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BEITRÄGE:

  • AutorenbildChristoph Lorenz

Saltatio Mortis - Brot Und Spiele (2018)




Genre: Rock / Alternative

Release: 17.08.2018

Label: We Love Music (Universal Music)

Spielzeit: 88 Minuten

Pressetext:

Ganz bewusst haben sich Saltatio Mortis drei Jahre Zeit genommen, um dem überaus erfolgreichen Vorgänger einen mehr als würdigen Nachfolger zu spendieren. Entstanden ist ein in sich geschlossenes Album, in dessen zwölf Stücken sich all das verdichtet, was Saltatio Mortis immer schon ausgezeichnet hat: Themen, die berühren, aufregen und mitreißen. Rhythmen, die einen nicht nur mitwippen lassen, sondern packen und an die erste Reihe eines Festivals erinnern. Brettgitarren, die bissig zuschnappen, wenn es härter zugehen soll, dem Song aber auch Platz geben, wo er gebraucht wird. Hymnische Melodien, die zum Mitsingen und auch zum Mitschreien verführen. Leidenschaftlich vorgetragen von Frontmann Alea und eben jenen Dudelsäcken, die seit über 18 Jahren den einzigartigen Sound von Saltatio Mortis prägen.

Trotz ihrer Vorliebe für das Vergangene klingen die Songs auf Brot und Spiele modern und aktuell. Anachronismus? Nein, danke. Große Träume zum Beispiel, die wunderbar rockende Vertonung eines Lebensgefühls. Und doch so viel mehr als nur die Geschichte einer Band, die einst auszog, die Welt zu erobern. Große Träume und ein Stück Unsterblichkeit, heißt es im Text. Ist es nicht das, was wir alle suchen - große Träume und ein Stück Unsterblichkeit?

Kritik:

"Brot und Spiele für die Massen, Fußball für den Zeitvertreib

Gebt uns noch mehr nackte Titten, Bild-Zeitung und Medienhype Streicht Kaviar auf alle Straßen, dass der Pöbel rutscht und fällt

Gebt den Reichen noch mehr Reichtum und dem Rest: Brot für die Welt"

„Wir sind wie der Wind, man sperrt uns nicht ein. Wild und frei... Kein Knast kann uns halten, drum schenkt nochmal ein. Wir sind geboren, um Spielmann zu sein!“, kündeten im Refrain einst schon die hymnenhaften Zeilen des allseits bekannten „Spielmannsschwur“ und sollten dabei nicht nur durchweg authentische Wahrheit in sich tragen, sondern vor allem auch einen geschichtsträchtigen Blick in der eigenen Biografie zurückwerfen. Wie alles begann: Im Jahr 2000 wurde in Karlsruhe bei Baden-Württemberg der Grundstein für eine schier unglaubliche Erfolgsgeschichte gelegt. Zunächst als einfache Straßenmusiker gestartet, nahmen die Vagabunden bald ihr Debüt „Tavernakel“ in kompletter Eigenregie auf, deren Erlös in erster Linie eigentlich nur dazu dienen sollte, die Reisekosten zwischen den jeweiligen Auftrittsorten zu decken. Nach den unerwartet positiven Reaktion und der regen Teilhabe, entschloss man sich unter der Obhut von „Umbra et Imago“-Gitarrist und Produzent Lutz Demmler dazu, sich mit „Das Zweite Gesicht“ an einen würdigen Nachfolger zu wagen, der nach Vertragsunterzeichnung prompt unter Napalm Records veröffentlicht wurde. Der erste und nicht weniger folgenschwere Schritt in die Szene war getan... Auch weiterhin zeigte man sich nun äußerst engagiert, den Spagat zwischen Mittelalter und Rock zu halten: Das akustisch geprägte „Heptessenz“ und das modern rockende „Erwachen“ legten ihre Schwerpunkte auf beide Stilistiken, wovon auch das erste Live-Album „Manufactum“ und „Des Königs Henker“ zeugten, auf dem die Band erstmalig als zeitgenössisches Sprachrohr fungierte und sich verstärkt auf aktuelle und gesellschaftskritische Themen wie Humanismus, Freiheit und Menschenwürde berief. Der erste Schritt auf einem bedeutsamen Weg, der fortan zielstrebig weiterbeschritten werden sollte. Auf „Aus Der Asche“ und einige Besetzungswechsel folgte anno 2009 „Wer Wind Sæt“, welches mit dem zehnten Platz in den Media Control Charts den bisherigen Höhepunkt markieren und den umtriebigen Totentänzern größere Beachtung fernab der Szene zukommen lassen sollte, gefolgt vom großen Jubiläum in der historischen Stadthalle zu Wuppertal mit zahlreichen Gästen. Der endgültige Durchbruch aus den vorderen Reihen des Undergrounds gelang „Saltatio Mortis“ jedoch mit „Das Schwarze IXI“, das sich mit einem sagenhaften Platz Eins direkt an die Spitze setzen konnte, ebenso wie auch sein Nachfolger „Zirkus Zeitgeist“, der sich inhaltlich dann endgültig von längst vergangenen Zeiten abkapselte. Nach einer produktionstechnisch bedingten Verschiebung von rund einem halben Monat, holt das Kollektiv aus Schlagzeuger Timo „Lasterbalk der Lästerliche“ Gleichmann, den beiden Dudelsackspielern Christian „El Silbador“ Sparfeldt und Robin „Luzi das L“ Biesenbach, Multiinstrumentalist Gunter „Falk Irmenfried von Hasen-Mümmelstein“ Kopf, Bassist Frank „Bruder Frank“ Heim, den Gitarristen Till „Promill“ Grohe und Jan „Jean Méchant“ Mischon, sowie Sänger Jörg „Alea der Bescheidene“ Roth mit „Brot Und Spiele“ am 17.08.2018 nun zum erneuten Schlag aus. Die erste Single-Auskopplung, „Große Träume“, schürte bereits die Missgunst so manch gestandenen Alt-Fans, die sich in ihren Befürchtungen bestätigt sahen und den Spielleuten die endgültige Hinwendung zu Kommerz, Massentauglichkeit und Pop-Punk vorwarfen, doch „Brunhild“ und „Dorn Im Ohr“ konnten danach wieder etwas an Boden gut machen. Ein fader Beigeschmack blieb bei nicht gerade Wenigen dennoch. Wer nun aber denkt, die acht Musiker hätten vergessen, wo genau sie ursprünglich herkommen, liegt mehr als nur falsch. Für alle Puristen gibt es mit der zweiten CD,„Ad Fontes“, eine echte Genugtuung, auf der es, wie der Name schon sagt, weit zurück zu den Wurzeln geht. Zurück zu den kleinen Bühnen der Mittelaltermärkte, denen die Karlsruher bis heute beständig die Treue halten. Zurück zu den mitternächtlichen Konzerten im lodernden Feuerschein. Zurück zum unverstärkten und traditionellen Instrumentarium, zu historischen Texten über alte Sagen und Mythen. Ob hier beide Seiten zufriedengestellt oder gar beide Lager wiedervereint werden können, lest ihr in den nächsten Zeilen.

Nur ganz sanft werden die Saiten einer akustischen Gitarre vereinzelt angeschlagen, über welche sich sodann die zurückhaltend klagende Melodie einer einzelnen Sackpfeife legt, bis die zerbrechliche Atmosphäre schließlich von mächtig donnernden Trommeln aufgelöst wird und sich mit selbstbewusster Rock-Schlagseite zu einem wahren Bombast-Epos vereint. „Ein Stück Unsterblichkeit“ ist ein reines Instrumental und fungiert als einleitende Ouvertüre, die das musikalische Motiv des nachfolgenden Songs als Basis aufgreift: „Große Träume“, die viel umstrittene Single-Veröffentlichung, ist zumindest in inhaltlicher Hinsicht tatsächlich größtenteils repräsentativ für das übrige Studioalbum. Ungewohnt kompromisslos und direkt rocken die Gitarren powernd geradeaus und machen sich die äußerst eingängigen Chöre zunutze, um das Mitsing-Potential ab der ersten Sekunde drastisch zu erhöhen, bis es in den treibenden, aber dennoch eher zurückhaltend untermalten Strophen dann vorerst etwas gemäßigter zugeht. Im straighten Refrain zieht das gesteigerte Tempo jedoch wieder an und greift auf das eingangs zelebrierte Muster zurück. Mit seiner knackig kurzen Spielzeit liegt hier eine astreine Mittelalter-Punk-Nummer über die selige Erinnerung an längst vergangene Zeiten, altes Feuer, kräftig zelebriertes Lebensgefühl, großen Tatendrang und Fernweh vor. Die via Social Media getätigten Vergleiche mit anderen Bands sind dabei aber nicht ganz ungerechtfertigt, denn im grundlegenden Arrangement finden sich tatsächlich einige offensichtliche, inspirative Anleihen an bekannte Formationen, wie beispielsweise „Broilers“ oder „Die Toten Hosen“. Auch dem nächsten Track könnte man jene Attribute ebenfalls fraglos zuschreiben, wohingegen die instrumentale Seite aber eher wieder auf die bewährten Trademarks des bekannten Mittelalter-Rocks setzt. Das wird schon anfangs durch die hypnotisch anklingenden Harmonien der Dudelsack-Fraktion deutlich, die bald darauf mit den harten Saiten konkurrieren und das Gaspedal weiter ordentlich durchdrücken. Wie auch schon in der Manege des „Zirkus Zeitgeist“, nutzen die acht Spielmänner ihr Medium nicht bloß als gefällige Unterhaltung allein, sondern haben unmissverständlich eine ganze Menge zu sagen, was wohl selten angebrachter war, als in diesen Zeiten. Auch wenn ihnen dafür so manches Mal schon harsche Kritik aus diversen Richtungen entgegenschlug, so sind „Saltatio Mortis“ nicht von diesem Pfad abzubringen und weiterhin von ihren Idealen überzeugt. Musik mag zwar keine Lösung aller Probleme sein, doch sie ist unüberhörbar ein „Dorn Im Ohr“. Die leidenschaftlichen Weisen der inbrünstig vereinten Sackpfeifen erschaffen nun das sichere Fundament, bis schließlich noch die kraftvollen Gitarren für eine melancholisch rockende Nummer in altbekannter Manier einsetzen. Die Strophen kommen geschlossen im mittleren Tempo daher und unterstützen den ausgefeilten Text pointiert, jedoch ohne sich dabei zu sehr in den Vordergrund zu spielen, um folglich in einem ebenso nachdenklichen, wie auch positiv aufgeladenen, befreienden Refrain zu enden. Eine erbauende Ermutigung dazu, alle bedrückenden Gedanken und schweren Altlasten endgültig loszulassen, selbstsicher aufzubegehren, den Blick gereift wieder nach vorn zu richten und wie Phönix aus der Asche endlich wieder zu leben. Der Entschluss steht fest: „Ich Werde Wind“. Bedächtig ausgestaltete Folk-Anleihen lassen kurzzeitig schwelgerische Idylle aufbranden, die schon sehr bald in zackigen Rhythmen und punkiger Manier mündet. Der Hörer wird unversehens ins Diesseits zurückkatapultiert und schonungslos mit der unbequemen Wahrheit konfrontiert, denn erneut liegt das absolute Hauptaugenmerk auf dem aktuellen Tagesgeschehen. Haben wir denn nichts aus Vergangenheit gelernt? Mit Nachdruck appelliert man an jene Werte, die langsam aber sicher zu zerfallen drohen. Am Horizont ziehen schwarze Wolken auf, die Sterne der Union werden dunkel und Hass regiert. „Was hast du damals gemacht, hast du geweint oder gelacht?“ und noch viel wichtiger: Wo wirst du dich positionieren? Die „Spur Des Lebens“ greift eine ähnliche Grundhaltung auf und führt den Gedanken etwas weiter fort. Die emotionale Ballade des Albums, welche „Die Happy“-Frontfrau Marta Jandová als Gastsängerin und weiblichen Gegenpart zu Aleas Stimme einsetzt. Die einzelnen Strophen, die behutsam reduziert arrangiert worden sind, konzentrieren sich zuerst lediglich auf eine introvertierte Piano-Fläche, um den einfühlsamen, zutiefst fragilen Zeilen den nötigen Raum zur Entfaltung zu verleihen und eine nahbare Identifikation zu schaffen. Später hält sich das Schlagzeug dezent bereit und wartet im finalen, gemeinsam vorgetragenen Chorus mit emotional aufstrebenden Riffs auf, um danach wieder die Stille zu finden. Welche Welt wollen wir uns Nachkommen hinterlassen? Die Wahl liegt ganz in Menschenhand. Das Sprichwort „Panem et circenses“, entstammt einer Satire des römischen Philosophen Juvenal, welcher damit die stete Politikverdrossenheit des Volkes in Zeiten der Wahlen anprangerte und hat sich in seiner übersetzten Form bis in den heutigen Sprachgebrauch etabliert. Noch immer wird jenes Prinzip als Strategie politischer und mächtiger Instanzen angewandt, um die Bevölkerung zu bestechen oder diese mit gewieften Methoden von derzeitigen Problemen abzulenken. Allerdings dürfen jene Schelte ebenso als gleichberechtigte Kritik an der Gesellschaft selbst gesehen werden, die sich mit Materiellem abspeisen lässt, nicht mehr hinterfragt und sich freimütig ihren niederen Trieben hingibt. Ein dystopisches Intro aus schrillen Dudelsäcken und undefinierbaren Sprachfetzen versprüht beim Titeltrack sogleich eine durchweg finstere Grundstimmung, auf welche bretthart gespielte Gitarren schwermetallisch sägen und ungnädig walzend vorpreschen. Der leicht verzerrte Gesang von Alea schießt wütend giftige Spitzen in Richtung des ausgeklügelten Systems und deren blinden Mitläufern, bis die scheinbar noch gezügelte Aggressivität dann im hymnisch Hauptteil vollends implodiert: „Brot Und Spiele“ für die Massen!

Mit steigendem Alter scheinen sich „Saltatio Mortis“ immer mehr den Folgen exzessiver Feierlichkeiten bewusst zu werden, denn mit „Nie Wieder Alkohol“ gibt es, ähnlich dem „Trinklied“ vom Vorgänger, eine echte (Anti-)Trink-Hymne auf die Ohren. Gleich von Beginn an ergreifen historische Instrumente die Oberhand und gehen schnell in eine äußerst launige, flotte Rock-Nummer über, die wohl insbesondere bei den Live-Shows bestens bei den Fans ankommen dürfte. Lyrisch ist man wiederum völlig im Hier und Jetzt angekommen und bedient sich mit einfachen Worten viel eher der alltäglichen Umgangssprache, als komplexer Dichtung. Laut und rotzig werden amüsante Anekdoten von durchzechten Nächten preisgegeben, die den Hörer vermutlich so manches Mal ebenso ungläubig dreinblicken lassen werden, wie die verkaterten Protagonisten im Stück selbst. Ein knackiger, kurzweiliger Song mit spaßigen und dabei nicht weniger absurden Momenten, der sein Augenzwinkern zu keiner Sekunde einbüßt und somit nur noch sympathischer wird. Aller vermeintlichen Warnungen zum Trotz: Der nächste Rausch in der Schenke kommt bestimmt! Das tragische „Träume Aus Eis“ setzt dahingehend im Anschluss einen einscheidenden und schönen, wenn auch sehr plötzlich abflachenden Kontrast. Die ruhige Melodie im stark gedrosselten Tempo gibt den Drums und zurückhaltend eingesetzten Saiten ausreichend Platz zur Entfaltung, während der Text sich meistenteils schöner Bildsprache bedient. Dennoch kommt diese Power-Ballade über schmerzhafte Trennung und anschließenden Neubeginn nicht über den Standard hinaus, was, ähnlich wie auch bei „Spur Des Lebens“, auf gänzlich fehlende Überraschungen oder kompositorische Höhepunkte zurückzuführen sein dürfte. Wusste Letztgenanntes zumindest noch durch einen interessanten, philosophischen Denkansatz vor dem Hintergrund des thematischen Konzepts zu punkten, so fehlt dieser Rahmen hier in Gänze und bleibt leider nicht lange im Gedächtnis. Ein fideler Folk-Charakter lockert nun kurzerhand wieder auf und verleitet stilsicher zum Tanzen, doch wer hier abseits jener musikalischen Untermalung einen traditionell orientierten Track begrüßen wollte, soll enttäuscht werden. Zu plakativ kündet der Titel und spielt ganz bewusst mit den Erwartungen, erwartet uns hier doch ein spaßiges Wortspiel im Hinblick auf die Querelen und Begleiterscheinungen des Älterwerdens. Unterstützt werden „Saltatio Mortis“ hierbei von langjährigen Kollegen: So verdingen sich in den Strophen zudem „Versengold“-Sänger Malte Hoyer und Simon „Mr. Hurley“ Erichsen von „Mr. Hurley und die Pulveraffen“. Zwei nette und mit Sicherheit gut gemeinte Gastauftritte, die es jedoch nicht zwingend gebraucht hätte und die ansonsten leichtfüßig beschwingte Nummer etwas überladen wirken lassen. Was hat das „Mittelalter“ nur aus uns gemacht? Mit „Brunhild“, um welche sich seit jeher so einige Sagen und Mythen ranken, findet das Oktett zurück zum angestammten Terrain. In der nordischen Liederedda auch als Walküre beschrieben, die von Odin in den Schlaf geschickt und schließlich von Sigurd erweckt wurde, reichen die Beschreibungen bis hin zur westgotischen Prinzessin und isländischen Königin der Merowinger als wesentliche Handlungsträgerin der Nibelungensage, sowie des zugehörigen Liedes und dessen Fortsetzung, der „Klage“. Die Kriegerin, die ihre Jungfräulichkeit eisern verteidigt, bis sie von Siegfried unter Zuhilfenahme einer Tarnkappe, in den Disziplinen Steinwurf, Weitsprung und Speerwurf letztlich geschlagen wird, hat hier ein gar bombastisches Epos erhalten. Wie einst gewohnt, bedienen sich die Spielmänner hier zu hymnenhaft arrangiertem Bombast einer narrativ hochklassigen Erzählstruktur, zwischen perfekt gesetzten Tempowechseln und einem majestätisch aufgebauten Refrain. Einer der absoluten Höhepunkte des aktuellen Albums! Wer sowohl im Internet als auch Alltag mit offenen Ohren durch die Welt geht, dem ist der berüchtigte Satzanfang „Ich bin ja kein Nazi, aber...“ bestimmt nicht mehr allzu fremd. Und so ist „Besorgter Bürger“ ein gnadenloser Hieb in Richtung all jener, die im Schutze fadenscheiniger Begründungen ihre kleingeistigen Denkblockaden hinter stumpfen Parolen verstecken. Musikalisch und vor allem inhaltlich hätte diese Nummer, die den unlängst eingeschlagenen Weg in nahezu allen Belangen unbeirrt weitergeht, zweifelsfrei einen Platz auf der „Zirkus Zeitgeist“ verdient. Doch da der künstlerische Widerstand gegen Rechts leider auch im Jahre 2018 so aktuell wie selten zuvor scheint, können klare Positionierungen wohl nicht oft genug erfolgen, bevor sich der Reigen durch „Sie Tanzt Allein“, eine rockige fetzende Ode an das Anderssein, endgültig schließt.

Tracklist: 01. Ein Stück Unsterblichkeit

02. Große Träume

03. Dorn Im Ohr

04. Ich Werde Wind

05. Europa

06. Spur Des Lebens

07. Brot Und Spiele

08. Nie Wieder Alkohol

09. Träume Aus Eis

10. Mittelalter

11. Brunhild

12. Besorgter Bürger

13. Sie Tanzt Allein

Fazit:

Es ist mit Sicherheit nicht zu leugnen, dass „Saltatio Mortis“ auch auf ihrem neuesten Studioalbum „Brot Und Spiele“ alles andere als eine plötzliche Rückbesinnung auf scheinbar längst vergangene Tage und Taten wagen, sondern stattdessen den einst 2013 erwählten Weg strikt weiterverfolgen, wie anhand der ersten Single-Releases zuvor eigentlich schon abzusehen war. Die konstante Entwicklung zu mehr Aktualität entspricht zwar der althergebrachten Pflicht des Spielmannstums auf zeitgenössische Problemstellungen hinzuweisen und ist insbesondere hinsichtlich des vorherrschenden Weltgeschehens sicher alles andere als deplatziert, wenn nicht sogar von allerhöchster Notwenigkeit, sollte sich aber schlüssig mit dem Stil der jeweiligen Band vereinbaren lassen und geschickt in das zugrundeliegende Konzept eingebunden werden. Dass diese Ausrichtung sich durchaus mit den Wurzeln zu vereinbaren ist und nicht zwingend schlecht sein muss, veranschaulicht über weite Strecken beispielsweise „Dorn Im Ohr“, dem es scheinbar problemlos gelingt, die einzelnen Fäden des eigenen Schaffens perfekt zusammenzuführen. Trotzdem ist nicht von der Hand zuweisen, dass so manche Veränderung auch ihre negative Spur im Sound der Totentänzer hinterlassen hat, was weniger der oft vorgeworfenen Anbiederung an den Massenmarkt geschuldet ist, sondern viel eher der teils doch sehr direkten und dabei nicht selten plumpen Artikulation, die teilweise krampfhaft modern und jung geblieben, denn wie beabsichtigt provokant, klingt. Zudem wirkt manch ein stark auf Eingängigkeit getrimmter „Ohoho“-Chor wie ideenloses Füllwerk zum mit der Brechstange erzwungenen Mitsingen. Dass es ganz anders geht, beweisen „Spur Des Lebens“ oder „Träume Aus Eis“, die dafür wiederum melodisch kaum über den soliden Standard hinausreichen und stattdessen im soliden Mittelmaß stagnieren. Dafür brillieren fast schon klassisch arrangierte Perlen wie „Ich Werde Wind“ oder „Brunhild“ ebenso durch die gewohnten Stärken und ein grandioses Songwriting, wie auch „Europa“, dass sich in seiner inhaltlichen Motivation nicht weniger deutlich, dafür jedoch um ein Vielfaches subtiler, anspruchsvoller und somit wirkungsvoller präsentiert. So bleibt unterm Strich vor allem viel radiotauglicher Pop-Punk mit der gelegentlichen Einbettung von historischen Instrumenten, der sich an einem ausgewogenen Mix versucht und möglichst alle Fans zufriedenstellen will, was dazu führt, dass sich das Endergebnis in einigen Momenten teils arg zerrissen und unrund hört. Wer mit der neuerlichen Ausrichtung der acht Vagabunden nicht viel anfangen kann, wird eventuell mit der zweiten CD der sogenannten „Deluxe Edition“ fündig: Der Name, „Panem Et Circenses - Ad Fontes“, ist tatsächlich Programm und führt den Hörer weit zurück zu den akustischen Ursprüngen der beliebten Band. Das beginnt schon bei der eindrucksvollen Einleitung durch „Präludium“, das mächtig donnernde Trommeln ins Feld führt, setzt sich mit rhythmischen Instrumental-Stücken wie dem „Drachentanz“, „Ad Digitum Prurigo“, „Raghs-E-Pari“ und „Amo Lem Ad Nauseam“ fort und findet seinen absoluten Höhepunkt dann in eigens interpretierten Geschichten. Etwa von „Heimdall“, dem göttlichen Wächter aus der nordischen Mythologie, der melancholischen, von „Versengold“-Violinist Florian Janoske begleiteten Ballade „Schon Wieder Herbst“ oder dem dramatischen und großartig geschriebenen „Tränen Des Teufels“. Abgerundet wird das Paket zu guter Letzt von zwei Studio-Versionen bewährter MPS-Live-Kracher, dem englischsprachigen „Epitaph To A Friend“ und „Herr Holkin“. Was hier also neben einem Hauptalbum, das manchmal nicht so recht weiß, was es eigentlich sein will, zu erwarten steht, ist praktisch ein „Manufactum IV“ für alle Liebhaber traditioneller Töne. Und so dürfte die Rechnung, beide Seiten gleichermaßen bedienen zu wollen, am Ende wohl bestmöglich aufgegangen sein, wenngleich der Beigeschmack bleibt, dieses Mal identitätstechnisch zu sehr über die Stränge geschlagen zu haben und dabei fast verloren gegangen zu sein.

Informationen:

https://brotundspiele.saltatio-mortis.com

https://www.facebook.com/saltatiomortisofficial/

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