bawu“, abgerundet durch treibende A-capella-Chöre. Deutlich ruhiger wird es anschließend mit dem sanften „Jabbermoon“. Ein Hybrid aus dem grandiosen „Wolf Love“, „Moon“ und „Jabberwocky“, deren wärmende Komponenten nahezu perfekt von Steves Gesang ummantelt werden und als homogen agierender Zusammenschluss hohe Emotionalität beim Hörer freisetzen. Eines der absoluten Highlights ist zweifelsohne „Alive Until We Die“, das mit „Alive“, „Dance Until We Die“ und „I Don’t Speak Human“ drei der wohl stärksten Tracks in sich vereint. Äußerst schlüssig greifen der organische Sound aus Drehleier, Bodhrán, Trommeln und Didgeridoo mit elektronischen Impulsen ineinander und gehen fortan Hand in Hand. Juuls Handschrift ist omnipräsent klar erkennbar und erschafft pure Tanzbarkeit am Puls der Zeit, die als absolutes Paradebeispiel für dieses erfolgreiche Projekt angesehen werden darf. Ganz im Gegenteil zum anschließenden „Caveman“, welches mit der Einung von gleich vier Liedern deutlich überlagert und dadurch fast schon anstrengend ist. Weniger wäre in diesem Fall mehr gewesen. „Toyz In The Atic“ rückt diesen misslichen Eindruck mit einem Viel klassischer Komponenten schnell wieder gerade und mündet schlussendlich im Ruhepol „Luna’s Coracle“, das durch seine betörenden Harfenklänge lockt. Die energetische Vorab-Single-Veröffentlichung „Suck My Flute“, „Musick“ und das „Auguries Of Innocence“ entlehnte „Auguries Of Love“ drehen dann zum Ende hin nochmal so richtig auf. Zum Abschluss darf ein richtiges Epos natürlich nicht fehlen: „A World Of Omnia“ schlägt mit rund sieben Minuten Spielzeit zu Buche und steigert sich konstant bis zum großen Finale, ohne dabei die thematische Herzensangelegenheit zu vernachlässigen. Eine warnende Vision von der Zerstörung der Umwelt durch die Menschheit und die klare Botschaft, dass wir uns in nicht allzu ferner Zukunft selbst auslöschen und zugrunde richten werden, wenn der aktuelle Status Quo bestehen bleibt. Und so kommen wir schließlich zum Resümee. „Kann man Gutes eigentlich noch besser machen oder muss ein solches Unterfangen nicht zwangsläufig scheitern?“. Eine Frage, die sich mit Sicherheit der ein oder andere Fan nach dem Lesen der Pressemeldung vorab gestellt haben dürfte. Um etwaigen Vorwürfen oder Befürchtungen gleich einmal den Wind aus den Segeln zu nehmen: Nein, das ominös angepriesene „Reflexions“ ist genauso wenig ein die beliebten Originale schändendes Sakrileg, wie es ein uninspiriertes Greatest Hits- oder auch einfaches Remix-Album ist, in deren Rahmen entsprechende Songs nur peripher in aktuelle Gewänder gekleidet werden. Durch die gründliche Aufsplitterung und feinfühlige Neuzusammensetzung von bereits Bekanntem, entsteht eine Art auditives Mosaik aus den prägendsten Versatzstücken und stärksten Kernelementen. Es ist eine überraschend vielschichtige, musikalische Wiedergeburt und zugleich spirituelle Gesamterfahrung, die absoluten Vorreiter-Status genießt und somit bis jetzt ihres Gleichen sucht. Die schöpferische Mixtur fällt komplex aus und lädt bei jedem Hördurchgang wieder zum Entdecken der vielen kleinen Details ein, was diese auch oder gerade für Kenner längerfristig interessant macht. Natürlich ragt dabei kein Titel über die ursprünglichen Versionen heraus, fällt dafür aber auch selten gegenüber diesen ab. Die löbliche Intention ist viel eher, neue Blickwinkel und folglich gänzlich differenzierte Sichtweisen auf diese zu erlangen. So bleibt ein kreatives und für alle sehr schönes Experiment, über dem stets leicht eine Botschaft schwebt, die zum nachdenken anregt: „Nothing is scared - only nature“.
Informationen:
https://www.worldofomnia.com
https://de-de.facebook.com/worldofomnia/