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BEITRÄGE:

AutorenbildChristoph Lorenz

Covenant - "Fieldworks"-Tour - Kulturfabrik, Krefeld - 23.02.2019


Veranstaltungsort:

Stadt: Krefeld, Deutschland

Location: Kulturfabrik

Kapazität: ca. 1.000

Stehplätze: Ja

Sitzplätze: Nein

Homepage: https://www.kulturfabrik-krefeld.de/

Einleitung:

Mein Handy gibt ein kurzes Signal von sich, eine neue Nachricht via WhatsApp. „Wann bist du am Samstag eigentlich in Krefeld?“, schreibt mein Kooperationspartner Jobst Meese. Jobst ist Fotograf und einige meiner Leser dürften ihn mit Sicherheit bereits durch seine Facebook-Seite und den ein oder anderen Artikel hier kennen. Ein Fotograf, mit dem ich mittlerweile nicht nur schon so einige Jahre äußerst harmonisch zusammenarbeite, sondern der mir inzwischen auch zu einem richtig guten Freund geworden ist, weswegen wir auch regelmäßigen Kontakt pflegen und uns gegenseitig auf dem neuesten Stand halten. Von daher ist seine Nachfrage nichts wirklich Ungewöhnliches. Da er aus Bremen kommt und ich aus Bochum, liegt unser letztes Zusammentreffen beim Jubiläum von „Schandmaul“ leider schon etwas länger zurück. Unser nächster gemeinsamer Termin wäre eigentlich ein weiteres Jubiläum gewesen, nämlich das der Gothic-Novel-Rocker von „ASP“ in Wuppertal. Aber da es bis April ja doch noch ein wenig hin ist, hatten wir ursprünglich geplant, uns gegebenenfalls schon vorher wiederzusehen... Nämlich exakt an diesem Wochenende, bis uns plötzlich aufgefallen ist, dass am Samstag das langerwartete Konzert von „Covenant“ in Krefeld stattfindet. Dafür habe ich mich nicht akkreditieren lassen, sondern direkt beim VVK-Start ein Ticket erworben, um eine ähnliche Odyssee wie in 2016 zu vermeiden. Jobst selbst war bereits vor zwei Wochen in der Markthalle Hamburg, um die Show für die Ewigkeit festzuhalten. Obwohl es sonst gar nicht sein bevorzugtes Genre ist und die Schweden ob ihrer bombastischen Lichtinstallationen stets dafür bekannt sind, schwer zu fotografieren zu sein, war er anschließend voll des Lobes und brachte zudem wahnsinnig gute Impressionen mit. Zeit für eine Wiederholung, oder? Und so kommt es, dass er und seine Partnerin sich für eine tolle Überraschung entscheiden und spontan e-Tickets für das Konzert am 23.02.2019 ordern. Die beiden sind verrückt. Jobst hat sogar relativ kurzfristig noch einen Fotopass bekommen und so verbinden wir das Angenehme mit dem Nützlichen und bilden eine kleine Fahrgemeinschaft, für welche die beiden erstmal extra von Bremen nach Bochum fahren. Wir treffen uns also auf einem kleinen Parkplatz nahe der Auffahrt zur A40, an der praktischerweise auch ein Supermarkt liegt. Wir begrüßen uns herzlich und ziehen uns dann erstmal einen Kaffee aus dem Automaten, bevor wir uns entspannt in Richtung Krefeld aufmachen. Auf der Fahrt selbst führen wir so einige Gespräche über Fotografie und die Szene, längst nicht immer unkritisch. Auch die rheinischen Straßenverläufe sind ein Thema, die mit zunehmender Fahrzeit eine kleine Zumutung sind. Wir einigen uns darauf, dass wahrscheinlich so ziemlich jede Stadt etwas „ganz besonders gut scheiße kann“ und bahnen uns unseren Weg durch die vertrackte Innenstadt. „Man muss ja auch gönnen können, oder?“, befindet Jobst und nach einer guten Stunde kommen wir auf einem Seitenstreifen direkt vor der Kulturfabrik zum Stehen. Die Wartezeit bis zum Einlass vertreiben wir uns in einer unscheinbaren Pizzeria in der Nähe, die überraschend gut ist und so reihen wir uns schließlich gut gesättigt und noch besser gelaunt bei den übrigen Fans in die Schlange ein. Pünktlich um 19.00 Uhr öffnen sich die Tore und nach einer kurzen Kontrolle geht es für uns dann über den Vorplatz ins Foyer. Wir geben unsere Jacken an der Garderobe ab und natürlich komme ich nicht umhin, mir die neue EP, ein T-Shirt und eine Tasse am Merchandising-Stand zu kaufen. Die Auswahl ist hier dieses Mal aber auch wirklich riesig! Endlich im Saal angekommen, haben wir hinsichtlich der Plätze die freie Auswahl und positionieren uns mittig hinter dem Mischpult. Während wir die Stellung halten, überprüft Jobst sorgsam die Einstellungen seiner Kamera und bereitet alles vor, denn in etwas mehr als einer halben Stunde geht es auch schon los...

Empathy Test:

Pünktlich um 20.00 Uhr ist es erst einmal an der Zeit für den heutigen Support-Act. Entschied man sich 2016 mit „Iszoloscope“ und „Faderhead“ gleich für zwei Anheizer, so gibt es dieses Mal wieder lediglich eine einzige Band zum Einstieg in den Abend, was sowohl allen Pendlern sehr entgegenkommt als auch der Energie des Publikums dienlich sein dürfte, die damals mit fortschreitender Zeit selbstverständlich nachließ. Dass die berühmten Schweden definitiv ein ganz besonderes Händchen für spannende Künstler im eigenen Vorprogramm haben und sich parallel stets gern um den musikalischen Nachwuchs kümmern, bewiesen sie in der Vergangenheit bereits immer wieder und auch heute sieht das nicht viel anders aus. Die ersten vierzig Minuten gehören nämlich „Empathy Test“. Einer jungen Band aus London, die sich 2013 ebendort gründeten und dem Electronic Pop verschrieben haben. Nur ein Jahr später erschienen auch schon die beiden EPs „Losing Touch“ und „Throwing Stones“, die einen ersten Eindruck in der Musikwelt hinterlassen sollten. Das durch Crowdfunding finanzierte Debüt „Safe From Harm“ manifestierte diesen schließlich und ließ eine äußerst erfolgreiche UK-Tour folgen, auf dem legendären Wave Gotik Treffen in Leipzig stellte man sich hingegen erstmals auch dem deutschen Publikum vor. Doch nicht nur jene hatten anschließend weitreichend lobende Worte für die ambitionierten Newcomer übrig, auch namhafte Kollegen wie etwa „Aesthetic Perfection“ und „Mesh“ luden die Engländer nur allzu gern auf gemeinsame Reise durch Europa ein. „VNV Nation“-Mastermind Ronan Harris adelte die drei Musiker gar als „the solution to most of the world‘s problems“. Na, wenn das mal keine aussagekräftigen Lorbeeren sind, die zum Weitermachen motivieren! So ist es natürlich kein Wunder, dass Schlagzeugerin Chrisy Lopez, Live-Keyboarder Sam Winter-Quick und Sänger Isaac Howlett, die allesamt Freunde seit Kindheitstagen sind, heute Abend auch eigene Fans mitgebracht haben, die sich zum Opener-Duo aus „Holy Rivers“ und dem warmherzigen „Incubation Song“ sogleich durch euphorischen Jubel und in die Höhe gestreckte Hände zu erkennen geben. Ich selbst habe die sympathische Band bisher ausschließlich auf Festival-Plakaten und über Hörensagen wahrgenommen, gesehen habe ich sie aber noch nicht. Demnach bin ich jetzt umso aufmerksamer und lasse mich unvoreingenommen überraschen. „Empathy Test“, die sich nach wie vor eigenständig managen und demnach ohne Label sind, beschreiben die Inspiration zu ihrem Sound als eine Mischung aus Einflüssen der 80er und 90er, dem Underground-Dance der Szene und sogar Science-Fiction-Soundtracks. Dass sie den sprichwörtlichen Nagel damit tatsächlich auf den Kopf treffen, zeigen auch „Bare My Soul“ oder das charmante „Burroughs & Bukowski“, eine Ode an die Faszination für Literatur. Auch dem verträumten „Seeing Stars“, „Vampire Town“ und „Demons“ wohnt entsprechender Charakter inne und setzt so einen starken Kontrast zum teils doch sehr komplexen, experimentellen und schweren Klang von „Covenant“. Die Lieder sind allesamt sehr poppig und süßlich, ohne dabei überzogen oder kitschig zu wirken. Sie sind tiefsinnig und zugleich seltsam entspannend, ohne aber mit markanten Wendungen aufzuwarten oder plötzlich überraschend aus ihrem Rahmen auszubrechen. Müsste ich das kurze Set mit einem einzigen Wort zusammenfassen, wäre es wohl am ehesten „angenehm“ und das meine ich überhaupt nicht herabwürdigend. Im Gegenteil. Ausufernd abgefeiert werden Howlett und Co. zwar nicht, trotzdem gibt es nach jedem Track anerkennenden, ja oftmals begeisterten Applaus. Man hört den Dreien einfach gern zu und schwelgt in den hübschen Harmonien, verausgabt sich zeitgleich aber nicht vor der Hauptband... Also eigentlich der ideale Support, oder? Und bevor man sich versieht, ist es mit den beiden Hits „Losing Touch“ und „Safe From Harm“ auch schon wieder vorbei.

Covenant:

Bereits unmittelbar nachdem der Support-Act sein kurzweiliges Set beendet hat, schließen sich auch schon die umfassenden Umbauarbeiten für den sehnlichst erwarteten Gastgeber der Tournee an. Während nun einige Crew-Mitglieder schnellen Schrittes die Bretter betreten, um die beiden Instrumente von „Empathy Test“ wieder eifrig von ebendiesen zu räumen, strömt ein nicht gerade unerheblicher Teil der bis gerade eben versammelten Gäste nochmal zügig hinaus an die frische Luft, zum Merchandise oder zumindest an die Theke der nahegelegenen Bar, um sich vorsorglich mit weiteren Getränken abzukühlen. Nicht ganz ohne Grund, denn obwohl der Abend noch relativ jung ist, sind die Temperaturen im Saal während der letzten Stunde merklich angestiegen. Das muss aber nicht zwingend etwas Schlechtes sein, wenn ich da so an meinen letzten Besuch im November 2016 zurückdenke, den ich fröstelnd mit meiner Jacke verbracht habe. Leider weiterbestehend ungeachtet einiger Besucher, führt man bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine alte Tradition fort und lässt, ähnlich der letzten Tourneen, weit vor dem offiziellen Startschuss für die eigentliche Show, eine ausgefeilte Klangcollage über die Boxen laufen, die den herannahenden Beginn verkündet. Passend zum titelgebenden Aufhänger der neuen EP, sind das dieses Mal die sogenannten „Field recordings“. Speziell angefertigte Aufnahmen kleinerer und größerer Alltags- und Umgebungsgeräusche, die auf den Reisen über sechs Kontinente in den unterschiedlichsten Situationen entstanden sind, wobei diese an jedem Abend aus einer gänzlich anderen Region und allen möglichen Teilen der Welt stammen. Die heutige Feldaufnahme ist von Andreas Catjar, der sich dazu via Facebook wie folgt äußerte: „Moving to Potsdam to start a new life and find inner peace turned out to be totally different. For sure I learned something. All sounds recorded in the surroundings of Potsdam.“, so weit also das innovative Konzept. Jobst checkt sein sorgsam vorbereitetes Equipment und begibt sich dann schon mal langsam in Richtung des Fotograbens. Derweil lauschen seine Partnerin und ich von unserem Platz hinter dem Mischpult aus den interessanten Sounds ganz besonders aufmerksam, für den sie auch sogleich eine wirklich treffliche, bildhafte Umschreibung findet, die ich mir einfach sofort notieren muss: „Das klingt doch irgendwie so, als wäre man in einem langen, dunklen Gang oder in einem Keller. Hier und da sind mal ein paar Abzweigungen... Man weiß nie, was sich hinter der nächsten dunklen Ecke verbirgt, oder?“, schwärmt sie und ich stimme begeistert zu. Ich schätze es nach wie vor nämlich sehr, wenn der jeweilige Endverbraucher gewillt ist, sich der Musik so weit zu öffnen, dass diese ihn emotional auf gleich mehreren Ebenen erreichen und ihm somit viel mehr bedeuten kann, als bloß ein Produkt für den schnellen Gelegenheitskonsum zu sein. Ein tief gestimmtes Vibrieren macht sich allmählich in all seiner intensiven Kraft breit und steigt sodann unaufhörlich zu einem beängstigenden Dröhnen an. Irgendwo weit entfernt wird jetzt ein dünn perlendes Tröpfeln hörbar.

Tatsächlich ganz so, als befände man sich allein in einem undefinierbaren Untergrund. Es ist finster, kühl und feucht. Zahllose, rostige Abflussrohre erstrecken sich über unsere Köpfen hinweg. Industrielle (Alb-)Traumfabrik, stählerne Underground-Romantik, fantasievolle Umwelt-Sinfonie. Plötzlich treten wir versehentlich in eine Pfütze, das Echo hallt hier unten noch eine gefühlte Ewigkeit nach. Sakrale Chöre keimen auf, besingen auf epochale Weise die scheinbar nahende Apokalypse. Der Hintergrund wird von einem schlicht-schwarzen Vorhang gesäumt, davor ragen zwei beeindruckend wuchtige, x-förmige Konstruktionen mit daran montierten Leuchtstoffröhren und zahllosen Scheinwerfern in die Luft. Wie verlassene und zugleich doch nicht minder wachsame Fremdkörper ruhen sie seltsam friedlich da. Rätselhafte Obelisken einer anderen Welt, einer futuristischen Dystopie. Stilistisch äußerst schön von drei klobigen Metall-Boxen mit mächtigen Ventilatoren darin eingerahmt, das Ehrfurcht gebietende Abbild einer schlafenden Hypermoderne stimmungsvoll abzurunden, welche nun behutsam in tiefblaues Licht eingetaucht wird. Mit einem Mal brandet frenetischer Applaus auf, denn unterdessen haben die beiden Keyboarder Andreas Catjar und Daniel Myer die nunmehr bedrohlich pulsierende Szenerie fast schon unauffällig betreten und hinter ihren Instrumenten Platz genommen. Sie stecken einige Kabel um, drehen an Knöpfen und verschieben Regler. Die Sequenzer sielen verrückt und geben erst ein elektrisierendes Knistern, dann ein grobes Kratzen von sich. Dann heulen plötzlich aufschreckend schrille Sirenen, die breiten Rotoren setzen sich in Bewegung und wirbeln die aufziehenden Nebelschwaden zu einer dichten Wand auf, hinter der alsbald der in einen schwarzen Anzug gekleidete Frontmann Eskil Simonsson zum mystischen Opener „Feedback“ als schemenhafte Silhouette erscheint. Wie auch beim nachfolgenden und somit ungewöhnlich früh im Set platzierten Klassiker „Like Tears In Rain“, welches sein hierzulande besonders populäres, deutschsprachiges Pendant „Der Leiermann“ heute angenehm überraschend ablöst, ist die Lichtinstallation noch eher spartanisch, wenn nicht sogar zweckdienlich gehalten. Die Musiker sind großteilig von dunklen Blautönen umgeben, ab und an zucken die grellen Stroboskope kurz auf. Ansonsten spielen „Covenant“ jedoch scheinbar nur zu gern mit den Erwartungen ihres Publikums, das von den vorherigen Konzerten stets eine außergewöhnlich erlesene und ungemein ausgefeilte Lichtshow gewöhnt ist. Doch noch lässt sich anhand der bisher weitestgehend ungenutzten Aufbauten höchstens erahnen, was hier noch alles auf die Besucher zukommen soll...

Einen ersten Vorgeschmack darauf bietet auch schon der nächste Club-Hit namens „Bullet“. Die melancholisch powernde Mid-Tempo-Nummer bringt hier erstmals wieder ein wenig Ruhe in den doch sehr aufreibenden Sound des großartigen Auftakts und lässt die Anwesenden gerade mit ihrem verträumten Refrain in himmlischen Sphären schwelgen. Unterdessen erschließt sich den versammelten Fans jetzt ein Bruchteil von den scheinbar endlosen Möglichkeiten der ausgeklügelten Beleuchtungsanlage, die sich in den nächsten zwei Stunden als optisches Highlight der Extraklasse erweisen soll. So werfen die imposanten Balken nun ihre gebündelten Strahlen in den schlagartig hellgrün illuminierten Raum. Immerzu von sanften Nebelschleiern umzüngelt, erschaffen sie dabei eine ganz eigene Atmosphäre, die das erstarkende Gefühl des Songs wunderbar unterstützt. „Guten Abend, Krefeld! Dankeschön... Das nächste Stück ist eines von den Neuen!“, lächelt Simonsson zur kurzen, aber herzlichen Begrüßung und leitet so direkt zum großartigen Dancefloor-Kracher „All That Is Solid Melts Into Air“ von der tourexklusiven „Fieldworks“-EP über, der irgendwo zwischen brutal drückendem Noise und hypnotischer Melodiösität pendelt. Gerade passionierte Oldschool-Liebhaber von Alben wie „Dreams Of A Cryotank“ oder „Sequencer“ werden sich hier sofort heimisch fühlen, was man anhand so manch spontaner Reaktion bemerkt, wenn auch ein Großteil jetzt viel eher aufmerksam verharrt und die neuen Sounds erst auf sich wirken lässt. Das rasante pochende „Speed“ vom gefeierten Debüt schlägt mit dem groben Sound der Anfangstage danach in eine ganz ähnliche Kerbe und macht seinem Namen darüber hinaus alle Ehre. Die Stimmung steigt weiter rapide an. „Jetzt kommt ein Song vom letzten Album, der viel nachgefragt wurde. Wörtlich übersetzt bedeutet er bei euch so viel wie „Tag der Rache“, glaube ich... Wo beginnt das alles und wie wird es enden?“, sinniert Simonsson etwas gedankenverloren zu „Dies Irae“ vom letzten Studioalbum „The Blinding Dark“, bevor er deutlicher wird und konstatiert: „Ich bin nicht wütend! Aber ich werde für die Dinge kämpfen, von denen ich will, dass sie sich ändern!“. Ein rastloses Gefühl dieser Tage, welches wohl nicht Wenige ebenfalls so oder so ähnlich in sich tragen dürften. „Danke an alle, die gefragt haben, ob wir das nächste Lied nach langer Zeit nicht mal wieder spielen wollen. Das machen wir natürlich gerne für euch!“, lächelt der Sänger und geht anschließend zu einer echten Rarität über: Das rare „Atomheart“, die leider völlig zu Unrecht unterschätzte B-Seite der „Bullet“-Single, feiert ihre langersehnte Rückkehr auf die Bretter! Die romantische Power-Ballade bringt besten Future-Pop mit ganz viel wärmendem Gefühl in die Kulturfabrik und lässt die Frage aufkommen, warum diese Perle all die Jahre verschollen blieb. Da verzeiht man die ein oder andere kleine Textschwäche in den Strophen nur allzu zu gern. „Okay, es ist jetzt wieder an der Zeit für etwas Neues!“, kündigt der hagere Frontmann mit einem verschmitzten Lächeln an und bittet Daniel Myer nach vorne und Rampenlicht, um „False Gods“ darzubieten. Die wild pochende, anarchische Industrial-Walze brettert ab der ersten Sekunde erbarmungslos über das Krefelder Publikum herein und verzückt sichtlich viele Gäste, sieht man sich so manch ekstatisch tanzenden Gast hier an. Erneut wabert dichter Dunst auf, Blitze zucken. Myer greift zum Mikrofon und intoniert die angriffslustigen Lyrics des aggressiven Club-Stampfers mit stark verzerrter Stimme. Plötzlich wird es für einen winzigen Sekundenbruchteil still, dann setzen er und Catjar mit zwei kleinen TomTom-Trommeln und einem frenetisch bejubelten Drum-Intermezzo zum großen Finale an. Was für ein Bild und zudem riesiger Gewinn für die Live-Gigs, der hoffentlich auch zukünftig seine Verwendung innerhalb dieser finden wird. Simonsson hält sich derweil höflich im Hintergrund. „Wer sind eure Götter? Wo steht ihr?“, ruft er herausfordernd aus und stellt die beiden anderen Mitglieder nochmal einzeln vor.

Doch wer jetzt dachte, dass das tatsächlich schon alles gewesen sei und die Show somit ihren absoluten Höhepunkt erreicht hätte, der irrt gewaltig, denn jetzt fahren „Covenant“ erst richtig auf und entfachen ein wahres Spektakel: Zu „20 Hz“ erwacht endlich die gesamte Maschinerie zu schier beeindruckendem Leben. Unzählige kleine, leuchtende Punkte flirren von links nach rechts, bündeln und spalten sich dann dynamisch wieder auf. Einschüchternd riesige Lichtkegel pendeln umher, wie aufmerksame Suchscheinwerfer. Immerzu brechen scharfkantige Strahlen durch die Dunkelheit, zerschneiden die undurchdringlichen Schatten und fluten den kompletten Saal in ihren majestätischen Kompositionen. Eine einnehmende Quelle der visuellen Inspiration, ein elektrisierendes Monument für alle Sinne und eine perfekte Ergänzung, die jene Melodien endgültig zum künstlerischen Meisterwerk krönt. „Könnt ihr es fühlen? Ich kann es!“, will der Sänger wissen. Er lächelt selig und tanzt in der nunmehr lebendig gewordenen, schimmernden Maschinerie des überwältigenden Lichtermeers. Scheinbar verloren für diese Welt. Das ist Passion. „I find myself inside a church, deserted by the priests...“. Zeilen, die jedem echten Fan allein in ihrer gesprochenen Form wohlige Schauer über den Rücken jagen dürften. Natürlich handelt es sich dabei um einen Auszug der ersten Strophe von „Go Film“. Der vertonte, psychedelische Fiebertraum zieht sofort in seinen finster lockenden Bann und kommt hier nicht in seiner klassischen Version daher, sondern im pumpenden Hard-Mix aus der „Euro“-EP. Sehr schön und einmal mehr äußerst passend zur dominanten Klangfarbe des Sets gewählt. „Wo steht ihr?“, lautet danach die bedeutungsschwere Frage zur Positionierung eines jeden Einzelnen beim grandios inszenierten, kämpferischen „We Stand Alone“. Vermutlich fast überall, doch dort niemals allein, wie das rhythmisch klatschende Händemeer eindrucksvoll beweist. „Das Nibelungenlied (1. Abenteuer)“ sorgt danach sichtlich für einige Verwirrung, wird es im Gegensatz zu den anderen beiden Songs doch nicht extra angekündigt. Entgegen der originalen EP-Fassung von rund sechs Minuten, präsentiert man die gelungene Interpretation der bekannten Sage nun in einer deutlich gekürzten Form. Myer steuert einen dezenten Klangteppich in bester Ambient-Manier bei, Catjar verdingt sich unterdessen abermals so taktgebend, wie auch hochkonzentriert an einer der beiden Trommeln. Zugegeben, es hat ein bisschen etwas von einer experimentellen Improvisation, die, insbesondere im direkten Kontext zu den vorherigen Titeln, gerade durch ihre dichte Abstraktion zu fesseln weiß und dabei äußerst interessant zu verfolgen ist. Organische Elemente werden schlüssig mit zwingendem Electro verwoben, der sich immer mehr in seine zauberhafte, mystische Tribal-Attitüde steigert. Es ist das perfekt harmonierende Spiel der Gegensätze, das die Show in all seinen kleinen und größeren Versatzstücken auf eine neue Ebene hebt. Als wundervoll nostalgisch behaftete Ode an die Kindheit und Faszination für die Gravitation, erhebt sich der legendäre „Helicopter“ von „United States Of Mind“ nun in die Lüfte und lädt zu einer außergewöhnlichen Reise in die Vergangenheit ein: „To leave is never easy, perhaps it shouldn't be. But return is even harder. Yes, return is harder still.“, heißt es da im schwermütigen Refrain, der nachdenklich stimmt. „Wir haben diesen Song jetzt zum ersten Mal seit siebzehn Jahren wieder gespielt... Das hat uns daran erinnert, dass wir das in Zukunft wohl öfter tun sollten!“, bedankt sich Simonsson glücklich über die begeisterte Anteilnahme des Publikums an dieser Rarität. Überhaupt verstehen es die Schweden auch auf dieser Tour erneut, eine sehr schöne Abwechslung zu schaffen, indem sie die Plätze neben den großen Klassikern mit teils wirklich unerwarteten Seltenheiten anreichern. Ein willkommener Kunstgriff, um alte Prinzipien und gewohnte Mechanismen gekonnt auszuhebeln, den man sich in dieser Form auch von anderen Bands so manches Mal viel öfter wünschen würde... Stillstand ist ja bekanntlich der Tod. Ein sicherer Kandidat für so ziemlich jedes Set, ist hingegen „The Men“, das in bekannter Manier durch tiefe Glockenschläge angekündigt wird. Eine gemeinsame Richtung, die nur wenig später weiter vertieft werden soll. „Es ist die Kirche des Noise, die euch heute hierher geführt hat... Das ist eure Leidenschaft, Danke dafür. Das ist der Sturm der Veränderung!“, beschwört der Sänger die Menge und behält Recht. Welche Hymne würde zur Untermauerung dieser Mutmaßung wohl besser passen, als „Ritual Noise“? Zu den knallenden Beats lassen es sich Catjar und Myer natürlich nicht nehmen, nochmals ordentlich auf die neuen Drums einzudreschen, dann ist auch schon die Zeit für einen ersten Abschied gekommen. Das Trio umarmt sich herzlich untereinander und verlässt dann geschlossen die Bretter der Kulturfabrik.

Dass Krefeld aber noch lange nicht genug gesehen und vor allem gehört hat, erklärt sich da praktisch von selbst. Die obligatorischen Zurufe bleiben trotz einer, insbesondere ab dem zweiten Drittel, stetig ansteigenden Stimmung heute allerdings nahezu komplett aus. Die Euphorie ist oftmals klar spürbar, doch wird sie leider zu selten auch merklich zum Ausdruck gebracht. Eventuell ist dieser etwas missliche Umstand der, meiner persönlichen Ansicht nach, wirklich großartigen Setlist mit all ihren teils sehr seltenen, unbekannteren und alten Perlen geschuldet, die so manch einem Fan neueren Datums offenbar schlicht nicht geläufig sind. Vielleicht täuscht der Eindruck aber auch und es ist sogar ein sehr gutes Zeichen, das die ungeteilte Aufmerksamkeit hinsichtlich der atemberaubenden Lichtshow bedeutet. Natürlich lassen die Drei es sich dennoch nicht nehmen, schon bald nochmal für einige Songs auf die Bühne zurückzukehren. Den Anfang macht dabei das tragische „Happy Man“, das sich von seiner anfänglich akustischen Ausrichtung im A-cappella-Stil mit zunehmender Dauer in ein deutlich experimentelleres Gewand verkehrt, gefolgt von einem fast schon bedrohlichen Dröhnen, das sodann in „Flux“ mündet. Die Schweden werden also auch auf der Zielgeraden nicht müde, das Publikum stets mit immer neuen Überraschungen zu beglücken. Das große Finale soll dann jedoch zwei riesigen Hits der Moderne gewidmet sein: Der unverzichtbare Über-Hit „Call The Ships To Port“ macht hier den Anfang, zu dem jetzt wirklich nochmal alle Gäste ihre Kräfte reaktivieren und ausgelassen tanzen, ehe der von Daniel Myer heraufbeschworene „Lightbringer“ das Set nach über einhundert Minuten intensiver Emotionen zwar etwas abrupt, aber dennoch gebührend beendet. „Das war’s, habt noch einen schönen Abend. Bis zum nächsten Mal, Danke. Ich bin draußen!“, winkt er lächelnd. Catjar und Simonsson folgen ihm. Noch bleibt es für wenige Sekunden dunkel in der Halle, die Fans hoffen still auf eine weitere Rückkehr, doch wird es keine geben. Eine weitere Zugabe oder etwa gar das obligatorische „Dead Stars“ bildet dieses Mal leider nicht den krönenden Abschluss, da die wenigen Restkarten wohl doch nicht mehr verkauft wurden und Krefeld somit nur knapp an einem „Ausverkauft“ vorbeischießt. Sehr schade. Bis auf diesen kleinen Wermutstropfen unterstreicht die Show jedoch auf allen nur erdenklichen Ebenen abermals imposant, dass „Covenant“ auch 2019 insbesondere live vollkommen zurecht eine der absoluten Institutionen ihres Genres sind... Auf ein baldiges Wiedersehen, die Herren!

Setlist:


01. Field Recording (Intro)

02. Feedback

03. Like Tears In Rain

04. Bullet

05. All That Is Solid Melts Into Air

06. Speed

07. Dies Irae

08. Atom Heart

09. False Gods

10. 20 Hz

11. Go Film (Hard)

12. We Stand Alone

13. Das Nibelungenlied (1. Abenteuer)

14. Helicopter

15. The Men

16. Ritual Noise

17. Happy Man (unplugged)

18. Flux

19. Call The Ships To Port

20. Lightbringer

Impressionen:

Jobst Meese - Jodocus Obscurus Photography

http://www.jobstmeese.de

https://www.facebook.com/Jodocus.Obscurus/

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