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  • AutorenbildChristoph Lorenz

Deine Lakaien - Interview (2021)


Roggenfaenger: Hallo und ein herzliches Willkommen zu unserem ersten Interview auf dieser Seite! Wie schön, dass ihr euch so kurz vor der bald anstehenden Veröffentlichung von „Dual“ noch die Zeit für diese Fragen hier genommen habt, ich freue mich wirklich sehr. Seit dem letzten regulären Studioalbum, „Crystal Palace“, sind mittlerweile rund sieben Jahre ins Land gezogen, nun erscheint endlich der lange schon ersehnte Nachfolger und es soll tatsächlich ein ganz Besonderer sein... Wie fühlt ihr euch damit und, wenngleich es vermutlich auch die am häufigsten gestellte Frage in „diesen Zeiten“ ist, wie geht es euch generell in der aktuellen Situation? Ich hoffe doch, ihr seid alle bei bester Gesundheit und wohlauf?

Ernst Horn: Das Willkommen herzlich zurückgewünscht! Wir sind wohlauf und meiner einer ist heute sogar geimpft worden! Die Gnade der frühen Geburt… Dieses Album war ja schon aufgrund der schieren Menge an Songs ein riesiger Brocken, den wir bewältigen mussten. Daher waren wir zeitweise so in der Arbeit untergetaucht, dass wir die Beschränkungen durch Corona vielleicht als nicht so gravierend empfanden, wie das andere Menschen erleben mussten, wenngleich uns die Pandemie natürlich einige Zeitverzögerungen in der Produktion bescherte. Auf jeden Fall war es ein wunderbares Gefühl, als wir das fertige Album endlich in den Händen halten konnten. Und ja, es ist auch für uns etwas wirklich „besonderes“ geworden, eine schon im Ansatz ungewöhnliche Produktion.

Roggenfaenger: Wie eingangs bereits von mir erwähnt, ist seit dem Release von „Crystal Palace“ in 2014 einige Zeit vergangen, dennoch wart ihr unterdessen wirklich alles andere als untätig! So habt ihr beispielsweise im Rahmen eures dreißigjährigen Jubiläums unter dem Motto „XXX - The 30 Years Retrospective“ viele ausverkaufte Gala-Abende in den renommiertesten Konzertsälen Deutschlands gegeben. Die dortige Einbindung eurer jeweiligen Solo-Projekte „Helium Vola“ und „Veljanov“ zog sogar dermaßen viel positive Resonanz des Publikums nach sich, sodass ihr zuletzt mit „Acoustica - A Festival Night“ nochmals einige exklusive Unplugged-Shows mit allen drei Bands nachgelegt habt. Wann und wie genau habt ihr denn die Zeit gefunden, um an den neuen Stücken zu arbeiten und haben euch die dazwischenliegenden Konzerte, also das gemeinsame Musizieren mit euren Gästen und langjährigen Freunden, dabei auf eine bestimmte Art inspirativ beflügelt?

Ernst Horn: Das waren in der Tat sehr „ausgefüllte“ Jahre, vor allem, weil ja die Produktion der „XXX“-Box mit vier Alben, sowie die Arbeiten an den Live-Alben unserer Touren sehr zeitintensiv waren. Die Idee zu diesem Album entstand schon vor drei Jahren und wir entwickelten sie erstmal in den Köpfen weiter, indem besonders Alexander, der ja das Konzept dieses Albums entwarf, ein weites Spektrum an Liedern, Chansons und Songs durchforstete, während ich im Studio am Klavier erste Songfragmente entwickelte und auf den zahlreichenden Synthesizern und Samplern neue Sounds programmierte. Es gab also viel im stillen Kämmerlein zu tun und die Auftritte waren da willkommene Abwechslung, ja, durchaus Erholung von der Heimarbeit. Ich glaube aber nicht, dass uns die (sehr erfreulichen!) Live-Erfahrungen mit unseren Soloprojekten dabei künstlerisch sehr beeinflusst haben.

Roggenfaenger: Euer aktuelles Studioalbum trägt passend den prägnanten Titel „Dual“ und ist nicht irgendein gewöhnliches Album, sondern ein sehr ambitionierter Hybrid: Die insgesamt zwanzig Stücke wurden auf zwei CDs aufgeteilt, also jeweils Zehn pro Silberling. Das Besondere daran: Auf der einen Seite befinden sich Eigeninterpretationen bekannter und auch etwas weniger bekannter Songs aus den verschiedensten Epochen und Genres der Musikgeschichte, auf der anderen stehen hingegen eure eigenen Songs, die folglich entweder durch ihre instrumentale Ausrichtung, bestimmte Versatzstücke oder in thematischer Hinsicht als passendes Gegenstück direkten Bezug auf je eines der gecoverten Lieder nehmen, um jenen Kontext somit zu ergänzen und erweiterten oder eine andere Perspektive zu verleihen. „Deine Lakaien“ war meiner Ansicht nach niemals ein Name, der sich an bereits Bestehendem orientiert, sondern stattdessen eigene Strömungen geschaffen hat. Was war also der entscheidende Impuls, die Initialzündung, für die Arbeiten an „Dual“? Hat das vorausgegangene Cover zu „Am Fenster“ von „City“ für MDR Kultur eventuell auch etwas damit zutun?

Ernst Horn: Wir haben in den vergangenen dreißig Jahren in der Tat nur drei Cover Songs aufgenommen. Das ergab sich wohl eher zufällig, bzw. auf Anfrage, so wie das schöne „Am Fenster“. Die Idee zu einem Cover-Album dagegen schwirrte schon länger in unserem Freundeskreis und bei den Geschäftspartnern herum. Eigentlich ergab sich da eher zufällig mal ein „Warum nicht“ bei uns, zumal ja auch besagtes „City“-Cover enormen Spaß machte! Wie schon geschrieben, entwickelte Alexander das Konzept zu diesem Album und so kam ihm dabei die Idee, es nicht bei Covers aus verschiedenen Stilepochen zu belassen, sondern eigene Songs zu schaffen, die sich jeweils auf eines der Cover beziehen, wobei es offen sein sollte, ob dies durch textliche Bezüge oder musikalische Assoziationen geschehen werde. Ein entscheidender Impuls für die Auswahl der Cover-Songs war unsere Devise für Alexander: „Suche dir Lieder aus, die du einfach gerne singen möchtest“. Das war für uns beide sehr motivierend und machte auch die Vorgensweise bei Auswahl und Produktion einfacher.

Roggenfaenger: Auch wenn „Dual“ einem gänzlich anderen, durchdachten und erweiterten Konzept folgt, so hatten Tribute-Alben lange Zeit einen eher negativ behafteten Ruf unter Kritikern und selbst einigen Fans inne. Ähnlich einer Best-of-Compilation hieß es beispielsweise oftmals, den jeweiligen Musikern würde schlicht nichts Eigenes mehr einfallen. Mittlerweile hat sich diese Sichtweise ja etwas gewandelt und so erfreuen sich Cover, Remixe und Co. einer immer größer werdenden Beliebtheit. Wo seht ihr den Kompromiss zwischen Eigenkompositionen und dem Interpretieren von Songs anderer Künstler? Geht mit dieser Mentalität vielleicht ein Stück weit die mutige Originalität verloren und kann so überhaupt neue, wegweisende Musik für die Ewigkeit geschaffen werden? Also etwas, das so vorher noch nicht existiert hat?

Ernst Horn: Da ich als klassischer Musiker mit der Kunst für die „Ewigkeit“ aufgewachsen bin, war mir schon früh klar, dass Popmusik wohl eher auf dem Gewohnten aufbaut, das man im jeweiligen Kostüm der Zeit präsentiert. Natürlich gibt es einen gewissen Freiraum zum experimentieren, den wir auch nutzen wollten. Aber, wenn man an einem Album sitzt, sind zum Glück alle diese Gedanken um Ewigkeit und Originalität weit weg. Man arbeitet Takt für Takt, erfreut sich an den Originalsongs, lernt von der Vorgehensweise der jeweiligen Produzenten und lässt sich davon auch für die eigenen Lieder inspirieren. Und man setzt sich dabei auch Grenzen, innerhalb derer man sich entfalten kann, aber das macht man als Künstler ohnehin immer. Jede Sonate, jeder Song, jedes Gedicht braucht eine Form, damit man sie sprengen kann. Und was die Wertschätzung von Covers und Remixen betrifft: das wechselt eben. Als ich noch sehr jung war, Anfang der Sechziger, war es selbstverständlich, dass eine junge Band Songs nachspielte, die man kannte. Mit der Freude am Experimentieren in den wilden Jahren nach 1965 waren Cover- Songs dann eher verpönt. Später dann, hatten Johnny Cash und einige Künstler aus der Country- und Schlagerwelt mit den Einspielungen von Songs der alternativen und progressiven Szene einen Riesenerfolg, was natürlich zur Folge hatte, dass das Music-Bizz die Ohren spitzte und fortan seinen Künstlern ebenfalls das Coveralbum als Geschäftsmodell ans Herz legte.

Roggenfaenger: Gibt es hinsichtlich dessen vielleicht Vorbilder für euch oder zumindest Musiker, deren Cover ihr als ganz besonders gelungen erachtet?

Ernst Horn: Als junger Pimpf fand ich zum Beispiel den Bob-Dylan-Song „Wheels On Fire“, gesungen von Julie Driscoll toll. Später dann hat es mir „Satisfaction“ von den Stones in der Version von „Devo“ besonders angetan, nicht zuletzt, weil sie das selbstgefällige Protestgetue der saturierten Altrockerwelt von 1980 so schön als Robotermusik entstellten. Und noch ein Bob-Dylan- Song: „All Salons The Whatchtower“, gesungen und gespielt von meinem Allzeitidol Jimmy Hendrix


Roggenfaenger: Ihr selbst bezeichnet „Dual“ im zugehörigen Pressetext als das bislang aufwändigste Album eurer über fünfunddreißigjährigen Karriere. Gefördert wurde seine Entstehung durch die Initiative Musik, eine gemeinnützige Projektgesellschaft, mit Mitteln von Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Wie kam es eigentlich zu dieser Kooperation?

Ernst Horn: Aufwändig ist dieses Album allerdings. Insgesamt hatten wir sogar zweiunddreißig Songs fertiggestellt, von denen nun einige auf die Warteliste mussten. Die Initiative Musik ist eine Künstlerhilfe in Corona-Zeiten. Wir hatten ja für diesen Zeitraum Konzerte gebucht, die nun nicht stattfinden konnten. Andererseits wollten wir unser Album, für dessen Produktion natürlich auch hohe Aufwendungen nötig sind, unbedingt fertig bekommen. Dafür war die Initiative Musik, also ein staatlicher Hilfsfond für Musiker, eine große Unterstützung.

Roggenfaenger: Eure Interpretationen verändern die gecoverten Songs nicht bis zur schieren Unkenntlichkeit, sondern wahren den grundlegenden Charakter ihrer Originale behutsam. Dennoch ist es euch auf „Dual“ gelungen, jene auf äußerst respektvolle Weise in die Welt von „Deine Lakaien“ zu transportieren und ihnen dabei die ein oder andere neue, differenzierte Nuance zu entlocken! Mit welchem Aufwand ist so ein Vorhaben verbunden und wo genau liegen die kompositorischen Herausforderungen?

Ernst Horn: Danke für das Kompliment! Wir haben uns von Anfang an vorgenommen, Melodie, Harmonien und den Aufbau der Strophen nicht zu verändern. Den gesamten Verlauf der Songs mit Intro-Outro Instrumentalteilen, Alexanders Stimme angemessenen Tonarten, sowie Tempo/Rhythmus und die Instrumentation haben wir frei in unserem Sinn gestaltet. Es galt also zuerst, die Songs „herunterzuhören“, zu analysieren, und dann aufzubauen. Während dieses Arbeitsprozesses wurden sie dann automatisch für uns zu „Lakaien-Songs“, so dass wir nicht mehr das Original im Hinterkopf hatten, was natürlich sehr hilfreich war. Ein Problem war sicherlich auch, dass eben mancher der Cover-Songs von etwas ganz speziellem im Sound oder Gesang lebt, das wir so nicht einfach übernehmen konnten. Aber, wie gesagt, wir haben uns von Anfang an für diese Songs entschieden, weil wir überzeugt waren, dass wie sie auf unsere Art und Weise gut umsetzen können.

Roggenfaenger: Die Auswahl der insgesamt zehn Stücke sprengt Grenzen und ist ein wahrer Streifzug durch die musikalische Historie, der sich zu keiner Zeit auf ein Genre oder einen Stil festlegen lässt. Darunter auch so manche Interpreten, die man wohl niemals vermutet hätte. Welche Verbindung, wie auch immer geartet, habt ihr zu den jeweiligen Musikern oder Bands, und wie seid ihr bei der generellen Auswahl der Songs vorgegangen? Sind euch bestimmte Stücke aufgrund einer persönlichen Verbindung vielleicht ganz besonders wichtig oder mögt ihr sie mitunter gar nicht und wolltet sie deshalb unbedingt anders machen?

Ernst Horn: Wie beschrieben, war für die Auswahl der Cover-Songs hauptsächlich Alexander Veljanov verantwortlich. So hatte er schon seit unserer ersten Begegnung immer eine tiefe Verbundheit mit dem Russischen Komponisten Modest Mussorgski bekundet, dessen Flohlied, das sich ja auf Goethes „Faust“ bezieht, wir auf dem Album interpretieren. Vor allem die vielen Tempowechsel waren bei diesem Lied eine handwerkliche Herausforderung für das Arrangieren mit elektronischen Instrumenten. Ein weiterer Favorit für Alexander war schon in seinen Jugendtagen der Belgische Chansonnier Jacques Brel. Wir wollten ja ein möglichst breites Spektrum bieten, das sich auch in der Popmusik auf verschiedene Jahrzehnte verteilt. Die 60er-Jahre kannte Alexander ja nur ein wenig durch seinen älteren Bruder. Für mich, der seinerzeit einen sehr radikalem Geschmack hatte, waren die Songs von Cat Stevens oder „Kansas“ erstmal nicht erste Wahl, aber vielleicht hat gerade das mir die Arbeit ein wenig erleichtert, im Vergleich zu den Ansprüchen, die ich an micht bei einem Jimmy-Hendrix-Cover gestellt hätte. Und ja, die Aufnahmen zu „Dust In The Wind“ und „Lady D’Arbanville“ haben viel Spaß gemacht. Eine gewisse Herausforderung war natürlich auch der Kate-Bush-Song „Suspended In Gaffa“, der wieder einmal beweist, wie hoch sie über dem Standard-Songwriting im Popgeschäft steht. Den Song „My December“ von „Linkin Park“ nahmen wir auf Empfehlung meiner Tochter dankbar in unsere Auswahl auf.

Roggenfaenger: So, wie die doch sehr verschiedenen Lieder der Tracklist, haben sich auch „Deine Lakaien“ seit jeher künstlerisch nie kategorisieren lassen. Eurer Musik schreibt man von Dark Wave über Klassik bis hin zu der Avantgarde viele Attribute zu. Dank der unterschiedlichsten Einflüsse haben die Lakaien bis zum heutigen Tage nicht in eine einzige Schublade gepasst, das Experimentieren mit teils unkonventionellen Mitteln, um bis dato Ungehörtes zu erschaffen, stand stets weit oben auf der Agenda. War es für euch vor diesem Hintergrund bereichernd oder zumindest reizvoll, durch die Aufarbeitung „fremden“ Materials einen tieferen Einblick in die Arbeit anderer Künstler zu bekommen, was das Songwriting oder Texten angeht?

Ernst Horn: Aber natürlich war die Beschäftigung mit diesen Songs sehr bereichernd. Wenn man die künstlerische Freiheit einer Kate Bush so nahe erlebt, ist das nicht nur handwerklich ein Lernprozess, sondern ein Ansporn, auch selbst angesichts des kommerzialisierten Herdendenkens im Popgeschäft, aber auch bei vielen Fans, nicht den Mut zu verlieren. Auch ein humoristischer Aspekt in der Beschäftigung mit den Songs gesellte sich gelegentlich dazu, wenn man immer deutlicher heraushörte, wie da ein Song, vermutlich auf Anordnung des Produzenten, auf die hitkompatiblen dreieinhalb Minuten zusammengeschnibbelt wurde. Darüber hinaus war es manchmal ganz beruhigend festzustellen, dass auch andere Bands, wie z.B. „Can“ oder „Soundgarden“ mit dem verfertigen ihrer Songtexte zu kämpfen hatten.

Roggenfaenger: Verschwimmen im fortschreitenden Arbeitsprozess allmählich die Grenzen zwischen einer Cover-Version und einem eigenen Stück bis zu einem gewissen Grad? Also: Wo genau hört ein bloßes Tribute auf und fängt eine Eigenkomposition an?

Ernst Horn: Bei den Coversongs war uns wichtig, dass man der Idee des jeweiligen Liedes gerecht werden muss. Ist man allerdings mittendrin in der Arbeit an den Liedern, denkt man, wie schon beschrieben, nicht mehr groß daran, von wem der ist. Auch die eigenen Songs sind ja erstmal nur als Gerüst, das gestaltet werden muss, vorhanden. Wir wollten jedenfalls auf keinen Fall der Welt zeigen, dass ein Coversong „unser Song“ geworden ist, oder wir das gar besser könnten als die Musiker, die den Song geschrieben haben. Und das wichtigste für uns alle: egal, von wem das Stück stammt, es muss am Ende gut klingen!

Roggenfaenger: Ihr habt es geschafft, das war die letzte Frage! Nochmals vielen herzlichen Dank für all eure investierte Zeit, ich habe mich wirklich sehr darüber gefreut. Habt ihr zum Abschluss vielleicht noch letzte Worte an die Leser?

Ernst Horn: Es wäre schön, wenn sich unsere Hörer die Zeit nehmen könnten, um sich die beiden Teile unseres Albums jeweils durchgehend und in Ruhe anzuhören. Das ist unser Wunsch und der Wunsch aller Musiker.

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