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AutorenbildChristoph Lorenz

Subway To Sally - Interview (2023)


Roggenfaenger: Hallo zusammen und eingangs schon mal meinen herzlichsten Dank für eure Zeit! Die weltweite Pandemie liegt nach über zwei Jahren endlich weitestgehend hinter euch und damit auch mehrmalige Verschiebungen von bereits angesetzten Konzerten und einem neuen Album, dessen Veröffentlichung ursprünglich viel früher geplant war. Doch die gesamte Kultur- und Veranstaltungsbranche leidet noch immer stark unter den Corona-Spätfolgen. Auch ihr konntet erst im vergangenen Jahr die letzten „HEY!“-Shows nachholen und die beliebte Indoor-Festival-Reihe „Eisheilige Nacht“ fortsetzen. Daher meine Frage: Wie geht es euch momentan damit und was war das für ein Gefühl, wieder live auf die Bühnen und damit zu den Fans zurückkehren zu können?


Simon Michael Schmitt: Das ist ein sehr gutes Gefühl. Endlich wieder in geregeltem Bahnen spielen zu können und zu wissen, dass wir wegen eines Schnupfens nicht die nächsten Shows absagen müssen. Damit will ich Corona nicht verharmlosen, aber für uns war es ja so. Die Unsicherheit war einfach riesig und allgemein herrschte eine große Vorsicht vor. Trotzdem haben wir, damit meine ich die gesamte Branche, durchaus Federn gelassen in dieser Zeit.


Roggenfaenger: Wie gerade eben schon mal kurz erwähnt, war der Release von komplett neuem Material eigentlich schon viel eher angesetzt. Als ihr 2020 bei Napalm Records unterschrieben habt, wurde ja zeitgleich angeteast, dass mehr Musik nicht mehr allzu lange auf sich warten lässt. Plötzlich herrschte dahingehend Funkstille. Man könnte meinen, ihr wolltet lediglich abwarten, bis auch eine zusammenhängende Tournee dazu wieder möglich sei, doch der Grund war ein völlig anderer. Mögt ihr den Lesern einmal erzählen, was genau dann passiert ist und warum?


Simon Michael Schmitt: Die Pandemie hat uns komplett aus der Bahn geworfen. Wir haben uns kaum noch gesehen, plötzlich spielten auch banale Dinge wie Kinderbetreuung eine größere Rolle in unserem Leben. Wieso sollte es bei uns anders sein als beim Rest der Bevölkerung? Außerdem fanden wir viele der Songideen, an denen wir zu Beginn der Pandemie gearbeitet haben, nicht mehr zeitgemäß. Und ja, ein Album in der Pandemie veröffentlichen ohne eine dazugehörige Tournee zu spielen ist auch irgendwie, in unserem Falle, sinnbefreit. Du siehst, das hat verschiedene Faktoren, die hier eine Rolle gespielt haben.


Roggenfaenger: Ihr habt die bis dato entstandenen Songs ja nahezu komplett verworfen und praktisch von vorne angefangen. Haben denn trotzdem einige Fragmente des Materials ihren Weg auf „Himmelfahrt“ gefunden und wenn ja, in welchem Ausmaß? Und werden wir die damals entstandenen Songs in Zukunft vielleicht doch noch auf irgendeine Art und Weise zu hören bekommen? Der neue Stand-Alone-Song „König Der Asche“, der exklusiv der aktuellen Ausgabe des „Metal Hammer“ als EP beiliegt, klingt insbesondere zu Anfang beispielsweise noch ziemlich nach der „HEY!“-Ära…


Simon Michael Schmitt: Nein, komplett verworfen. Bis auf, du liegst richtig, „König der Asche“. Den fanden wir allerdings im Albumkontext zu hart, für den Metal-Fan und damit auch den Leser des Hammers allerdings fanden wir ihn wiederum passend.

Roggenfaenger: In einer der vorherigen Fragen ist’s schon kurz aufgetaucht: Ihr seid mittlerweile genau wie eure Genre-Kollegen von „Schandmaul“ bei Napalm Records unter Vertrag, die beispielsweise auch euer Stream-Event „Back To Lindenpark“ physisch veröffentlicht haben. Die Vorgänger „Schwarz In Schwarz“, „MitGift“ und auch „HEY!“ erschienen hingegen unter eurer eigenen Flagge. Wo liegen für euch jeweils die Vor- oder auch Nachteile eines eigenen Labels gegenüber Dritten und warum habt ihr euch zu diesem Schritt entschieden?


Simon Michael Schmitt: Das Musikbusiness hat sich inzwischen stark verändert. Als wir noch zu 90% vom physischen Markt abhingen, war das für uns zu stemmen. Die Rechnung ist eine einfache, du produzierst eine bestimmte Stückzahl an Platten und verkaufst diese. In Zeiten von Streaming sind Abrechnungs- und Vertriebsmodelle weitaus komplexer und für uns, insbesondere auch international gesehen, nicht mehr zu stemmen. Deswegen, folgerichtig, der Schritt zurück zu einem starken Partner. Es gab verschiedene Angebote, aber Napalm hat uns von Anfang an überzeugt, auch, weil ich deren tolle Arbeit von anderen Bands her gut kenne.


Roggenfaenger: Kommen wir jetzt aber zum eigentlichen Grund dieses Interviews, nämlich euer neues Studioalbum „Himmelfahrt“! Wie habt ihr die letzten Jahre der Kreativ- und Studioarbeit so erlebt? Die pandemiebedingten Widrigkeiten und geltenden Regelungen haben mit Sicherheit manches Prozedere erschwert, oder? Inwiefern musstet ihr euch da eventuell umorganisieren und neue Wege der Zusammenarbeit suchen?


Simon Michael Schmitt: Ja, du sprichst es an. Wir haben einen weiteren Schritt in Richtung „Dezentralisierung“ gemacht. Da wir aber ohnehin schon seit „Schwarz In Schwarz“ in unseren eigenen Studios arbeiten und selbst produzieren und mixen, war das gar nicht so entscheidend. Bei „HEY!“ hatten wir bereits ähnlich gearbeitet. Der Songwritingprozess lief natürlich noch mehr remote als vorher. Aber in Summe fühlte sich das nun nicht besonders neu oder außergewöhnlich an.


Roggenfaenger: Was war die Initialzündung für das diesmalig übergeordnete Leitbild „Hoffnung“? Wie so vielen Menschen auf der Welt war euch in der zurückliegenden Zeit aber wahrscheinlich nicht gerade danach zumute… Vielleicht also deshalb?


Simon Michael Schmitt: Ja, da spielt durchaus die Pandemie und die Umstände, wie diese uns verändert hat, eine Rolle. „HEY!“ hatte viele Stellen, an denen wir den Finger in die Wunde legten und uns gefragt haben, was eigentlich los ist, wenn alles im Grunde schon in Schutt und Asche liegt. „Bis Die Welt Auseinanderbrich“ wäre ein gutes Beispiel dafür. Dass wir aus der Pandemie kommen, das Klima wohl bald vollends zerstört ist, wir in einen neuen Ost-West-Konflikt kommen und auf einmal wieder Krieg in Europa herrscht, mit einer so rasanten Entwicklung hätten selbst wir nicht gerechnet. Deswegen wäre ein weiteres, fast schon sarkastisches Album, fehl am Platz.


Roggenfaenger: Bereits Ende letzten Jahres und damit passend zur „Eisheiligen Nacht“ habt ihr musikalisch wieder von euch hören und mit „Was Ihr Wollt“ einen ersten Vorgeschmack geliefert. Die zweite Vorab-Single erschien 2023 und trägt den Titel „Leinen Los“ und beschwört das Gefühl von Um- und Aufbruch wahrscheinlich so dermaßen stark, wie kaum ein anderes Stück auf „Himmelfahrt“! Ursprünglich stammt das Stück zumindest in seinen Grundfesten aber von einem anderen bekannten Gesicht, wie ich gelesen habe. Mögt ihr bitte mehr zur Entstehung des jeweiligen Songs erzählen?


Simon Michael Schmitt: Subway war schon immer eine Band, die beim Songwriting gerne mit Kollegen gearbeitet hat. Sofern diese zur Family gehören und Freunde von uns sind, waren wir da nie verschlossen gegenüber. Beispiel wäre der Song „Tanz Auf Dem Vulkan“, der in weiten Teilen von unserem Wegbegleiter B. Deutung stammt. „Leinen Los“ ist eine Koop mit Chris Harms, Rupert Keplinger und Corvin Bahn, alles Leute, mit denen ich selbst schon, unabhängig voneinander, an Projekten gearbeitet habe und denen man immer mal wieder über den Weg läuft. Mit ihnen gemeinsam wurde dieser Song in den Subway-Kosmos übertragen. Und das funktioniert ausgesprochen gut, muss ich sagen.

Roggenfaenger: Einer der wahrscheinlich eindrucksvollsten Songs auf eurem neuen Album ist zweifelsohne das großartige „Gott Spricht“ samt seinem vorausgehenden Preludium „In Gaudens Domino“, welches auf den ersten Blick ein bisschen aus dem thematischen Rahmen fällt. Was glaubt ihr, worüber Gott momentan ganz besonders erzürnt ist? Vor allem aber: Was würdet ihr ihm antworten, wenn „Subway To Sally“ spricht?


Simon Michael Schmitt: Tja, eine gute Frage. Wenn es ihn denn überhaupt gibt, nicht wahr? Naja, hört euch den Song doch einfach an, die Antwort steckt drin.


Roggenfaenger: Auf „MitGift“ habt ihr erstmals verstärkt mit dem trendenden Dubstep und Electro in Kooperation mit Maskenmann Cop Dickie experimentiert, „HEY!“ widmete sich hingegen ganz dem Glam-Rock passend zum dystopisch-dekadenten Unterton. Mit „Himmelfahrt“ schlagt ihr jetzt einen erneuten Stilwechsel ein und klingt trotzdem oder gerade deswegen nach 100% STS! Mehr noch: Einige Songs, wie beispielsweise „So Tief“ oder „Auf Dem Hügel“, beinhalten nun gefühlt wieder deutlich mehr Gewichtung auf traditionelle Elemente und besinnen sich damit ein gutes Stück weit auf die Wurzeln der Band zurück. Teilweise wohnt den Songs eine cineastische Größe inne, die den Bombast von Soundtracks einfängt! Wie habt ihr den Sound von „Himmelfahrt“ definiert?


Simon Michael Schmitt: Genau SO haben wir ihn definiert, wie du es glanzvoll erfasst hast. Respekt dafür! Die Stärken von Subway rauskitzeln, emotionale Momente erschaffen und einen Hauch von Filmscore - das war das Konzept hinter „Himmelfahrt“. Ich brauche keine Synth-Bässe und Drops mehr. Das waren spannende Zeiten und tolle Experimente und auch gute Inspirationsquellen, aber für „Himmelfahrt“ brauchte es das nicht.


Roggenfaenger: Eines der Stücke mit einem solchen Volumen ist „Autumn“. Zwar gab es in jüngster Vergangenheit mit „Vela Dare!“ oder „Anna‘s Theme“ immer wieder mal reine, atmosphärische Instrumentals, doch entsprechender Song ist nochmal etwas ganz anderes. Nämlich ein E-Geigen-Solo von Ally Storch, das genauso gut aus einem neuen Bond-Score stammen könnte! Erzählt doch bitte, wie es dazu kam.


Simon Michael Schmitt: Ally kam mit dieser Idee ums Eck und es war von vorne herein der Wunsch der Band, dass sie bei einem Song herausgestellt wird. Sie ist eine unglaublich gute Musikerin, wahrscheinlich in ihrem Gebiet eine der besten auf diesem Planeten. Ihr diesen Freiraum zu geben, war uns allen sehr wichtig. Und der Song kommt auch Live sehr gut an, sie hat ihren ganz persönlichen und eigenen Moment im Tourprogramm, und das ist auch absolut verdient.

Roggenfaenger: Sehr viele Lieder auf „Himmelfahrt“ drehen sich um Hoffnung, Mut, Kraft und auch darum, einander die Hand zu reichen, nicht alleine und gemeinsam stärker zu sein. Etwas, was insbesondere in den letzten Jahren sicher viele Menschen vermisst und dringend gebraucht haben. Auch derzeit wieder, wenn man sich in der Welt so umschaut… Was können oder sollten wir eurer Meinung nach tun, um näher zusammenzurücken und die Welt damit vielleicht ein bisschen besser zu machen?


Simon Michael Schmitt: Grundsätzlich gibt es einen guten Lebensgrundsatz, auf den man auch alle Vorschriften und Gebote der Weltreligionen runterbrechen kann: Sei kein Arschloch. Ich gebe mir selbst, größte Mühe, nach diesem Grundsatz zu leben. Und sich auch selbst keine Arschlöcher zum Vorbild nehmen, das ist nämlich auch so eine Sache: „Der hat das ja auch SO gemacht…“ Das ist immer ein schlechter Ratschlag, sich nach unten zu orientieren. Es klingt banal, aber es würde die Welt in jedem Fall besser machen, wenn sich alle dran halten. Aber der Mensch scheint dafür nicht gemacht, so kommt es mir zumindest vor.


Roggenfaenger: Ab dem 13.04.2023 geht es für euch endlich wieder auf große Tournee! Der Startschuss fällt zu meiner persönlichen Freude mitten im Ruhrgebiet, nämlich in Oberhausen. Fortan geht es noch durch dreizehn andere Städte in ganz Deutschland. Support sind „Blitz Union“. Könnt ihr vielleicht schon ein bisschen verraten, was eure Fans dieses Mal erwarten wird und ihr euch habt einfallen lassen?


Simon Michael Schmitt: Ja, wir sind ja schon mittendrin. Das Programm kommt super an, insbesondere die neuen Songs. Außerdem haben wir ein paar Momente geschaffen, die sehr intim sind und dei es so bei STS-Konzerten noch nicht gab. Vorbeischauen lohnt sich in jedem Fall!


Roggenfaenger: Das war’s, ihr habt’s geschafft! Nochmals vielen lieben Dank für eure Zeit. Das letzte Worte gebührt wie immer euch…


Simon Michael Schmitt: Ja, danke Dir, dass du das so gut vorbereitet hast und dich mit der Musik beschäftigt hast. So machen Interviews Spaß!

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