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BEITRÄGE:

  • AutorenbildChristoph Lorenz

Tanzwut - „Silberne Hochzeit"-Tour - Kulttempel, Oberhausen - 05.11.2023


Veranstaltungsort:

Stadt: Oberhausen, Deutschland


Location: Kulttempel


Kapazität: ca. 500


Stehplätze: Ja


Sitzplätze: Nein


Homepage: http://www.kulttempel.com Einleitung:


Wir schreiben den 05.11.2023, ein nasskalter Sonntag im Spätherbst… Und damit ein nicht ganz so optimaler Tag für ein abendliches Konzert, wo man doch nur wenige Stunden später eigentlich schon wieder früh aus den Federn müsste. Eigentlich. Dieses Mal ist’s gar nicht so schlimm, fällt der heutige Gig doch glücklicherweise noch in meinen kleinen Herbsturlaub - Super! Das ist vor allem so schön, da ich es aus oben genannten Gründen leider auch nicht zum ersten Teil der Tournee im Frühjahr nach Köln geschafft habe. Umso mehr hat es mich gefreut, als ich vor ein paar Monaten erfahren habe, dass die diesjährige Konzertreise überraschend in die Verlängerung geht und auch der Ruhrpott mit einer Show bedacht wurde. Gleich aus mehreren Gründen ist das heute ein ganz besonderer Abend, denn diese Tour ist nicht nur irgendeine Tour, sondern es wird amtlich Jubiläum gefeiert. „Silberne Hochzeit“, um genau zu sein: Fünfundzwanzig Jahre „Tanzwut“! Und das mit einem speziellen Set, welches sich zum Großteil auf die alten Songs der ersten vier Alben konzertiert, die bei mir damals wie heute gerne in Dauerrotation liefen, doch zuletzt bis auf wenige Ausnahmen leider immer weniger Beachtung bei den aktuellen Shows fanden. Klar, man entwickelt sich weiter und es kommen mit jeder weiteren Veröffentlichung natürlich auch immer mehr neue Stücke dazu. Da ist die Auswahl sicher kein Leichtes. Dabei fiel mir kürzlich erst einmal auf, wie lange ich die „Tanzwut“ eigentlich schon nicht mehr live gesehen habe: Das war zuletzt nämlich im Jahr 2014 zusammen mit „Die Vorboten“ als Support von „Die Apokalyptischen Reiter“ in der Matrix Bochum. In den Jahren danach hat es sich durch diverse Terminüberschneidungen einfach nicht mehr ergeben… Es war wie verhext. Da wird einem bewusst, wie schnell doch die liebe Zeit eigentlich rast. Fast zehn Jahre sind vergangen, das muss dringend geändert werden! Also schnell nahe dem Kulttempel geparkt und los. Dem gerade aufziehenden Regen schenken wir dabei kaum mehr Beachtung, immerhin regnet es schon seit Woche durch. Der Herbst hat es dieses Mal nicht gut gemeint. Als wir vor den Türen ankommen, sind alle Gäste schon längst im warmen Inneren, draußen ist keine Schlange mehr zu sehen. Für diese Show habe ich mir keine Akkreditierung geholt, da ich nicht wusste, ob ich im Nachgang auch die Zeit für einen Bericht finden würde. Momentan steht beruflich und privat viel auf dem Programm. Also kurz die Tickets vorgezeigt, ab zur Garderobe und dann an die Bar für ein Getränk. Just in dem Moment, als „Hemesath“ gegen 20.00 Uhr mit ihrem Set starten, treffen wir überraschend sogar noch ein paar bekannte Gesichter. Der Abend kann beginnen!

Hemesath:


Die im Jahr 2012 gegründeten „Hemesath“ aus Beckum sind erst seit diesem Herbst mit der „Tanzwut“ als Support auf großer Tournee, wo sie sich bereits großer Beliebtheit erfreuten. In diesem Frühjahr waren hingegen noch die kroatischen Industrial-Folk-Rocker von „Manntra“ mit an Bord. Das erste Mal habe ich die Band, die mit ihrem Sound irgendwo zwischen hartem Deutsch-Rock und NDH avanciert, 2015 als Vorband von „Ost+Front“ an gleicher Stelle hier im Kulttempel gesehen, vier Jahre später dann praktisch gleich nebenan in der zweiten Turbinenhalle im Line-Up des Indoor-Festivals „Nacht der Helden“. Und wieder: Wie doch die Zeit vergeht! Laut eigener Vita nahm das Quartett 2013 gemeinsam mit Produzent Victor Smolski, unter anderem bekannt als Gitarrist von „Rage“, das erste offizielle Lebenszeichen in Form der EP „Rot, So Rot“ auf, bevor es im Folgejahr vor allem auf die Bühnen des Landes ging und später dann ein Plattenvertrag unterzeichnet werden konnte. In gleicher Konstellation wurde 2015 das Debüt „Für Euch“ aufgenommen und im Herbst desselben Jahres veröffentlicht. Die nächste Zeit war erneut geprägt von zahlreichen Live-Auftritten, bei welchen man sich als Special Guest eine Bühne mit „Maerzfeld“, „Heldmaschine“ oder auch dem „Rammstein“-Tribute „Stahlzeit“ teilte und die Songs so erstmals einem breiteren Publikum vorstellen konnte. Im Oktober 2022 folgte der nächste Meilenstein mit dem Zweitling „So Schön“, dessen neue Stücke in diesem Jahr endlich auf das Publikum losgelassen werden sollten… So auch heute, als die Band aus Schlagzeuger Frank Schoppengerd, Bassist Peter Bernhard, den beiden Gitarristen Viktor Wagner und André Rasfeld sowie Sänger Christopher Zumbült den Kulttempel zum rasenden „Elysium“ und der als Single ausgekoppelten Verschwörungstheoretiker-Breitseite „Heile Segen“ einnimmt. Dieser ist an heute Abend zwar nur bis etwa zur Hälfte gefüllt, was der Stimmung im Saal jedoch keinen Abbruch tut. Auch in den vorderen Reihen ist es nicht beengt, sodass rhythmisches Klatschen oder das Schütteln des Haupthaares kein Problem darstellt. Einige wenige Gäste halten sich derweil im lauschigen Außenbereich oder an der Getränketheke auf, der Großteil lauscht den nicht selten doch recht hart bretternden Klängen der Band aber aufmerksam und quittiert die Lieder wie „Schattenseele“, die emotionale Ballade „Flieg“ oder auch den abschließenden Titeltrack „So Schön“ artig mit anerkennendem Applaus. Doch so ganz will der Funke gefühlt irgendwie nicht überspringen, wenngleich sich die anfangs verhaltenen Reaktionen später in hörbarem Wohlgefallen auflösen und sich immer mehr steigern. Besonders hervorzuheben ist dabei immer wieder die doch sehr charakteristische Intonation von Zumbült, der fernab der Bühne unter anderem als Schauspieler aktiv ist. Das merkt man durchaus, erinnert er mit seinem ausdrucksstarken Minenspiel und der markanten Intonation zuweilen gerne an einen finsteren Geschichtenerzähler, der den ohnehin düsteren Liedern so zusätzlich einen hämisch-morbiden Touch verleiht. Gespielt werden in der guten halben Stunde hauptsächlich die Songs der aktuellen Scheibe, wobei man sich den ein oder anderen kleinen Ausflug in die eigene Vergangenheit nicht versagt. Etwa gegen 20.40 Uhr ist Oberhausen dann gut für alles Kommende aufgewärmt und entlässt „Hemesath“ mit herzlichem Applaus.

Tanzwut:


Um kurz nach 21.00 Uhr wird die ohnehin schon recht schummrige Beleuchtung im Oberhausener Kulttempel heruntergefahren, bis plötzlich für wenige Sekunden alles im tiefen Dunkel liegt. Das Licht ist aus. Langsam ziehen hauchfeine Nebelschwaden auf und züngeln vorsichtig am vorderen Rand der Bühne. Unterdessen erhebt sich plötzlich ein tiefer Bass vibrierend und lässt den Boden beben. Dazu schwärmen jetzt sphärisch-hypnotische Synthies schwelend aus, kleine Electro-Sprengsel flammen immer wieder dazwischen auf. Unter viel herzlichem Applaus betritt zunächst die Marktsackpfeifen-Fraktion aus „Pyro“ und „Bruder Schlaf“ gemeinsam die Bretter, ihnen folgt Bassist „Der Zwilling“, der hier nun ebenfalls einen Dudelsack über seinen Schultern trägt. Ohne weitere Umschweife stellt sich das Trio nun in einer Dreiecksform auf und beginnt damit, „Götterfunken“ vom zweiten Studioalbum aus dem Jahr 2000 als instrumentales Intro anzustimmen. Es ist die tanzwütige Interpretation des weltberühmten „Ode an die Freude“ aus der neunten Sinfonie von Ludwig van Beethoven, seiner musikalischen Umsetzung des gleichnamigen Gedichts von Friedrich Schiller. Während das Dreigespann spielt und hohe Nebelsäulen aus den Podesten emporsteigen, begeben sich im Hintergrund derweil auch Schlagzeuger Shumon „Zack“ Chakrabarti, Keyboarder Alexius von Doe und Gitarrist Robin „Hund“ Schulte auf ihre angestammten Positionen, um alsbald einzustimmen. Als Letzter im Bunde betritt Frontmann und Sänger Mike „Teufel“ Paulenz unter lautem Beifall die Bretter, das Licht taucht die Szenerie in dunkles Rot… Blutrot. Und damit äußerst passend zum heutigen Opener „Schreib Es Mit Blut“, dem Titeltrack des gleichnamigen Werks aus 2016. Sofort sind alle Fans dabei und singen den Refrain aus vollen Kehlen mit. „Hallo, Oberhausen! Schön, hier sogar ein bekannte Gesichter von gestern wiederzusehen…“, begrüßt der Teufel die bereits jetzt sichtlich begeisterte Anhängerschaft und berichtet dann von einem kleinen Schmetterling, der sich offenbar beim Konzert in Braunschweig am Vorabend in die Halle verirrt hat. Einige Gäste in der ersten Reihe nicken wissend. „Fünfundzwanzig Jahre sind wir jetzt schon verheiratet, das muss man sich echt mal vorstellen! Stabil sind wir heute vor euch getreten… Nicht alle. Der Typ hier ist schon Siebzig!“, deutet der Sänger witzelnd auf einen seiner Kollegen und geht dann auf einen Zuruf aus dem Publikum ein, in welchem es darum geht, dass sich das Besetzungskarussell der Band in all den Jahren doch so einige Male gedreht habe. „Ja, stimmt. Aber ihr habt eure Kumpels in der ganzen Zeit doch bestimmt auch mal ausgewechselt, oder!?“, frotzelt Teufel lächelnd. Oberhausen wollte Spaß und den soll es heute Abend auch ganz bestimmt haben: Mit dem grandiosen und völlig zurecht noch immer sehr beliebten „Ihr Wolltet Spaß“ geht es sofort weiter im Programm. Der herrlich raubeinige Folk-Party-Hit entfacht natürlich sofort echte Feierlaune im Kulttempel und legt sehr gut für alles Kommende vor.

„Ja, fünfundzwanzig Jahre… Das hätte ich damals wirklich nicht gedacht. Verrückt! Kennt eigentlich noch jemand unsere zweite CD? Die ist echt geil. Darauf ist auch ein Song, der heißt „Im Labyrinth Der Sinne“ und der verleitet einen dazu, völlig freizudrehen. Der Text ist immer noch sehr aktuell… Habt ihr gute Laune? Seid ihr stabil!?“, fragt er. Und ja, Oberhausen ist stabil und verirrt sich nicht im „Labyrinth“. Gut so, denn die „Tanzwut“ hat noch viel vor! „Das ist ja ein unglaublicher Abend hier und wird es noch weiter werden! Wir sind jetzt schon seit vier Tagen wieder unterwegs. Ja, das muss man schon aushalten können mit der ganzen Party auf und vor allem hinter der Bühne… Später wird’s dann erst so richtig anstrengend, wenn ihr nachhause geht!“, feixt der Gehörnte über die seit jeher sagenumwobenen Backstage-Parties einer jeden Rockband. „Da sagt jeder Veranstalter: „Das ist doch Satanismus!“… Nein, das ist Biologie. Das hat der liebe Herrgott so gemacht! Er hat den Menschen erschaffen und der Teufel hat den Alkohol gemacht.“, grinst er. So zwinge der Alkohol ja irgendwann doch den „Wurm zwischen den Schenkeln“ eines jeden noch so starken Mannes in die Knie und verhindere das nächtliche Vergnügen. Doch für diesen Fall hat die „Tanzwut“ selbstverständlich eine musikalische Sicherheitsvorkehrung getroffen und einen Zauberspruch aus dem reichhaltigen Repertoire mitgebracht, auf das auch die „Weiber heute nicht unglücklich nachhause gehen“. Die sogenannte „Auferstehung“ präsentiert sich in den Strophen als ungemein druckvolle, krachige Metal-Walze mit deutschsprachigem Text. Einen Kontrast dazu bildet der mantrartige, mehrstimmige Refrain, welcher die Merseburger Zaubersprüche originalgetreu auf Althochdeutsch rezitiert, und dabei gesanglich von Schulte, dem Zwilling und Teufel selbst vorgetragen wird. „Na, dann sind wir doch mal auf unser nächstes Konzert hier in Oberhausen gespannt… Ihr seid ja noch nüchtern!“, bemerkt der Frontmann erschrocken und stellt bei einem näheren Blick ins Publikum spaßend heraus, dass man nüchterne von nicht nüchternen Gesichtern anhand ihres jeweiligen Ausdrucks immer sehr gut unterscheiden könne. Die Band selbst sei natürlich „besoffen“, um für Oberhausen gut Laune zu haben, wie er erzählt. „Das ist wirklich schön, dass wir schon seit fünfundzwanzig Jahren unterwegs sein dürfen. Ohne euch würde das nämlich auch gar nicht gehen… Wenn keiner kommt, können wir nicht spielen. So einfach ist das! Aber ihr seid da und wir spielen heute für euch. Zeigt uns mal alle eure Hände!“, wünscht er sich und schon schnellen alle Arme in die Luft, um mit rhythmischen Bewegungen im Refrain das wogende, titelgebende „Meer“ zu bilden. Immer wieder schön anzusehen!

Laut Aussage des Teufels hat die „Tanzwut“ übrigens auch ihren ganz eigenen Feiertag und das ist natürlich nicht irgendein beliebiger Tag, sondern „Freitag Der 13.“! Dieser kündigt sich auch sogleich durch einen laut pochenden Electro-Beat an, zu welchem sich direkt alle Hände erheben und im Takt klatschen. Dazu schleichen Bassist und Gitarrist nun mit stählernen Masken, die direkt einem Albtraum entsprungen sein könnten, wie der hier besungene Aberglaube über die Bühne, doch Angst vor schwarzen Katzen, scharfen Spiegelscherben oder gar dem bösen Blick hat heute Abend sicher niemand. Warum auch? Unglück sieht definitiv anders aus, denn dafür ist die Stimmung einfach zu gut. Dazu trägt unter anderem auch „Was Soll Der Teufel Im Paradies“ bei. Ebenfalls ein sehr beliebtes Stück vom Zweitling, der auf dieser Tournee mit stolzen acht Songs vertreten ist! „Manchmal frage ich mich, wie lange wir das noch machen… Gut, dass ich die Band schon mit Vierzehn gegründet habe!“, grinst der Teufel. Doch noch bevor man länger darüber nachdenken kann, wie schnell die Jahre so verfliegen, hält mit „Der Wächter“ als Nächstes ein weiterer unverwüstlicher Klassiker seinen Einzug in den kultigen Tempel, der in einem Best-Of-Set einfach nicht fehlen darf. Ebenso dann auch ein Song, über „die Liebe, wie wir sie verstehen“, womit natürlich nur „Bitte Bitte“ gemeint sein kann. Das wirklich grandiose Cover des legendären Originals von „Die Ärzte“ war ursprünglich immer einer der absoluten Fan-Favoriten im Set, blieb in den letzten Jahren allerdings leider weitestgehend ungespielt. Sehr schade, aber umso schöner, die tanzwut‘sche Version, welche in der Szene mittlerweile absoluten Kultstatus genießt, heute wiederhören zu dürfen. „Oh, schon fertig?“, fragt der Frontmann verdutzt, als er wieder zum Refrain ansetzen will, der letzte Ton jedoch just verklungen ist. „Das macht echt Spaß heute! Ich habe vor einiger Zeit einen Song wiedergefunden, fix den Staub darauf runter gepustet und als der lief und ich den so hörte, habe ich mir nur so gedacht: „Ach, du scheiße… Das ist ja genau wie früher! Genau das gleiche wie heute und was hat’s gebracht? Nix.“ Aber ich rede jetzt nicht so viel, sonst schlafen wir gleich ein. Es hat jedenfalls nicht damit aufgehört und scheint ein Gen zu sein.“, berichtet er und spielt damit auf die fortwährende Falschheit mancher Mitmenschen an. Klar, dass darauf nur das wütende „Lügner“ folgen kann. Danach soll es aber erstmal wieder etwas ruhiger und bedächtiger zugehen, denn der nächste Song, die eindringliche Ballade „Niemals Ohne Dich“, hat einen ganz besonders emotionalen Wert für die Spielleute: „Das ist alles schon sehr lange her. Ein Freund von uns, ein guter Freund von „Feeling B“, ist damals auf dem Weg nach Mexiko mit dem Flugzeug abgestürzt… Und genau für all die Menschen, die wir damals verloren haben, haben wir diesen Song geschrieben. Und sie alle schauen uns jetzt bestimmt zu, wenn wir hier stehen und ihn spielen.“, erzählt der Teufel mit ernster Mine sichtlich ergriffen.

„So, Schluss mit traurig!“, lockert der Sänger die betrübte Stimmung danach wieder auf und erzählt dann weiter: „Heute morgen habe ich so in den Spiegel geguckt… Toller Typ! Viel gesoffen, aber toller Typ! Und dann dachte ich: „Oh je, wir fahren ja heute schon nach Oberhausen. Das geht so nicht!“. Also einen Kaffee getrunken und schnell ein Rührei reingepfiffen, aber auch das hat leider nicht geholfen. Ich sah immer noch scheiße aus! Und dann saßen wir hier in Oberhausen im Backstage mit Rotwein... Aber Pyro hatte eine Pulle Rum dabei, das hat mir den Abend echt versüßt. Das Mittel des Lebens!“, lacht er und weiter geht es mit dem fiebrigen „Vulkan“ vom 2006er Werk „Schattenreiter“. Oberhausen feiert. Und wie! „Mensch, ihr seid ja richtige Vulkane… Toll!“, bemerkt Teufel erfreut. „Wir haben als Spielleute schon viele Höhen und Tiefen erlebt. Wir sind als Musiker durch die Lande gezogen, haben an der Gitarre genagt. Nur Hunger und Elend! Aber dann hatten wir eines Abends einen guten Plan und wollten in die Porno-Branche gehen… Wegen der hohen Kosten nur Outdoor-Drehs!“, spaßt der Sänger albern als passende Überleitung zum frivolen „Im Tiefen Gras“, zu welchem sich alle Mitglieder nun eine Sonnenbrille aufsetzen. Ein wilder Crossover-Mix aus schmissigem 60’s-Swing, Folk und Punk mit einer Prise Rockabilly und einhundert Prozent Coolness? Bitte sehr! „Als Nächstes möchte ich über meine Studienzeit als Arzt reden. Ich habe nämlich ein Diplom in Schönheitschirurgie! Als ich die Band kennengelernt habe, musste ich die erstmal alle richten… Mann, sahen die vielleicht komisch aus! Wenn ich nichts an den Kollegen gemacht hätte, dann hättet ihr jetzt bestimmt nicht so gute Laune…“, grinst Teufel. „Aus Schnaps und Gips habe ich den Zwilling gemacht. Der sah aus… Und jetzt guckt euch dieses Exemplar an: Alles nur Gummi und Erdöl, der hatte mal Muskeln!“, deutet er dann auf Pyro. Ein anderes Mitglied wäre früher einmal eine Blondine gewesen, ein anderes früher mal ein Mann, so der Fronter augenzwinkernd. „In Berlin sagen wir „Ditte“ dazu… An mir musste ich nix machen, ich sehe hammermäßig gut aus!“, scherzt er und wendet sich dann an das Publikum: „Und ihr hier unten lasst das mal schön bleiben, ja!? Da verdienen nur andere ihr Geld mit. Ihr seht geil aus, lasst euch nix anderes einreden. Alles Schwachsinn!“. Recht hat er, der Teufel und so verwundert es auch nicht, dass „Der Arzt“ an diesem Abend keine neuen Patienten für sich gewinnen kann.

„So, der Abend ist leider schon fast vorbei. Wir haben uns überlegt, dass wir dann gleich noch rauskommen. Ihr bringt einfach ein Bier mit und dann feiern wir noch eine kleine Party am Merch. Wie findet ihr die Idee? Lasst uns teilhaben an eurem Reichtum, damit wir weiterhin unser ausschweifendes Leben führen können! Corona war hart… Ein jeder nährt sich vom Speck des anderen!“, spaßt der Teufel zwinkernd und dann wird nochmals so richtig Gas gegeben: Passend zur mittlerweile recht weit vorangeschrittenen Uhrzeit bricht jetzt die „Dämmerung“ über Oberhausen herein, bevor es schließlich mit der selbsterklärten Ost-West-Kooperation mit „Saltatio Mortis“, nämlich „Pack“ vom letzten Studioalbum „Die Tanzwut Kehrt Zurück“ aus 2021, einen Schwenk in die aktuelle Schaffensphase gibt. „Die Streitkultur war damals noch eine ganz andere, als heute. Da waren Männer im Proberaum, die sich ihre Instrumente an den Kopf geknallt und sich wegen einer Textzeile am Boden die Kehle zugedrückt haben… Das ist heute nicht mehr so. Man muss streiten können, aber danach ist auch wieder gut!“, gibt der Frontmann zu bedenken. Wenn man „Nein Nein“ von der großartigen „Ihr Wolltet Spaß“ aus 2003 hört und das Treiben auf der Bühne so betrachtet, kann man fast kaum glauben, dass es im Studio einmal so zugegangen sein soll. Generell macht es einfach nur gute Laune, der „Tanzwut“ live zuzuschauen, steckt doch so enorm viel ehrliche Spielfreude in der Performance mit ihren kleinen Choreografien, den wahnsinnig sympathischen Anekdoten zwischen den Songs und herrlich albernen Blödeleien untereinander.

So endet also der Hauptteil des nostalgischen Zeitreisen-Sets schließlich gegen 22.35 Uhr, doch die Fans im Kulttempel Oberhausen haben noch nicht genug gehört und fordern die Band nach ihrer Verbeugung mit lauten Zurufen schnell auf die Bühne zurück. Dabei ist Alexius von Doe der Erste, der zunächst ganz alleine auf die Bretter zurückkehrt und sich wieder an die Tasten seines Keyboards begibt, welches sich hinter einer hohen Verkleidung befindet, die an einen retrofuturistischen Schiffsbug erinnert. Kurzerhand fahren aus diesem nun wie von Geisterhand sechs lange Pfeifen heraus, bevor es erst ein ausgedehntes Orgel-Solo gibt, bis sich danach auch die übrigen Mitglieder zeigen und mit ihren jeweiligen Instrumenten einstimmen: Das epische „Toccata“ aus dem 2006 erschienenen „Schattenreiter“ orientiert sich dazu an der weltberühmten Melodie der „Toccata und Fuge in D-Moll“ von Johann Sebastian Bach und kracht ordentlich. Hier wird jetzt nochmal mächtig geklatscht, getanzt und geheadbangt - Oberhausen feiert auch diesen Klassiker! „Wir freuen uns immer, wenn wir einige Gesichter wieder erkennen. Ja, irgendwann merkt man sie sich trotz der ganzen Sauferei doch!“, lacht Teufel. Immerhin seien Fans und Band doch „Brüder Im Geiste“. Zum großen Finale mit dem obligatorischen Instrumentalstück „Hymnus Cerberi“, dessen erster Part von Percussion und Dudelsäcken bestimmt wird, stellen sich die sieben Musiker ab der zweiten Hälfte dann in einer besonderen Formation auf: Dabei hält jedes einzelne Mitglied einen sogenannten Trumscheit, ein mittelalterliches Streichinstrument, wie ein Schutzschild vor seinem Oberkörper, deren aufwendige Außenverkleidungen gegen Ende in strahlendem Rot zu leuchten beginnen, während der Saal ein letztes Mal in totaler Dunkelheit versinkt. Durch die spezielle Aufstellung der Band ergibt sich aus frontaler Sicht so das ikonische „Tanzwut“-Logo - Immer wieder toll anzusehen und ein wahrhaft spektakulärer Abschluss einer ganz wunderbaren Hochzeitsfeier, die augenscheinlich nur äußerst zufriedene Gäste zurückließ. Diese fanden sich gegen 23.00 Uhr noch an der Bar oder am Merchandising-Stand ein, wo beide Bands wie versprochen schon wenig später für Autogramme, Fotos und Gespräche zur Verfügung standen… Auf die nächsten fünfundzwanzig Jahre!

Setlist:


01. Götterfunken (Intro)

02. Schreib Es Mit Blut

03. Ihr Wolltet Spaß

04. Labyrinth

05. Auferstehung (Merseburger)

06. Meer

07. Freitag Der 13.

08. Was Soll Der Teufel Im Paradies

09. Der Wächter

10. Bitte Bitte

11. Lügner

12. Niemals Ohne Dich

13. Vulkan

14. Im Tiefen Gras

15. Der Arzt

16. Dämmerung

17. Pack

18. Nein Nein

19. Toccata

20. Brüder Im Geiste

21. Hymnus Cerberi Impressionen: Michael Meister - Hansemeister.de https://hansemeister.com/ https://www.instagram.com/hansemeister/

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