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BEITRÄGE:

  • AutorenbildChristoph Lorenz

Lord Of The Lost - Judas (2021)


Genre: Metal / Rock / Alternative


Release: 02.07.2021


Label: Napalm Records (Universal Music)


Spielzeit: 104 Minuten


Pressetext:


„Lord Of The Lost“ kehren mit ihrem siebten Studioalbum „Judas“, das am 02.07.2021 via Napalm Records erscheint, zurück und agieren wie gewohnt gänzlich befreit von musikalischen Fesseln und Genregrenzen. Mit der ausgefeilten und detailverliebten Veröffentlichung, die von Beginn an als Doppelalbum konzipiert war, zementieren die fünf Musiker ihre herausragende Position als Ausnahmekünstler und erklimmen das nächste Level mit ihrer bis dato innovativsten sowie reifsten Veröffentlichung, die in keine Schublade passen will. Nicht nur der Sound ist gewaltig, auch physisch liefern „Lord Of The Lost“ mit „Judas“ eindrucksvoll ab: Das Album wird als limitierte 2-CD-Mediabook, 2-CD-Sleevepack, 2 x 2 LP-Gatefold-Recycled-Vinyl und als digitale Version erhältlich sein.


Das auditive Erlebnis beginnt mit dem atmosphärischen Opener „Priest“, an dessen Anfang ein Leitmotiv steht, welches sich wiederkehrend durch das Album zieht und eine klangliche Symbiose für die insgesamt 24 Songs kreiert, die mit „Damnation“ und „Salvation“ in zwei Album-Parts unterteilt sind. Spätestens mit dem sakralen „For They Know Not What They Do“ wird klar, dass „Judas“ eine organische Produktion der alten Schule zugrunde liegt: Ein echter Chor begleitet Sänger Chris Harms, dessen eindringliche Stimme die packenden Texte stärker denn je direkt ins Bewusstsein des Zuhörers trägt. Songs wie „Your Star Has Led You Astray“ oder „Born With a Broken Heart“ schaffen es mühelos, die Balance zwischen hartem Gesang, rohen Fuzz-Gitarren und düsterer Schönheit zu halten, die den klanglichen Nährboden für „Lord Of The Lost“ bilden. Letzteres fokussieren Songs wie „Death Is Just a Kiss Away“, „My Constellation“ und das abschließende „Work of Salvation“ durch echte Streicher und Konzertflügel, sowie eine imposante, in einer Kirche aufgenommenen Orgel.


Als übergreifendes Thema widmen sich „Lord Of The Lost“ auf „Judas“ dem Spannungsfeld zwischen den facettenreichen Interpretationen des Charakters des Judas Iscariot und den apokryphen Schriften des Judas-Evangeliums - Schriften, die maßgeblich aus Gesprächen zwischen Jesus Christus und Judas Iscariot bestehen und im Vergleich zum Neuen Testament der Bibel einen alternativen Interpretationsansatz der Religionsgeschichte aufzeigen.


„Judas“ ist der Nachfolger des Top-10-Albums „Thornstar“ (2018, #6 GER) und atmet erneut den innovativen Geist eines musikalischen Kollektivs, das seiner ganz individuellen und unverwechselbaren Kunst keine Grenzen setzt. „Lord Of The Lost“ waren noch nie eine Band, die sich eindimensional an ein bestimmtes Genre geklammert hat. Stattdessen haben sie es über die Jahre immer wieder geschafft, Fans und Kritiker mit ihrer Unberechenbarkeit und Unangepasstheit zu überraschen. Mit ihrem neuen Album „Judas“ gelingt es ihnen nicht nur, die Grenzen zwischen Gut und Böse thematisch zu verwischen und den sogenannten „heilvollen Verrat“ in ein harmonisches und so noch nie da gewesenes Klangbild zu integrieren, sie beweisen auch ihre musikalische sowie textliche Entwicklung – wahrlich ein Opus Magnum!

Kritik:


„Bring me further to skies above

Bring me closer to the stars


Bring me further from all I've lost

Bring me closer to the stars

Closer to the stars“


Judas. Ein Name. Zwei verschiedene Sichtweisen... Und das bis zum heutigen Tag. Verräter oder Wahrheitssuchender und Heilsbringer? Beginnen wir, um das dem neuen Studioalbum zugrundeliegenden Konzept, die jeweiligen Anschauungen und den Charakter des titelgebenden Protagonisten selbst besser verstehen zu können, doch zunächst einmal ganz von vorne: Judas ist die griechische Form des hebräischen Männervornamens Jehuda, was wortwörtlich so viel wie „Bewohner des Reiches Juda“, also Judäer, heißt. Sein Beiname, Iskariot, kann hingegen sogar gleich zwei Bedeutungen haben: Einerseits „Mann aus Kariot“, andererseits aber auch „Sikarier“, frei übersetzt „Dolchträger“. Kariot, hier aus dem Hebräischen, steht wiederum für „Begegnung“. Er war einer der insgesamt zwölf Jünger und neben Jakobus, Josef und Simon einer der insgesamt vier Brüder Jesu sowie einer seiner engsten Vertrauten. Jesus machte jeden von ihnen zu Missionaren und Leitern der ersten jüdisch-christlichen Gemeinschaften, wobei Judas selbst sich gut mit dem alten hebräischen Testament sowie der jüdischen Literatur auskannte und das Amt des Kassenwartes bekleidete. Nicht zuletzt deswegen und auch durch den Vorteil, die gesamten Finanzen für Proviant und Almosen an sich halten zu können, wurde ihm später immerzu unterstellt, durch seine Position geldgierig geworden zu sein. Auch die Annahme von Spenden oblag allein seinem Aufgabenbereich. Judas verfasste einst einen Brief an seine Gemeinde, um die Anhänger daran zu erinnern, warum sie eigentlich für ihren Glauben einstehen, womit er die Korruption einiger Lehrender anprangerte. Somit wandte er sich nicht etwa gegen die Lehren selbst, sondern mehr gegen die Art zu Lehren. Experten zufolge ist es stark zu bezweifeln, dass Judas von Beginn an ein betrügerisches Wesen besaß und rein egozentrische Absichten verfolgte. Dagegen spricht die Gabe der Heilung, die ihm ebenso verliehen worden ist, wie auch allen anderen Aposteln, was im Umkehrschluss zu der Frage führt, ob Gott so jemandem solche Fähigkeiten überhaupt verleihen würde. Bis zum heutigen Tage kreisen daher zwei grundsätzlich konträre Ansichten um die Figur des Judas, vor deren Hintergrund die nachgesagte Gier fast schon in Vergessenheit gerät: Dabei stellt sich die Frage, ob Judas Jesus Christus absichtlich verraten und ihn somit ausgeliefert oder nur den für ihn vorgesehenen Weg beschritten und so seine Bestimmung erfüllt hat. Hatte Gott für Judas also von Anfang an den Plan, dass er eines Tages derjenige sein würde, der seinen auf die Erde gesandten Sohn ums Leben bringt? Hatte Judas überhaupt die freie Wahl dazu, sich anders entscheiden zu können oder musste er sein Schicksal erfüllen, was wiederum bedeuten würde, dass er unmittelbar in Gottes Dienst stand? Immerhin wäre kein anderer der Apostel dazu in der Lage gewesen, jene Bestimmung zu erfüllen, waren sie Jesus doch alle treu, aber eben nicht Gott. Das war vor dieser Annahme nur Judas. In Zusammenhang mit dem Petrusbekentniss offenbart Jesus zum ersten Mal, wer Judas ist, jedoch ohne ihn bei seinem Namen zu nennen: „Jesus antwortete ihnen: Habe ich nicht euch, die Zwölf erwählt? Und doch ist einer von euch ein Teufel!“ (Johannes 6,70-71). Da Jesus durch Gott bereits wusste, dass und wie er eines Tages sterben würde, stellte er sich seinen engsten Freund und Feind zugleich als nächstes zur Seite. So zeigte sich also auch Jesus bereit, sein Schicksal durch den Verrat von Judas, hier als bloßes Instrument Gottes handelnd, anzunehmen.


Ein weiteres Motiv von Judas könnte zudem noch aus einer anderen Deutung seines Namens stammen. „Sikarier“, ein Namensbestandteil von Iskariot, umschreibt ebenfalls eine Gruppierung, Zeloten, also „Eiferer“, genannt, die zu den stärksten Anhängern Gottes gehören. Verfolgt man diese Theorie auf Grundlage der zelotischen Perspektive, so könnte man zu dem Schluss kommen, dass er Jesus als den Hoffnungsträger der Israeliten ansah, der sich gegen die Römer auflehnen und das Volk befreien würde. Jesus aber, wollte beide Seiten zu einem großen Ganzen vereinen und damit nur ein einziges Gottesreich ohne Herrschaft. Die andere Seite der Medaille markiert dabei das sogenannte Judasevangelium. Eine apokryphe, also außerkanonische, Schrift, die schätzungsweise Mitte des zweiten Jahrhunderts von einer gnostischen Sekte abgefasst wurde und im Kern die Gespräche zwischen Judas, den Jüngern und Jesus vor der Kreuzigung enthält. Erstmalige Erwähnung fand es durch Irenäus von Lyon um 180 n. Chr., bevor sie danach erst als verschollen galt und später übersetzt wurde. Die spätere Version, eine Überlieferung aus dem Koptischen, wurde im Frühjahr 2006 von Rodolphe Kasser veröffentlicht. Nach Einschätzung einiger Experten, enthält das Judasevangelium nichts bis dato Unbekanntes, was als authentisch und glaubhaft angesehen werden könnte, sondern gibt lediglich die subjektive Sicht einer christlich-oppositionellen Gruppe wieder, welche sich von der Mehrheitskirche abgespalten hatte und deren Träger, die hier von den Aposteln repräsentiert werden, nicht anerkannte. Kasser versteht das Judasevangelium als eine Art „kainitische“ Gegenbibel, also die Schriften einer Sekte, die Kain und Judas verehrte. Die grob zusammengefasste Kernaussage davon ist es, dass Judas der engste Vertraute und beste Freund von Jesus war und mehr Erkenntnis als die übrigen Jünger besaß. Aus diesem Grund habe Jesus ihn mit seinem Verrat beauftragt, um „des Heils Willen“, wie es heißt. Nur durch diesen Vorgang konnte Jesus nämlich seine leibliche Hülle verlassen und in das himmlische Reich zurückkehren. Daraufhin soll Judas ihn gefragt haben, was denn sein Lohn für diesen folgenschweren Verrat sei, worauf Jesus ihm offen geantwortet habe, dass ihn die ganze Welt zwar fortan für immer hassen werde, er aber als Erleuchter ebenfalls in das göttliche Reich einginge. Der einzig wahre Gott ist laut diesen Schriften jedoch nicht der „jüdische Gott“, der von den übrigen Jüngern angebetet wird, sondern ein weiter übergeordnetes Wesen. Der jüdische und orthodox-christliche Gott ist diesem Evangelium nach lediglich eine nachrangige Gottheit mit einer mangelhaften Schöpfung, welche es durch den Gewinn wahrer Erkenntnis zu überwinden gilt. Die Vergebung der Sünden durch Jesu Tod und seine leibliche Auferstehung sind mit der in diesem Evangelium ausgebreiteten Theologie unvereinbar. Das wesentliche, theologische Element der Schriften ist hingegen die Offenbarung eines Mythos von der Entstehung der Welt mit dem die Unterscheidung zwischen Erleuchteten und Nicht-Erleuchteten sowie die Ablehnung der christlichen Orthodoxie begründet wird. Der entsprechende Text, der nur sehr fragmentarisch erhalten ist, endet mit einer Prophezeiung Jesu, welche den Untergang des alttestamentlichen Gottes und seiner gesamten Schöpfung als Resultat des Verrats beschwört... Mit ihrem neuesten und nunmehr siebten Rock-Longplayer, schlicht „Judas“ betitelt, nehmen sich die fünf erfolgreichen Hamburger Dark Rocker von „Lord Of The Lost“ im Rahmen eines relativ offen gehaltenen Doppel-Konzeptalbums auf insgesamt zwei Discs unvoreingenommen und wertfrei jenen beiden Perspektiven auf die umstrittene, historische Figur des Judas an, um Licht und Schatten gleichermaßen ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken, denn oft ist längst nicht immer alles so, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag...


Den Anfang dieser langen Reise macht dabei die erste CD namens „Damnation“, also Verdammnis, die sich mit dem klassischen und durch die Mehrheitskirche weltweit verbreiteten Bild des Judas als abtrünnigen Verräter beschäftigt: Ab der ersten Sekunde setzen sogleich ungemein druckvolle und mächtig niederdonnernde Trommeln ein, um sich fortan im direkten, wunderbar harmonierenden Zusammenspiel mit exotischen Female-Vocals in ein wahrhaft Ehrfurcht gebietendes Gewand von epischer Tragweite zu ergeben. Die organisch geerdete, ungekünstelte Rhythmik im natürlich belassenen Ethno-Stil pulsiert hier lebhaft und energetisch, gemahnt mit unterschwellig dezenten, choralen Einsätzen wild und frei an die äußersten Ursprünge aller Menschlichkeit. Schon bald werden stark verzerrte Saiten in jenen Kontext untergemengt, welche in ihrem Katapult-Effekt ins Diesseits vorerst jedoch nur angedeuteter Natur bleiben, und gerade als man fast glauben könnte, dass sich die Ereignisse in diesem Klimax endgültig zuzuspitzen scheinen und der Gipfel der Dramaturgie nun erreicht wäre, flacht das Arrangement überraschend ab und fließt in seine unaufgeregte, doch erhabene Eingangsposition aus erdiger Dynamik zurück. „From a million drying lakes I have cried the tears of none. Empty shivers calling for my time far undone. I assume that there is no one that can find my peace of mind. They assume that I am guilty but guilt I see none...“, ertönt die durchweg markante Stimme von Sänger Chris „The Lord“ Harms ruhig und gleichmäßig über der beinahe schon minimalistisch gediegen instrumentierten, introspektiven Strophe und beschert dem Hörer damit sogleich ein Höchstmaß an möglicher Gänsehaut. Abermals steigen nun im Hintergrund mystisch vibrierende Chöre auf und nach einem kurzen Break von weniger als einer knappen Sekunde dreht sich die bis dato noch merklich zurückgehaltene Grundstimmung und kippt von ihrem atmosphärischen Fundament mit einem Schlag der explosiven Entfesselung dann in das komplette Gegenteil: Erdrückend rasendes Drumming, harte Riffs, verheerende Glockenschläge und tiefe, aggressive Growls erschüttern die friedvollen Grundfesten und zeichnen als brachial walzende Urgewalt ein äußerst kontrastreiches Bild zu der verzweifelt klagenden Rastlosigkeit von einst, die sich in der zweiten Strophe in leicht abgewandelter Form nun wieder fortsetzt. „Priest“ ist in vieler Hinsicht ein extrem wandelbarer Hybrid aus viel Melodiösität und Härte, was sich auch im Folgenden immerzu beweist. Mit der befreiend gelösten Energie jenes kurzen Zwischenspiels aufgeladen, erweitert sich nun auch das Spektrum der hier verwendeten Instrumente, die das bisherige Muster mit gekonnter Steigerung und zusätzlichen kleinen Details powernd aufbrechen. Der wahrlich ausladende Refrain kommt dann in typischer „Lord Of The Lost“-Manier voll packender Eingängigkeit und epochaler Hymnenhaftigkeit daher, jedoch ohne zu überladen bombastisch einzuwirken. Die zwischengelagerten, kräftigen „We're all at, we're all at, we're all at fault“-Shouts konkurrieren dann als kernig aufbrechendes Element mit der übrigen majestätischen Imposanz, bis der beschließende „Break your priest!“-Ausruf den Hauptteil danach in einer einschüchternd prügelnden Schlacht mit Metal-Charakter versenkt. „Lord Of The Lost“ gelingt damit ein schlüssiger Einstieg in die Materie, der sofort zu fesseln weiß und die Innenansicht des titelgebenden Protagonisten vor dem Hintergrund der biblischen Schriften portraitiert. Zwar lastet die schwere Schuld für den Verrat an Jesus auf Judas, doch zeigt dieser keinerlei Reue oder gar Zweifel an seinem Verrat. Viel mehr sieht er sich völlig zu unrecht im Schatten seines Anführers, aus welchem er durch seine Tat mit aller Macht zu treten versucht. Zu was können ein unscheinbares Schattendasein und unerfüllte Hoffnungen führen? Helle, doch zugleich verheerend anmutende Glockenschläge liefern sich einen eifrigen Schlagabtausch mit mehrstimmigen, sakral beschwörenden Chören, die den entsprechenden Titel gleich mehrmals wiederholen: „For They Know Not What They Do“ besticht bereits eingangs mit einer ätherischen Grundstimmung, welche sich stetig die Waage mit einer beängstigend erdrückenden Atmosphäre und konträr metallischen Elementen hält, die schon bald darauf nahen, bevor sich die Strophen dann wiederum ruhiger gestalten. „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“, die bekannten Zeilen aus dem Evangelium nach Lukas, Kapitel 23, Vers 34, waren gleichsam die letzten Worte Jesu, als er ans Kreuz geschlagen wurde. Trotz seiner schweren Qualen beschützte er seine Peiniger und sprach ihnen zu viel Unwissenheit zu, um die Konsequenzen ihres Handelns wirklich begreifen zu können. Diese wie auch einige andere Zeilen untermauern, dass die Suche nach Gott nicht allein auf irdischen Wegen stattfinden solle, sondern im Inneren eines jeden. Die Bridge bringt dann nochmals das einleitende Motiv ins Spiel, hier von grellen Screams intoniert, bis ein schwermetallischer Wirbelsturm hereinbricht. Der eigentliche Refrain nimmt dann zwar etwas Härte, aber nicht Tempo, heraus und schickt eine von einem virtuosen Piano geführte, hymnische Melodie voraus, ehe Chöre, Orgel und die einsamen Töne eines Klaviers schließlich behutsam aus dem Stück geleiten. Die feinsinnigen, melancholischen Harmonien jenes Tasteninstruments sind es zusammen mit dezent angedeuteter Percussion und einem elektronischen Zerrbild dann auch, die „Your Star Has Led You Astray“, den mit rund dreieinhalb Minuten insgesamt kürzesten Song des Doppelalbums, einleiten. Die hier etablierte Melodieführung wird daraufhin von einer symphonischen Macht und kräftiger Rock-Attitüde weitergetragen, während rhythmisches Drumming und sanftmütige Piano-Versatzstücke die Strophen zurückhaltend ausfüllen. In der Bridge wartet dann die ruhige Orgel auf, kleine Breaks sorgen immerzu für Abwechslung, bis vor dem finalen Refrain nochmals ein kurzer, überraschender Härte-Kick seine volle Wirkung entfaltet. Zu „Born With A Broken Heart“ sind es dann abermals die gespenstischen, intensiven Chöre, die als melodiös führendes Kernelement dienen und sich nach einem kurzen Solo-Part hypnotisch mit dem restlichen Rock-Instrumentarium vereinen. Schlagzeug, Klavier und Stimme bestimmen hier zu weiten Teilen die Strophen, während immer wieder die E-Gitarren durchbrechen, später kommen noch nebulöse Chor-Fragmente aus dem Hintergrund dazu. Der Refrain reißt die klaustrophobische Enge dann mit sphärischer Erhabenheit ein und kommt einem schwungvollen Befreiungsschlag gleich: Judas, der schon mit dem titelgebenden, „gebrochenen Herzen“ geboren wurde und nie eine Wahl hatte. Der, dessen Schicksal vom ersten Tag an

vorherbestimmt war und dem niemals die Chance gegeben war, diesem entfliehen zu können. Am Ende muss er die Schuld und Sünden für all jene ertragen, die sich ihrer Verantwortung feige entziehen. Von den anderen Jüngern verstoßen und ins falsche Licht gerückt, damit sie sich ihre Hände in Unschuld reinwaschen können...


„The 13th“. Der Dreizehnte, der Ausgestoßene. Der, der von vornherein nicht dazugehörte. Auch diese Power-Ballade nimmt sich auf ungemein ergreifende Weise dem Inneren des Protagonisten an, der sich jetzt zunehmend über seine Gefühle bewusst wird. Ungesehen und unbeachtet unter denen, die von ihrem Anführer geachtet werden, wird er mehr und mehr zum Schatten seiner selbst. Führt einen schwerer und schwerer werdenden Kampf gegen die seelisch und moralisch zerklüftete Leere in sich. Das elektronische Pulsieren des Keyboards geht gemeinsam mit der hell gestimmten Orgel und nachdrücklich arrangierter Percussion, die daraufhin zusammen mit dem Gesang verstärkt in den Vordergrund tritt, zunächst ein wirksames Bündnis für die Strophen ein, bevor dann alle Elemente zusammen mit den erhabenen Chöre aus der Bridge sogleich in einem unglaublich herzzerreißenden Chorus implodieren: „I don't know how to feel alive and I don't know if I'll ever be home again. I don't know if you'll ever see me fall...“. Ein authentisches, da extrem nachvollziehbares Klagelied auf die schweren Folgen seines ihm auferlegten Handelns. Das nicht weniger packende „In The Field Of Blood“ beschreibt danach die letzten Stunden des Judas und nimmt mit seinem Titel Bezug auf den sogenannten „Blutacker“, der später von den dreißig Silberstücken gekauft wurde, welche Judas von den ansässigen Hohepriestern für den Verrat an Jesu erhalten hatte, sie später aber in den Tempel hineinwarf. Die bittersüße, belastende Schwere dieser Ballade entsteht hier neben der ganz und gar vereinnahmenden Instrumentierung nicht zuletzt auch durch die immer wiederkehrenden Vocals von Scarlet Dorn, die mit der dramatischen Melodie aus zartem Piano, straighten Gitarren und den finalen Chorgesängen in einheitlicher, wunderschöner Fragilität Hand in Hand gehen, um die große Verzweiflung und schmerzliche Akzeptanz des eigenen Schicksals nach dem Verrat an Jesus Christus greifbar zu machen. Nur die Trauer und der Schmerz überwiegen, nachdem Judas getan hat, was nicht mehr rückgängig zu machen ist und ihn in zermalmenden Schuldgefühlen versinken lässt. Auch die Gewichtung des eigenen Glaubens wird somit infrage gestellt, denn was ist dieser noch wert, wenn er zu einer solchen Tat treibt? „2000 Years A Pyre“ schlägt einen sehr variablen Spannungsbogen von einer nachdenklichen Note bis hin zu epischen Ausmaßen aus Metal-Drifts und hochmelodiöser Hymnenhaftigkeit. Die Textzeilen verweisen in die Zukunft und zeigen, dass die Taten des Judas auch nach all den Jahren und bis zum heutigen Tage noch eine enorme Tragweite besitzen, ihn als Verräter und stellvertretendes Symbol für Abtrünnigkeit brandmarken. „Death Is Just A Kiss Away“ kann danach als die äußerste und reinste Manifestation des Leitmotivs gesehen werden, welches so auch bruchstückhaft in verschiedenen Formen und anderen Songs auftauchen wird. Hier gelingt „Lord Of The Lost“ erneut ein wahrer Spagat zwischen heimeligem Minimalismus und Gänsehaut-Epik, wenn der beinahe kammermusikalische Anfang allein mit Cello und Stimme schlussendlich in einem beeindruckenden Battle endet, wenn Harms mit bloßer Kraft seiner Stimme gegen eine mächtige Kirchenorgel ansingt und die tragischen Chöre zum Ende hin seine Zeilen aufgreifen. Ein vergleichsweise typischer Up-Tempo-Song erwartet den Hörer dann mit „The Heart Is A Traitor“, der das von Schmerz und Betrug behaftete Verhältnis von Judas und Jesus thematisiert und durch das fließend dynamische Zusammenspiel von stampfendem Schlagzeug, bruchstückhafter Elektronik und härteren Riffs lebt. „Euphoria“ beginnt mit einem sanft perlenden Piano auf sphärischem Fundament, später kommen verstärkt treibende Rock-Anteile und ein über allem schwebendes, elegisches Gitarren-Solo von Harms selbst durch, um den Höhepunkt abzurunden. Die schiere Ziel- und Rastlosigkeit, all die Leere, die Suche nach einem kleinen Funken Hoffnung und inneren Frieden scheinen zum Greifen nahe, wenn sich der Protagonist nur noch ganz weit weg von allem Irdischen sehnt. Das erste von insgesamt zwei reinrassigen Instrumentalstücken, von dem es pro CD je eines gibt, folgt danach mit „Be Still And Know“. Hier steht das virtuose, druckvolle Spiel der Gitarren und Drums im einschneidenden Wechselbad mit erholsam abschweifenden Klavier-Ausflügen im Vordergrund, was das kurze, doch enorm abwechslungsreiche Stück fast wie eine Demonstration der Fertigkeiten an den Instrumenten erscheinen lässt. Zwar gibt es auch hier sehr viele unterschwellige Bezüge zum Leitmotiv, trotzdem setzt das Instrumental genug eigene Akzente, um durchweg facettenreich und spannend zu bleiben. „The Death Of All Colours“ repräsentiert danach das Gegenstück zu seinem direkten Vorgänger, denn hier ist es nicht der Gesang der fehlt, sondern es sind die Instrumente. Wenn Chris Harms und der vielschichtig eingesetzte Chor das Stück lediglich mit ihren Stimmfarben füllen, ja, den introvertierten Ausklang der ersten Hälfte so zerbrechlich wie gleichzeitig auch anmutig schön ausgestalten, jagen wohlige Schauer umher, während, passend zum Titel, ringsum alles schwindet und zudem ein Ausblick auf die andere Hälfte des Albums gewährt wird, wenn Jesus in einer Zeile Judas von seiner Schuld

freispricht...


Während sich die erste Hälfte des ambitionierten Doppelalbums noch vornehmlich mit dem durch die Schriften der Kirche bekannt gewordenen Bild des Judas beschäftigte, so konzentriert sich das Gegenstück mit dem Titel „Salvation“, also Erlösung, auf die weitaus weniger populäre, wenngleich nicht minder plausible, Sichtweise auf den namensgebenden Protagonisten, welche ihn nunmehr in ein gänzlich anderes und weitaus helleres Licht zu rücken vermag. Ihn weniger als Verräter, denn Befreier und unverzichtbaren Teil der Menschheitsgeschichte zeigt. Vor diesem Hintergrund erscheint es also nur logisch und passend, dass „The Gospel Of Judas“ hier als Quasi-Titeltrack die wortwörtlich feierliche Eröffnung des zweiten Teils gebührt: Ein harsch taktierendes Schlagzeug und raues Riffing kreieren mit langanhaltenden Pausen den sperrigen Style, dessen um sich greifende Monotonie zunächst einzig von den kurz angeschlagenen Tasten eines energisch tönenden Klaviers und der kernigen Hook aus fordernden „Judas, Judas!“-Rufen zerschlagen wird. Eher unterschwellig baut sich hier allmähliche Spannung auf, nur um dann kurz vor Beginn der zweiten Strophe schließlich von einer rasend schnellen, gar alles erschütternden Explosion mit überraschenden Death-Metal-Anleihen mitgerissen zu werden. Eifrig von jener peitschenden Energie beseelt, galoppiert der dreckige Gassenhauer ungestüm weiter, bis mit dem Refrain, der hingegen wieder überdeutlich im eingängig schmeichelnden Dark Rock mit Glam-Elementen beheimatet ist, ein erneuter Stilbruch naht. Ebenso catchy, wie gleichzeitig lässig-lasziv groovend, brandet so tatsächlich das Feeling eines rockig-rauen Gospel auf! Besonders schön auch die spannende Vielschichtigkeit der Lyrics, welche nicht allein nur als bloßes Loblied auf die Titelfigur gesehen werden können, sondern auch als klares Statement gegen Ausgrenzung, Intoleranz und Hass. Zeilen, die dazu bestärken, seinen eigenen Weg zu gehen und aufzeigen, dass es gerade die Unterschiede sind, die uns besonders machen und gegenseitig bereichern können, wenn man zur differenzierten Betrachtung nur gewillt ist... Die vertonte Rache, das kämpferisch-heroische „Viva Vendetta“, beginnt ganz rudimentär und fast schmucklos mit den Akkorden einer akustischen Gitarre und rauem Gesang, während der Druck im Hintergrund sodann allmählich hörbar zu steigen beginnt und sich plötzlich in einem kräftigen Break entlädt. Der energiegeladene Up-Tempo hat trotz seiner deutlich kompakteren Ausrichtung ordentlich Atmosphäre und versprüht nicht zuletzt wegen seiner verwegenen Instrumentierung echtes Outlaw-Feeling, das schnell einen ganz besonderen Drive entwickelt und vor lauter Ohrwurm-Qualitäten nur so strotzt. Kurzweilig und gelungen! Der wehklagende, mystische Gesang der bulgarischen Sängerin Gergana Dimitrova ist es, welcher das nächste Stück, nämlich die ungemein tief berührende Power-Ballade „Argent“, einzigartig stimmungsvoll einleitet und sich auch fortan wie die betörende Stimme einer geheimnisvollen Sirene immer wieder als nicht zu verachtendes, leidenschaftlich intoniertes Kernelement durch den wirklich brillanten Song hindurchzieht. In kompositorischer Zusammenarbeit mit Jaani Peuhu („Mercury Circle“) und Ben Christo („The Sisters Of Mercy“) konnten gleich zwei hochkarätige Partner gefunden werden, was sich im Endergebnis merklich auszahlt. Trotz seiner herzzerreißend sehnsüchtigen Grundnote und all der nachdenklichen Thematik, wartet man hier mit wahnsinnig viel Power, dunklem Goth-Rock in reinster Form und tanzbar schwelgerischer Prämisse auf, wenn Judas sich selbst mit der Frage konfrontiert, ob der Verrat seinen gewünschten Effekt erzielt hat und die starke Bindung zu Jesu, die ihn diese Grenze hat überschreiten lassen, spürbar werden. Das temporeiche „The Heartbeat Of The Devil“ atmet danach ganz klar den feurigen Spirit des Achtziger-Rock: Lässig groovende Piano-Schübe gehen mit präzise gesetztem Drumming auf Tuchfühlung und dann einen engen Tanz mit bretthart rockenden Gitarren ein. Dennoch bewahrt man sich eine gewisse Catchyness und driftet nicht zu sehr in metallischere Gefilde ab, wenngleich der bebende Nachdruck allzeit präsent bleibt und den Puls zusammen mit dem treibenden Beat passend in die Höhe jagt, wenn Judas darum ringt, seiner Bestimmung entgehen und Befreiung erfahren zu können. Ein retroeskes Keyboard stimmt sodann in den lebendigen 80er-Pool mit ein und verflechtet dunkel angehauchte Wave-Züge in den toughen Mid-Tempo-Rocker, der daraufhin kurzerhand eine verträumte, schwarz-romantische Atmosphäre zaubert, wenn mit dem powernden Mid-Tempo-Rocker „And It Was Night“ schließlich die Sonne untergeht und schwarze Wolken hereinbrechen. Trotz der abermals eher energetisch betonten Prämisse, schwingt hier doch stetig eine gewisse Leichtigkeit mit, die den Hörer gleich zu packen weiß! Menschlich, nahbar und zerbrechlich: „My Constellation“ legt durch sein ungemein zartes Arrangement und die behutsame Instrumentierung eine gar wunderschöne Fragilität offen, welche den Song zu einer der wohl stärksten Lord-Balladen überhaupt macht. Die hier besungenen Gestirne, die das nächtliche Firmament wundersam erhellen und als rettender Ankerpunkt einen tröstenden Hoffnungsschimmer verheißen, stehen stellvertretend als Gleichnis für die enge, ja, brüderliche Verbindung zwischen Judas und Jesus, gleichzeitig aber auch für Liebe, Leben und nicht zuletzt Abschied. Zugleich sind es auch jene Gedanken zwischen Erfüllung und Verlust, die sich nach dem Tod Jesu im Inneren des titelgebenden Protagonisten abspielen und sein Seelenleben offenlegen, während er in die Sterne blickt, so als wolle er Kontakt zu ihm aufnehmen. Das alles kann einer gewissen, doch hörbar aufrichtig dargebrachten Tragik dieses hauptsächlich elektronisch behafteten Stücks natürlich nicht entbehren, wenn die zurückhaltenden Synthie-Spuren die facettenreiche Stimme von Chris Harms, der hier insbesondere im Refrain zu wahren Hochtouren aufläuft und das Volumen komplett auslotet, gekonnt umschmeicheln und sich in hochwertig balladeskem Pop manifestieren.


„The Ashes Of Flowers“ ist danach wiederum das komplette Gegenteil und zweifelsfrei das experimentellste Stück der beiden CDs. Bereits nach den ersten Sekunden legt man hier einen ungewöhnlich progressiven Grundtenor vor, als die leicht verfremdete Orgel im Loop erklingt und darauf von einem kleinen, leiernden Break durchsetzt wird, was das sakrale Grundelement der ersten Strophe bildet. Später prallt all dies noch auf druckvoll hämmerndes Stakkato-Drumming, wild kreisenden E-Gitarren und einen sich schubartig aufbäumenden Chor-Einsatz: Für einige Hörer vielleicht zunächst sehr gewöhnungsbedürftig, doch sicher nicht minder interessant und mit viel Potential für die nächsten Durchläufe - Gelungen! Den so gewonnenen Auftrieb hält „Iskarioth“ mit seinen rotzig röhrenden Riffs und dem kernigen Drive ohne viele Mühen und setzt der oftmals so melancholischen, wehklagenden Stimmung der zweiten Hälfte damit abermals einen sehr erfrischenden Kontrast entgegen. Hier gibt es nun einmal mehr dunkel treibenden Rock der etwas raueren Gangart in Kombination mit einem gewohnt hochmelodiösen Refrain. Deutlich weniger ausladend, dafür gleich auf den Punkt und sehr straight in einer angemessen knackig komprimierten Spielzeit, die dennoch nicht zulasten der musikalischen Qualität oder des Inhalts geht. Ein ungleich direkter Rückblick auf die vergangenen Ereignisse, all die Qualen und die großen Schande, die der Verrat für Judas mit sich brachten, während die wahren Schuldigen davonkamen. Eine verzweifelt anmutende Piano Melodie, klagende Streicher und pointierte Percussion eröffnen „A War Within“, das in der Bridge dann mit zusätzlicher Elektronik und dem kraftvollen Einsatz der Chöre wieder an Fahrt aufnimmt und später sogar wieder das Leitmotiv in einem wunderbaren Solo darbietet. Der innere Krieg, all die Zweifel und bloße Zerrissenheit weisen in dieser ergreifenden Power-Ballade auf das nahende Ende einer Reise hin. Judas ist am Ende des Weges angekommen. Von den anderen Jüngern längst schon alleingelassen und einsam seiner Schmach ausgesetzt. Müde von der viel zu schweren Last einer eigentlich noblen Tat, guten Absichten und der Erfüllung seines Schicksals, welches ihn als eigentlichen Erlöser schließlich richten wird... Das durch und durch fantastische „A World Where We Belong“ markiert dann gegen Ende nochmals einen weiteren, großen Höhepunkt auf der Zielgeraden: Die unglaublich mitreißende Rhythmik und unterschwellig powernden Akkorde der Gitarre verheißen trotz des deutlich gemäßigten Tempos sogleich baldigen Aufbruch und sorgen für eine ganz und gar grandiose, schnell vereinnahmende Dynamik, wenn die schmerzende Qual des Judas am baldigen Ende seines langen Weges langsam der Hoffnung weicht. Hier machen sich die abermals verstärkte Hinzunahme des majestätischen Chores, der nun selbst in den regulären Strophen präsent unterstützt, und die von Grund auf organische Ausrichtung des Instrumentariums generell so bemerkt wie gleichermaßen auch bezahlt. Der Sound ist wuchtig, nahezu überwältigend bombastisch und gleichzeitig extrem melodisch, sodass ganz viel Raum für überbordend warmes Gefühl bleibt, das sofort greifbar ist. Der Schmerz schwindet allmählich zugunsten der Zuversicht vor durch und durch idyllischen Harmonien, Judas selbst kennt die Wahrheit um sein Handeln und seine Bestimmung. Am Ende bleibt immer die Hoffnung... Wie schon das Finale auf „Damnation“ gestaltet sich auch der finale Part von „Salvation“ als ein höchst atmosphärisches Doppel aus einem Instrumental und einem stark auf die Vocas fokussierten Part. Hier rückt die Fraktion der Streicher nun zuerst vehement in den Vordergrund, was abermals eine wortwörtlich filmreife Inszenierung zur Folge hat, welche direkt einem wirkungsvollen Score entsprungen sein könnte, wenn ergreifend klagende Bratschen, Celli und Violinen die tobenden Wogen des inneren Krieges schlussendlich sanftmütig zu glätten vermögen. Die Schicksale sind endgültig besiegelt, die Geschichten aus zwei verschiedenen Perspektiven erzählt. Jede ganz für sich, im Guten wie im Bösen. „Apokatastasis“, frei aus dem Griechischen übersetzt für „Wiederherstellung“, steht stellvertretend für die grundlegende Neuformatierung am Ende von allem. Es ist Zeit für einen neuen, ja, einen anderen Beginn. Der Verrat des Judas und Jesu Tod, zwei Opfer, als fruchtbarer Nährboden auf dem künftig aufgebaut werden und Neues entstehen kann, wenn wir ihre Opfer nur als Chance für uns begreifen. Das abschließende „Work Of Salvation“ katapultiert den Hörer mit seiner emotionalen Intensität ein letztes Mal in sphärische Höhen, einem Trauerflor gleich stellenweise introvertiert und getragen, gleichwohl aber ruhig, hell und friedvoll. Die Stimme von Harms, die hier unter anderem direkte Zeilen des Judasevangelium rezitiert, kommt beeindruckend zum Einsatz und geht fließend mit der sakralen Schwere der Orgel und den Chören Hand in Hand, bevor schlussendlich das vom Piano initiierte Leitmotiv dieses Mammutwerk zum Ausklang bringt. Am Ende bleibt die Gewissheit, dass die Opfer, die sowohl Jesus als auch Judas erbrachten, einen Sinn hatten. Es bleibt für alle die Aussicht auf ein erlösendes Leben danach und eine bessere Zukunft...


Tracklist:


CD 1


01. Priest


02. For They Know Not What They Do


03. Your Star Has Led You Astray


04. Born With A Broken Heart


05. The 13th


06. In The Field Of Blood


07. 2000 Years A Pyre


08. Death Is Just A Kiss Away


09. The Heart Is A Traitor


10. Euphoria


11. Be Still And Know


12. The Death Of All Colours


CD 2


01. The Gospel Of Judas


02. Viva Vendetta


03. Argent


04. The Heartbeat Of The Devil


05. And It Was Night


06. My Constellation


07. The Ashes Of Flowers


08. Iskarioth


09. A War Within


10. A World Where We Belong


11. Apokatastasis


12. Work Of Salvation

Fazit:


Gerade einmal drei Jahre nach ihrem letzten und zudem verdientermaßen sehr erfolgreichen Studioalbum „Thornstar“ kehren die fünf sympathischen Nordlichter rund um Mastermind Chris Harms jetzt mit ihrem nächsten Meilenstein zurück... Und dieser soll es wahrhaft in sich haben! Eigentlich verhältnismäßig wenig Zeit also, wenn man bedenkt, was für ein komplexes, durchdachtes Konzept dahintersteht und wie dermaßen viele Mühen einmal mehr hinter der mittlerweile siebten Fulltime-Rock-Produktion der Hanseaten wohl stecken müssen, schlägt jene dieses Mal doch gleich mit zwei Silberlingen allein in der reinen Standardausführung sowie sage und schreibe insgesamt vierundzwanzig Songs zu Buche. Wie schon beim Vorgänger, bildet die aufwändige Recherche auch hier das thematische Fundament, nehmen sich „Lord Of The Lost“ auf ihrem ersten Doppelalbum doch der illustren, wie gleichermaßen stark umstrittenen Figur des Judas Iskariot und den verschiedenen Sichtweisen auf jene - gesplittet in die beiden Seiten „Damnation“ und „Salvation“ - an, die gegensätzlicher wohl nicht sein könnten und somit bereits bei den ersten Hördurchgängen zum Nachdenken anregen. Nachdem Harms und seine Mannen in der Vergangenheit längst für ihre enorm hohen Qualitätsstandards und immer neuen Steigerungen bekannt waren, dürfte es also keine allzu große Überraschung sein, dass es den bekannten Dark Rockern nun abermals gelingt, ihr Schaffen auf ein gänzlich neues Level zu heben. Neben dem inhaltlichen Kernelement und daran geknüpften Leitmotiv, welches in einigen der Schlüsselsongs in diversen Formen variantenreich auftritt, wurde auch die grundlegende Ausrichtung des Sounds passgenau optimiert und zugunsten einer organisch behafteten Note an den richtigen Stellschrauben gedreht: In einem Großteil der Stücke schimmert fast schon unverschämt viel Eingängigkeit und Pop-Appeal durch, jedoch ohne die Songs dabei zu sehr zu verwässern oder belanglos werden zu lassen. All der wuchtige Druck und die gnadenlose Härte vergangener Tage sind zwar auch auf „Judas“ noch stets präsent, wenngleich jetzt gänzlich anders portioniert und hörbar bedachter eingesetzt, was einerseits einer gut austarierten Balance und unberechenbaren Vielschichtigkeit innerhalb der einzelnen Nummern zuträglich ist, stellenweise aber auch zu einer dezenten Gleichförmigkeit im Gesamten führt. Echte, exaltierte Ausreißer in eine bestimmte Stilrichtung oder allzu große Experimente gibt es zugunsten eines glaubhaften, großen Ganzen nicht. Viel mehr erscheint das Doppelalbum wie aus einem einzigen Guss, was natürlich beileibe nichts Schlechtes, sondern dem großartigen Flow besonders zuträglich ist. Auch die Elektronik nimmt sich vor diesem Hintergrund weitestgehend vornehm zurück und macht dafür echten Chören, orchestralen Parts oder sogar einer mächtigen, beeindruckend in Szene gesetzten Kirchenorgel genügend Platz. Anstelle von simpel gestrickten Club-Krachern konzentrieren sich die einmal mehr gereiften Lordschaften sowohl in den mal leisen und minimalistischen als auch mitreißenden und energetischen Momenten nämlich deutlich auf das mögliche Höchstmaß an vereinnahmender Atmosphäre, imposantem Bombast und authentisch dargebrachter Dramaturgie, was die neueste Veröffentlichung nicht nur zum ambitioniertesten Projekt der Band macht, sondern gleichsam zu einer ungemein imposanten Rock-Oper krönt. Kein Zweifel: Mit „Judas“ haben „Lord Of The Lost“ ihr bisher rundestes Release und ein wahres Epos der absoluten Extraklasse geschaffen, wenn nicht sogar ihr bisheriges Magnum Opus, an welchem sie und alle Genre-Vertreter sich künftig messen lassen müssen!


Informationen:


http://lordofthelost.de


https://www.facebook.com/lordofthelost/

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