top of page
  • Facebook - White Circle
  • Instagram - White Circle
  • YouTube - White Circle

NEUESTE
BEITRÄGE:

  • AutorenbildChristoph Lorenz

Subway To Sally - „HEY!"-Tour - Essigfabrik, Köln - 29.03.2019


Veranstaltungsort:

Stadt: Köln, Deutschland

Location: Essigfabrik

Kapazität: ca. 1.000

Stehplätze: Ja

Sitzplätze: Nein

Homepage: https://essig-fabrik.de

Einleitung:

Wir schreiben Freitag, den 29.03.2019. Es ist etwa 16.30 Uhr, als ich am Hauptbahnhof Bochum eintreffe, wo ich mich heute mit jener Arbeitskollegin verabredet habe, die vergangenen Herbst mit „ASP“ ihr Freude für Live-Konzerte neuentdeckt hat. Überdies haben wir im Dezember dann noch die „Eisheilige Nacht“ im lokalen RuhrCongress besucht und von dort an stand fest: Wenn „Subway To Sally“ im Folgejahr endlich wieder auf große Headliner-Tournee gehen, müssen wir unbedingt nach Köln. Natürlich stehen wir beide zu unserer Bierlaune-Idee und so hat sie sich schon vor Monaten ein Ticket gesichert, meine Bestätigung der Akkreditierung kam hingegen nach recht kurzfristiger Anfrage schon zu Beginn der Woche. Schön, wenn alles klappt und das musste es auch, denn das einzige NRW-Konzert der sieben Potsdamer ist restlos ausverkauft! Wir haben Glück, denn die deutsche Bahn hält die auf der kleinen Anzeigetafel ausgewiesene Abfahrtzeit ausnahmsweise mal exakt ein und nachdem wir trotz erhöhtem Fahrgastaufkommen einen Platz gefunden haben, geht es auch schon los. Die Anreise verläuft ohne besondere Vorkommnisse oder Probleme, was ja auch etwas für sich hat und so kommen wir schließlich nach etwas über einer Stunde mit marginaler Verspätung am Bahnhof Messe Deutz an, wo wir uns dann erstmal in Ruhe mit einem kleinen Snack verköstigen. Wir liegen sehr gut in der Zeit und können uns das entspannte Bummeln also leisten, da wir aber nicht grund- und planlos durch den uns unbekannten Stadtteil irren wollen, entscheiden wir uns dennoch kurzerhand für ein zufällig vorbeifahrendes Taxi. Keine zehn Minuten später entlässt uns der Fahrer auch schon am Ende der doch recht langen Warteschlange vor dem industriellen Altbau. Wir reihen uns ein und kommen bereits nach kurzer Zeit ins Gespräch. So geht die halbe Stunde schnell vorüber und nach einem gründlichen Body-Check samt Taschenkontrolle, melde ich mich an einem kleinen Häuschen unter einem Zeltdach an. Ich zeige meine bestätigende E-Mail auf dem Handy vor, werde auf der Liste abgehakt und erhalte Einlass. So einfach kann’s gehen! Ohne wertvolle Minuten zu verschwenden, strömen wir mit den übrigen Fans in die Halle und suchen uns einen Platz hinter dem Mischpult. Geschafft!

MajorVoice:

Die nachfolgende Geschichte gleicht in all ihrer wundersamen Erfüllung fast schon einem kleinen Märchen und kann unter anderem deswegen gar nicht oft genug erzählt werden, weswegen ich jene an dieser Stelle nun noch einmal aus meiner Review von 2017 rezitieren möchte: Tiefe Sehnsüchte und unerfüllte Wünsche wohnen einem jeden von uns inne und markieren allen voran genau die Dinge, welche nie da waren, nie gespürt und dadurch erlebt werden konnten. Nicht selten sind die Bedürfnisse dabei personenbezogener geartet, etwa wenn die Liebe einseitig und unerwidert bleibt oder die elterliche Nähe fehlt, die entsprechende Person schlicht niemals wahre Fürsorge erfahren durfte. Ronald Zeidler ist eine dieser Personen und erschuf sich schon früh seine ganz eigene Traumwelt, in der er niemals alleine war und ungehört blieb. Genauso zeitig erwuchs in ihm jedoch auch das Vorhaben, einmal Sänger zu werden und sein Talent in diesem Zuge bei möglichst vielen Hörern unter Beweis stellen zu können. Doch die Vergangenheit holte ihn immer wieder ein, die anschließenden Ereignisse waren eine gefährliche Mischung aus einem falschen Umfeld und falschen Freunden. Aus den gescheiterten Versuchen wurde Enttäuschung und aus Enttäuschung wurde Wut, welche den eigenen Zukunftspläne immer wieder destruktiv im Wege stand und diese bereits im Keim zerstörte. Nach Jahrzehnten der Misserfolge gab Zeidler seinen Herzenswunsch resigniert auf, hatte sich nach eigener Aussage damit abgefunden, sich in all der Zeit einer scheinbaren Illusion hingegeben zu haben. Um das eigene Leben wieder in die richtige Bahn lenken zu können, wagte er schlussendlich einen Neustart als Koch. Letztendlich sollte er doch zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein und für all seine Mühen reichlich entlohnt werden. Eines Tages verrichtete er seinen neugewonnen Dienst im Backstage-Bereich einer Hamburger Lokalität, in welcher am Abend ein Konzert der Band "Mono Inc." stattfinden sollte. Noch vom Soundcheck von einem der Lieder gefangen genommen, sang er bei der Zubereitung des Caterings dessen Melodie. Ungeachtet dessen, dass der Frontmann der Formation, Martin Engler, alles genau mitbekam. Nur ein einziges Gespräch und knapp zwei Stunden später, bot sich dem sympathischen Hobbymusiker die einmalige Gelegenheit, als Gastsänger vor ausverkauftem Haus aufzutreten. Doch damit lange nicht genug: Während der laufenden Show, war auch das Oberhaupt eines namhaften Labels anwesend, was sich als glückliche Fügung herausstellen sollte! Ein bezeichnender Zufall, der das ganze Leben des Mannes schlagartig und von jetzt auf gleich veränderte. Nur einen Tag danach, durfte Ronald Zeidler unter der Flagge von NoCut seinen ersten eigenen Plattenvertrag unterzeichnen. Das beeindruckende Ergebnis liegt nun unter dem Namen "Major Voice“ vor. So weit, so gut. Nicht wenige Fans dürften das ambitionierte Projekt bereits als Support von „Mono Inc.“ oder von den „Eisheiligen Nächten“ kennen und so ist es wenig verwunderlich, dass es vor der Bühne nun schon mächtig voll geworden ist. Als das dreiköpfige Live-Ensemble aus Keyboarder Stefan Littmann, Cellistin Linda Laukamp und Gitarrist Ruben Roeh im schummrigen Halbdunkel auf ebendieser erscheint, ist der Applaus allerdings recht verhalten, was sich jedoch dann spätestens mit dem Erscheinen Zeidlers zum eröffnenden „Shot In The Silence“ ändern soll. Dem sympathisch geerdeten Hünen in altertümlicher Offiziersuniform ist die helle Freude vom ersten Augenblick anzusehen. „Wir freuen uns, heute Abend hier sein zu dürfen und haben ein kleines Set dafür vorbereitet. Wir hoffen, euch gefällt, was wir machen!“, begrüßt er das Kölner Publikum bescheiden und verweist anschließend auf den Song, „mit dem damals alles angefangen hat“. Jubel ist zu vernehmen, was vermuten lässt, dass der Major heute auch manch eigene Anhänger im Saal hat und so begeistert das balladeske Mono-Tribute „Potter‘s Field“ ebenso schnell, wie „Stay“. Leider gestalten sich die weiteren Ansagen Zeidlers nur sehr leise, sodass man ihn kaum verstehen kann und auch scheint es einige Probleme mit dem In-Ear-System zu geben. Dafür klappt es mit den Liedern selbst sehr viel besser und so heimst das charmante Quartett sowohl für „Wave No Flag“ als auch den unerschütterlichen „A-ha“-Klassiker „Stay On These Roads“ schnell begeisterten Beifall ein. Obwohl bis auf den Opener ausschließlich alternative Versionen weltbekannter Hits dargeboten werden, honoriert das nordrhein-westfälische Publikum die samtig arrangierten Interpretationen gebührend. Vielleicht gerade deswegen, weil sich das rein akustische Set und der beeindruckend tiefe Bariton so dermaßen angenehm vom sonstigen Standard abgrenzen. „So, zwei haben wir noch für euch und dann kommen endlich „Subway To Sally“, okay? Wir haben ja das große Glück, diese Band zu supporten und deshalb habe ich eine kleine Besonderheit, denn sie haben mir erlaubt, ein Stück von Ihnen zu covern. Dieses Lied ist auch auf dem Album drauf, was ihr dort hinten kaufen könnt, wenn ihr mögt. Ich muss dazu sagen, dass es mein bestehendes Debüt ist, das wir um vier Songs in genau dieser Besetzung hier erweitert haben. Ihr werdet das Lied wahrscheinlich erkennen, da bin ich guten Mutes!“, schmunzelt er und gibt schließlich die Hymne „Eisblumen“ in einer hauchzarten Piano-Version. Leider zeigt sich Zeidler hier nur wenig textsicher und muss weite Teile der Lyrics ablesen. Nicht schlimm, denn die eingefleischten Fans der Potsdamer helfen hier natürlich nur zu gerne stimmgewaltig aus. „Macht ihr doch mal, das könnt ihr bestimmt besser!“, lacht Zeidler selbstironisch. Mit der herzlichen Einladung, beim nächsten und gleichzeitig auch letzten Lied ebenfalls wieder mitzumachen, endet das Set durch „Wonderful Life“ nach rund vierzig Minuten erfrischendem Kontrastprogramm. Einfach anders und wahrscheinlich gerade deshalb so schön.

Subway To Sally:

Gegen 21.00 Uhr hat die große Stunde endlich geschlagen und somit ist es nun an der Zeit für den mit viel Spannung erwarteten Gastgeber des heutigen Abends: „Subway To Sally“. Es herrscht reges Treiben im gesamten Publikumsbereich, doch gänzlich anders, als man es von sonstigen Veranstaltungen dieser Art gewohnt ist, denn wirklich viel Bewegungsfreiheit ist den Gästen hier nicht gerade gegeben. Die ersten Reihen harren seit dem vergangenen Einlass vor rund zwei Stunden zwar sowieso wie gewohnt tapfer auf ihrem hartnäckig verteidigten Fleckchen Erde aus, aber auch weiter hinten ist es jetzt dermaßen beengt, sodass ein Vor-, geschweige denn Zurückkommen allein beim bloßen Anblick der schieren Menschenmenge kaum mehr möglich erscheint. Als die launige, wenig passende Überbrückungsmusik aus dem Off schlagartig verklingt und die Lichtanlage im Saal wenig später langsam heruntergefahren wird, drängt sich dann endgültig alles dicht an dicht und das längst nicht nur im übertragenen Sinne: Die ohnehin schon nicht allzu geräumige Essigfabrik ist nahezu überfüllt. Kein Wunder, immerhin ist die einzige NRW-Headlinershow nach rund fünf Jahren Abstinenz restlos ausverkauft. Zurecht. Doch allein durch den Fakt, dass Sanitäranlagen, Merchandising-Stand, Garderobe und die zwei Thekenbereiche allesamt in derselben Halle untergebracht sind, schrumpft das tatsächliche Infield, in dem die Temperaturen nunmehr stetig nach oben klettern, auf ein erschreckend bescheidenes Minimum zusammen. Nicht wenige Fans stehen an die hinterste Wand gedrängt oder müssen gar durch das aufgeschobene Tor vom Vorplatz aus zusehen. Der eigentlich abgedroschene Vergleich mit der Sardinenbüchse schickt sich äußerst passend an, was letztlich nur einen logischen Schluss zulässt, welcher jedoch bereits zuvor abzusehen war: Die erfolgreiche Potsdamer Szene-Institution ist mittlerweile klar aus entsprechenden Größenordnungen mit lediglich eintausend verfügbaren Plätzen herausgewachsen. Warum man also nicht, wie zuletzt bei der „MitGift“-Tournee in 2014, stattdessen wieder auf das E-Werk zurückgegriffen hat, ist schleierhaft.

Aufgeregte Gespräche und nervöses Tuscheln sind dennoch allerorts zu vernehmen, die Aufregung ist omnipräsent spürbar und steigt beinahe sekündlich an. All dies verstummt schlagartig, als wie aus dem Nichts plötzlich ein nervöses Fiepen durch die Dunkelheit hindurch an die Ohren dringt, welches bald darauf in ein dunkles Grollen umschlägt und danach in einem abgründig tiefen Basslauf resultiert, der in seiner puren Kraft den gesamten Boden bedrohlich erzittern lässt. Im Schutz der Schatten betreten jetzt Schlagzeuger Simon „Michael“ Schmitt, Bassist Silvio "Sugar Ray" Runge, Geigerin Almut „Ally“ Storch und Saitenvirtuose Ingo Hampf die Bühne, um sich auf den hinteren Podesten zu platzieren. Leierspieler Michael "Bodenski" Boden und Gitarrist Simon Levko begeben sich hingegen zu den Seiten auf ihre angestammten Positionen am vorderen Rand. Sie alle tragen schwarze Jacketts mit funkelnden Pailletten darauf. Die finstere Klangcollage wird jetzt von stark verzerrten, aggressiv fordernden Zurufen aus den Boxen durchbrochen, welche die Gäste predigend beschwören: „You want it? Take it!“, heißt es da, während dichte Nebelwolken aufziehen und die Szenerie beständig einhüllen. Dann: Ein schräges, verqueres Riff schneidet sich scharfkantig durch die gebannte Stille. Ein schrill gellender Aufschrei. Das gebündelte Instrumentarium heult voller Power auf und alle Lichter gehen an. Der laute Applaus des Publikums vereint sich fließend mit den jubilierenden Gospelchören aus den Boxen, die den Opener „Messias“ feierlich preisen. Zuletzt beschreitet auch Frontmann und Sänger Eric Fish unter schallendem Jubel die Bretter, der mit seinem goldig schillernden Anzug, dunkler Sonnenbrille und lockiger Perücke nun authentisch den gewieften Konsum-Papst gibt und sich mit giftig-manipulativen Zeilen in die Hirne seiner Opfer schleicht. „Keine halben Sachen. Tage voller Lachen. Geh‘ mit mir bankrott!“, ruft er scheinheilig lächelnd und wirft aus vollen Händen mit güldenem Glitter um sich. Die Menge ist begeistert und schließt sich dem mitreißenden Groove des sarkastischen Nackenbrechers an, mehrere Fäuste werden im heavy Takt gleichsam in die Luft gereckt. Ein durch und durch perfekter Einstieg, der beeindruckend zeigt, dass das neue Material auch live bestens funktioniert. So auch der nun nahtlos folgende Song: Böse brodelnde Beats und majestätische Fanfaren kündigen die weite Reise nach „Island“ an. Unterdessen hat die Band ihre ungewohnte Garderobe zügig abgelegt und kurzerhand gegen die apokalyptisch angehauchten, ledernen Outfits aus der aktuellen Schaffensphase eingetauscht, was auch optisch ordentlich Eindruck macht. Die schwer schleppende Folk-Metal-Walze knallt mächtig und erweist sich mit ihrer ausgewogenen Mixtur aus Tradition und Moderne sofort als neuer Fan-Liebling. Die aus der Studioversion bekannten, geshouteten Backing-Vocals von Chris Harms kommen derweil verständlicherweise vom Band, Fish unterstützt jene mit seiner Stimme aber noch zusätzlich. Ein absoluter Volltreffer!

„Hallo, Freunde! Was für ein herzlicher Empfang hier in Köln, Danke.“, begrüßt der Frontmann das frenetisch jubelnde Publikum breit lächelnd. „Wir sind natürlich voll im „HEY!“-Modus, aber lasst euch gesagt sein, dass heute natürlich auch die alten Sachen nicht zu kurz kommen!“, raunt er geheimnisvoll und löst sein Versprechen sogleich in doppelter Hinsicht ein, denn mit dem schon lange nicht mehr dargebotenen „Knochenschiff“ gibt es einen wahren Klassiker. „Wohin soll denn die Reise gehen?“, fragt der Sänger und erhält aus zahllosen Kehlen die erwartete Antwort: „Aufs nächste Riff!“, wie jeder Fan hier ganz sicher zu entgegnen weiß. Doch bei erhöhtem Wellengang vorschnell untergehen, will die berühmte Domstadt heute selbstredend noch nicht. Dafür ist der Abend einfach noch viel zu jung, da lauscht man lieber der bekannten Geschichte eines jungen Mädchens, das von zuhause ausriss, um sich ein „Kleid Aus Rosen“ auf ihren Leib stechen zu lassen, oder? Das gefällt Gästen und Band dann sogar so dermaßen gut, dass der Refrain in alter Tradition gleich nochmal lauthals alleine gesungen werden darf. Das schauerlich-dramatische Gruselmärchen „Königin Der Käfer“ holt Köln danach jedoch wieder schnell zurück in die Gegenwart, die nicht nur musikalisch, sondern auch atmosphärisch voll zu punkten vermag. In den fahlen Lichtkegeln sind die Musiker allesamt bestenfalls nur zu erahnen und agieren als düstere Silhouetten. Auch sonst hat sich am allgemeinen Bühnenbild eine ganze Menge getan: Dieses Mal gibt es kein klassisches Backdrop und auch die pyrotechnischen Elemente sollen leider komplett ausbleiben. Für die Visualisierung hat man sich dieses Mal nämlich etwas komplett anderes einfallen lassen und so ragen im Hintergrund gleich sechs hohe Masten mit je fünf länglichen LED-Screens in die Höhe, auf denen jeweils passende Videoprojektionen zu sehen sind. Darunter, dazwischen und darüber wurden allerhand Scheinwerfer montiert, die mit ihren ausgeklügelten Installationen fantastische Bilder zaubern. Man setzt mehr auf eine bewusst reduzierte, dezent arrangierte Immersion und das geschickt eingefädelte Spiel der Vorstellungskraft, als auf aufmerksamkeitsheischende Reizüberflutung. In der Tat etwas gewöhnungsbedürftig und definitiv anders, aber doch sehr passend. So streckt nun etwa ein riesiges Insekt seine Fühler aus, während beim energetischen „Imperator Rex Graecorum“, das wie auch schon auf den „Eisheiligen Nächten“ gesanglich größtenteils von Levko vorgetragen wird, eine hünenhafte Gestalt auf der Stelle sprintet. Passend zum marschierend treibenden Rhythmus des lateinischen Up-Tempos. Ein Song, der ebenfalls sehr gut zur grundlegenden Thematik des neuen Studioalbums „HEY!“ passt und sich seit 2011 nicht mehr im Set befand, ist das grandiose „Tag Der Rache“ von „Hochzeit“. Ebenso wie „Unsterblich“ eine seltene Perle und zudem ein echtes Schmankerl für alle Alt-Fans. Wie schön, dass die Sieben auf solch unkonventionelle Methoden zurückgreifen und neben Neuem und bewährten Hits auch immer wieder weniger Bekanntes aus der Vergangenheit einfließen lassen, um die Setlist stets abwechslungsreich und interessant für jedermann zu gestalten. Das verdient definitiv ein riesiges Lob! Die beliebte Szene-Hymne „Eisblumen“ kann, soll und muss dann aber wirklich jeder einzelne Besucher im Saal mitsingen. Ein schöner Moment, befindet auch die Band.

„Was für ein wahnsinniges Erlebnis!“, freut sich Fish. „Habt ihr euch die „HEY!“ eigentlich schon gekauft? Dann wisst ihr ja, worum es geht. Wir haben uns auch dieses Mal wieder viele Gedanken gemacht... So liegt dem nächsten Song etwa die Idee zugrunde, dass eine Legende aus biblischen Zeiten irgendwann zu Ende ist. Die Engel haben die Nase voll davon, wie wir mit uns selbst und unserer Welt umgehen und hauen endgültig ab. Sie verlassen uns und lassen uns allein!“, erläutert er die Hintergründe zur mitreißenden Power-Ballade „Die Engel Steigen Auf“, die zum sichtlichen Vergnügen aller Beteiligten schon jetzt wie ein lange etabliertes Stück aufgenommen und unüberhörbar mitgesungen wird. So soll es sein! „Ein ganz bescheidener Engel aus dieser Schar ist Amor und wenn dieser einfach keinen Pfeil abschießen will, muss man halt eben selber ran. Als Musiker macht man das natürlich, indem man der Liebsten ein Lied singt!“. Wie wahr und welche Bekundung könnte da wohl besser passen, als das ergreifende „Minne“? Besonders hervorzuheben ist bei dieser charmanten Rückkehr zu den Wurzeln, zu welcher die Band jetzt mit rein akustischem Instrumentarium im Zentrum der Bühne ganz dicht zusammenrückt, die wunderbare Ausleuchtung, die mit ihren gleichmäßig flackernden Scheinwerfern echte Lagerfeuerstimmung transportiert. „Und die Lehre daraus lautet: Sagt, was ihr denkt! Jetzt lasse ich euch einen Moment mit Ally allein, ja?“, kündigt Fish an und überlässt die Bretter für einen Moment der talentierten Violinistin, die nun ihr Solo präsentiert, an das sich schon bald die Mörder-Mär „Für Immer“ anschließt, zu der jetzt auf den Leinwänden langsam Blut von Fensterscheiben herabrinnt. „Mit so einem Publikum kann man sich einfach nur glücklich schätzen, Dankeschön. Und das ist keine Schmeichelei, wirklich. Es gibt da so ein zwanzig Jahre altes Ritual, das sich „der Schrei“ nennt... Dieser oder jene mag sich vielleicht noch daran erinnern? Lasst euch hören!“. Einige Besucher machen mit, aber längst noch nicht alle. „Das war kein Schrei... Also gleich nochmal!“, fordert der Frontmann und wird nicht enttäuscht. Und so wird zur Ankunft der berüchtigten „Henkersbraut“ nun ebenso beherzt geschrien und gesprungen, wie auch bei „Arme Ellen Schmitt“. „Jetzt ist es an der Zeit für ein Friedenslied...“. Stille. „Wie? Habt ihr denn gar keine Lust auf ein Friedenslied? Also erhebt eure Stimmen und lasst uns ein Halleluja gegen politische und religiöse Despoten singen, die ihre Macht missbrauchen. Es war uns schon damals wichtig, so ein Lied zu schreiben. Die Botschaft lautet: Genug ist genug!“, konstatiert der Sänger mahnend und erhebt gemeinsam mit der Rhein-Metropole seine Stimme: „Falscher Heiland“. Selten waren die Rufe in letzter Zeit lauter und selten ein Song wohl aktueller denn je. Leider.

„Wir kommen jetzt zu drei Songs, die zusammengehören. Es ist quasi unser Triptychon, wenn man so möchte. Wir nehmen uns alles, was das Herz will, wachen schließlich auf und bemerken, dass der Traum ausgeträumt ist... Viel Spaß!“, lautet alsbald der kleine Wink mit dem Zaunpfahl auf ein Trio der ganz besonderen Art. Mit „Alles Was Das Herz Will“ und „Ausgeträumt“ gibt es nun gleich zwei der absolut gelungensten Tracks des neuen Albums in Folge zu hören. Wie zu erwarten war, stehen die Titel ihren Vorbildern auch live in nichts nach und entfesseln sowohl im Saal als auch auf der Bühne eine ungemeine Energie. Dass die Band hier alles andere als routiniert zu Werke geht und ehrliche Spielfreude hat, merkt man schon den ganzen Abend über, doch gerade bei den aktuellen Stücken ist die Euphorie auf beiden Seiten umso greifbarer. Einfach schön. Der Endzeit-Abgesang „Ausgeträumt“ verleitet mit seinem percussionorientierten Chorus dann nochmals zum kollektiven klatschen und bildet das perfekte, vorzeitige Finale, zu dessen Ende sich die Musiker für eine ausgiebige Verbeugung am vorderen Bühnenrand positionieren, während im Hintergrund noch die orchestral angebrauchte Melodie spielt. Natürlich möchte das Publikum noch eine Zugabe und die soll es auch bekommen... Und was für eine! Nach nur wenigen Minuten der Stille betreten „Subway To Sally“ die Bretter der Essigfabrik erneut, als nervös flirrende Synthies einen wohlbekannten Klassiker ankündigen: „Wenn Engel Hassen“. Ohne, dass auch nur die kleinste Animation benötigt wird, werfen jetzt zahllose Fans ihre Hände in die Luft, um mit gehörnten Fingerzeichen ein deutliches Signal gen Himmel zu senden. „Falls es vorhin noch nicht deutlich genug war... Es ist der absolute Wahnsinn, was wir hier heute mit euch erleben dürfen, Dankeschön!“, freut sich Fish und leitet die Besucher im Folgenden dazu an, die Hände doch gleich oben zu lassen, damit man zusammen bis „Sieben“ zählen kann. Danach bittet er die Fans zum feurigen „Tanz Auf Dem Vulkan“, springt und dreht sich, wie es im Refrain mehrmals gewünscht wird, ehe der psychedelisch-metallische dann „Veitstanz“ das Set erneut beschließt. Dennoch hat Köln noch immer nicht genug und ruft die sieben Potsdamer ein letztes Mal für die „Grausame Schwester“ zurück. „Der Wind und die Wogen, sie tosen und schrei‘n...“, singt der Frontmann im Refrain und die Gäste tun es seinen Worten mit ihren Armen zum gebündelten Meer gleich. Ein tolles Bild, findet auch Fish: „Wisst ihr, das, was wir hier mit unseren Augen und Ohren erleben dürfen, ist wahrscheinlich der Traum eines jeden Musikers!“, lächelt er. Zum großen Abschluss proben Boden und Levko dann mit den Fans in traditioneller Manier das sogenannte „Kölsche Volkslied“, namens „Julia Und Die Räuber“, bevor der Abend nach rund zwei Stunden bester Unterhaltung, ungebändigter Spielfreude, viel Euphorie, alten Hits und neuen Favoriten sein gebührendes Ende findet. Sichtlich glücklich verlassen die Fans jetzt die enorm aufgeheizte Essigfabrik und gönnen sich erst noch das ein oder andere Kaltgetränk oder Autogramm, bevor sie sich dann schließlich auf den Heimweg machen. Wir tun es ihnen gleich und bleiben bei einem erfrischenden Bier noch eine kleine Weile, um das gerade eben Gesehene angemessen Revue passieren zu lassen. Eines ist mit Blick auf das übergroße Banner im Innenhof aber schon jetzt sicher: Zur „Eisheiligen Nacht“ in Bochum sind wir auf jeden Fall wieder dabei!

Setlist:

01. Intro

02. Messias

03. Island

04. Knochenschiff

05. Kleid Aus Rosen

06. Königin Der Käfer

07. Imperator Rex Graecorum

08. Tag Der Rache

09. Unsterblich

10. Eisblumen

11. Die Engel Steigen Auf

12. Minne

13. Anna‘s Theme

14. Für Immer

15. Henkersbraut

16. Arme Ellen Schmitt

17. Falscher Heiland

18. Alles Was Das Herz Will

19. Aufgewacht

20. Ausgeträumt

21. Wenn Engel Hassen

22. Sieben

23. Tanz Auf Dem Vulkan

24. Veitstanz

25. Grausame Schwester

26. Julia Und Die Räuber

Impressionen:

Jobst Meese - Jodocus Obscurus Photography

http://www.jobstmeese.de

https://www.facebook.com/Jodocus.Obscurus/

bottom of page