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BEITRÄGE:

  • AutorenbildChristoph Lorenz

ASP - ENDLiCH! (2021)


Genre: Rock / Alternative Release: 26.11.2021

Label: Trisol Music Group

Spielzeit: ca. 120 Minuten Pressetext:


Vor zehn Jahren begann eine faszinierende musikalische Reise, die auf dem neuesten ASP-Doppelalbum ihren Höhepunkt findet.

Und was für einen!

Statt in Krisenzeiten auf Nummer Sicher zu gehen und den Fans eine Neuauflage der – zugegebenermaßen alles andere als unschmackhaften – ASP-Standardkost zu bescheren, sprengt dieses Konzeptalbum endgültig alle Genre-Konventionen. Zwar setzt es ganz auf die gewohnten Stärken der musikalischen Erzählkunst, verzichtet aber völlig auf Szene-Anbiederungen oder gar das Schielen in Richtung Mainstream. Sicher, das macht die verstörende und hochkomplexe Geschichte nicht unbedingt zugänglicher, und jene, welche die Band noch immer auf „Ich will brennen“ und ähnliche Gassenhauer reduzieren, werden vielleicht ihre Problemchen mit diesem mutigen Besinnen auf die eigenen, lyrisch-vertrackten Stärken des Masterminds Asp Spreng haben. Alle jedoch, denen ein Musikalbum mehr bedeutet als Hintergrund-Berieselung, werden in dieser Lieder-Welt Erfüllung finden.

Vor allem da man musikalisch zwar zunehmend den Genre-Kategorien entflieht, dies aber auf extrem melodiöse Weise zu tun versteht. Denn an Hits mangelt es wahrlich auch bei diesem Höhepunkt des Fremder-Zyklus nicht, und vieles davon schreit heute mehr denn je nach der Live-Bühne. Überraschend: Während einige Songs mittlerweile klar im metallischen Bereich verwurzelt sind, klingen andere, als würden sie nostalgisch mit dem Band-Sound der Anfangstage liebäugeln, ohne diesen jedoch als Back-to-the-roots-Aktion zu inszenieren. Es klingt vielmehr fast so, als würde dieser vierzehnte Studio-Output sämtliche von ASP in den langen Jahren benutzten Stile spielerisch leicht miteinander versöhnen, einen Kreis schließen.

ASP bleiben ihrer Verschwendungssucht treu und geben auch im Streaming-Zeitalter alles, um Tonträger zu einem echten Erlebnis zu machen. Gemeinsam mit Foto-Künstler „Heilemania“ (Nightwish/Lindemann/Dimmu Borgir) wurde ein Artwork geschaffen, das Musik und Bilder zu einem atemberaubenden Gesamtkunstwerk verschmelzen lässt. Ein mutiges, schwelgerisches ASP-Kapitel, das den großen Zyklus nach zwei Jahren intensiver Arbeit und nach einer Dekade Erzählkunst nun mit einem absoluten Knall beendet. Ein Blockbuster von einem Musikalbum!


Kritik:

„Wartest du dort hinterm Horizont?


Schmiegt die Erde sich so müde an das Himmelreich?


Sturm zieht auf mit dunkler Wolkenfront


Ganz egal, wie schnell ich lauf', der Abstand bleibt doch gleich


Die alte Sehnsucht ist mein einziger Begleiter und trotzdem steh' ich auf und gehe taumelnd weiter!“


Wir fühlten uns schon immer irgendwie andersartig, deplatziert und fast schon ausgestoßen, ja, regelrecht „fremd“ in dieser Welt. Doch was konnte es nur sein, dass uns seit jeher so unerfüllt und rastlos zurückließ? Eine große und immer größer werdende Leere machte sich zunehmend in uns breit. Also zogen wir schließlich aus und machten uns auf den langen Weg, um Antworten auf all unsere quälenden Fragen und nicht zuletzt auch unseren Platz, vielleicht sogar unsere wahre Bestimmung, zu finden… So flohen wir durch das Portal und tauschten als „Wechselbalg“ die Welt, erfuhren die „Eisige Wirklichkeit“ am eigenen Leib, verloren uns dabei fast in den verwinkelten Katakomben und dunklen Gängen der (ehr)furchtgebietenden „Angstkathedrale“, fügten uns als „FremdkörPerson“ immerzu falsch in das Grau in Grau dieser Gesellschaft ein und starrten uns am Ende im Spiegel doch als scheinbar unbekanntes Wesen entgegen, so als würden wir uns selbst schon längst nicht mehr kennen, seltsam „Unverwandt“. Nichts, als verbrannte Asche. Auf das alte Feuer und endgültige Entzündung wartend. Doch dann schlugen wir mit einem Mal unvermittelt unsere Augen auf. Wo waren wir gewesen? Wo sind wir jetzt? Und viel wichtiger: Wo wollen wir hin? Oder… Wer sind wir!? Verkleidet. Verstellt. Entstellt. Wie eine „Kreatur Mit Der Stählernen Maske“. Harter, kalter Stahl, fest auf dem darunter liegenden und vor allen äußeren Blicken verborgenen Gesicht haftend: „MaskenHaft“. Schock! Schwere! Not! Noch immer nicht gefunden, was wir schon so lange gesucht haben, trugen uns die Füße weiter und weiter fort. Wir verspürten „Aufbruchstimmung“ mehr denn je, wie ein ewiger „Wanderer“... Kein Blick zurück. Nicht stehen bleiben. Weiter. Vorbei an unheimlichen Puppenwesen und seltsamen Beobachtern, die wie „Löcher In Der Menge“ anmuteten und uns doch nicht vor wiederkehrenden „Reflexionen“ unseres tiefsten Unterbewusstseins bewahrten. Ist es das, was wir wirklich wollten? Waren wir nicht noch immer fremd? Allen anderen und am Ende sogar uns selbst geworden? Mehr und mehr in das eigene „Panzerhaus“ verkrochen, an dem wir schon so lange so schwer tragen mussten und doch ist keinerlei Ende in Sicht. Es musste dort draußen einfach mehr geben, vielleicht ja am Firmament? Also hoch hinaus, hinauf zu den hellsten Gestirnen oder doch nur wieder den nächsten steinigen Wegen? Und so gelangten wir schließlich an den Hang einer großen, scheinbar unendlich hohen „Klippe“. Konnte es zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch ein Zurück geben? Als „GeistErfahrer“ dem immer schneller auf uns zu rasenden „Strom“ entgegen, sich einer emotionalen Versteinerung, der „ÜberHärte“, widersetzend, bahnten wir uns panisch einen Weg. Der drohenden „Weichen(t)stellung“ stets die Stirn bietend. Und hatten wir auch noch „Abertausend Fragen“, so blieb uns immer noch die Nacht - „Carpe Noctem“. Würde es jemals ein „Danach“ geben? Wir stürzten ins Ungewisse hinab, waren „20.000 Meilen“ weit unter dem Meer… „Zutiefst“ in die Tiefe versunken. Nach rettender Hilfe oder zumindest einem anderen, artverwandten Lebewesen suchend, entzündeten wir ein Leuchtfeuer, entsandten ein dringliches Notsignal: S.O.S. - Ist dort draußen jemand, der uns hört? Nur um Haaresbreite dem festen, beinahe zermalmenden Griff des ungeheuerlichen „Leviathan“ in den schwarzen „Untiefen“ entkommen, glaubten wir plötzlich dort unten auf dem Grund die schemenhaften, verschwommenen Umrisse eines meterhohen Gebildes zu erkennen War das etwa ein Turm!? Vergeblich versuchten wir, unserem Schicksal und dem sicheren Tod zu entgehen, doch gerieten wir in einen brutalen, reißenden „Sog“ und das bei vollem Bewusstsein! Wir erlitten einen folgenschweren „Rückfall“, doch gab es ein nahendes „Morgengrauen Irgendwo“, konnten wir uns nur dazu bringen, weiterzumachen. Nicht aufzugeben. Das Gleichgewicht wiederzufinden. Die „Phragmokontrolle“ über unser schützendes Schneckenhaus wiederzuerlangen. Hier unter diesem frostigen, scheinbar undurchdringlichen „Eishimmel“, wo noch immer jede Ruine lange von „Tritons Fall“ kündete und so manch unheilvolle Kreatur, wie die mörderisch-listigen „Tintakel“, ihr finsteres Unwesen trieben. Die Zeit drängte und kannte kein Erbarmen, „Schatten Eilen Uns Voraus“. Viel zu lange schon blind gewesen, wirkten wir den Zauber. Setzten mit letzter Kraft frei, was sich so tief in uns verborgen hat. Alle Zeichen standen auf Start und der so lang erwartete Abschuss war nun nicht mehr fern, um uns als „Kosmonautilus“ aus der schwarzen Tiefe hinaus an die noch unbekannte Oberfläche zu katapultieren. Dort erwachten wir an einer einsamen, kargen Küste, gestrandet und wieder ganz allein. Schwarze Wellen schlugen an den sandigen Strand und die rauen Felsen ringsum. Von irgendwoher vernahmen wir fremdartige Gesänge, die geradezu ein gespenstisches, rituelles Mantra zu beschwören schienen. Noch ganz beklommen, richteten wir uns langsam auf. Etwas regte sich tief in uns. War es die lang ersehnte Erfüllung oder blanke Angst? Und dann sahen wir ihn in der Ferne tatsächlich… Einen dunklen Turm. Es sind unvergleichlich starke Bilder und für alle Zeit bleibende Eindrücke wie diese, die uns von unserer langen Reise so sehr im Gedächtnis haften geblieben sind. Eine Reise, die jetzt, rund zehn Jahre später, ihr Ende finden soll und wird… Vorzeitig? Vorerst? Endgültig? „ENDLich“?


„Ich sah das Licht, du sahst mein Herz und bald schon packte Furcht die beiden Seelen. Trieb uns dahin, nur kummerwärts. Wir sollten uns unsagbar viel erzählen. Zu zweit entlarvt als Teufelsbrut, die Attraktion verblasst nach der Enthüllung. Was du dir wünschst, bedenke gut. Denn manches Mal, da kann es in Erfüllung gehen!“, hieß es anno 2011 in der zweiten Strophe der ersten Single und zugleich jenes bedeutsamen Liedes, welches den fortan zehn Jahre andauernden „Fremder“-Zyklus gleich nach der auftaktgebenden, verzweifelt flehenden Bitte um Zuflucht so wort- wie gleichermaßen bildgewaltig mit dem verhängnisvollen Durchschreiten des Portals durch das lyrische Ich, den Hauptprotagonisten, eröffnen sollte. Das Innerste wurde geäußert und dabei aufs Äußerste verinnerlicht. Ein Wechselbalg tauschte Welt. Wir sollten sehen und taten es. Was liegt also näher, als zum Aufschlagen des letzten Kapitels genau diesen textlichen Querverweis aufzugreifen und dort anzuknüpfen, wo alles begann? Zurück- und gleichzeitig nach vorne zuschauen? So offeriert das rein instrumental gehaltene Intro mit der verheißungsvollen Betitelung „Bedenke Gut“ gleich zu Beginn ein hauchfein perlendes Windspiel und die zarten Klänge einer zauberhaft betörenden Harfe, während die gespenstisch säuselnde, dezent grundierende Elektronik und hintergründig aufbrandende Choräle langsam ein dunkel-mystisches Ambiente aus dem Nichts auferstehen lassen. Bis die sehnsüchtige und sich fortwährend in immer neue, scheinbar höhere Sphären aufschwingende Weise einer einsamen Violine sich erhellend ihren langen Weg durch das nebulös wabernde Konstrukt bahnt, um schlussendlich zusammen mit dem druckvoll satten Schlagzeug und rauen Gitarren in verbundener, energetisch enger Eintracht zu gipfeln, welche sich dann intensiviert und fließend im unmittelbaren Beginn des ersten Stücks „Was Du Dir Wünschst“ manifestiert: Bereits ab der ersten Sekunde bricht hier ein gewaltiges, klangliches Gewitter über uns herein, in dessen Zentrum sich das bereits zuvor eingeführte Instrumentarium in nochmals gestärkter Form erheblich aufbäumt. Durch die finster aufbrausende Wolkenwand aus peitschendem Rock-Sound, der stellenweise sogar haarscharf die nicht mehr allzu weit entfernten Gefilde des Metal zu streifen vermag, schneidet sich in eleganter Manier nun immerzu die virtuos gespielte Geige, welche sich alsbald sowohl in all ihrer schwebenden Leichtigkeit als auch dramaturgisch arrangierten Tragik auf die weiter treibende Rhythmik niederlässt und sodann von ihr fortgetragen wird. „Nun bist du es, der aufsteigt. Der, du fast vergessen warst und ich heiße dich willkommen. Will, dass du dich mir offenbarst. Wie eine Waage, die sich neigt, wenn meine Schale schwerer wird. Als wär‘ Gewicht von dir genommen, Fesselfäden nun entwirrt…“, dringt plötzlich die vertraute Stimme von Alexander Frank „Asp“ Spreng zu Gehör, die uns an bruchstückhaften Fragmenten eines inneren Monologs des Protagonisten teilhaben lässt. Oder doch an einem vertrauten Zwiegesprächs mit einem… Fremden? Womöglich sogar beides!? „Was du dir wünschst, erfüllt sich bald… Dann bist du frei und mir wird kalt.“, heißt es dann in der Bridge hin zum Refrain weiter: „Sag mir, wo du bist und wie es dir dort geht. Sag mir, wo du bist und wie es um dich steht. Vieles war besser ohne dich, doch ich hab‘ dich auch vermisst!“, tönt der mehrstimmig angelegte Gesang daraufhin vehement, scheinbar unnachgiebig eine Antwort seines Gegenübers einfordernd. Das untrennbare Spiegelbild zum „Wechselbalg“ verdeutlicht unmissverständlich: Wieder einmal werden die Seiten und somit auch die hart erkämpften Positionen im ewigen Machtgefälle getauscht. Unsere Kräfte schwinden, das Gegenüber hingegen wird immer stärker. Zu wessen Gunsten wird sich dieser Kampf entscheiden? Der Kampf um Leben und Tod, Herz und Verstand? Um unsere Seele? Um uns selbst? Doch eine Erwiderung bleibt vorerst aus. Oder liegt sie längst schon in uns? Ganz so, wie ein vertrauter Widerhall? Wie ein ewiges „Echo“? Doch haben wir selbst gerufen oder wurden wir gerufen? Gelockt? Getäuscht? Wenn ja, von wem? „Am Tag erdrückte mich der fahle Sonnenschein. Alle Sterne blickten nachts auf mich herab, doch nie befreiten sie mich von der großen Bürde. Kein Regenguss, kein Strafgericht… Nichts wusch mich rein und selbst Sternschnuppenschweife schnitt ich ab. Gewahr, dass es vom Himmel nichts mehr geben würde. So kam ich frei. Kappte Fäden vehement, die ihren Ursprung hatten dort am Firmament…“, heißt es in der vorausgeschickten Spoken-Word-Passage zur Einführung. Gefolgt von den hellen und positiv aufgeladenen Akkorden einer straight rockenden Wave-Gitarre, die bald schon vom taktvollen Pumpen der Drums unterstützt werden. Die musikalische Grundrichtung verheißt in direkter Verbindung mit dem sanft aufrüttelnden Text einmal mehr wahre Aufbruchstimmung: All den Schutt und die alten Trümmer der Vergangenheit hinter sich lassen, ihr entkommen können. Kein Blick mehr zurück, nur nach vorne schauen… Doch wer weiß, wohin? Egal, so weit uns die Füße nur tragen! Ohne Last, doch frohen Mutes. Gänzlich unbeschwert, doch dafür mit leichtem Gepäck und unserer inneren Stimme als einzigem Begleiter, die beruhigend zu uns spricht: „Ruhe sanft und ruhe still. Ruhe sanft. Dunkel und kühl. Ruhe sanft, weil du sonst verbrennst! Ruhe sanft. Es wird Zeit, dass du dir etwas Ruhe gönnst!“, rät sie uns im Refrain. All die vielen Jahre auf all den steinigen, harten Wegen haben wir uns von äußeren Einflüssen entkräftet geschunden und vor Schmerzen gewunden. Verwundert. Verwundet. Und doch war da immer etwas in uns, das uns zur Rastlosigkeit antrieb. Kein Inne- und kein Anhalten. Was die immerzu lockende, ungewisse Ferne uns wohl versprechen mag? Was die Zukunft noch alles für uns bereithält? Wir werden es in jedem Fall nur dann herausfinden können, wenn wir unsere Vorsicht allmählich ablegen und uns dazu durchringen, langsam aus unserem alten „Panzerhaus“ hervorzukommen. Aus dem langen Schlaf erwachen, die Augen wieder aufschlagen. Noch halb „im Traum im Traum im Traum“ versunken… Und auch, wenn all die bitteren Ängste dann mit uns auferstehen werden und Vergangenes niemals ungeschehen wird, so müssen wir uns ihnen irgendwann doch stellen. Die Flamme entfachen. Feuer fangen. Wollen wir nicht wieder brennen!? So, wie ein Phönix aus der Asche unserer Vergangenheit emporsteigen? Mit dem richtigen, starken Willen verschieben sich so auch die Worte unserer Kopfstimme, die jetzt ermutigend zu uns spricht: „Ruhe unsanft und ruhe nicht still. Ruhe unsanft. Tu‘, was du willst. Ruhe unsanft, weil du dich erkennst! Ruhe unsanft. Es wird Zeit, dass du nun endlich wieder brennst!“. Also: Ruhe (un)sanft!


Erdig tönende Percussion und die sich filigran darum windenden Klänge der Geige sorgen sogleich für mystisch-exotische Atmosphäre, während all die mannigfaltigen Eindrücke der vielen Reisen wie in einer gedanklichen Retrospektive vor unserem inneren Auge an uns vorbeizuziehen scheinen. Alsbald wird jenes Fundament noch vom voluminösen Schlagzeug unterstützend gestärkt, bis dann plötzlich dreckig groovende Gitarren losbrechen. Durchzogen von im Hintergrund lauernden, stechendem Industrial-Electro und hellen, doch zugleich unheimlich verheerenden Glockenschlägen. Mit seinem ungemein getragenen, schwer schleppenden Rhythmus, dem dunkel rockenden Saiten-Werk, den leichten Elektronik-Versatzstücken und nicht zuletzt auch den gänzlich englischsprachigen Lyrics, steht dieser Song stilistisch ganz in der Tradition alter „ASP“-Klassiker, wie beispielsweise „Eleison“ und „Hunger“. Wir wandern immer weiter und marschieren zum Takt unbekannter Trommeln in unserer eigenen Vergangenheit einer noch unbekannten Zukunft entgegen… Und doch werden wir bis zum letzten Tag der ewige Fremde, „The Eternal Stranger“, sein. Wohin wird uns dieser Weg noch führen? Wie lange müssen wir noch gehen? Wann sind wir endlich am „Ziel“? Irgendwie gespenstisch, doch zugleich auch sonderbar hoffnungsvoll, tröpfeln nun hauchfeine Piano-Salven unter einem aufkeimenden Beat zart in die Leere, bevor sich das satte Schlagzeug und ein extrem powerndes Gitarren-Riff mit der vorherrschenden Melancholie vermischen, um diese dann umgehend in einen starken Up-Tempo-Song zu verwandeln. So vielen Irrungen und Wirrungen mussten wir uns auf dieser „sprunghafte Reise“ schon stellen, scheinbar stets beobachtet von einem unbekannten Begleiter. Wer oder was ruft da tief in uns? Ruft uns zu sich? „Wartest du dort hinterm Horizont? Schmiegt die Erde sich so müde an das Himmelreich. Sturm zieht auf mit dunkler Wolkenfront. Ganz egal, wie schnell ich lauf‘, der Abstand bleibt doch gleich. Die alte Sehnsucht ist mein einziger Begleiter und trotzdem steh‘ ich auf und gehe taumelnd weiter!“, schwirren die Gedanken im Kopf umher. Fragen über Fragen. Was verlängert unseren Weg immerzu? Wann sind wir frei? Wann kommen wir endlich an? Und war uns vorhin, als eine merkwürdig vertraute Stimme fauchend unsere Worte spiegelte, nicht noch kurzzeitig ganz so, als würde uns ein unsichtbarer Begleiter die Hände auf die Schultern auflegen und verschwörerisch in unser Ohr flüstern? Sind wir etwa nicht allein? Und Schritt für Schritt wird die Zukunft zur Gegenwart… Wieder sind es die kleinen Sprengsel eines einsamen Klaviers, die jetzt unsere ganze Aufmerksamkeit erregen. Irgendetwas ist anders und uns beschleicht ein ungutes Gefühl… Der gerade noch so unterschwellig präsente Hoffnungsschimmer, der uns innerlich trotz aller Strapazen weiter vorantrieb, scheint nun auf einmal verloren gegangen zu sein. Stattdessen rieseln die hauchfeinen Töne klirrend kalt, pechschwarz und irgendwie böse ins Nichts hinab, um dann schließlich auf dem scheinbar metertiefen und uns unbekannten Grund still zu versiegen. Haben wir diese unheimliche Melodie nicht schon einmal irgendwo und irgendwann vernommen? Ja, ganz sicher sogar, so schweifen unsere Erinnerungen an den äußersten Beginn unserer Reise… „A Prayer For Sanctuary“. Nicht mehr lange und schon wird dieses ungut an uns nagende Gefühl um düster pfeifende Elektronik angereichert, ehe harsch um sich schlagende Riffs laut werden, uns immer enger einkreisen und aggressiv sägende Streicher den beängstigenden Reigen dramaturgisch vollenden. In einem kleinen, auf den unruhigen Wellen schwankenden Boot treiben wir über den hier besungenen See aus scharfen Scherben unzähliger Spiegelsplitter, die nur darauf zu warten scheinen, sich durch unser Blut rot färben zu können. Angst steigt unentwegt in uns auf… Kaum das nächste Ufer erreicht, trägt es uns alsbald weiter durch die Ödnis und sengende Hitze. Kaum mehr bei Kräften, ausgehungert und durstig. Vorbei an sterblichen Überresten und Knochen uns unbekannter Lebensformen. Haben wir uns verirrt? Selbst alle Geister haben sich hier längst vom Wind verwehen lassen. Zu karg und einsam war und ist dieses Land. Nur uns bleibt weder Rast noch ein Ende vergönnt. Weiß ist die Trauer. Weiß, wie das Salz. Und der Abschied schmeckt nach alter, kalter Asche. Alles vergeht, alles endet. So, wie „Seerosenblüten Von Einst“. Ein hypnotisches Surren steigt finster blubbernd mehr und mehr an. Es will nun einfach nicht mehr auf unserem Kopf weichen und konfrontiert uns immerzu mit neuen, beängstigenden Bildern, wie wir sie uns selbst in unseren kühnsten und dunkelsten Träumen nicht einmal ausmalen könnten. Bilder, die uns wie ein „Ausgewachsener Albdruck (Fremde Träume 3)“ erscheinen. Sind wir wach oder noch im Traum gefangen? Wir müssen uns anscheinend in einem riesigen, dunklen Wald befinden, der nie etwas anderes gesehen hat, als den „ewigen Zyklus aus verrottendem Verfall und wildem Wachstum“. Hier gibt es keinerlei Pfade und Wege, nur „gängelnde, bevormundende Lücken in der unkontrollierbaren Vegetation“. Ihre zahllosen Ranken und Lianen, die über die Zeit ein sonderliches Eigenleben entwickelt zu haben scheinen, wollen uns mit ihrer ganzen Kraft umschlingen, festhalten, würgen… Vollkommen orientierungslos irren wir weiter umher und gelangen schließlich auf eine übergroße Lichtung. Ihre weite, kreisrunde Fläche ist dergleichen versenkt, als habe es hier einen schrecklichen Brand gegeben. In ihrer Mitte ragt ein gewaltig hoher Baum in die Luft. Umwirbelt von noch schwelenden, verkohlten Blättern, die wie verbrannte Schmetterlinge tänzelnd zu Boden fallen. Von seinem massiven Stamm löst sich plötzlich die Rinde und einige Stücke, groß wie Hausdächer, brechen ab und stürzen zu Boden in ein rauchendes Meer. Asche steigt auf und übrig bleibt nur ein schwarzer, öliger Stumpf. Unsere Augen wollen nicht sehen, doch wandern sie an ihm hinauf und glauben plötzlich einige Öffnungen darin zu erkennen, die sich tatsächlich als Fenster erweisen. Hinter den Überresten der Rinde werden die Umrisse eines gigantischen Gebäudes sichtbar, dessen oberste Spitze sich hoch in den Wolken zu verlieren scheint. Mit einem Mal schließen sich hinter uns alle möglichen und unmöglichen Ausgänge und so beginnen wir damit, panisch im Kreis umherzugehen, um vielleicht doch noch entkommen zu können. „Rundherum, rundherum, rundherum…“. Um uns herum scheint langsam alles zu verwischen, zu schwinden, zu versinken. Nicht nur diese Umgebung, dieses unbekannte Land… Nein, gleich unsere ganze Welt. Weltunter. Komm zu mir!


Ein glockenklares Klingeln, gleichmäßiges Rauschen und versteckt knisternde Elektronik legen vor, bis dann die E-Gitarre langsam ihre Akkorde entsendet, die das Besungene minimalistisch und in gleichmäßigen Abständen passend untermalen. Irgendwie fühlt es sich trostlos, matt und leer an und doch sind wir nicht mehr länger allein: „Zeit und Welt vergehen, eh wir’s uns versehen. Was bleibt, falls etwas wirklich überdauert, halb vergessen und auch halb betrauert? Bleibt etwas von Bedeutung doch bestehen?“, eilen jene gewichtigen Fragen in der ersten Strophe weit voraus und werden doch bald darauf von einem flüsternden Echo eingeholt, welches entsprechende Zeilen dunkel fauchend wiederholt, bis die instrumentale Kraft von jetzt auf gleich entfesselt ansteigt. Einmal mehr übernehmen jetzt druckvolles Drumming, harte Riffs und kalt summende Keyboard-Flächen und walzen schmetternd voran. „Sind wir zum Schluss nur lauter kleine Lichter und Träume eines Seins, ohne Gesichter? Wir sind nur zarte Kerzenflämmchen und mehr nicht. Doch auch nicht weniger, wenn bald der Sturm losbricht!“, heißt es dann in der Bridge, die anschließend in einen unglaublich hymnischen Refrain von majestätischer Schwere übergeht, der den Hauptteil des aktuellen Titeltracks abrundet. „Wir haben alles zu verlieren. Wir müssen lernen, wie wir uns rechtzeitig gegenseitig und durch die Nacht führen…“. Kein Zweifel: Wir sind „Endlich“! Fremd in dieser Welt. In dieser Gesellschaft. Doch längst nicht mehr nur das. Scheinbar fremd im eigenen Körper… Ja, sogar im eigenen Verstand? Die innere Manifestation, sich innerhalb einer bestimmten Umgebung und auch der eigenen Rolle darin fremd zu fühlen, ist mit all seinen unterschiedlichen Facetten das zentral-thematische Kernelement dieses Zyklus, welchem sich seit dem ersten Album mit der „FremdkörPerson“-Reihe angenommen wird, deren vierter und letzter Part uns jetzt erwartet. Die süßlichen Laute einer kleinen Spieluhr dringen so verträumt wie unschuldig zu uns hindurch. Im Hintergrund dröhnt es derweil finster und doch säuselt sich die liebliche Melodie beruhigend sanft in unsere Gehörgänge, bis die trügerische Ruhe ruckartig schwindet und eine satte, dichte Gitarren-Front mit ihrem kernigen Riff, sowie abgrundtiefe Growls zuschlagen. „Warst du einmal eine Kathedrale, gebaut für einen längst vergessenen Gott? Warst du ein Gefängnis viele Male, stand in deinem Inneren ein Schafott? Wie lange würde es dauern, wie lange bräuchten der Regen und der Wind, bis alle steinernen Mauern und alle Schuld endlich abgetragen sind?“. Was, wenn das Panzerhaus längst verlassen und der Phragmokon zerbrochen ist? Nur ein verletzlicher Kern ohne Schale? Schutzlos? Oder schon immer leer gewesen? Bleibt am Ende nur verfallenes Mauerwerk, eine „Ruine“? Behände setzt sich die melancholisch-zarte Piano-Melodie auf das unterschwellige Pulsieren eines nervös zuckendes Beats und zurückhaltende Streicher-Ansätze. Nur ein kurzer Break… Und schon vereint sich die bitter klagende Klaviatur mit der energetischen Power von Schlagzeug und Gitarren zu einer augenblicklich ergreifenden, tiefgehenden Melange, die einen einfach nicht mehr loslassen will. „Spät“ handelt von großem Verlust, tiefer Trauer und einem nahenden, endgültigen Abschied. Ganz besonders aber auch von dem schrecklichen Gefühl der scheinbar bodenlosen Leere und nicht enden wollenden Sprachlosigkeit. Vom vorübergehenden Unvermögen, einen klaren Kopf bewahren und wieder Herr seiner aufgewühlten Emotionen werden zu können. Von der quälenden Ohnmacht, einfach keine Worte für das Geschehene, ja, für Unvermeidliche, zu finden und doch immerzu nach ihnen zu suchen, um den Boden unter den Füßen zurückzugewinnen. So zeichnen die Zeilen innerhalb der von rhythmischen Drums und sphärischer Elektronik geprägten Strophen fantasievolle, poetische und zu jeder Zeit doch sehr nachvollziehbare Bilder von Worten, die nur darauf warten, „sich zu entlarven“, doch dabei kläglich in den „Hülsenhälsen“ steckenbleiben. Es werden Vergleiche zu „verpuppten Raupen“ und „Kokons“ gezogen, denen es in diesem Stadium unmöglich ist, ihre „Fühler rauszustrecken“. Von „verdorrten Blumen“, „rauen Kehlen“ und „fallenden Blättern“ ist die Rede. In der Bridge heißt es dann: „Wenn sie fliegen, fliegen sie zu spät. Schillern nicht in vielen Farben, Flügelmuster ähneln Narben. Keiner weiß, wohin der Wind sie weht…“. Und so wird letztlich mit aufrichtiger Melancholie, viel lyrischem Einfühlungsvermögen und einem kleinen Hauch Pop-Appeal das scheinbar Unmögliche vollbracht: Es entstehen Worte, wo sie zuvor ersatzlos fehlten und es wird klar, dass ehrliches Verständnis und das Gefühl, mit seinem Schmerz nicht länger alleine zu sein, manchmal jeder Trost ist, den man neben Geduld, Reflexion und Zeit zur Überwindung seiner Trauer braucht, auch wenn sie niemals vollends schwinden kann und wird. „Mein Trauermantel ist ein Schmetterling!“. Die warmen Saiten einer akustischen Gitarre bereiten uns anschließend langsam auf die letzten Meter unseres Weges vor. Aus dem Hintergrund flackern jetzt zur Weise der betrübten Violine immerzu kurze Synthie-Flächen verholen auf, nur um dann gleich wieder zu verschwinden. Wenige Sekunden später wird jene mystische Kulisse einmal mehr von Schlagzeug und Doom-Gitarren durchbrochen, die im schwermetallisch geprägten Rhythmus übermächtig voran walzen. „Nimm nun meine Hand. Hab’ keine Angst, wenn sie auch klauenartig wirkt durch die vierte Wand. Vielleicht erfährst du endlich, was sich dort verbirgt? Komm, mit letzter Kraft. Gemeinsam gingen wir auf steinig harten Pfaden. Bald ist es geschafft, wir können aufhören, Traumgespinsten nachzujagen. Genug gefragt, genug gesagt, genug gewartet ohne Ziel…“, spricht eine Stimme von irgendwoher zu uns. Sie scheint jetzt ganz nah. In unseren Gedanken, in unserem Kopf. Doch nicht mehr länger nur das. Nein, noch viel näher… Irgendwie persönlich. Manifestiert. Unheilvolle Chöre verdichten die angespannte und sich immer weiter zuspitzende Atmosphäre, sodass sich die ohnehin schon dunkle Wolkendecke über uns weiter zuzuziehen scheint. Ein beunruhigendes Gefühl beschleicht uns. Fühlt es sich so etwa an, sein Ziel erreicht zu haben? Angekommen zu sein? Aufgeben? Oder doch eher Abschied? Aber von was oder von wem? Von dieser Reise? Von Willenskraft? Etwa von uns!? „Die Phase unseres Werbens hat ein Ende oder wird von vorn begonnen. Pfade des Verderbens ohne Wende. Wie gewonnen, so zerronnen…“, verkünden mehrstimmige Gesänge in der Bridge, die fließend in den wuchtigen Refrain übergeht: Die letzten Worte richten sich an dich, bevor die Lippen sich nicht mehr bewegen. Das letzte Strahlen, das letzte Augenlicht. Nachdem die Glieder sich im letzten Zucken regen. Der letzte Funke dieser schnell schwindenden Lebensenergie, die letzten Töne einer bald verklungenen Herzensmelodie. Das letzte Schlagen und die allerletzten Rhythmen, werde ich ohne Klage dir alleine widmen!“, begleitet von heftig erschütternder Percussion und dramatischem Streicher-Bombast, später kommen sogar noch Blechbläser hinzu. „So lang auf meinen unbewussten Reisen, träumte ich des nachts von Flammenkreisen…“. Kein Ausweg mehr. Dies ist unsere letzte „Widmung“. Der kräftige, volle Klang einer Marktsackpfeife lässt anschließend für kurze Zeit nicht nur schottisches Flair aufkommen, sondern mit seiner Melodie vor allem Erinnerungen an die asp‘sche Interpretation von „Auld Lang Syne“, namens „Nehmt Abschied“, wach werden, bis eine massive Wand aus hämmerndem Schlagzeug und sägenden Gitarren die friedvolle Idylle unter den unheilvollen Zwischenrufen „The end is near! Hear! Hear!“ sofort zerschlägt. Direkt auf jenes Preludium eröffnet dann eine kernige Basslinie gefolgt von catchy rockenden Riffs, die „Raise Some Hell Now!“ fast schon eine punkige Note verleihen. „You may ask yourself if anything we did made any sense. We are not here to ease your pain, nor will we bring deliverance. You came of your own will, so don‘t expect me now to make amends! I‘m glad you‘re here, in this very moment, when it all ends without any friends…“, lauten die Textzeilen der ersten Strophe des einmal mehr komplett englischsprachigen Songs, der darüber hinaus unter anderem ein sehr charmantes, augenzwinkerndes Selbstzitat an das einstige Motto der 2010er „Es Lebe Wir“-Tournee enthält. Die erste und darüber hinaus einzig physikalische Single-Auskopplung von „ENDLiCH!“ bedient sich mit dem Durchbrechen der sogenannten „vierten Wand“ einem schönen Kunstgriff zur direkten Kommunikation mit dem Hörer, verrät nur für sich genommen nahezu nichts über die restliche Geschichte und funktioniert daher auch als Standalone-Release ohne Kontext zu den restlichen, lyrischen Zahnrädern im gigantischen Zyklus-Getriebe. Eine gute Wahl also, dieser rasante Up-Tempo-Song mit ordentlich (Höllen-)Feuer unter der Haube: „Start to praise yourselves in this song!“. Die sich nahtlos daran anschließende „Begleitung“ mit dem Zusatz „(Bedenke Gut Instrumentalreprise)“ greift anschließend konsequenterweise das musikalische Motiv des Intros auf, reichert das organisch-mystische Gemisch aus Percussion und Harfe mit der sehnsüchtig klagenden Weise eines Dudelsacks dabei allerdings noch um eine weitere Komponente an, um den sich jetzt weiter in Richtung Finale zuspitzenden Klimax würdevoll zu unterstreichen…


„Ich weiß nichts mehr vom einst von mir durchquerten Land. Vom Sturz ins Meer, noch davon, was darin geschah. Ich weiß nichts von der Küste, die ich danach fand, noch von der letzten Reise, nur: Bald bin ich da…“, schwinden allmählich die sonst immer so vehement präsenten und zermürbenden Erinnerungen an unsere lange Reise, während langsam die Bilder von Weltentausch, gleich einer Neugeburt, Fremdkörpergefühl und Maskerade an unserem inneren Auge vorbeizuziehen scheinen. Bilder, von einer hohen Klippe, schier endlosen Wassermassen, der dunklen Tiefsee und all den mysteriösen Kreaturen darin, dem Aktivieren der inneren Kraft und einem scheinbar rettenden Ufer voller Knochen. Und dann ist da immer wieder dieses mysteriöse, hohe Gebäude… Introvertiert, beruhigend und friedvoll erscheinen zunächst die hellen Akkorde der akustischen Gitarre, welche die Worte sanft stützen. „Der Körper ist nun taub, Schmerz und Lust gleichsam beraubt. Die Reserven sind verbraucht, doch geh’ ich weiter. Rein mechanisch, ohne Kraft, doch bald ist es wohl geschafft und mein Geist, mein müder Geist, ist beinahe heiter.“ - Völlig entkräftet von all den verschlungenen Pfaden und gefährlichen Hindernissen auf unserem langen Weg und doch mussten wir immerzu weitergehen. Etwas oder viel mehr jemand trieb uns dazu an oder war es doch nur die Hoffnung auf eine Antwort? Auf ein endgültiges Ziel, das wir bis jetzt nicht näher definieren konnten. Fast scheint es so, als seien wir vorher schon einmal oder sogar mehrmals hier gewesen… Oder doch ganz woanders? Ja, so, als hätten wir diese oder eine ähnliche Reise als ewige Reinkarnation unseres eigenen Ichs schon so manches Mal bestritten. Die Erinnerung daran fehlt und doch haben die Erlebnisse sichtlich ihre Spuren tief in uns hinterlassen. Jetzt liegen die letzten Meter vor uns. Wir wissen es nicht, aber spüren es. „Barfuß im Büßerhemd, kaum noch lebendig. Kalt! Fremd, fremd, unendlich fremd und unvollständig. Doch bald…“, dringen uns finstere, mehrstimmige Chöre unheimlich und bedrohlich, doch gleichsam irgendwie vertraut, verständnisvoll und verlockend zu Gehör. Und plötzlich schlägt die Stimmung um, verkehrt sich ins absolute, abgründige Gegenteil. Die trügerische Sicherheit des Ankommens, die uns dieser Ort noch bis gerade eben suggerieren wollte, wird mit einem Mal von dunkel aufziehenden Gewitterwolken weggefegt. Lauernde E-Gitarren, das verquere Spiel einer schrillen Violine, pulsierende Elektronik-Auswüchse und sirenenartige Schreie verdichten sich zu einem teerschwarzen Sog, der nach seinem sorgsamen Aufbau dann schließlich in einen schwer stampfenden, vernichtenden Metal-Reigen kippt. „Und Schattenflammen umzüngeln die Steinwände, Negativblitzen gleich. Graue Rindenfetzen schälen sich ab und hinterlassen spiegelglatte Mauern. Die Netzhaut ist bald totgereizt und tastend kriech ich weiter in dein Reich…“, entweichen staunend und fassungslos Worte, die zu beschreiben versuchen, was unser Auge nun sehen muss, während majestätische Fanfaren und hallende Glockenschläge voll anmutiger Schönheit und zugleich doch einschüchternd gebietender Ehrfurcht diese schier monumentale Größe und Erhabenheit vertonen wollen. Kalter Stein erhebt sich vom Boden aus hunderte von Metern hoch in die Luft, dringt schon bald durch die Wolkendecke und ragt immer weiter und weiter in den Himmel hinein, sodass die Spitze uns verborgen bleibt und nicht einmal mehr zu erahnen ist. Für kurze Zeit flacht das Momentum der puren Überwältigung durch die Akustikgitarre wieder ab, so als könnten wir einen klaren Gedanken fassen, bis die rauen E-Gitarren druckvoll nachlegen und mit einem Schlag auch die letzte Hoffnung schwindet: „Plötzlich wird mir nun bewusst, ich kann dich niemals bezwingen. Kaltes Eis strömt in die Brust und ich hör dein tiefes Singen. Und ein Kind, das einsam weint, irgendwo im tiefsten Kerker und es wartet dort, wie’s scheint, doch das Singen ist viel stärker. Wie es lockt! Wie es befiehlt! Ach Liebe, wie die Zeit verging. Wie es mir meinen Willen stiehlt. Bei meiner Seel… Bei meiner Seel…“. Schlagartig fällt es uns wie Schuppen von den Augen: Haben wir diese unendlich weite Reise etwa nur auf uns genommen, um letztlich genau dorthin zurückzukehren, von wo aus wir einst flohen? Sind wir wieder da oder waren wir niemals so ganz fort? War es das, was wir gesucht haben? War es das, was wir wollten!? Doch jetzt gibt es kein Zurück mehr. Jemand ruft uns zu sich. Stärker, als jemals zuvor. Und wir können uns nicht mehr länger widersetzen. Die letzten Reserven versiegen, je näher wir kommen und trotzdem müssen wir weitergehen. Hoffnung und Zuversicht verschwinden endgültig, weichen Panik und blanker Angst. Fast scheint es so, als hielte er dort noch einen wichtigen Teil von uns gefangen, den wir in unserer Leere immer so sehr vermissten. Und doch können wir ihn ihm abermals nicht abringen, wir sind einfach zu schwach. Während sich die Geige jetzt wie von Sinnen in höchste Sphären spielt und dabei die Melodie von „Unverwandt“ wie einen Hinweis aufgreift, wanken wir willenlos, ja, wie automatisch oder hypnotisiert mit allerletzter Kraft weiter nach vorne und auf dieses imposante, gigantisch große „Tor“ zu, uns unserer Gefühle schon längst nicht mehr im Klaren. Und so entweichen uns Worte, die wir nicht einmal im Traum gewagt hätten, je wieder auszusprechen: „Öffne dich, öffne dich für mich! Lass mich doch ein, das Warten hat ein Ende. Öffne dich, öffne dich für mich! Du weißt, es soll und muss und darf geschehn. Mach dich bitte auf wie nie zuvor! Was nun geschieht, ist nicht mehr abzuwenden. Spreiz die Flügel, mach mir weit dein Tor! Was sein wird, werden wir gemeinsam sehn…“. Seltsam angezogen, erschreckend fasziniert und maßlos überwältigt geben wir den Widerstand schließlich auf und uns dem Rufen aus dem Inneren des Turms hin. Vielleicht ist dieser Ort ja doch unsere wahre Bestimmung? Vielleicht werden wir hier ja endlich finden, was wir gesucht haben? Wir werden es nur erfahren, wenn wir alles, wirklich alles, aufgeben. Nichts haben wir jemals so sehr gefürchtet und doch so sehr erwünscht. Es ist soweit. Keine Frage: Das finale Epos des letzten Kapitels im „Fremder“-Zyklus ist nicht viel weniger, als die Musik gewordene Katharsis des ewig fremden Wanderers und ein bombastischer Schlusspunkt von gar cineastischer Tragweite. Während die lyrischen Fragmente aus „Fading Away (A Vision)“, dem letzten Song des zweiten Albums „Duett“, erklingen, dröhnt leise aus dem Hintergrund ein sich selbst wiederholendes Mantra, welches jetzt immer lauter und fordernder wird, alles andere erbarmungslos zu überschatten und endgültig in die absolute Bedeutungslosigkeit treten zu lassen: „Das äonenlange Kriechen wie ein Wurm oder ein tapfer weiterkrabbelndes Insekt ist bedeutungslos im Angesicht des Turms und dessen, der sich innendrin versteckt!“. Und uns wird klar: Es gibt kein Zurück mehr. Wir sind angekommen. Am Ziel. Am Turm. Am Ende. Von allem und nichts… „Hast du mich vermisst?“.


Tracklist:

CD 1


01. Intro: Bedenke Gut


02. Was Du Dir Wünschst


03. Echo


04. The Eternal Stranger


05. Ziel


06. Seerosenblüten Von Einst


07. Ausgewachsener Albdruck (Fremde Träume III)


CD 2


01. Endlich


02. Ruine (FremdkörPerson, Viertens)


03. Spät


04. Widmung


05. Raise Some Hell Now!


06. Begleitung (Bedenke Gut Instrumentalreprise)


07. Tor

Fazit:

Zehn Jahre Aufbruch. Zehn Jahre Rastlosigkeit. Zehn Jahre Sinnsuche. Zehn Jahre einfach anders. Zehn Jahre „fremd“… Man mag es kaum glauben, wie schnell die Zeit doch vergeht. Seit dem einstigen Startschuss des „Fremder“-Zyklus in 2011 ist - den kurzen Zwischenstopp in einem gewissen Hotel zusätzlich eingerechnet - mittlerweile tatsächlich eine ganze Dekade wie im Fluge vergangen. Die Fortsetzung zur packenden Geschichte um den schwarzen Schmetterling, die mit „Requiembryo“ anno 2007 ihr spektakuläres Ende fand, begeisterte die treue Fangemeinde bisher mit vier Teilen, die sowohl thematisch als auch musikalisch jeweils alle ihre ganz eigene Note einbrachten. Nach dem direkten Vorgänger „Kosmonautilus“ erscheint dieser Tage mit „ENDLiCH!“ nun also das letzte und gewohnt viel Spannung erwartete Kapitel des zweiten Story-Bogens der beliebten Gothic-Novel-Rock-Formation. Und das von der Band selbst ernannte „Grande Finale“ hat fraglos so einige Höhepunkte zu bieten: Hier laufen die vielen vertrackten Erzählstränge der Geschichte(n) weitestgehend auflösend zusammen, wobei der Fokus dieses Mal verständlicherweise klar konzentriert auf dem großen Ganzen, denn losgelöster, kleiner Handlungsschauplätze liegt. Die Songs schließen dabei so manchen bisherigen Kreis, ohne zu viele neue Fragen aufzuwerfen. Dennoch ermöglichen die verschiedenen Ebenen natürlich gewohnten Spielraum für zahlreiche Interpreationsmöglichkeiten des Rezipienten und auch das recht offen gehaltene Ende mit einem eindeutigen Wink in Richtung einer Fortsetzung schürt die Neugierde auf alles Kommende im Rahmen des geplanten Turm-Zyklus. Weiterhin laden einmal mehr in diversen Formen vorhandene Selbstreferenzen, charmante Zitate, liebevolle Details, intelligent verwobene Verknüpfungen und textliche Kunstgriffe, welche es, wie kleine Easter Eggs, nahezu überall gibt, beim Hören zum Entdecken ein. Visuell gewohnt stark durch das bildgewaltige Artwork unterstützt, für das wie zuletzt schon Stefan „Heilemania“ Heilemann verantwortlich zeichnet. Gar keine Frage: Asp versteht es wie eh und je ganz hervorragend, zutiefst fesselnde Geschichten in dunkel-poetischer Lyrik zu erzählen und seine Hörer damit in seinen Bann zu ziehen! Ein kleines Kuriosum: Obwohl dieses Mal ein Großteil der Stücke hinsichtlich der Spieldauer zwischen gerade einmal fünf bis sechs Minuten zumindest für asp‘sche Verhältnisse überraschend kompakt geraten ist, sind diese bis auf die vorab veröffentlichten Singles zunächst doch nicht minder sperrig und schwer zugänglich. Vielleicht sogar noch etwas schwerer, wie selten zuvor. So zeigt sich ihre gesamte Komplexität nicht allein nur in der bloßen Länge, sondern auch in den Arrangements, der Instrumentierung und einmal mehr natürlich auch der durchdachten Lyrik und starken Bildsprache, welche die Erzählung zusammen mit dem visuellen Aspekt so greifbar gestalten, wie es zuletzt schon mit „zutiefst“ gelang. Soweit nichts allzu Ungewöhnliches im Hause „ASP“, oder? Trotzdem kristallisiert sich bei diesem Abschluss gleichzeitig die Manifestation einer jahrelang anhaltenden Entwicklung ganz besonders heraus, was zwar zu einem gewissen Anteil subjektiver Natur ist, aber dennoch nicht völlig unerwähnt bleiben sollte, scheiden sich doch nach wie vor die Geister der Alt- und Neu-Fans daran: „ENDLiCH!“ ist nicht nur erzählerisch, sondern auch rein stilistisch und musikalisch gesehen die logische und konsequente Fortsetzung der bisherigen Zyklus-Teile, womit allerdings auch ein gewisses Muster mit in die Gegenwart übernommen wird, das seit „MaskenHaft“ charakteristisch für die Band geworden zu sein und sich immer mehr auszubreiten scheint. Einige der Harmonien und Melodien gehen nur schwer oder zumindest bedingt ins Ohr. Durch die unterzubringende Textfülle scheint der andere Part, der neben den Lyrics auf einem Album eben auch nicht ganz unwichtig ist, nämlich die eigentliche Musik, an einigen Stellen zur Nebensächlichkeit mit lediglich untermalendem Charakter degradiert worden zu sein und nur noch als hintergründiger Träger für die Geschichte zu dienen. Zwar umfasst das breite Repertoire von geheimnisvollem Wave, energetisch-atmosphärischem Folk und mächtigen Orchester-Parts über recht klassisch gespielten, dunklen Rock bis hin zu kurzen Metal-Passagen viele Spielarten des Genres, doch leider bleibt hier so manches Arrangement vergleichsweise etwas zu blass, berechenbar und überraschungsarm, um einen gesamten Song befriedigend ausfüllen zu können. Auch wenn es sich vielleicht konfus lesen mag: Die instrumentale Seite ist also alles andere als simpel, eindimensional oder gar einfallslos, aber eben nicht wirklich facettenreich, sondern sehr einheitlich, ja, um nicht zu sagen geradezu gleichförmig. Konnte man als langjähriger Fan vor gar nicht allzu langer Zeit noch so ziemlich jedes Intro, jedes Interludium, jedes Instrumentalstück und jeden Song bereits an den ersten Tönen ausmachen, will sich dieser Effekt der unvergleichlichen Wiedererkennung mit Ausnahme weniger Stücke jetzt erst viel später durch Dauerrotation einstellen. Doch ineinander verzahnte Geschichten voll ausschweifender Poesie mit signifikanter Überlänge und große Melodien, mal hart und elektronisch, mal sanft und folkig, mal eingängig und tanzbar, mal verzweigt und introvertiert, schließen sich nicht unbedingt gegenseitig aus, gelang „ASP“ diese gegenteilig erscheinende Verquickung über all die Jahre doch in Perfektion. Das bedeutet natürlich nicht, dass lieber zwingend eine Rückkehr zum alten Stil oder die ständige Reproduktion des ewig Gleichen stattfinden sollte, denn Entwicklung gehört immerhin dazu, ist gut und richtig. Viel mehr wäre, so zumindest mein persönlicher Wunsch, für die Zukunft eine Besinnung auf wirklich ALLE Stärken, die den einzigartigen Gothic-Novel-Rock sonst so unverwechselbar gemacht haben, zu ausgewogenen Anteilen erfreulich… Ohne dass bestimmte Komponenten zu sehr überwiegen und andere dafür untergehen. Natürlich erfordert die thematische Umsetzung von Endlichkeit und Abschied eine gewisse Schwere als Stilmittel, was vor dem Hintergrund eines organisch funktionierenden und übergeordneten Konzepts nur schlüssig ist, auf die Dauer zweier CDs hinweg gesehen aber leider etwas schlauchen kann. Viele Titel kommen zweckbedingt sehr getragen daher und sind eher im mittleren Tempo mit klarem Fokus auf den Inhalt einzuordnen, denen so zwar der benötigte Raum zur Entfaltung zugesprochen wird, andernfalls aber die musikalische Variation einschränkt und die Kompositionen somit gelegentlich abwechslungsarm streckt. Schnellere oder härtere Up-Tempo-Nummern und die elektronische Schlagseite, die auf den letzten Alben oftmals für die spezielle Dynamik, Energie und Melodiösität sorgte, werden auf „ENDLiCH!“ weitestgehend vermisst, genauso sucht man das sonst so hohe Maß an Verspieltheit, Experimentierfreude und erinnerungswürdigen Melodien hier manches Mal vergebens. Leider. Dieser kleine Einwurf sei mir zum Abschluss des Zyklus erlaubt. Kein Zweifel, auch das neueste Album ist in all seiner ausgefeilten Gesamtheit betrachtet wieder sehr ambitioniert, beeindruckend bildgewaltig und lyrisch in einer ganz eigenen Liga ausgefallen, wurde wie gewohnt bis ins kleinste Detail durchdacht und darüber hinaus in hervorragender Güte produziert. Qualitäten, die das Schaffen der Band noch immer zu der absoluten Speerspitze der Szene erheben. Wer aufwändig inszenierte, düstere Geschichten mit viel Identifikationspotential und Interpretationsspielraum liebt oder den weiter oben genannten Kritikpunkt ohnehin nicht teilen kann, wird ziemlich sicher so viel Gefallen an „ENDLiCH!“ finden, wie vermutlich die meisten Freunde der bisherigen Teile des „Fremder“-Zyklus. Übrigens: Erst kürzlich wurde der dritte und letzte Teil der Geschichte, der sogenannte „Turm“-Zyklus, angekündigt, der das noch fehlende Puzzleteil der „Flammenkreis“-Saga bilden soll. Doch beim Erbauen benötigen „ASP“ dringend eure Hilfe unter www.aspsturmbau.de - Schaut doch mal vorbei!

Informationen:

https://www.aspswelten.de https://www.facebook.com/AspsWelten

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